| Titel: | Ueber Koksschmelzen; von Ludwig Jahne in Petrowitz. | 
| Autor: | Ludwig Jahne | 
| Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 571 | 
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                        Ueber Koksschmelzen; von Ludwig Jahne in
                           								Petrowitz.
                        Jahne, über Koksschmelzen.
                        
                     
                        
                           Eine Reihe von Erfindungen in der Sodaerzeugung beziehen sich darauf, den Eisengehalt
                              									der Soda zu verringern, wozu man bekanntlich oft recht kostspielige und umständliche
                              									Vorrichtungen anwendet oder nach Verfahren arbeitet, welche eine sorgfältige
                              									Beobachtung vieler Einzelnheiten erfordern. Das Eisen der Soda entstammt
                              									verschiedenen Quellen, eine der mächtigsten davon ist die Abnützung der eisernen
                              									Handwerkszeuge bei Handöfen, insbesondere wenn stark stickstoffhaltige Kohlen zur
                              									Mischung genommen werden. Da die Bedingungen zur Bildung von Ferrocyanalkalien
                              									gegeben sind, so löst sich das Eisen in der Schmelze geradezu auf, wie jeder
                              									Sodachemiker leider an der raschen Abnützung der Krücken, Spateln u.s.w. erfährt. Es
                              									ist nun naheliegend, einen stickstofffreien Rohstoff
                              									zur Schmelzmischung zu suchen, bei dessen Anwendung die erwähnte Ursache der
                              									Eisenaufnahme wegfällt. Ein solcher Rohstoff ist im Koks gegeben, und wenn als Grund gegen seine allgemeine diesbezügliche
                              									Verwendung der hohe Preis desselben angeführt wird, so muſs bemerkt werden, daſs bei
                              									Kokswerken auch ein Abfallkoks zu billigem Preise zu haben ist.
                           Koksschmelzen zu machen wurde schon an verschiedenen Orten versucht, und es ist eine
                              									bekannte Thatsache, daſs dieselben frei von Cyan sind und demnach in salzsaurer
                              									Lösung mit Eisenvitriol keine Spur einer blauen Färbung geben. Im Nachstehenden will
                              									ich einiges von eigenen Erfahrungen mittheilen, die ich mit Koksschmelzen zu dachen
                              									Gelegenheit hatte.
                           Es wurde zunächst in den gewöhnlichen, hier üblichen Mischungsverhältnissen die Kohle
                              									durch Koks ersetzt und wie sonst im Ofen gearbeitet. Die Masse wurde erst nach
                              									längerer Zeit, dann aber sehr rasch dünnflüssig, beim Ziehen fand im Wagen noch eine
                              									heftige Bewegung statt und nach dem Erkalten und Erstarren war die Schmelze sehr
                              									blasig. Sie zeigte am Rande eine gelbliche, innen eine graue Farbe, unzersetzter
                              									Kalkstein war deutlich sichtbar und bei der Untersuchung ergab sich eine Alkalität
                              									weit unter der gewöhnlichen statthaften Grenze. Die Schmelze war also roh, unfertig,
                              									was auch die vorhandene bedeutende Menge von Glaubersalz bewies.
                           
                           Nun wurde eine Schmelze versucht, deren Koksmenge um 3/9 der gewöhnlichen Kohlenmenge erhöht
                              									war, im Uebrigen aber gleich gearbeitet. Die Untersuchung ergab denselben
                              									ungünstigen Befund, die Vermehrung des Koks hatte also nichts genützt.
                           Eine dritte Schmelze, wieder mit einer Vermehrung von 2/9 an Koks, lieſs man nun länger als
                              									gewöhnlich im Ofen. Jetzt zeigten sich nur noch einzelne unzersetzte Kalkstücke, die
                              									Alkalität stieg, blieb aber doch noch unter dem Erlaubten. Bei einer Wiederholung
                              									des Versuches mit der gleichen Mischung blieb die Schmelze etwa ⅓ über die übliche
                              									Zeit im Ofen und nun zeigte sich kein unzersetzter Kalkstein mehr und die Alkalität
                              									gab eine günstige Zahl.
                           Das späte Eintreten der Verschmelzung brachte auf den Gedanken, durch weitere
                              									Zerkleinerung den chemischen Vorgang zu beschleunigen. Es wurde nun der Koks
                              									gemahlen und der Kalk gesiebt, also in Pulverform angewendet. Das Ergebniſs war ein
                              									günstiges. Beim nächsten Versuch mit verfeinerten Mischungsbestandtheilen wurde nur
                              										1/9 mehr an
                              									Koks gegeben, die Schmelze aber um die Hälfte länger als sonst im Ofen gelassen.
                              									Diesmal zeigte die Alkalität das Höchste durch Handbetrieb Erreichbare. Weitere
                              									Schmelzen, in dieser Art behandelt, gaben gleich günstige Zahlen, auch als wieder
                              									grober Kalkstein und nur gemahlener Koks angewendet wurde. In der Folge versuchte
                              									man auch Schmelzen mit gewöhnlichem ungemahlenen Koks und längerer Schmelzdauer,
                              									erhielt aber dabei nur gerade die gestattete Alkalität und nichts darüber.
                           Aus diesen Versuchen, die in gröſserer Zahl fortgesetzt wurden, ergab sich, daſs es
                              									zur Erzeugung guter Koksschmelzen weniger auf eine Vermehrung des Koksgehaltes der
                              									Mischung oder den Feinheitsgrad derselben, als auf die Länge
                                 										der Zeit beim Schmelzen ankommt, welche bei geeignetem Bau der Oefen wohl
                              									auch durch eine stärkere Hitze ersetzt werden kann. Die Behandlung der Koksschmelzen
                              									im Ofen erfordert aber eine gewisse Schulung, denn es zeigte sich, daſs auch
                              									tüchtige Arbeiter bei Einhaltung der erkannten richtigen Verhältnisse doch erst nach
                              									einigen Versuchen eine gute hochgradige Schmelze zu Stande brachten. Diese meine
                              									Erfahrungen stimmen auch mit denen anderer Fachgenossen überein, soweit ich mir
                              									Kenntniſs davon verschaffen konnte.
                           Ein Ueberschuſs an Koks bei der Schmelze dürfte nothwendig sein, weil dessen
                              									Kohlenstoff jedenfalls schwieriger auf die Zersetzung einwirkt als jener der Kohle.
                              									Diese Einwirkung beginnt auch erst zu einer Zeit, wenn die Schmelzmischung schon
                              									ziemlich heiſs ist und darum erfolgt die Zersetzung jetzt rasch, wodurch sich wohl
                              									das schnelle Flüssigwerden der Masse erklärt. Von den sonstigen Eigenschaften der
                              									Koksschmelzen sei erwähnt, daſs sich diese meist schon beim äuſseren Ansehen von
                              									Kohlenschmelzen unterscheiden; sie sind lichter als letztere und zeigen oft eine röthliche
                              									Farbe, ohne daſs sie dabei als „verbrannt“ bezeichnet werden können. Sehr
                              									leicht kommt es bei ihrem Erstarren vor, daſs sich Krusten schalig absondern, welche
                              									dann stets eine niedere Alkalität aufweisen. Die Causticität der Schmelze fand ich
                              									durchschnittlich um ¼ bis ⅕ geringer als bei Kohlenschmelzen. Die Lösung derselben
                              									war bald hellgelblich, bald dunkelbraungrün, ohne daſs ich einen Zusammenhang mit
                              									der Höhe der Alkalität nachweisen konnte. Schwefelnatrium war nur in Schmelzen von
                              									höchster Alkalität, also über 97°, nachzuweisen, wobei man die Alkalität in der Art
                              									vermittelte, daſs eine Lösung der Schmelze eingedampft, calcinirt und der nun
                              									bleibende Rückstand zur Bestimmung verwendet wurde. Selbstverständlich enthielt
                              									keine der Schmelzen Cyan.
                           Um den Gesammteisengehalt festzustellen, führte ich mehrere Untersuchungen aus und
                              									fand dabei:
                           
                              
                                 Eisen in der gesammten Koksschmelze
                                 0,600
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Eisen im Löslichen der Koksschmelze
                                 0,016
                                 „
                                 
                              
                           Vergleicht man damit den Eisengehalt hochgradiger Kohlenschmelzen, die sonst aus
                              									denselben Rohstoffen dargestellt waren, so ergibt sich:
                           
                              
                                 Eisen in der gesammten Kohlenschmelze
                                 0,360
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Eisen im Löslichen der Kohlenschmelze
                                 0,029
                                 „
                                 
                              
                           Mithin zeigt sich, daſs die Koksschmelze im Ganzen bedeutend mehr Eisen enthält als
                              									die Kohlenschmelze, nur im Löslichen vermindert es sich auf die Hälfte und darauf
                              									kommt es bei der Sodaerzeugung wohl nur an. Der Mehrgehalt an Eisen im Unlöslichen
                              									der Koksschmelze erklärt sich zum Theil aus dem gröſseren Eisengehalte des Koks, wie
                              									nachstehende Zahlen deutlich zeigen:
                           
                              
                                 Trockene Karwiner Kohle enthält im Mittel
                                 0,6
                                 Proc.
                                 Eisen
                                 
                              
                                 Trockener Koks rund
                                 0,9
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           mithin die anderthalbfache Menge von der Kohle. Wie weiter
                              									unten zu ersehen, wurde bei Anwendung eines guten Koks zur Schmelze, statt der
                              									eingangs erwähnten Abfälle der Eisengehalt des Löslichen bedeutend niederer
                              									gefunden.
                           Durch Carbonisiren und vorhergegangene Oxydation der Rohlauge mit Luft wird
                              									bekanntlich das in Form von Ferrocyannatrium vorhandene Eisen nicht ausgeschieden.
                              									Es blieb nun wissenswerth, das Verhalten der Laugen von Koksschmelzen beim
                              									Carbonisiren zu beobachten, die doch frei von Cyanverbindungen waren. Ein Versuch im
                              									Laboratorium, mit einer kleinen Menge ausgeführt, ergab nachstehende Zahlen, und
                              									zwar beziehen sich diese auf Schmelze, die mit gutem Koks gemacht wurde.
                           
                              
                                 Eisen im Löslichen der Koksschmelze
                                 0,0036
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Eisen in der Fällung vom Carbonisiren
                                 0,0034
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                              
                                 Eisen in der carbonisirten Lauge
                                 0,0002
                                 Proc.
                                 
                              
                                 (Alle Zahlen berechnet auf
                                    											ursprüngliche Schmelze.)
                                 
                              
                           Nach dieser Erfahrung wäre man also durch Oxydation und Carbonisiren der Rohlaugen in der Lage von
                              									Koksschmelzen fast eisenfreie Lösungen und mithin auch sehr eisenarme Soda zu
                              									erhalten, da sich beim ferneren Verkochen der Laugen doch nur wenig Eisen von den
                              									Pfannen und Werkzeugen löst. Der allgemeinen Einführung des Koks als Rohstoff zur
                              									Sodamischung steht wohl sein höherer Preis, als auch die Vermehrung der
                              									Arbeitskosten entgegen, da in Folge der längeren Schmelzdauer während derselben Zeit
                              									weniger Schmelzen erzeugt werden können, als bei Anwendung von Kohle, es sei denn,
                              									daſs die Schmelzöfen entsprechend umgestaltet werden.