| Titel: | Bericht über die Fortschritte der chemischen Technologie der Gespinnstfasern während des Jahres 1889; von Dr. Otto N. Witt. | 
| Autor: | Otto N. Witt | 
| Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 164 | 
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                        Bericht über die Fortschritte der chemischen
                           								Technologie der Gespinnstfasern während des Jahres 1889; von Dr. Otto N.
                              								Witt.
                        Witt, über Fortschritte der Technologie der
                           								Gespinnstfasern.
                        
                     
                        
                           Das verflossene Jahr hat eine ziemlich erhebliche Zahl von nicht unwichtigen
                              									Neuerungen gebracht.
                           Was zunächst das Rohmaterial, die Fasern selbst anbelangt, so ist die Zahl derselben
                              									wiederum um ein neues und höchst eigenartiges Product bereichert worden.)
                           In der künstlichen Seide von Chardonnet in Lyon, welcher
                              									man bekanntlich auf Grund früherer kläglicher Erfahrungen mit sehr groſsem
                              									Miſstrauen begegnete, scheint diesmal eine ernste Erfindung vorzuliegen. Bekanntlich
                              									besteht dieselbe im Wesentlichen aus dünnausgezogenen Fäden von Nitrocellulose, sie
                              									ist also eine Art Celluloid in Faserform. Der erhaltene Faden ist durchsichtig, von
                              									graulichweiſser Farbe, er besitzt den Griff, Glanz und die Weichheit der Seide, ist
                              									höchst regelmäſsig und kann je nach der Form der Ausfluſsöffnung entweder rund oder
                              									flach erhalten werden. Es wird sogar behauptet, daſs das neue Material ebenso zähe
                              									und elastisch sei wie Seide. Selbstverständlich ist dasselbe unempfindlich gegen
                              									kaltes und warmes Wasser, gegen verdünnte Säuren und Alkalien. Es wird behauptet,
                              									daſs der Gestehungspreis dieses Productes nur 15 Francs für das Kilo betrage,
                              									während dasselbe einen Marktpreis von 50 Francs habe. Leider ist das Product
                              									ziemlich feuergefährlich. Ein Färben dieser künstlichen Seide nach den für
                              									natürliche Seide üblichen Verfahren ist natürlich ausgeschlossen, dagegen können
                              									schon bei der Fabrikation Farbstoffe zugesetzt werden und auf diese Weise auch
                              									gefärbte Fäden erhalten werden.
                           Ueber die Reinigung der Wollenwaschwässer hielt Jung in
                              									Mülhausen einen Vortrag. Derselbe enthält zwar nichts wesentlich Neues, gibt aber
                              									eine Anzahl von Zahlenbelegen, welche den Specialisten interessiren dürften. Es sei
                              									daher auf die Originalabhandlung in dem Bulletin de la
                                 										Société industr. de Mulhouse, sowie auf die Uebersetzung derselben in der
                              										Leipziger Monatsschrift für Textilindustrie
                              									aufmerksam gemacht.
                           Das deutsche Wollengewerbe weist (S. 765) aufs Neue auf die bisher von Färbern noch
                              									immer nicht genügend gewürdigte Thatsache hin, daſs hartes Wasser in der Färberei zu
                              									den gröſsten Miſsständen Veranlassung geben kann und daher regelmäſsig vor dem
                              									Gebrauche gereinigt werden sollte. Abgesehen von dem durch hartes Wasser bewirkten
                              									Verlust an Seife, dessen Gröſse in dem bekannten Werke von Hummel-Knecht S. 86 in überraschender Weise klar gelegt wurde, kann hartes
                              									Wasser auch noch andere, bisher wenig beobachtete Uebelstände zur Folge haben. So
                              									wurde z.B. kürzlich in einer Tuchfabrik, welche abwechselnd mit weichem und mit
                              									hartem Wasser zu arbeiten gezwungen war, beobachtet, daſs die Carbonisation der
                              									Wolle regelmäſsig litt, wenn die Fabrik auf hartes Wasser angewiesen war. Als
                              									Erklärung ergab sich, daſs das sehr harte Grundwasser die Wirkung der Säure beim
                              									Carbonisiren abschwächte und, was noch schlimmer war, das gründliche Klarspülen der
                              									Waare vor dem Carbonisiren verhinderte. Vorheriges chemisches Reinigen des Wassers
                              									lieſs den Uebelstand ein für alle Mal verschwinden. Bei der Walke ist ebenfalls
                              									hartes Wasser höchst schädlich, weil es die angewendete Seife zersetzt und
                              									fettsauren Kalk in der Waare ablagert. Der Verfasser empfiehlt dringend, für die
                              									Walke nur das von der Dampfmaschine und den Heizrohrleitungen kommende
                              									Condensationswasser zu verwenden. Auch für die Rauherei und Appretur ist hartes
                              									Wasser durchaus zu vermeiden, da es durch Ablagerung von Kalksalzen in der Waare
                              									dieselbe hart macht. Es scheint, daſs die Wolle aus hartem Wasser Kalksalze absorbirt und dieselben mit
                              									Zähigkeit festhält.
                           In der Bleicherei, namentlich der thierischen Fasern,
                              									führt sich das Wasserstoffsuperoxyd als Bleichmittel mehr und mehr ein. In einem
                              									Artikel der Leipziger Monatsschrift für Textilindustrie
                              									wird für Wolle nachstehendes Verfahren gerühmt: Das Bleichbad wird auf je 10l 10 bis 15procentiger Wasserstoffsuperoxydlösung
                              									mit 210g Ammoniak von 0,985 spec. Gew. versetzt.
                              									Die Stärke des Bleichbades beträgt je nach der Schnelligkeit, mit der man arbeiten
                              									will, 10 bis 50l Wasserstoffsuperoxydlösung für
                              										100l Wasser. In dieses Bad wird die trockene
                              									Wolle eingeführt und verbleibt 10 Stunden in demselben. Die Temperatur ist bei 20°
                              									C. am günstigsten. Wenn die Wolle aus dem Bade kommt, so wird sie abgewunden und
                              									ohne zu waschen in der Kälte getrocknet. Bei regelmäſsigem Betriebe ist es am
                              									besten, continuirlich zu arbeiten, indem man die Waare zunächst in ein schwaches,
                              									schon oft gebrauchtes Bad bringt, und alle 2 Stunden in ein jüngeres Bad überträgt.
                              									Das letzte Bad ist frisch bereitet und ziemlich kräftig. Nach der Bleiche wird die
                              									Wolle in bekannter Weise mit Methylviolett gebläut. Auch Baumwolle kann auf ähnliche
                              									Weise bequem gebleicht werden.
                           Ueber das Wasserstoffsuperoxyd hat auch C. F. Göhring
                              									werthvolle Mittheilungen gemacht. Derselbe empfiehlt zur Anwendung in der Bleicherei
                              									nicht zu concentrirte Flotten und die Verwendung eines möglichst reinen
                              									Wasserstoffsuperoxydes. Nur ein ganz reines Product liefert z.B. ein schönes Weiſs
                              									auf Tussah-Seide. Der Verfasser macht ferner darauf aufmerksam, daſs zufällig in die
                              									Bleichflotte gelangende Gegenstände, namentlich Metalle oder auch Eisenrost eine
                              									katalytische Wirkung auszuüben im Stande sind, so daſs der Sauersoff molekular
                              									entweicht, ohne eine bleichende Wirkung auszuüben. Bemerkt man eine derartige
                              									Zersetzung, so empfiehlt es sich, die Flotte mit Phosphorsäure anzusäuren; es hört
                              									dann die Gasentwickelung auf und die Flotte kann aufbewahrt und durch neues
                              									Alkalischmachen wieder in Gang gebracht werden. Als Bleichwasser für Wolle empfiehlt
                              									Verfasser das Wasserstoffsuperoxyd des Handels in 10facher Verdünnung anzuwenden und
                              									den beim Bleichen jeweilig verbrauchten Sauerstoff durch Zusatz von frischem
                              									Superoxyd zu ergänzen. Verfasser nennt es nur eine Frage der Zeit, wann das
                              									Schwefeln der Wolle verdrängt sein wird durch das Bleichen mit Wasserstoffsuperoxyd.
                              									Für Baumwolle scheint die Chlorbleiche ihres erheblich billigeren Preises wegen
                              									beibehalten werden zu müssen (Chemiker- Zeitung).
                           Das Bleichen und Färben der Tussah-Seide beschäftigt
                              									noch immer die Seidenfärber. Für halbgebleichte Seide wird mitunter
                              									Kaliumpermanganat und schweflige Säure in der Weise verwendet, daſs man die Seide in
                              									eine lauwarme Auflösung von 10g Permanganat für
                              									jedes Pfund Seide
                              									eintaucht und unter gelindem Erwärmen kurze Zeit in dem Bade verweilen läſst. Man
                              									wäscht dann in heiſsem Wasser, welchem eine Auflösung von schwefliger Säure
                              									zugesetzt ist. Wenn die Bleichung vollständig ist, wird die Faser herausgenommen und
                              									im Wasser gespült. Ein reines Weiſs kann auf diese Weise indessen nicht erzeugt
                              									werden. Für diesen Zweck ist noch immer Wasserstoffsuperoxyd das einzige Mittel,
                              									welches in Verbindung mit Wasserglas und schwefliger Säure in nachfolgender Weise
                              									angewendet wird.
                           Die Seide wird in ein Bad aus heiſsem Wasser gebracht, zu welchem man 15l käufliches Wasserstoffsuperoxyd für 10k Soda und etwas Wasserglas gesetzt hat. Die Seide
                              									wird umgezogen und das Bad wiederholt zum Sieden erhitzt. Die Bleichung vollzieht
                              									sich rasch und die Seide wird allmählich weiſs. Sie wird sorgfältig gewaschen und
                              									schlieſslich in bekannter Weise in der Kammer geschwefelt. Die so gebleichte Seide
                              									hat noch einen Stich ins Gelbe, welcher indessen in bekannter Weise durch Bläuen
                              									entfernt werden kann.
                           Die obige Vorschrift muſs nicht selten den Umständen angepaſst und mehr oder weniger
                              									verändert werden, da die Seide sowohl bezüglich der Farbe, als auch bezüglich ihrer
                              									Widerstandsfähigkeit gegen Bleichmittel erheblich schwankt.
                           Eine andere billigere Methode, welche weniger Wasserstoffsuperoxyd, dafür aber mehr
                              									Zeit und Arbeit verlangt, ist das bekannte ältere Verfahren, in welchem statt des
                              									Wasserglases Ammoniak verwendet wird. Man arbeitet in der Kälte und zieht die Seide
                              									häufig um. Das erzielte Weiſs ist nicht ganz so klar, als das nach der zuerst
                              									beschriebenen Methode erhaltene, dafür ist weniger Gefahr vorhanden, daſs die Seide
                              									selbst leidet.
                           Bezüglich des Färbens der Tussah-Seide scheinen alle Schwierigkeiten für mittlere und
                              									dunklere Farben überwunden zu sein. Die Farbebäder werden wie für gewöhnliche Seide
                              									mit gebrochener Seife und Säure angesetzt, doch nimmt man etwas mehr von der
                              									letzteren. Da die Tussah-Seide gern unegal färbt und auch Neigung zum Verfilzen hat,
                              									so muſs viel umgezogen und der Farbstoff sehr langsam zugesetzt werden. Die auf
                              									Tussah erhaltenen Färbungen dunkeln beim Trocknen stark nach, beim Färben auf Nuance
                              									muſs daher dieser Umstand berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich beim Vergleichen
                              									einige Fäden des gefärbten Stranges zu trocknen, ehe man den Vergleich vornimmt.
                              									Auch für die Avivirbäder wird mehr Säurezusatz empfohlen als bei gewöhnlicher Seide
                              										(Textile Manufacturer).
                           Camille Köchlin gab in dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse werthvolle Notizen über
                              									das Bleichen baumwollener Gewebe. Er weist nach, daſs das früher beobachtete
                              									Zurückbleiben von Schlichtebestandtheilen in der gebleichten Waare heutzutage bei
                              									Anwendung des Mather und Platt'schen Verfahrens nicht
                              									mehr vorkommen kann. Sobald die Stärke der angewendeten alkalischen Laugen 3,5° B. überschreitet,
                              									werden alle Stärkebestandtheile aus der Faser herausgelöst. Kohlensaures Natron
                              									vermag die Stärkebestandtheile nicht zu entfernen. Da in dem neuen Verfahren von Horace Köchlin das dem Apparate entströmende
                              									Waschwasser noch 4,5° B. besitzt, so müssen alle Unreinigkeiten in demselben gelöst
                              									worden sein. Obschon die modernen Bleichverfahren wesentlich gründlicher sind als
                              									die früher üblichen, so ist doch die aus denselben hervorgehende Faser noch nicht
                              									absolut rein, Kalk und Eisen können gewöhnlich noch nachgewiesen werden. Es ist dies
                              									indessen nur dann ein Fehler, wenn diese Metalle in genügender Menge vorhanden sind,
                              									um beim Drucke Farbstoffe anzuziehen und da& Weiſs zu beschmutzen. Verfasser
                              									bespricht ferner noch die verschiedene Festigkeit, mit der Säuren vom Baumwollgewebe
                              									zurückgehalten werden; Schwefelsäure läſst sich am leichtesten auswaschen und sollte
                              									daher beim Ansäuren im Bleich verfahren den Vorzug vor der sehr schwer zu
                              									entfernenden Salzsäure erhalten.
                           Ueber das Bleichen der Baumwolle hat auch Albert
                                 										Scheurer im Bulletin de la Société industrielle de
                                 										Mulhouse eine sehr bemerkenswerthe ausführliche geschichtliche und
                              									experimentelle Untersuchung veröffentlicht. Da sich dieselbe zur Wiedergabe in
                              									kurzer Form nicht eignet, so sei hier darauf verwiesen.
                           Unter den Beizen finden namentlich die für die Herstellung echter Färbungen so
                              									wichtigen Metallbeizen die gröſste Beachtung. Namentlich die Herstellung praktischer
                              									Chrom beizen wird nach immer neuen Methoden angestrebt. Das D. R. P. Nr. 45998 von
                              										Moritz von Gallois beschäftigt sich einläſslich mit
                              									diesem Gegenstande. Es hebt hervor, daſs die bisher üblichen Beizen leicht
                              									ungleichmäſsig aufgehen und daſs durch einmaliges Einhängen der Faser in die
                              									Beizflüssigkeit und darauf folgende Fixation eine genügende Menge von Chromsäure
                              									meist nicht fixirt werden kann. Es sind dann mehrmalige Beizungen nothwendig,
                              									wodurch bedeutender Material- und Zeitverlust entsteht. Der Erfinder benutzt als
                              									neue und seiner Ansicht nach vortreffliche Beize das neutrale Chromat des
                              									Chromoxydes Cr2(CrO4)3 + 9H2O, welches durch Auflösen eines Moleküls Chromoxydhydrat in einer Lösung von
                              									3 Molekülen Chromsäure und vorsichtiges Abdampfen der Lösung in langen
                              									Krystallnadeln erhalten werden kann. Die verdünnte wässerige Lösung dieses Körpers
                              									zersetzt sich beim Erhitzen unter Abscheidung ihres Chromoxydes und die gleiche
                              									Zersetzung erfolgt auf der Faser durch Dämpfen. Damit dabei die Faser nicht
                              									angegriffen werde, wird eine entsprechende Menge von Natrium- oder Magnesiumacetat
                              									zugesetzt. Durch organische Säuren können weiſse Muster geätzt oder reservirt
                              									werden. Zum Beizen der Schafwolle ist die neue Verbindung ebenfalls geeignet, da sie
                              									sich ohne Weiteres vollständig mit derselben verbindet. Ein basisches Chromichromat
                              										Cr2(CrO4)2(OH)2 ist ebenfalls
                              									geeignet, doch ist seine Lösung nicht haltbar. Ganz besonders aber empfiehlt sich das Sulfatchromat Cr2CrO4SO2(OH)2, welches
                              									durch Auflösen von einem Molekül Chromhydroxyd in einem Molekül Schwefelsäure und
                              									einem Molekül Chromsäure erhalten wird. Die Schwefelsäure läſst sich durch
                              									äquivalente Mengen Salz-, Salpeter- und Essigsäure ersetzen. Diese Beize gibt ihr
                              									Chromoxyd an alle Fasern gleichmäſsig ab und eignet sich daher ganz besonders auf
                              									Mischgeweben, auf welchen man durch einmaliges Anheizen gute Resultate erhält.
                              									Bezüglich der genauen Vorschriften für die Zusammenstellung der einzelnen Beizen
                              									wird auf das Patent verwiesen. Beispielsweise sei hier eine Druckfarbe mit
                              									Sulfatchromat angeführt. Man bereitet dieselbe aus
                           
                              
                                 25g
                                 Mehl,
                                 
                              
                                 75g
                                 Weizenstärke,
                                 
                              
                                 10cc
                                 Olivenöl,
                                 
                              
                           900cc basischem Chromsulfat
                              										Cr2(SO4)2(OH)2, aus 200g Chromalaun bereitet, werden zusammen verkocht,
                              									mäſsig abgekühlt und lauwarm mit 39g gelbem
                              									chromsauren Kali und 100g Magnesiumacetat von 16°
                              									Bé. versetzt. Die Farbe druckt sich gut und ist unbeschränkt haltbar. Für die
                              									Aetzung und die Reservage dieser Chromfarbe bedient man sich der nachfolgenden
                              									Gemische:
                           
                              
                                 
                                 Enlevage
                                 Reservage
                                 
                              
                                 Leiogomme
                                 4400g
                                 6000g
                                 
                              
                                 Wasser
                                 7000g
                                 7000g
                                 
                              
                                 Citronensäure
                                 3000g
                                 4000g
                                 
                              
                                 Weinsäure
                                 2000g
                                 2666g
                                 
                              
                                 Schwefelsäure 66° B.
                                     50g
                                     65g
                                 
                              
                           Die mit diesen Beizen oder Beizfarben imprägnirten oder bedruckten Gewebe werden
                              									behufs Fixirung der Chromoxydes nach dem Trocknen 15 Minuten im
                              									Niederdruckdämpfapparat gedämpft (oder 24 Stunden in einen etwa 30° R. warmen Raum
                              									gehängt). Hierbei wird durch die Wirkung des Dämpfens bezieh. Hängens das gesammte
                              									in der Beize vorhandene Chromoxyd als stark basisches Chromat in unlöslicher Form in
                              									der Faser gefällt. Man passirt nun durch die Sodalösung (1 Proc. Krystallsoda, 3
                              									Minuten bei 30° R.), wäscht oder „kuhkothet“ eventuell gründlich und färbt
                              									nach bekannter Methode aus. Die auf das Dämpfen folgende Passage durch eine schwache
                              									Sodalösung hat also nicht den Zweck (wie bei den meisten der bis jetzt in Anwendung
                              									stehenden Chrombeizverfahren), durch Anwendung heiſser concentrirter alkalischer
                              									Bäder (Alkalicarbonate) das Chromoxyd unlöslich auszufällen, sondern soll nur ein
                              									leichteres Benetzen der Faser, sowie bei aufgedruckten Enlevage- bezieh.
                              									Reservagefarben ein Absättigen der überschüssigen organischen Säuren (und dadurch
                              									Vermeidung von Fluſs) bewirken.
                           G. Stein macht darauf aufmerksam, daſs die bereits
                              									früher erwähnte neue Chrombeize, das Fluorchrom, welche als lebhaft grünes krystallinisches Pulver
                              									von 42 bis 44 Proc. Oxydgehalt in den Handel gebracht wird, bereits eine Nachahmung
                              									gefunden hat. Dieses Product, welches sich im Handel unter dem Namen Chromfluorid
                              									findet, bildet ein schmutzig olivenbraunes Pulver, welches nur wenig wirkliches
                              									Chromfluorid enthält, daneben aber Natriumsulfat, Chromsulfat und
                              									Natriumchromat.
                           Einen wichtigen und interessanten Beitrag zur Theorie des Beizens und Färbens hat E. Knecht geliefert (Berichte
                                 										der deutschen chemischen Gesellschaft, 1888 Bd. 2 S. 804). Derselbe stellte
                              									durch Auflösen von Schafwolle in einem Gemische aus 2 Th. Schwefelsäure und 3 Th.
                              									Wasser die bisher ungenügend bekannte Lanuginsäure dar und zeigte, daſs dieselbe
                              									hervorragende Affinität zu fast allen Farbstoffen besitzt, so zwar, daſs mit ihrer
                              									Hilfe diese Farbstoffe in Form von Lacken gefällt werden können, welche sogar, wie
                              									es scheint, nach bestimmten Molekularverhältnissen zusammengesetzt sind. Der
                              									Verfasser nimmt nicht ohne Grund an, daſs beim Färben von Wolle in Säurebädern sich
                              									diese oder eine ihr nahe verwandte andere Amidosäure bildet und zur Fixirung der
                              									Farbstoffe Veranlassung gibt.
                           In der Färberei selbst begegnen wir weniger wirklich
                              									neuen Verfahren, als namentlich passenden Vorschriften für neue oder bisher in der
                              									Praxis noch nicht genügend erprobte Farbstoffe.
                           Die Bestrebungen, Anilinfarben auf Seide aus Bädern zu färben, welche kein Wasser
                              									enthalten, beschäftigen nach wie vor viele Färber. Ein derartiges Verfahren hätte in
                              									der That eine groſse industrielle Wichtigkeit, denn das Färben aus wässeriger Lösung
                              									ist nur auf Strängen bequem anwendbar. Seidene Gewebe, namentlich die besseren
                              									Qualitäten derselben leiden durch das Färben in Wasser und verlieren einen Theil
                              									ihres Glanzes und ihres Griffes. Besäſse man ein Verfahren, welches das tadellose
                              									Färben seidener Gewebe gestattete, so würden dadurch die Herstellungskosten dieser
                              									letzteren erheblich verringert werden und die Seidenfabrikanten wären im Stande,
                              									vorräthig hergestelltes ungefärbtes Seidengewebe nach den Erfordernissen der
                              									beständig wechselnden Mode rasch und sicher in kurzer Zeit zu färben. Ein solches
                              									Verfahren hätte den weiteren Vortheil, daſs seidene Kleidungsstücke nach dem
                              									Reinigen mittels Benzin ohne Weiteres und ohne daſs sie zertrennt zu werden
                              									brauchten, einer Ueberfärbung unterworfen werden könnten. Alle diese Vortheile
                              									machen die Einführung der sogen. trockenen Färberei in der That sehr wünschenswerth
                              									und erklären es, daſs trotz der höchst langsamen Fortschritte die Versuche über
                              									diesen Gegenstand nicht aufgegeben werden. Die Lösung des Problems gelänge am
                              									leichtesten, wenn man eine Anzahl von Farbstoffen besäſse, welche in Benzin leicht
                              									löslich und aus dieser Lösung auf Seide zu färben befähigt wären. Man pflegt zu
                              									diesem Zwecke bisher die stearin- und ölsauren Salze der basischen Anilinfarbstoffe
                              									zu verwenden, welche
                              									durch Fällung der Chlorhydrate mittels Seifenlösungen erhalten und mit freier
                              									Stearinsäure vermengt von einzelnen Fabriken unter dem Namen „Fettlösliche
                                 										Farbstoffe“ in den Handel gebracht werden. Der bekannte Erfinder Müller-Jacobs (vgl. 1889 273
                              									139) schlägt nun vor, benzinlösliche Farben dadurch zu erzeugen, daſs er wässerige
                              									Lösungen von Farbstoffen, welche mit Metallsalzen (Zinksulfat, Alaun) versetzt sind,
                              									mit Harzseifenlösung niederschlägt. Die so erhaltenen Niederschläge sollen nicht nur
                              									in Benzin, sondern auch in Chloroform, Aether und Schwefelkohlenstoff löslich sein.
                              									Es bleibt abzuwarten, ob diese Producte bemerkenswerthe Vorzüge vor den
                              									fettlöslichen Farbstoffen darbieten.
                           Ueber die trockene Färberei haben auch noch Laffite und
                              										Carey-Montreau eine Studie in dem Bulletin de la Société scientifique et industrielle de
                                 										Marseille veröffentlicht. Die Verfasser schlagen vor, Fettsäuren, wie sie
                              									durch Versetzen von Marseillerseife mit Salzsäure erhalten werden, mit 10 bis 11
                              									Proc. ihres Gewichtes an käuflichem Ammoniak von 0,88 spec. Gew. zu neutralisiren.
                              									Es entsteht eine Ammoniakseife, welche im Benzin des Handels in allen Verhältnissen
                              									löslich ist und ihrerseits bewirkt, daſs die gewöhnlichen basischen Farbstoffe des
                              									Handels sich ebenfalls in dem Benzin lösen, wenn man sie in alkoholischer Lösung in
                              									dasselbe einträgt. (Es ist dies offenbar eine sinnreiche Methode zur Ueberführung
                              									der Farbstoffchlorhydrate in Oleate, indem das vorhandene Ammoniak zur
                              									Neutralisation der Salzsäure dient. Ref.)
                           Eine sehr interessante neue Errungenschaft ist die gemischte Indigo-Indophenolküpe,
                              									deren Einführung den andauernden Bemühungen der Firma Durand, Huguenin und Comp. zu verdanken ist. Dieselbe beruht auf der
                              									höchst merkwürdigen Thatsache, daſs das Indophenol, welches bekanntlich zur
                              									Verwendung in der Küpe für sich nicht geeignet ist, seine Eigenschaften vollständig
                              									verleugnet und dafür die des Indigos annimmt, sobald es mit dem letzteren gemischt
                              									wird. Da das Indophenol weit billiger und gleichzeitig ausgiebiger ist als Indigo,
                              									so wird durch seinen Zusatz zur Blauküpe eine ganz erhebliche Ersparniſs erzielt.
                              									Die erhaltenen Nuancen sind den mit reinem Indigo erzielten an Schönheit und Tiefe
                              									mindestens gleichwerthig. Daſs dieselben aus einem Gemische von Indigo und
                              									Indophenol bestehen, läſst sich leicht und sogar quantitativ nachweisen, wenn man
                              									den gefärbten Stoff mit Alkohol extrahirt, wobei das Indophenol mit blauer Farbe in
                              									Lösung geht, der Indigo aber unlöslich auf dem Gewebe zurückbleibt. In allen anderen
                              									Stücken verhält sich aber das so gefärbte Gewebe wie ein normales Küpenblau,
                              									namentlich läſst es sich auch mit groſser Leichtigkeit genau so wie dieses mittels
                              									Chromaten ätzendes ist somit für eine der hauptsächlichsten Verwendungen des
                              									Küpenblaues durchaus ebenso geeignet wie dieses. Als Reductionsmittel für die
                              									gemischte Küpe eignet sich das von Schützenberger und De Lalande eingeführte und jetzt ganz allgemein
                              									benutzte Hydrosulfit. Die Küpe wird angesetzt aus 10k Indigo, welcher mit 30l Wasser und
                              										2l Natronlauge fein vermählen worden ist.
                              									Hierzu fügt man 3k,3 Indophenol in Pulver, 48k Natriumbisulfit von 40°, dann setzt man langsam
                              									und unter gutem Rühren 9k Zinkstaub, welcher mit
                              										10l Wasser zur Paste angerührt ist, hinzu. Man
                              									rührt eine halbe Stunde und fügt dann noch 30l
                              									Natronlauge bei. Endlich wird das Gemisch auf 500l
                              									mit Wasser verdünnt und absetzen gelassen. Die Farbeküpe besitzt 5000l Inhalt, sie wird mit 4000l Wasser gefüllt und mit zwei der oben
                              									beschriebenen Ansätze vermischt, nachdem man vorher, um den im Wasser enthaltenen
                              									Sauerstoff zu zerstören, eine aus 2 Th. Zinkstaub, 12l,5 Bisulfit von 40°, 25l Wasser und
                              										8l Natronlauge von 38° bereitete
                              									Hydrosulfitlauge zugesetzt hat. In einer so bereiteten Küpe kann man 30 Stücke
                              									Baumwollenstoff färben, wobei das Gewebe 2 Minuten im Bade bleibt. Sobald die 30
                              									Stücke durchgegangen sind, setzt man 123l der
                              									Stammküpe hinzu, um die Färbeküpe nicht zu sehr zu erschöpfen. Es können nun neue 30
                              									Stücke gefärbt werden u.s.w. Die erhaltene Nuance entspricht in ihrer Tiefe einem
                              									alten Küpenblau, welches 450 bis 500g Indigo für
                              									das Stück enthält, während bei der neuen gemischten Küpe der Indigoverbrauch bloſs
                              										250g beträgt. Die Küpe ist stets klar, wird
                              									niemals schlammig und färbt daher höchst gleichmäſsig. Wenn die Stücke aus der Küpe
                              									kommen, so genügt es nicht, sie wie beim alten Verfahren bloſs an der Luft vergrünen
                              									zu lassen, sondern sie müssen behufs vollständiger Oxydation des Farbstoffes
                              									schlieſslich ein zweites kaltes Bad mit 2g
                              									Kaliumbichromat für das Liter passiren, in welchem die Eintauchung ebenfalls 2
                              									Minuten beträgt. Es unterliegt keinem Zweifel, daſs dieses eigenthümliche Verhalten
                              									des Indophenols darauf beruht, daſs sein Reductionsproduct sich in der Küpe mit dem
                              									entstandenen Indigoweiſs chemisch vereinigt. Die so entstandene Verbindung vereinigt
                              									sich als solche mit der Faser und wird beim nachträglichen Vergrünen zu einem
                              									Gemisch der beiden Farbstoffe oxydirt. Diese für die Färberei sehr wichtige
                              									Erfindung ist in allen Industriestaaten patentirt worden mit Ausnahme von
                              									Deutschland, wo ein Patent in allen Instanzen verweigert wurde.
                           Fischli erhielt einen Preis der Société industrielle de Mulhouse für eine Arbeit über „Die Theorie des
                                 										Türkischroth-Prozesses“. Der Verfasser sucht nachzuweisen, daſs die
                              									Türkischrothöle des Handels lediglich aus freier Ricinusölsäure bestehen oder doch
                              									beim Erhitzen mit verdünnter Salzsäure solche abspalten. Mit chemisch reiner
                              									Ricinusölsäure erhielt Verfasser Resultate, welche denen des besten Türkischrothöles
                              									gleichkamen. Ricinusölsäure Alkalien liefern mit Thonerdesalzen einen dicklichen
                              									Niederschlag, welcher der Formel
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 275, S. 173
                              
                           entsprechen soll. Erhitzt man diesen Niederschlag in
                              									wässeriger Suspension mit Alizarin, so beginnt er bei 40° sich zu färben, bei
                              									höherer Temperatur schmilzt er und bei 105° wird er glänzend roth. Der so erhaltene
                              									Lack wird durch Kochen mit Seife nicht zersetzt, ist aber in Alkohol und Aether
                              									löslich und kann mittels dieser Lösung mit türkischrother Nuance auf Baumwolle
                              									fixirt werden. Auf Grund dieser Beobachtungen empfiehlt der Verfasser ein Färbe
                              									verfahren, welches sich aus den nachfolgenden Operationen zusammensetzt.
                           1) Oelen. Der Verfasser empfiehlt die Anwendung
                              									ricinusölsauren Natrons, welches auf der Faser durch Kohlensäureanziehung zersetzt
                              									werden soll.
                           2) Beizen. Das auf die Baumwolle gebrachte
                              									Aluminiumacetat setzt sich mit der Oelbeize unter Bildung von ricinusölsaurer
                              									Thonerde um.
                           3) Kreidebad. Dient zur endgültigen Befestigung der
                              									Thonerde und zur Fixirung einer gewissen Menge Kalk auf dem Gewebe.
                           4) Färben. Dabei entsteht ein
                              									Alizarinricinusthonerdelack, welcher noch freie Oelsäure enthält, wenn man dem
                              									Färbebade Türkischrothöl zusetzt.
                           5) Oelen. Diese Operation ist überflüssig, wenn das
                              									Türkischrothöl bereits dem Färbebade zugesetzt wurde. Das erhaltene Roth zeigt einen
                              									Stich ins Braune, wenn nicht genug Fettbeize vorhanden ist.
                           6) Dämpfen. Durch diese Behandlung wird die vorhandene
                              									freie Fettsäure dem Lacke einverleibt und dieser selbst dringt tiefer in die Poren
                              									des Gewebes ein. Eine Erhöhung des Glanzes der Nuancen ist das Resultat.
                           7) Seifen. Dasselbe entfernt die Reste der noch
                              									vorhandenen freien Fettsäure.
                           Wenn man auch noch die Behandlung mit Zinnsalz vornimmt, so tritt Zinn in die
                              									Verbindung von Thonerde, Oelsäure und Farbstoff ein. Dies hat einen vortheilhaften
                              									Effect, wenn die Waare mit Alizarin und Anthrapurpurin gefärbt wurde. Kam aber ein
                              									Flavopurpurin haltiger Farbstoff zur Verwendung, so muſs Zinn vermieden werden.
                              									Flavopurpurin sollte überhaupt nur zum Drucken Anwendung finden. Der Verfasser
                              									unterwirft auch das Aetzverfahren auf türkischrother Waare einer Kritik und nimmt
                              									an, daſs der Farbstoff während des Aetzens zur Phtalsäure oxydirt werde.
                           
                              (Schluſs folgt.)