| Titel: | Was sind spröde Körper? Wie kann man die Härte ziffermässig bestimmen? | 
| Fundstelle: | Band 274, Jahrgang 1889, S. 405 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        Was sind spröde Körper? Wie kann man die Härte
                           								ziffermäſsig bestimmen?
                        Mit Abbildungen.
                        Was sind spröde Körper?
                        
                     
                        
                           Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht Herr Prof. Friedr.
                                    										Kick im 3. Hefte der Technischen Blätter eine
                              									Abhandlung, welche mit Zustimmung der Betheiligten mit geringen, vom Autor besorgten
                              									Kürzungen nachstehend folgt:
                           Spröde Körper sind solche, welche eines hohen allseitigen Druckes bedürfen, um
                              									bildsam zu werden.
                           Die Härte läſst sich ziffermäſsig durch die Scherfestigkeit bestimmen oder messen,
                              									wenn jede Biegung und jeder Fluſs der Materialtheilchen ausgeschlossen ist.
                           Diese beiden Sätze werden durch das Nachstehende begründet.
                           Schlieſst man einen spröden Körper, z.B. Gyps, Speckstein,
                              									Steinsalz, Calcit in einen härteren, gleichfalls spröden aber schmelzbaren und
                              									diesen in einen noch härteren bildsamen Körper von genügender Wandstärke ein, z.B.
                              									Steinsalz in Schellack oder Schwefel und diese in Kupfer oder Eisen, so kann man
                              									diese spröden Körper in ihren Hüllen biegen oder gemeinsam mit diesen deformiren.
                              									Entfernt man dann die Hüllen durch Lösungsmittel, welche den eingeschlossenen Körper
                              									natürlich nicht angreifen dürfen, so erhält man ihn gebogen oder deformirt, als ob
                              									ein bildsamer Körper (Blei, Zinn, Kupfer u.s.w.) denselben Einwirkungen unterworfen
                              									gewesen wäre.
                           So bog ich prismatische Stücke krystallinischen Steinsalzes, Talk
                              									und Gyps (Marienglas) dadurch, daſs ich diese Stücke in eine Gasröhre mit Schellack
                              									einschmolz. Die Gasröhre war zuvörderst an einem Ende durch einen gut passenden
                              									Eisenspund verschlossen, dann wurde mit möglichster Sorgfalt, d.h. Vermeidung zu
                              									hoher zu Blasenbildung Veranlassung gebender Erhitzung, der Schellack eingeschmolzen
                              									und in diesen wurden die früher mit aufgelöstem Schellack überzogenen wohl
                              									getrockneten Versuchsstücke eingedrückt. Schlieſslich wurde das Rohr mit
                              									geschmolzenem Schellack gefüllt und durch einen zweiten Eisenspund geschlossen.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 274, S. 405
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 274, S. 405
                              
                           Nach vollkommenem mehrstündigem Erkalten wurde das Gasrohr sammt
                              										Füllung gebogen. Das
                              									gebogene Eisenrohr, durch Salpetersäure gelöst, lieſs den Schellack sammt den durch
                              									ihn umhüllten Versuchskörpern als krummes festes Stück zurück. Nach Abspülen der
                              									anhaftenden Säure bezieh. des Salpetersäuren Eisenoxydes und Abtrocknen erfolgte die
                              									Auflösung des Schellacks (Goldlacks) in Alkohol, in welchem schlieſslich die
                              									gebogenen Stücke Steinsalz, Talk u.s.w. zurückblieben.
                           Diese Materialien können in gleicher Weise in Kupferhülsen
                              									eingeschmolzen und mit diesen deformirt werden. Löthet man einen Kupferring (Fig. 1) weich auf ein Weiſsblechscheibchen, stellt man
                              									ein Steinsalzspaltstück ein und umschmilzt es mit Schellack, bis der Hohlcylinder
                              									völlig gefüllt ist, wozu selbst die Temperatur von 100° C. ausreicht, so kann nach
                              									dem Erkalten unter der hydraulischen Presse die Formänderung zwischen Platten
                              									durchgeführt werden. Man erhält die bekannte Tonnenform und nach dem Entfernen des
                              									Schellacks durch Alkohol erhält man auch das tonnenförmig ausgebauchte
                              									Steinsalzstück als zusammenhängenden Körper (Fig.
                                 									2).
                           In ähnlicher Weise lassen sich natürliche Steinsalzkrystalle und
                              									Spaltkrystalle dieses Minerals deformiren, als ob sie bildsame Körper wären. Man
                              									kann Steinsalzwürfel sogar auf die Spitze stellen und zu einer rhomboederähnlichen
                              									Form bringen, man kann die Ecke des Hexaeders eindrücken, so daſs das ausweichende
                              									Material in Form kleiner Buckel die Seitenflächen wölbt; kurz man bringt in der an
                              									sich auch sehr spröden Schellackumhüllung, weil auch diese in dem noch härteren,
                              									zugleich aber zähen Kupfer steckt, dieses spröde Material schön zum Flusse.
                           Wendet man statt Schellack als erste Umhüllung Schwefel an,
                              									welcher sich weit leichter blasenfrei gieſst, so erhält man gute Resultate mit noch
                              									gröſserer Sicherheit, ja es gelingt bei Anwendung dieses Materials, sogar Calcit zu
                              									biegen und durch Druck ohne Bruch zu deformiren.
                           Von besonderem Interesse ist, daſs Schwefel etwas weicher als
                              									Kalkspat ist. Dies brachte mich dazu, als erste Umhüllung des Steinsalzes ein sehr
                              									leicht schmelzbares, sehr gut gieſsbares Material, das Stearin, zu wählen. Und
                              									siehe, die Formänderungen des Steinsalzes wurden mit der Stearinumhüllung noch weit
                              									sicherer, natürlich auch weit bequemer erreicht, als bei Benützung von Schellack.
                              									Zahlreiche Proben beweisen dies.
                           
                              
                              Fig. 3., Bd. 274, S. 406
                              
                           Es muſste also die Umhüllung nicht härter als das Umhüllte sein;
                              									daraus aber folgt naturgemäſs, daſs es der allseitig ausgeübte hinreichende Druck
                              									sein müsse, welcher den spröden Körper bildsam macht.
                           Schlagend konnte dies natürlich erst dann bewiesen werden, als es
                              									gelang, die Deformation in einer unter Druck stehenden Flüssigkeit, z.B. Oel, zu
                              									erzielen.
                           Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang dies – zunächst bei
                              									Steinsalz – vollkommen.
                           Fig. 3 zeigt die von mir hierzu verwendete einfache
                              									Vorrichtung.
                           In den Körper k aus zähem Kupfer ist
                              									das Loch l und das kleine Kanälchen x gebohrt. In die Bohrung l wird das Steinsalzspaltstück a gestellt und
                              									die Bohrung mit Mineralöl gefüllt. Der Stempel s aus
                              									Stahl hat etwas gröſseren Durchmesser als das Loch l,
                              									und beim Einpressen schlieſst er dicht an das sich dehnende Kupfer. Anfänglich kann
                              									das Oel durch das Seitenröhrchen x austreten und wird
                              										auch etwaige
                              									Luftbläschen mitnehmen; sowie aber der Stempel an x
                              									vorüberschreitet, preſst er das Oel, dieses besorgt jetzt die Erweiterung des
                              									Hohlraumes mit und da dies nur bei groſsem Drucke geschehen kann, so wird das
                              									Spaltstück a diesem Flüssigkeitsdrucke ausgesetzt sein,
                              									bevor der Stempel auf dasselbe einwirkt und während er einwirkt.
                           Das Versuchsobjekt hatte eine Höhe von 8mm,1 und wurde auf 5mm,3 zusammengedrückt, wobei es keine Risse erhielt, wohl aber an
                              									Durchsichtigkeit etwas einbüſste. Der Versuch war glänzend gelungen. Zur besseren
                              									Dichtung war unter den Stempel ein feines Lederscheibchen gelegt. Der Sechskant am
                              									oberen Ende des Stempels war zum Zwecke des Fassens angebracht, doch war das
                              									Ausziehen des Stempels trotzdem schwierig.
                           Je härter das spröde Material, eines um so höheren
                              									Flüssigkeitsdruckes wird es bedürfen, um die gleiche Erscheinung, wie hier bei dem
                              									Steinsalze zuzulassen; aber ich zweifle nicht, daſs für viele Körper, z.B. auch den
                              									Calcit, die Pressung noch innerhalb des leicht Erreichbaren liegen wird.
                           Man könnte nun wohl einwenden, daſs die Versuche noch viel zu
                              									beschränkte sind, um die an die Spitze dieser Abhandlung gestellte Definition der
                              									spröden Körper zu rechtfertigen; man könnte auch sagen, daſs das Krystallwasser des
                              									Steinsalzes eine Rolle spielen dürfte; aber dem entgegen ist zu erwidern, daſs Talk,
                              									Gyps, Steinsalz, Schellack, Schwefel, Stearin und Calcit doch gewiſs sehr heterogene
                              									spröde Körper sind, daſs sie sich aber alle, entsprechend umhüllt, biegen und
                              									deformiren lassen, wenn auch nicht gleich leicht. Die Umhüllung kann nur durch Druck
                              									aus diesen spröden Materialien bildsame gemacht haben, und es ist daher eine
                              									logische Folge, daſs es möglich sein muſs, durch gleich intensiven Druck, mag
                              									derselbe auch durch ein anderes Mittel, z.B. eine Flüssigkeit, übertragen werden,
                              									dasselbe Ergebniſs, die Umwandlung des spröden in den bildsamen Zustand, zu
                              									erzielen.
                           Gehen wir nun zur zweiten Frage über: Wie kann man die Härte ziffermäſsig
                              									bestimmen?
                           Die Härte ist der Name für den Widerstand, welchen ein Körper dem
                              									Eindringen eines anderen entgegensetzt, und die Mineralogie bestimmt die Härte durch
                              									das bekannte Ritzverfahren relativ. Sie nennt zwei Körper gleich hart, deren Ecken
                              									sich an Flächen des anderen abstumpfen.
                           Sowie man solche gleich harte Körper, von welchen wir den einen
                              									bildsam, den anderen spröde wählen, auf den Eindringlings widerstand einer Spitze
                              									(Strichmethode) oder eines Meiſsels (Kerbemethode) untersucht, so verhalten sie sich
                              									dennoch nicht gleichartig. Der bildsame Körper gibt anders beschaffene Ritze oder
                              									Meiſselkerben als der spröde bei gleichem Kraft- bezieh. Arbeitsaufwand. Die
                              									Vergleichung wird dadurch überaus erschwert, das gemeinschaftliche Maſs scheint zu
                              									fehlen und fehlt bei diesen Methoden wirklich.
                           
                              
                              Fig. 4., Bd. 274, S. 407
                              
                           Wir haben nun im Vorstehenden gesehen, daſs und wie man spröde
                              									Körper in bildsamen Zustand umwandeln kann: durch kräftige Umschlieſsung nämlich,
                              									durch Einzwängung bezieh. allseitigen hohen Druck.
                           Hierdurch läſst sich auch für die Härte das Maſs in dem
                              									Abscherungswiderstände finden, wenn die Materialtheilchen des abzuscherenden Körpers am Ausweichen völlig
                              									gehindert sind, daher jeder Fluſs und jede Biegung ausgeschlossen ist.Vgl. 1889 273 10.
                           Ob die Härte thatsächlich im geraden Verhältnisse zum
                              									Abscherungswiderstande (Schubfestigkeit, Scherfestigkeit) steht, läſst sich daher
                              									nur durch solche Abscherungsversuche feststellen, bei welchen wirklich reine
                              									Abscherung auftritt und hierzu ist es nöthig, daſs der abzuscherende Körper
                              									allseitig vollkommen dicht von einem härteren Stoffe umschlossen ist.
                           Meine Versuche zur Bestimmung der Scherfestigkeit wurden mit einem
                              									kleinen, äuſserst genau von der Maschinenfabrik Lorenz
                              									in Karlsruhe auf Bestellung gelieferten Apparate gemacht, welcher durch vorstehende
                              									Abbildung Fig. 4 in halber Gröſse dargestellt ist
                           Zwischen den Wänden aa' und bb' läſst sich nach Wegnahme des Prismas p der Schieber ss'
                              									lothrecht herabdrücken. Ist das Prisma p eingesetzt, so
                              									fällt eine in a, b und s
                              									angebrachte Querfurche von rund 1mm Höhe und 2mm Breite so zusammen, wie dies der Mittelschnitt
                              									darstellt. In diese Quernuth wird das abzuscherende Stück, welches als dicke
                              									schwarze Linie dargestellt ist, eingebracht. Nach Aufschrauben der Theile a', b' und s' und Einsetzen der kleinen Stahlprismen ii in den freigebliebenen Theil der Nuth, endlich nach
                              									Entfernung des Prismas p kann der Abscherversuch
                              									durchgeführt werden.
                           Dieser einfache Apparat besitzt trotz der Genauigkeit seiner
                              									Herstellung für den Gebrauch mehrfache Uebelstände, welche nur durch äuſserste
                              									Vorsicht in der Benutzung desselben unschädlich gemacht werden können und die ihren
                              									Grund in der Schraubenverbindung der Theile (ohne Paſsstifte o. dgl.) haben; es wird
                              									jedoch ohne Zweifel gelingen, diese Uebelstände zu beseitigen, und ich hoffe, in
                              									einigen Monaten die durch eine andere Vorrichtung erzielten Ergebnisse mittheilen zu
                              									können. Die Mängel obiger Vorrichtung bedingen sehr mühevolles, zeitraubendes
                              									Arbeiten, und es ist deshalb auch die Zahl der auf ihre reine Scherfestigkeit
                              									geprüften Körper eine sehr geringe. Es hat dies jedoch auf die Prinzipienfrage
                              									keinen Einfluſs.
                           Wenn die Härte durch die Scherfestigkeit gemessen werden kann, so müssen gleich harte
                              									Körper verschiedener Natur dieselbe Scherfestigkeit haben. Zwei solche Körper sind
                              									Zinn und Schellack; sie haben bei gewöhnlicher Temperatur dieselbe Härte und ergaben
                              									auch dieselbe Scherfestigkeit von 2k/qcm,6.
                           Würden Härte und Scherfestigkeit zwei von einander unabhängige Eigenschaften sein,
                              									dann könnte jene Uebereinstimmung nur entweder Zufall oder Irrthum sein. Letzterer
                              									scheint mir ausgeschlossen, ersterer ist gewiſs ausgeschlossen.
                           Zufall ist ausgeschlossen, weil Blei, Zinn, Kupfer und Eisen der Reihe nach sowohl
                              									gröſsere Härte als gröſsere Scherfestigkeit haben; für diese Materialien stimmt also
                              									die Annahme eines Zusammenhanges zwischen Härte und Scherfestigkeit. Nun suchte ich
                              									zwei Körper verschieden gearteter Natur und doch gleicher Härte, fand zwei solche
                              									Körper im Zinn und Schellack; der eine bildsam (hämmerbar), der andere spröde, der
                              									eine ein Metall, der andere ein Harz, und diese beiden Körper weisen gleiche
                              									Scherfestigkeit auf. Kann dies Zufall sein? – Nimmermehr! – Und weiter: Was ist denn
                              									das Ritzen anders, denn das Nehmen feiner Spänchen. Thime hat in seiner schönen Arbeit über das Hobeln der Metalle
                              									nachgewiesen, daſs bei der Spanbildung ein Gleiten des Materials über Rutschflächen stattfindet,
                              									ein eigenthümlicher Abscherungsvorgang. Der Widerstand bei der Spanbildung (Ritzen)
                              									muſs daher mit dem Abscherungswiderstande in Beziehung stehen; bei verschieden
                              									harten Körpern muſs dieser Widerstand bei sonst gleicher Spanbildung verschieden
                              									sein, und die einfachste Annahme wäre die, diesen Widerstand als proportional zur
                              									Härte bezieh. zur Scherfestigkeit vorauszusetzen. – Wenn der Widerstand beim Ritzen
                              									und Hobeln thatsächlich nicht proportional der Härte ist, so hat dies seinen Grund
                              									darin, daſs die Spanbildung bei bildsamen Körpern anders als bei spröden Körpern
                              									erfolgt, mag auch Werkzeug und Anstellung dieselbe und ihre Härte die gleiche sein.
                              									Es treten hier mannigfache, sehr einfluſsreiche Nebenumstände auf, und dieser
                              									Nebeneinflüsse wegen geben alle Ritzniethoden nur relativ, aber nicht absolut
                              									vergleichbare Ergebnisse. Da relative Vergleiche auch sehr werthvoll sind, ist
                              									hierdurch der Werth der Ritzmethoden nicht bestritten.
                           Was ich behaupten zu können glaube, ist, daſs man die Härte ziffermäſsig durch die
                              									Scherfestigkeit bestimmen kann, wonach es auch erlaubt ist, zu sagen: Härte ist
                              									Scherfestigkeit.