| Titel: | Ein neues Verfahren zur Nutzbarmachung des Sauerstoffs der Luft und die demselben zu Grunde liegenden Verbindungen; von Dr. Georg Kassner in Breslau. | 
| Autor: | Georg Kaſsner | 
| Fundstelle: | Band 274, Jahrgang 1889, S. 183 | 
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                        Ein neues Verfahren zur Nutzbarmachung des
                           								Sauerstoffs der Luft und die demselben zu Grunde liegenden Verbindungen; von Dr. Georg
                              								Kaſsner in Breslau.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 136 d.
                           								Bd.)
                        Neues Verfahren zur Nutzbarmachung des Sauerstoffs.
                        
                     
                        
                           II. Bleisaures Strontium.
                              								
                           Nach den Ergebnissen der vorher beschriebenen Versuche war es naheliegend,
                              									anzunehmen, daſs auch das Strontium ein der Barytverbindung analoges Salz der
                              									Ortho-Bleisäure H4PbO4 liefern würde.
                           
                           Es wurden daher sowohl Strontiumhydrat wie auch Strontiumcarbonat mit Bleioxyd in dem
                              									Verhältnisse von 2 Aequivalenten zu 1 zusammengemischt und im offenen Tiegel stark
                              									geglüht. Das Product war ein Körper von dunkler, brauner, chocoladeähnlicher
                              									Farbe.
                           Auch hier zeigte es sich, daſs die Herstellung der Verbindung aus dem Hydrat leichter
                              									war und geringere Hitze erforderte, als wenn das Carbonat als Ausgangspunkt gewählt
                              									wurde.
                           Ich kann hierbei nicht unterlassen, eine Beobachtung zu erwähnen, welche mir von
                              									groſser Wichtigkeit zu sein scheint. Als ich nämlich zur Bereitung des bleisauren
                              									Strontiums gelegentlich ein präcipitirtes käufliches Strontiumcarbonat verwendete,
                              									zeigte es sich, daſs die Herstellung der Verbindung sehr lange Zeit in Anspruch nahm
                              									und groſse Schwierigkeiten bereitete trotzdem heftig im Gebläsefeuer geglüht wurde.
                              									Die Masse wurde, statt wie gewöhnlich leicht zerreiblich zu sein und locker zu
                              									erscheinen, ziemlich fest und backte im Tiegel zu einem einzigen schwer
                              									durchzuarbeitenden Klumpen zusammen. Es gelang daher auch nicht, trotz mehrfacher
                              									Herausnahme und Zerkleinerung des Tiegelinhaltes, die Oxydation zu einer
                              									vollständigen zu machen.
                           Dieses sonst nicht beobachtete Verhalten lieſs mich vermuthen, daſs in den
                              									angewandten Materialien eine bei stärkerer Hitze schmelzbare Verunreinigung
                              									enthalten gewesen sei.
                           Bei der Untersuchung ergab es sich in der That, daſs das gefällte kohlensaure
                              									Strontium ziemliche Mengen von Chlornatrium und selbst kohlensaurem Natrium
                              									enthielt; denn wurde destillirtes Wasser mit demselben geschüttelt, so gab das
                              									Filtrat nach dem Ansäuern mit Salpetersäure und Zusatz von Silbernitrat flockige
                              									Abscheidung von Chlorsilber; auch färbte dieser Auszug rothes Lakmuspapier rasch
                              									blau und gab eine intensive Natriumflamme.
                           Daſs derartige Verunreinigungen störend wirken müssen, liegt auf der Hand, da sie die
                              									Partikelchen des Bleioxyds einschlieſsen und die Oxydation dadurch verzögern.
                           Diese schmelzbaren Alkalisalze, namentlich aber ihre Carbonate scheinen mir aber auch
                              									noch in anderer Weise die Sauerstoffaufnahme der obigen Mischungen von Bleioxyd und
                              									Erdalkali zu erschweren. Da ich nämlich fand, daſs es absolut unmöglich ist, durch
                              									Erhitzen von. Bleioxyd mit Alkalicarbonaten bei Gegenwart von Luft die Kohlensäure
                              									der letzteren auszutreiben, mit einem Worte, die den Erdalkaliverbindungen
                              									entsprechenden Alkalisalze der Bleisäure darzustellen, so ist es nicht
                              									unwahrscheinlich, daſs bei Anwesenheit schmelzender Carbonate eine Zerstörung
                              									bezieh. Reduction schon gebildeter Plumbate der Erdalkalimetalle erfolgt.
                           Man könnte sich dieselbe in der Weise denken, daſs sich in der Glühhitze das
                              									Alkalicarbonat zunächst mit dem Baryum- bezieh. Strontiumplumbat ähnlich wie sonst
                              									mit deren Sulfaten umsetzt, so daſs dadurch intermediär ein Natrium- bezieh. Kaliumplumbat entstehen
                              									würde. Da letztere indessen nur bei verhältniſsmäſsig niedriger Temperatur beständig
                              									sind, bei höherer aber in Sauerstoff, Bleioxyd und Alkalioxyd zerfallen, so müſste
                              									durch eine derartige Nebenreaction thatsächlich eine Rückbildung bereits
                              									entstandenen Erdalkaliplumbats eintreten bezieh. sich die Unmöglichkeit ergeben, bei
                              									Anwesenheit erwähnter schmelzbaren Carbonate ein völlig reines, hundertprocentiges
                              									Präparat zu erzielen.
                           Die aus reinem Materiale bereitete Verbindung zeigte durch ihr Verhalten gegen
                              									verdünnte Salpetersäure, daſs sie der Formel Sr2PbO4 entsprach, mithin bleisaures
                              									Strontium war; es entstand nämlich weder ein erhebliches Aufbrausen, noch wurde das
                              									saure Filtrat durch Schwefelwasserstoff gefällt, sondern gab mit diesem nur eine
                              									bräunliche Färbung.
                           
                        
                           III. Bleisaures Calcium.
                              								
                           Wenn die in der Einleitung ausgesprochene Absicht, für den von mir als
                              									Oxydationsmittel empfohlenen mangansauren Baryt einen geeigneteren Ersatz zu finden,
                              									für die Praxis irgend welchen Erfolg haben sollte, so war darauf Bedacht zu nehmen,
                              									ein möglichst wohlfeiles Material auszuwählen.
                           Wenn es daher gelang, analog dem bleisauren Baryt und Strontian auch einen bleisauren
                              									Kalk von der Formel Ca2PbO4 darzustellen, konnte dieser Theil der Aufgabe wohl als gelöst angesehen
                              									werden, da kaum ein anderer in der chemischen Technik benutzter Stoff so billig zu
                              									stehen kommt wie gerade der Kalk. Sehen wir daher zu, inwieweit die Bereitung des
                              									bleisauren Calciums gelungen ist und wie sie sich von der jener anderen beiden
                              									Plumbate unterscheidet.
                           Ich nahm auch hier wieder das bekannte Verhältniſs, 2 Aequivalente Calciumcarbonat
                              									und 1 Aequivalent Bleioxyd, und erhitzte die innige Mischung beider Körper im
                              									offenen Tiegel über der Bunsen-Flamme.
                           Es zeigte sich hier in der ersten Hälfte der Operation, daſs die Masse wie ein
                              									schwach feuchtes Pulver an der Wandung und an dem Rührstabe adhärirte, um erst
                              									später trockener und damit auch leichter beweglich zu werden. Ja die Mischung
                              									erschien dann zu einem gewissen Zeitpunkte so leicht flüssig wie Semen Lycopodii und
                              									kam selbst zum Stäuben, wenn man sie zu heftig durchrührte. Ohne Zweifel hängt diese
                              									letztere Erscheinung mit dem Entweichen der Kohlensäure zusammen, durch welche die
                              									Masse recht porös und ihre einzelnen Theilchen von einander getrennt werden. Denn
                              									nähert sich die Oxydation ihrem Ende, so wird der Inhalt des Tiegels auch wieder
                              									dichter und nimmt dann einen bemerkbar kleineren Raum ein, als ihn die Mischung am
                              									Anfange und in der Mitte des Prozesses besessen hatte. Auf diese Weise gelang es,
                              									wenn der Tiegel nicht weiter als bis zur Hälfte gefüllt war, in etwa einer Stunde
                              									das Präparat fertigzustellen, was daran zu erkennen war, daſs verdünnte Salpetersäure unter
                              									Abscheidung eines tief braunen Niederschlages nur ein sehr geringes Aufbrausen
                              									hervorbrachte. Es ist also besonders bemerkenswerth, daſs zu
                                 										der Bereitung des bleisauren Calciums bereits die Hitze der Bunsen-Flamme
                                 										hinreicht und schon bei dieser Temperatur die Kohlensäure des kohlensauren
                              									Kalks ausgetrieben wird, was ohne Beimischung von Bleioxyd nicht der Fall ist. Daſs
                              									also auch hier die Kohlensäure so leicht entweicht, kann ähnlich wie bei der
                              									Bereitung des bleisauren Baryums nur die Folge des Zusammenwirkens mehrerer Umstände
                              									sein. Indem nämlich das Bleioxyd eine starke Affinität zum Sauerstoff besitzt,
                              									erlangt das so mit Sauerstoff beladene, um nicht zu sagen in Bleisuperoxyd
                              									verwandelte Bleioxyd saure Eigenschaften, wodurch die Anziehung zum Calciumoxyd
                              									hervorgerufen, dessen Kohlensäure also leichter ausgetrieben wird.
                           Selbstverständlich erfolgt die Verwandlung des Bleioxyds in bleisaures Calcium noch
                              									viel rascher, wenn man von vornherein eine höhere Temperatur, also z.B. Gebläsefeuer
                              									anwendet. Da hierbei bereits das Calciumcarbonat zu Aetzkalk gebrannt werden kann,
                              									so erfolgt die Vereinigung des Bleioxyds mit Calcium und Sauerstoff fast momentan,
                              									so daſs bei dieser Hitze das bleisaure Calcium in noch nicht
                                 										fünf Minuten fertig gestellt werden kann, vorausgesetzt, daſs man dabei die
                              									Mischung gehörig durcharbeitet und so von allen Seiten mit dem Sauerstoff der Luft
                              									in Berührung bringt.
                           Die Unterschiede also, welche zwischen der Bildung des bleisauren Calciums und der
                              									des entsprechenden Baryum- und Strontiumsalzes bestehen, sind die, daſs ersterer
                              									Körper bei verhältniſsmäſsig niederer Temperatur entsteht und vor allem, daſs
                              									derselbe nur in Pulverform auftritt, indem die Mischung seiner Componenten vom
                              									Anfange bis zum Ende keine Neigung zur Klümpchenbildung zeigt, wenn man sie nicht
                              									gleich zu hoch erhitzt und vorausgesetzt, daſs man ihr genügend Luft zuführt. Daſs
                              									das Unterbleiben des Zusammenbackens ein sehr wichtiger Umstand ist, bedarf erst
                              									keiner weiteren Ausführung, da sich deshalb die Bereitung des bleisauren Calciums zu
                              									einer sehr einfachen und rasch ausführbaren Operation gestaltet, welche in
                              									Verbindung mit dem geringen Molekulargewicht des Calciums und seinem wohlfeileren
                              									Preise jenem Körper eine technische Zukunft und Verwendung eröffnet. Es gelang mir
                              									übrigens auch hier nicht, in dem Falle eine völlige Bindung des Bleioxyds und Kalks
                              									zu erzielen, wenn ich das Verhältniſs dieser beiden Bestandtheile anders als
                              									angegeben wählte, so daſs an der Zusammensetzung nach der
                                 										Formel Ca2
                              									PbO4
                              									kein Zweifel sein kann.
                           Aus der sowohl bei niedriger, als sehr hoher Temperatur (Gebläsefeuer) erfolgenden
                              									Bildung der drei Plumbate des Calciums, Strontiums und Baryums erkennt man, daſs die
                              									Oxydirbarkeit des Bleioxyds und seine Fähigkeit, in dem mit Sauerstoff beladenen
                              									Zustande Kohlensäure auszutreiben, wie schon oben bemerkt, in sehr weiten Grenzen
                              									liegt.
                           
                           Was das Aussehen des bleisauren Calciums anbetrifft, so
                              									tritt auch dieses in gewissen Gegensatz zu dem des Baryum- und Strontiumplumbats.
                              									Während nämlich diese letzteren tiefschwarz, bezieh. dunkel, chocoladebraun sind, so
                              									ist das bleisaure Calcium ein Körper von gelblichrother, von der des officinellen
                              									Bleioxyds kaum unterscheidbarer Farbe. Indessen sei bemerkt, daſs bei längerer
                              									Erhitzung des Präparats an der Luft, namentlich aber an den höchsten Stellen des
                              									Tiegels die Verbindung öfters einen Stich ins Hochrothe zeigt. Es bleibt noch zu
                              									untersuchen, an welche Bedingungen die Entstehung dieser intensiveren Farbe geknüpft
                              									ist, ob sie vielleicht mit einem geringen Gehalte an Mennige oder Bleisesquioxyd
                              									zusammenhängt, oder ob sie einer besonderen Modification des Calciumplumbats
                              									zukommt, ähnlich wie ja auch Bleiglätte in zwei Modifikationen, einer gelben und
                              									einer röthlichen, auftreten kann.
                           Da zu der Darstellung des bleisauren Kalks wie auch zu der der übrigen beiden
                              									Plumbate die durch Fällung erhaltenen Carbonate der Erdalkalimetalle verwendet
                              									worden waren, diese letzteren aber, in Bezug auf praktische Zwecke, den natürlich
                              									vorkommenden gegenüber wegen ihres höheren Preises in den Hintergrund treten müssen,
                              									so war noch die Frage zu entscheiden, ob auch krystallisirter kohlensaurer Kalk,
                              									Kalkspath u. dgl. in fein pulverisirtem Zustande zur Bereitung des Calciumplumbates
                              									geeignet sei. Es wurde daher auch eine Mischung von feinem Kalkspathmehl mit
                              									Bleioxyd in dem angegebenen Verhältnisse dargestellt und der üblichen Behandlung
                              									unterworfen.
                           Ich erhielt auch hier ganz dasselbe Präparat von bleisaurem Calcium mit allen seinen
                              									Eigenschaften, wie es ja auch vorauszusehen war.
                           Will man das Calciumplumbat wie auch die übrigen beiden Körper in gröſserem Maſsstabe
                              									darstellen, so kann dies, ehe besondere Oefen dafür construirt worden sind, zunächst
                              									nur in einem Muffelofen geschehen. Da nämlich alle drei
                              									Verbindungen durch brennbare Körper, wie Kohlenstaub, Kohlenwasserstoff u.s.w.,
                              									leicht reducirt werden können, so ist das Hinzutreten der Heizflamme und
                              									reducirender Gase sorgsam zu verhindern, wozu eben, wie bei der Fabrikation der
                              									Mennige, am besten der Muffelofen dient.Es sei hierbei bemerkt, daſs sämmtliche drei Präparate in verschiedenen
                                    											Reinheitszuständen und demgemäſs auch Preisabstufungen, je nach dem Zwecke
                                    											ihrer Verwendung, ob dieser ein wissenschaftlicher oder technischer ist, von dem Verfasser vorräthig gehalten werden und
                                    											von diesem jederzeit zu beziehen sind.
                           IV. Eigenschaften der drei Verbindungen Ba2PbO4, Sr2PbO4
                              									und Ca2PbO4. Die auf die in den vorigen Abschnitten
                              									beschriebene Art dargestellten Plumbate des Baryums, Strontiums und Calciums
                              									stellen, zerrieben, Pulver von hohem specifischen Gewichte dar. Wie schon erwähnt,
                              									ist die Farbe des ersteren tiefschwarz, des zweiten dunkelbraun, chocoladeähnlich und des dritten gelblichroth, fleischfarben. In ihren chemischen Eigenschaften,
                              									besonders in ihrem Verhalten gegen Lösungsmittel stimmen sie sämmtlich unter
                              									einander überein, weshalb sie hier zusammen beschrieben werden sollen.
                           In Wasser sind die drei Körper völlig unlöslich, ertheilen demselben indeſs bei
                              									längerem Stehen eine alkalische Reaction, wobei sich an der Oberfläche, wo die Luft
                              									Zutritt hat, eine weiſsliche Zone von abgeschiedenem Erdalkalicarbonat bemerkbar
                              									macht und die Farbe des Pulvers einen Stich ins Bräunliche bekommt. Eine gleiche,
                              									wenn auch geringfügige Zersetzung erleiden die Präparate, wenn sie an
                              									kohlensäurereicher und gleichzeitig feuchter Luft längere Zeit liegen bleiben. In
                              									trockener und kohlensäurefreier Atmosphäre zeigen sie sich dagegen völlig
                              									beständig.
                           Ebenso sind sie auch in höherer Temperatur, wenigstens bis zu einem gewissen Grade,
                              									beständig, wie ihre Entstehung in der Rothglut bezieh. in dem Gebläsefeuer einer
                              									Glasbläserlampe erkennen läſst. Unter dem Mikroskop zeigt sich das bleisaure
                              									Calcium, welches wegen seiner helleren Farbe am besten zur Untersuchung geeignet
                              									ist, aus gleichförmig gelblichen Krystall-Aggregaten zusammengesetzt, welche im
                              									polarisirten Lichte ein schwaches Aufleuchten zeigen. Nach Zerlegung des Präparates
                              									mit Natriumbicarbonat, eine Reaction, welche weiter unten näher beschrieben wird,
                              									besteht das Object aus einer Masse undurchsichtiger, schwarzbrauner Aggregate
                              										(PbO2), zwischen welchen eine groſse Zahl
                              									farbloser oder bei gekreuzten Nicols hellleuchtender Kryställchen (Calciumcarbonat)
                              									enthalten ist.
                           Es gelang mir dann auch, sobald die so erhaltene Mischung mit einem Pistill tüchtig
                              									zerrieben worden war, durch Schlämmen ein fast weiſses Pulver, welches fast nur aus
                              									Calciumcarbonat bestand, abzusondern, während ein Bleisuperoxyd reicheres Product im
                              									Rückstande verblieb.
                           Von den meisten Säuren werden die drei Salze augenblicklich zersetzt; mit
                              									Salpetersäure bildet sich ein dichter brauner Niederschlag von Bleisuperoxyd,
                              									während das Erdalkali als Nitrat neben etwa noch unverbundenen gewesenem Bleioxyd in
                              									Lösung geht. Verdünnte Schwefelsäure gibt gleichfalls Bleisuperoxyd neben den
                              									Sulfaten der Erdalkalien; concentrirte Schwefelsäure läſst neben der Bildung von
                              									Bleisulfat Sauerstoff entstehen.
                           Verdünnte Essigsäure läſst die Präparate in der Kälte anscheinend unverändert, weil
                              									ungefärbt; sie scheint ein Mittel zu bieten, um die den drei Körpern etwa noch
                              									anhaftenden geringen Mengen von Bleioxyd bezieh. Erdalkali zu entfernen. In der
                              									Hitze bildet dagegen auch die Essigsäure sofort Bleisuperoxyd und die Acetate der
                              									Erdalkalien. Salzsäure löst die drei Plumbate in der Kälte zu einer gelbgrünen
                              									Flüssigkeit auf, welche indeſs von selbst und bei geringer Erwärmung in freies Chlor, das schwer
                              									lösliche Bleichlorid und die Chloride des Baryums, Strontiums und Calciums zerfällt.
                              									In der gelbgrünen Lösung ist offenbar das Tetrachlorid des Bleis PbCl4, eine sehr unbeständige Verbindung, enthalten. Mit
                              									Salzsäure erwärmt entwickeln die Präparate also ohne Weiteres Chlor unter
                              									Abscheidung von Bleichlorid. Will man eine klare Lösung der drei Verbindungen ohne
                              									Abscheidung eines unlöslichen Körpers haben, so ist dies selbstverständlich nur
                              									möglich, wenn man sie durch Salpetersäure oder Essigsäure zerlegt und das anfangs
                              									abgeschiedene Bleisuperoxyd durch Hinzufügen von Oxalsäure, oder besser von
                              									Wasserstoffsuperoxyd reducirt.
                           Läſst man auf die in Wasser vertheilten Körper bei gewöhnlicher Temperatur
                              									Kohlensäure einwirken, so tritt, wenn auch langsam, eine Zersetzung der Körper ein.
                              									Viel rascher erfolgt dieselbe, wenn man während des Einleitens der Kohlensäure die
                              									Flüssigkeit schwach erwärmt. Die drei Verbindungen färben sich dabei braun, indem
                              									sie in ein Gemisch von Bleisuperoxyd und dem Carbonat des betreffenden Erdalkalis
                              									zerfallen. Noch rascher verläuft die Zerlegung, wenn man der Lösung eine gewisse
                              									Menge kohlensauren Alkalis zusetzt, wobei man annehmen muſs, daſs das letztere als
                              									Kohlensäureüberträger dient, indem es durch das fortdauernd eingeleitete Gas in Bi-
                              									bezieh. Sesquicarbonat verwandelt wird, dieses aber sehr leicht seine über die
                              									Zusammensetzung des Monocarbonats hinaus enthaltene Kohlensäure abtritt. Daher ist
                              									es nicht zu verwundern, daſs auch Bicarbonate eine Spaltung der Präparate bewirken
                              									und zwar schon in der Kälte, wenn man sie in möglichst concentrirter Lösung oder mit
                              									Wasser angeschlämmt mit den Körpern zusammenbringt. Natriumbicarbonat wirkt dabei in
                              									kürzerer Zeit als Kaliumbicarbonat.
                           Bei dieser Art der Zerlegung machte ich auch die Beobachtung, daſs, wenn man das
                              									Gemisch der Plumbate mit der berechneten Menge Bicarbonat (auf 350g Ca2PbO4 kommen z.B. 400g
                              									Kaliumbicarbonat) mit wenig Wasser zu einem dünnen Brei anrührt und denselben, nach
                              									gelinder Erwärmung bis etwa 40 bis 50° C., vom Wasserbade wegnimmt, plötzlich die
                              									Temperatur bis an den Siedepunkt des Wassers steigt. Die Mischung nimmt dabei erst
                              									eine hellbraune, dann immer dunkler werdende Farbe an, bis sie am Schlusse ziemlich
                              									braunschwarz erscheint. Das schwere Pulver, ein Gemisch von Bleisuperoxyd und dem
                              									betreffenden Erdalkalicarbonat setzt sich sehr rasch zu Boden und kann dadurch
                              									leicht und schnell mittels Ausgewasch von dem durch die Reaction in Monocarbonat
                              									verwandelten Alkalisalz befreit werden.
                           Aber auch die Monocarbonate der Alkalien vermögen die drei Salze der Bleisäure zu
                              									zerlegen. Es geschieht dies beim Kochen derselben mit den verdünnten Lösungen
                              									ersterer, leichter allerdings, wenn man sie unter Druck und bei etwa 130° C. damit
                              									behandelt. Das Product dieser Zersetzung ist ebenfalls wieder Bleisuperoxyd,
                              									auſserdem aber entstehen
                              									die Laugen der Aetzalkalien neben den Carbonaten der Erdalkalimetalle.
                           Ja selbst bloſses Wasser bewirkt eine vollständige
                              									Spaltung der drei Verbindungen, sobald man dieses nur bei höherer Temperatur (etwa
                              									150° C.), also unter Druck, und tüchtigem Durchrühren des Pulvers anwendet. Durch
                              									diese letztere Reaction werden die Hydrate der Erdalkalimetalle gebildet, nebenher
                              									natürlich ebenfalls wieder Bleisuperoxyd. Am schwierigsten scheint sich hierbei das
                              									bleisaure Calcium zerlegen zu lassen, was wohl mit der Schwerlöslichkeit seine
                              									Hydrates zusammenhängen dürfte.
                           Die Versuche zur Ermittelung dieser letzteren Arten des Verhaltens stellte ich in der
                              									Weise an, daſs die betreffenden Präparate mit Wasser allein bezieh. der berechneten
                              									Menge kohlensauren Alkalis nebst genügend Wasser in starken Glasröhren
                              									eingeschmolzen und dann bis auf die angegebenen Temperaturen im Autoclavenofen
                              									erhitzt wurden. Währenddessen wurden die Röhren von Zeit zu Zeit vorsichtig
                              									herausgenommen und tüchtig durchgeschüttelt, da die Erfahrung zeigte, daſs das
                              									abgeschiedene Bleisuperoxyd sammt den Hydraten der Erdalkalien oder deren Carbonaten
                              									leicht etwas zusammenbackte und so die Einwirkung der Flüssigkeit in die Tiefe der
                              									Pulver aufhielt. Das Zusammenbacken und die Krustenbildung scheint mir bei Anwendung
                              									der Monocarbonate der Alkalien auf einer durch den Eintritt der Kohlensäure
                              									bewirkten Substanz- und Volumenvermehrung der unlöslichen Körper zu beruhen, welcher
                              									man eben durch Umrühren der Masse entgegenkommt.
                           So wie die Mono- und Bicarbonate der Alkalien wirken übrigens auch die entsprechenden
                              									Salze des Ammoniums.
                           Kocht man kohlensaures Ammoniak mit den drei Plumbaten, so bildet sich Ammoniakgas,
                              									kohlensaure Salze der Erdalkalien, sowie Bleisuperoxyd.
                           Die Zerlegung mit essigsaurem und salpetersaurem Ammonium liefert ebenfalls
                              									Ammoniakgas neben Bleisuperoxyd, sowie die löslichen Acetate und Nitrate der
                              									Erdalkalien. Indessen geht diese letztere Zersetzung verhältniſsmäſsig langsam von
                              									statten. Sie verläuft weit rascher, wenn man die betreffenden Plumbate vorher durch
                              									Erhitzen mit Wasser in die Hydrate der Erdalkalien und Bleisuperoxyd gespalten
                              									hatte.
                           
                              (Schluſs folgt.)