| Titel: | Beiträge zur Kenntniss der leichtest flüchtigen Antheile des Steinkohlentheers; von Dr. Joachim Biehringer, | 
| Autor: | Joachim Biehringer | 
| Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 78 | 
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                        Beiträge zur Kenntniſs der leichtest flüchtigen
                           								Antheile des Steinkohlentheers; von Dr. Joachim Biehringer,
                        Assistenten am chemischen Institute der
                           								Universität Erlangen.
                        Leichtflüchtige Antheile des Steinkohlentheers.
                        
                     
                        
                           Die Untersuchung der leichtest flüchtigen Antheile des Steinkohlentheers hat sich bis
                              									jetzt einzig und allein auf den Vorlauf beschränkt, welcher bei der endgültigen
                              									Fractionirung der gereinigten Benzolkohlenwasserstoffe erhalten wird, mithin auf ein
                              									Erzeugniſs, das bereits der Einwirkung von Säure und Alkali ausgesetzt gewesen war.
                              									Wir können aus dem Grunde selbstredend nicht erwarten, in den einzelnen Fractionen
                              									des gereinigten Productes alle die Körper wiederzufinden, welche die gleichen
                              									Antheile des rohen, noch unberührten Theers enthielten; wir werden auf neue Körper
                              									stoſsen, die aus jenen durch den Einfluſs der beiden Agentien entstanden sind und
                              									ursprünglich vorhanden gewesene Substanzen vermissen. Andererseits wird aber nicht
                              									nur die Art, sondern auch die Concentration und die Dauer der Einwirkung von Säure
                              									und Alkali eine mehr oder minder weitgehende Veränderung in der schlief suchen
                              									Zusammensetzung des Destillats erzeugen. Diesem Umstände ist es wohl neben der
                              									primär vorhandenen Verschiedenheit der einzelnen Theersorten hauptsächlich
                              									zuzuschreiben, daſs wir in den wenigen Arbeiten, die sich mit diesem Theile des
                              									flüssigen Steinkohlendestillats beschäftigen, Angaben über Vorhandensein und
                              									Nichtvorhandensein einzelner Körper und ganzer Körpergruppen finden, welche einander
                              									schnurstracks widersprechen.
                           Neben diesen mehr nur ein theoretisches Interesse besitzenden Fragen hat auch die
                              									Verwendbarkeit dieses bislang noch ziemlich werthlosen Productes der
                              									Theerdestillation ihre gewisse Bedeutung. Es ist dies jedoch eine Aufgabe, welcher
                              									wir erst dann näher zu treten vermögen, wenn man die wichtigeren Bestandtheile
                              									desselben genauer kennt und vor Allem durch einfache quantitative Methoden bestimmen
                              									kann. In dieser Richtung bewegt sich denn auch der Haupttheil der Untersuchung, über
                              									welche ich auf den nachfolgenden Seiten zu berichten gedenke.
                           Dieselbe ist anfangs an einem zwischen 30 und 80° siedenden Antheile eines
                              									90procentigen englischen Benzols ausgeführt worden, welcher aus der chemischen
                              									Fabrik Grieſsheim stammte und Herrn Prof. Dr. Otto
                                 										Fischer von Herrn Dr. Häuſsermann zur
                              									Verfügung gestellt worden war. Die Menge dieses Vorlaufs beträgt nach gütiger
                              									Mittheilung des letztgenannten Herrn etwa 1½ Proc. des Benzols. Als dann weiterhin
                              									im Verlaufe der Arbeit verschiedene Anzeichen darauf hindeuteten, daſs sich
                              									besonders die zwischen 50 bis 60° und die zwischen 60 und 70° siedenden Fractionen
                              									in Folge besonderer hier nicht weiter zu erörternder Reactionen der Beachtung
                              									empfehlen dürften, hatte Herr Dr. Häuſsermann die Güte,
                              									dieselben aus gröſseren Massen des Vorlaufs abzuscheiden und mir in ausreichender Menge
                              									zu überlassen. Ich erlaube mir, ihm für seine Freundlichkeit auch meinerseits an
                              									dieser Stelle meinen besten Dank auszudrücken.
                           Die Fraction 50 bis 60° war mir unter der Marke L1, die Fraction 60 bis 70° unter der
                              									Marke L2 zugesandt worden. Ich habe beide Bezeichnungen auch in meiner Arbeit
                              									beibehalten, um dieselben von den gleichen Fractionen, die ich selbst durch
                              									Destillation aus ihnen und aus dem ganzen rohen Vorlauf abgeordnet habe, in
                              									einfacher Weise zu unterscheiden.
                           Der rohe Vorlauf, wie die beiden genannten Fractionen L1 und L2 sind wasserhelle, bei
                              									längerem Stehen sich gelblich färbende, leicht bewegliche und das Licht stark
                              									brechende Flüssigkeiten, deren sehr unangenehmer und durchdringender Geruch bei
                              									längerem Einathmen Kopfweh und leichten Schwindel verursacht und damit eine
                              									Verwendung dieses Products ähnlich derjenigen des Petroläthers fast ausschliefst.
                              									Wir werden später nochmals darauf zurückzukommen haben. Der Geschmack ist ätzend.
                              									Auf empfindlichen Stellen der Haut rufen sie ein schwaches Jucken hervor. Blaues
                              									Lackmus wird etwas geröthet. Angezündet brennen sie mit leuchtender, sehr stark
                              									qualmender Flamme und häſslichem Gerüche. Bei langem Stehen scheiden sie ein
                              									dunkelbraun gefärbtes, dickliches Oel ab.
                           Selbstredend wurde zunächst eine Trennung des rohen Vorlaufs durch fractionirte
                              									Destillation versucht, wobei als Dephlegmator der Le
                                 										Bel-Henninger'sche Aufsatz, sowie besonders eine in 6 Kugeln aufgeblasene
                              									und mit Glasperlen gefüllte Glasröhre zur Verwendung kam. Es gelang jedoch auch
                              									durch oftmaliges Umfractioniren nicht direkt aus dem Rohmateriale irgend welche
                              									Körper zu fassen, ein Ergebniſs, zu dem ja auch frühere Untersucher derartiger
                              									natürlich vorkommender oder künstlich erzeugter Stoffgemische gekommen sind. Welch
                              									geringe Aussicht sich bietet, auf diesem Wege zu einem Ziele zu gelangen, beweist
                              									schon der Umstand, daſs die gleichen Gewichtsmengen des Vorlaufs bei ihrer
                              									Fractionirung niemals auch bloſs annähernd gleiche Gewichtsmengen der einzelnen
                              									Fractionen liefern, sondern daſs innerhalb der letzteren Schwankungen beobachtet
                              									wurden, die sich bis auf 10 Proc. der angewandten Menge erstreckten.
                           Wie der rohe Vorlauf, so wurden auch die beiden in der Fabrik dargestellten
                              									Fractionen L1 und L2 einer erneuten, mehrmaligen Fractionirung unterworfen, nachdem
                              									Vorversuche gezeigt hatten, daſs der Siedepunkt derselben sich durchaus nicht in den
                              									oben angegebenen Grenzen bewegt. So ging z.B. von der Fraction L1 wohl die
                              									Hauptmenge, d.h. etwa ⅔ zwischen den Graden 50 und 60 über; allein die Flüssigkeit
                              									begann bereits bei 40° zu sieden und lieſs auch einen sehr beträchtlichen Rückstand,
                              									welcher über 60° siedete. Durch öfteres Fractioniren der einzelnen von 5 zu 5°
                              									aufgefangenen Antheile vermehrte sich hierbei das vor 50° siedende Product stetig auf Kosten der
                              									anderen, zumal des Antheils 50 bis 55°, indem es allmählich gelang, den
                              									Schwefelkohlenstoff mehr auf ersteres zu concentriren. Ein Ziel war jedoch damit
                              									nicht zu erreichen. Es scheint fast, als ob es nicht allein die Besonderheit der
                              									fractionirten Destillation sei, welche diese Unregelmäſsigkeiten bewirke, sondern
                              									als ob noch während der Destillation Umsetzungen und Umwandelungen in dem Gemische
                              									eintreten, die den Siedepunkt desselben in erheblichem Maſse beeinflussen.
                           Schon bei ruhigem Stehen scheidet sich der rohe Vorlauf, beim Fractioniren desselben
                              									hauptsächlich die niedriger siedenden Antheile in einen unteren, das Licht sehr
                              									stark brechenden und vornehmlich aus Schwefelkohlenstoff bestehenden Theil und in
                              									eine obere, weit schwächere Schicht. Beide sind scharf von einander geschieden und
                              									lassen sich selbst durch gelindes Schütteln nicht mehr vollständig mit einander
                              									mischen. Eine getrennte Untersuchung derselben, wie sie Vincent und Delachanal, welche die gleiche Beobachtung machten, ausgeführt
                              										habenCompt. rend., Bd. 86 S. 340. Chemisches Centralblatt, 1878 3. Folge 9.
                                    											Jahrg. S. 235., bietet keinen Vortheil, da sowohl die obere, wie
                              									die untere Schicht die sämmtlichen, später zu beschreibenden Reactionen, wenn auch
                              									vielleicht zum Theil mit verschiedener Schärfe gibt. Jedenfalls habe ich keine
                              									Reaction gefunden, die einer von beiden eigenthümlich gewesen wäre.
                           Nachdem das Mittel der Trennung durch Fractioniren versagt hatte, blieben für die
                              									Untersuchung des mir vorliegenden Körpergemisches nur zwei Wege übrig. Man muſste
                              									einmal die bisher bekannten Bestandtheile auf irgend welche Weise entfernen und in
                              									der von ihnen befreiten Flüssigkeit nach neuen Körpern fahnden, eine unendlich
                              									schwierige und zeitraubende Arbeit, die um so verwickelter wird, als ja die zur
                              									Entfernung benutzten Reagentien auch auf die noch unbekannten Stoffe mehr oder
                              									minder verändernd einwirken werden. Zweitens bot sich in der Anwendung der bisher
                              									bekannten Gruppenreagentien Gelegenheit, den Vorlauf auf An- und Abwesenheit
                              									gewisser Körperklassen zu prüfen. Doch ist auch dies Verfahren wegen der
                              									Nebenreactionen, die andere bekannte und unbekannte Körper des Vorlaufs bewirken,
                              									nur mit Vorsicht zu gebrauchen, ganz abgesehen davon, daſs die Zahl der
                              									Gruppenreagentien in der organischen Chemie heutzutage noch eine recht beschränkte
                              									ist.
                           Bei den Versuchen, die ich in diesen beiden Richtungen anstellte, gelangte ich nun
                              									dazu, neben anderem auch die oben erwähnten quantitativen Bestimmungen einer Anzahl
                              									bekannter Bestandtheile des Theervorlaufs, wie der beiden Fractionen L1 und L2
                              									auszuführen. Können auch die hierbei erhaltenen Zahlen keine allgemeine Gültigkeit
                              									beanspruchen, so geben sie doch einen Fingerzeig, in welcher Weise sich die
                              									Verwerthung des Products bethätigen lieſse, und auf welche Reactionen bei einer diesbezüglichen
                              									Prüfung desselben besondere Rücksieht zu nehmen wäre.
                           
                        
                           I. Der Schwefelkohlenstoff.
                           Der Schwefelkohlenstoff wurde von Vincent und DelachanalA. a. O. in den leichtest
                              									siedenden Antheilen des Rohbenzols gefunden.
                           Zur Prüfung auf diesen Körper versetzt man den Vorlauf oder das unreine Benzol mit
                              									etwas weingeistigem Ammoniak und läſst einige Zeit stehen. Ist die Menge des
                              									Schwefelkohlenstoffs nur irgend bedeutend, so scheidet sich das entstehende
                              									Rhodanammon in Krystallen ab. Man schüttelt sodann das Ganze mit Wasser aus und
                              									weist im wässerigen Auszuge das Rhodanammon nach dem Ansäuern mittels Eisenchlorids
                              									nach.
                           Auch die zur quantitativen Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs angewandte Methode,
                              									die Ueberführbarkeit desselben in ein Alkalisalz der Xanthogensäure läſst sich zu
                              									obigem Zwecke gebrauchen.Luch in Zeitschrift für
                                       												analytische Chemie von Fresenius, 11.
                                    											Jahrg. S. 410. Man setzt der zu prüfenden Flüssigkeit eine
                              									concentrirte Lösung von Aetzkali in absolutem Alkohol zu, schüttelt kräftig und
                              									erwärmt gelinde, zieht dann mit Wasser aus, neutralisirt die wässerige Lösung mit
                              									Essigsäure und setzt etwas Kupfervitriollösung zu, worauf gelbes xanthogensaures
                              									Kupferoxydul ausfällt.
                           Der Schwefelkohlenstoff ist für die weitere Untersuchung des Benzolvorlaufs, zumal
                              									der Kohlenwasserstoffe desselben ungemein hinderlich, da er mit einer Reihe dieser
                              									die Eigenschaft theilt, durch concentrirte Säuren und Alkalien nicht verändert zu
                              									werden, weshalb denn auch das Benzol des Handels meistens damit verunreinigt
                              									ist.
                           Ich versuchte zuerst ihn, wie erwähnt, mit Hilfe der fractionirten Destillation auf
                              									die zwischen 45 und 50° übergehenden Antheile des Theervorlaufs zu concentriren,
                              									erreichte jedoch meinen Zweck auch nach mehrmaligem Umdestilliren nur in sehr
                              									unvollkommenem Maſse. Denn in Folge der groſsen Dampfspannung, welche den
                              									Schwefelkohlenstoff auszeichnet, und der Besonderheiten der fractionirten
                              									Destillation gehen, wie auch HelbingAnnalen der
                                          													Chemie, Bd. 172 S. 284. angibt, die ersten
                              									Antheile des Körpers schon ziemlich tief unter dem wahren Siedepunkte über, während
                              									andererseits die zwischen 50 und 60°, ja selbst noch die zwischen 60 und 70°
                              									siedenden Antheile ihn mit aller Schärfe nachzuweisen gestatten. Es möchte fast
                              									scheinen, als ob sich derselbe in irgend welcher lockeren Verbindung mit anderen
                              									Körpern des Vorlaufs befände, die bei der Destillation erst nach und nach zersetzt
                              									würde.
                           Aus der groſsen Dampfspannung des Schwefelkohlenstoffs erklärt sich auch folgende
                              									Beobachtung. Mehrmals erhielt ich bei rascherem Abdestilliren einzelner Fractionen des Vorlaufs, die
                              									behufs Bestimmung des genannten Körpers in eine mit weingeistigem Kali beschickte
                              										Volhard'sche Vorlage geleitet wurden, kleine Mengen
                              									eines Gases, das über Wasser aufgefangen werden konnte, mit blauer Flamme brannte
                              									und dabei schweflige Säure bildete. Dieses Gas war, wie die Untersuchung ergab,
                              									nichts anderes als Schwefelkohlenstoffdampf, welcher durch das weingeistige Kali
                              									hindurchgestrichen war, ohne absorbirt worden zu sein.
                           
                        
                           
                              Quantitative Bestimmung des
                                 										Schwefelkohlenstoffs.
                              
                           Die Frage der quantitativen Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs hat im letzten
                              									Jahrzehnt, als man nach Thénard's Vorschlag anfing
                              									denselben als Vertilgungsmittel der Reblaus anzuwenden und in den Boden der
                              									verseuchten Weingärten einzuführen, eine erhöhte Bedeutung erhalten. In Rücksicht
                              									auf diese Verwendung sind denn auch die Mehrzahl der weiter unten zu besprechenden
                              									Vorschriften gegeben worden.
                           
                              1) Durch
                                    										Triäthylphosphin.
                              Eine Bestimmungsweise desselben, die A. W. Hofmann
                                 										gelegentlich der Untersuchung eines Senföls des Handels veröffentlicht hat,
                                 										gründet sich auf die leichte Verbindbarkeit des Schwefelkohlenstoffs mit
                                 										Triäthylphosphin zu einem schön krystallisirenden rothen Additionsproducte.Berichte der
                                          													deutschen chemischen Gesellschaft, 13. Jahrg. S. 1735; vgl. Annalen 1. Suppl. S. 26 ff. Ich
                                 										habe die Methode nur an reinem Schwefelkohlenstoffe vom Siedepunkte 46,8°
                                 										versucht und dabei folgendes Verfahren eingeschlagen. Eine abgemessene Menge
                                 										desselben wurde in absolutem Aether gelöst und eine ätherische Lösung von
                                 										Triäthylphosphin im Ueberschuſs zugefügt. Das Gemisch färbt sich nach kurzer
                                 										Zeit roth und beginnt bald kleine Krystallnadeln abzuscheiden. Ich lieſs das
                                 										Ganze stehen, bis völlige Entfärbung eingetreten war, filtrirte auf ein
                                 										gewogenes Filter, wobei ich so lange als möglich die Mutterlauge zum Nachspülen
                                 										verwandte und erst ganz zuletzt reinen Aether folgen lieſs, trocknete dann im
                                 										Vacuum und wog. Das hierbei erhaltene Ergebniſs fiel jedoch aus mir nicht
                                 										bekannten Gründen um ein gutes Theil zu gering aus.
                              
                           
                              2) Als xanthogensaures
                                    										Salz.
                              Die übrigen Vorschriften zur Bestimmung des Schwefelkohlenstoffe beruhen
                                 										insgesammt auf der Thatsache, daſs sich derselbe durch Zusammenbringen mit
                                 										weingeistigem Kali glatt in das Kalisalz der Xanthogensäure überführen läſst.
                                 										Man bethätigt dies in der Weise, daſs man eine abgemessene Menge des
                                 										Schwefelkohlenstoffs oder der ihn enthaltenden Flüssigkeit tropfenweise in eine
                                 										concentrirte Lösung von Aetzkali in starkem Weingeist, oder besser in absolutem
                                 										Alkohol unter Umrühren einträgt. Bei nur einigermaſsen erheblichen Mengen wird sich das Salz
                                 										sofort als dichter Krystallfilz abscheiden, der jedoch gewöhnlich noch
                                 										unveränderten Schwefelkohlenstoff einschlieſst und so vor der Einwirkung des
                                 										alkoholischen Kalis schützt. Setzt man dann Wasser hinzu, um das Salz zu lösen,
                                 										so sammelt sich derselbe in kleinen Tröpfchen am Boden. Es ist darum gerathen,
                                 										die Krystallmasse zu zerkleinern und ganz gelinde zu erwärmen.
                              Die Bestimmung des so erhaltenen Xanthogenats geschieht durch Maſsanalyse in
                                 										zweierlei Weise, entweder mittels Kupferlösung oder mit Hilfe einer Jodlösung
                                 										von bekanntem Gehalte.
                              
                                 
                                    α) Mittels
                                       											Kupferlösung.
                                    
                                 Für diese Form sind Methoden von Grete und von
                                    												Macagno angegeben worden, die sich nur in
                                    											der Wahl der Maſsflüssigkeit unterscheiden.
                                 Da die Kupferlösung als Kupferoxydsalz zur Anwendung kommt, der Niederschlag
                                    											aber ein Kupferoxydulsalz ist, so sind für jedes Molekül Kupfersalz zwei
                                    											Moleküle Xanthogenat nothwendig, von denen eines der Reduction der
                                    											Kupferlösung, das andere der Salzbildung dient. Versuche, das Kupfersalz
                                    											durch ein Bleisalz zu ersetzen, welches sich mit dem xanthogensauren Kali in
                                    											viel glatterer Weise umsetzen müſste, sintemal hierbei die Reduction
                                    											wegfällt, führten nicht zum Ziele. Auch die Xanthogenate der anderen
                                    											Schwermetalle, soweit sie in Betracht kommen können, erwiesen sich als
                                    											ungeeignet.
                                 Wählt man für die Bestimmung des Xanthogenats 1/10-Normal-Kupfervitriollösung,
                                    											so wird jeder Cubikcentimeter derselben, der 0g,0063 Kupfer enthält, 0g,03202
                                    											Xanthogenat umsetzen, die wiederum 0g,0152
                                    												CS2 entsprechen. Stellt man auf
                                    											Aequivalente ein, wie dies Macagno that, so ist
                                    											die Lösung selbstredend nur halb so stark zu nehmen, so daſs 1cc nur 0g,0076 CS2 anzeigt,
                                 Grete führt die Titrirung in neutraler Lösung
                                    											aus, da er bei stärkerem Säurezusatze eine schädliche Einwirkung auf die
                                    											frei werdende Xanthogensäure fürchtet. Die hierzu nöthige Maſsflüssigkeit
                                    											stellt er in der Art her, daſs er die berechnete Menge Kupfervitriol bei
                                    											Gegenwart von Seignettesalz in Wasser löst und so viel kohlensaures Natron
                                    											zufügt, als gerade nothwendig ist, eine tiefblaue Flüssigkeit zu erzeugen.
                                    											Aetzendes Alkali statt des Carbonats zu verwenden, ist gleichfalls
                                    												unstatthaft.Annalen, Bd. 190 S. 211.
                                 Mit dieser Lösung titrirt Grete das Xanthogenat,
                                    											nachdem er den Ueberschuſs des diesem beigemischten, unverbraucht
                                    											gebliebenen Alkalis durch Weinstein neutralisirt hat. Der entstehende
                                    											Niederschlag setzt sich bei gehörigem Rühren und Schlagen in groſsen Flocken
                                    											ab, wodurch die Flüssigkeit genügend hell werden soll, um beobachten zu können, ob ein
                                    											erneuter Zusatz von Kupferlösung noch eine leichte Trübung hervorruft oder
                                    											nicht. Ich habe diese Versuche mehrere Male wiederholt und stets gefunden,
                                    											daſs dieser Punkt durchaus nicht mit der Schärfe eintritt, wie Grete dies angibt; ich konnte bereits keine
                                    											leichte Trübungdmehr wahrnehmen, wenn noch 1 bis 2cc an der theoretisch geforderten Menge
                                    											von Kupferlösung fehlten. Es gelang auch nicht die Methode zu einer
                                    											Tüpfelanalyse umzugestalten, da die überstehende Flüssigkeit mit Essigsäure
                                    											und gelbem Blutlaugensalz erst bei Zusatz eines gröſseren Ueberschusses der
                                    											Kupferlösung reagirte.
                                 J. Macagno hingegen neutralisirt die Lösung des
                                    											xanthogensauren Alkalis mit Essigsäure und titrirt mit 1/10-Normal-Kupfersulfatlösung so lange, als noch eine Trübung bemerkbar
                                    											ist; dann stellt er durch Tüpfelversuche mit gelbem Blutlaugensalz den
                                    											Endpunkt der Reaction fest.Chemisches Centralblatt, 1881 3. Folge
                                          													12. Jahrg. S. 156. Zeitschrift für
                                             														analytische Chemie, 21. Jahrg. S. 133. Da der
                                    											Niederschlag die Deutlichkeit der Tüpfelprobe stark beeinfluſst, so kann man
                                    											sich hierbei des von Hehner und Carpenter
                                    											mitgetheilten Kunstgriffes bedienen, einen Tropfen der Flüssigkeit auf eine
                                    											doppelte Lage Flieſspapier zu bringen und die in das untere Papier
                                    											durchsickernde Lösung mit dem Blutlaugensalz zu betupfen.Jahresbericht über die Fortschritte der
                                             														Chemie für 1883 S. 1557.
                                 Diese Bestimmungsweise ward zunächst an reinem Schwefelkohlenstoff vom
                                    											Siedepunkte 46,8° geprüft: 5cc desselben =
                                    												6g,2964 wurden in der oben
                                    											beschriebenen Weise mittels alkoholischen Kalis in das Xanthogenat
                                    											übergeführt. Die entstandene dicke Masse wurde in Wasser gelöst und auf ein
                                    											bestimmtes Volumen (100cc) verdünnt. 5cc dieser Lösung wurden schwach mit
                                    											Essigsäure angesäuert und dann titrirt.
                                 Es wurden zwei durchaus getrennte Bestimmungen, selbst mit verschiedenen
                                    											Kupferlösungen ausgeführt und dabei für die 5cc verbraucht:
                                 
                                    
                                       1) 20cc,5 = 410cc2) 20cc,7 = 414cc
                                       fürs„
                                       Ganze„
                                       im Mittel 412cc.
                                       
                                    
                                 Da nun 1cc der Kupferlösung 0g,0152 CS2
                                    											anzeigt, so ergab die Titrirung bei einem Verbrauche von 412cc eine Schwefelkohlenstoffmenge von 6g,2624, mithin einen Fehlbetrag von 0g,034 = 0,54 Proc.
                                 Eine mit der gleichen Xanthogenatlösung vorgenommene Titrirung durch Grete's Maſsflüssigkeit ergab einen Verbrauch
                                    											von nur
                                 19cc,8 = 396cc fürs Ganze.
                                 Auf den Vorlauf angewandt ergab Macagno's
                                    											Methode folgende Verhältnisse: 5cc des
                                    											rohen Theervorlaufs, wie der beiden Fractionen L1 und L2 wurden mit einem
                                    											Ueberschusse alkoholischen Kalis zusammengebracht, wobei sich im rohen
                                    											Vorlaufe sofort, dann in den beiden Fractionen ein dichter Filz von
                                    											Krystallen abschied, der fast die ganze Flüssigkeit erfüllte. Derselbe
                                    											wurde, wie oben angegeben, behandelt und dann in Wasser gelöst, dem etwas
                                    											Weingeist zugesetzt war, um die entstehende milchige Trübung möglichst zu
                                    											mindern. Die so erhaltene Lösung wurde auf ein bestimmtes Maſs (100cc) verdünnt und eine Probe derselben
                                    												(5cc) in der oben beschriebenen Weise
                                    											titrirt.
                                 5cc des rohen Theerlaufs = 4g,7864 verbrauchten in Xanthogenat
                                    											verwandelt: 180cc,5 Kupferlösung. Diese
                                    											entsprechen 2g,7436 = 57,3 Proc. CS2.Die Zahl ist wohl in Folge der Abscheidung des bereits
                                          													erwähnten braunen Oeles aus dem Vorlaufe etwas zu
                                          											hoch.
                                 5cc der Fraction L1 = 3g,9926 verbrauchten als Xanthogenat: 52cc Kupferlösung. Diese entsprechen: 0g,7904 = 19,8 Proc. CS2.
                                 5cc der Fraction L2 = 4g,2172 verbrauchten als Xanthogenat: 53cc,2 Kupferlösung. Diese entsprechen 0g,80864 = 19,17 Proc. CS2.
                                 Der geringe Unterschied im CS2-Gehalt,
                                    											welcher zwischen den Fractionen L1 und L2 obwaltet, bestätigt die schon oben
                                    											mitgetheilte Thatsache, daſs es durch fractionirte Destillation nicht
                                    											gelingt, den Schwefelkohlenstoff auf einen bestimmten Antheil zu
                                    											concentriren, wie er auch für die Ansicht spricht, daſs sich derselbe nicht
                                    											im freien Zustande, sondern locker an andere Körper gebunden im Vorlaufe
                                    											finde.
                                 Helbing berechnete aus dem Schwefelgehalte des
                                    											ihm vorliegenden Benzol Vorlaufs die Menge des Schwefelkohlenstoffs auf
                                    											16,28 Proc.;A. a. O. S.
                                          													284.
                                    											Thiophen ist dabei, falls es überhaupt in dem
                                    											Vorlaufe vorhanden war, als CS2 berechnet
                                    											worden. K. E. Schulze erwähnt in seiner Notiz denselbendasselbe überhaupt nicht.Berichte, 20. Jahrg. S.
                                          											411.
                                 
                              
                                 β) Mittels Jodlösung.
                                 Die andere Methode zur Bestimmung des xanthogensauren Salzes gründet sich auf
                                    											die von DesainsAnnales de
                                                															chimie, 1847 3. série Bd. 20 S. 496.
                                    											entdeckte Thatsache, daſs dasselbe mit Jodlösung unter Bildung von
                                    											Xanthogendisulfid, dem Aethyldioxysulfocarbonat von Debus, reagirt. Sie ist von Delachanal und
                                       												Mermet angegebenVincent, Note sur les sulfocarbonates.
                                             														Annales de chimie, 1881 5. sér. Bd. 22 S. 547.,
                                    											später auch von GastineComptes
                                                															rendus, 1884 Bd. 98 S. 1588. angewandt
                                    											worden.
                                 Zu dem Ende neutralisirt man die Xanthogenatlösung zunächst genau mit
                                    											Essigsäure, was Gastine dadurch bewirkt, daſs
                                    											er schwach ansäuert und sodann saures kohlensaures Natron im Ueberschusse
                                    											zufügt. Ich habe hierin keinen Vortheil vor der direkten Neutralisation
                                    											finden können.
                                 Eine vollständig neutrale Lösung ist unbedingt herzustellen, da die
                                    											Essigsäure sofort, wenn sie in freiem Zustande vorhanden ist, aus dem Salze
                                    											Xanthogensäure in öligen Tropfen ausscheidet, welche nur schwer von der
                                    											Jodlösung angegriffen werden sollen.
                                 Der so erhaltenen Flüssigkeit fügt man etwas Stärkekleister hinzu und titrirt
                                    											nun mit Jodlösung von bekanntem Gehalte, wobei eine milchige Trübung durch
                                    											das in feinen Tröpfchen sich abscheidende Xanthogendisulfid entsteht, die
                                    											indessen die Blaufärbung der Stärke nicht beeinträchtigt oder verbirgt.
                                 Ich habe die Versuche in der Weise wiederholt, daſs ich zweimal je 1cc reinen CS2 = 1g,2593 in mehr als der
                                    											genügenden Menge absolut alkoholischen Kalis löste, die Lösung auf 100cc verdünnte und 10cc der. so erhaltenen Flüssigkeit mit 1/20-Normal-Jodlösung, die im Cubikcentimeter 0g,00641 J enthielt, titrirte. Es wurden
                                    											verbraucht bei je zwei Bestimmungen
                                 
                                    
                                       im Xanthogenat 1
                                       
                                    
                                       31cc,7
                                       =
                                       317cc
                                       fürs
                                       Ganze
                                       
                                    
                                       32cc
                                       =
                                       320cc
                                       „
                                       „
                                       
                                    
                                       im Xanthogenat 2
                                       
                                    
                                       31cc,8
                                       =
                                       318cc
                                       fürs
                                       Ganze
                                       
                                    
                                       31cc,5
                                       =
                                       315cc
                                       „
                                       „
                                       
                                    
                                 Da zwei Moleküle xanthogensauren Alkalis zweier Atome Jod bedürfen, um in
                                    											Xanthogendisulfid übergehen zu können, so entsprechen 160g des ersteren 127g Jod, d.h. 1g Xanthogenat verbraucht bei der Reaction 0g,79375 Jod.
                                 1cc CS2 =
                                    												1g,2593 gibt 2g,651 Xanthogenat, die ihrerseits 2g,104 J entsprechen.
                                 Da nun 1/20-Normal-Jodlösung zur Anwendung kam, die im Cubikcentimeter 0g,00641 J enthielt, so hätten theoretisch
                                    											verbraucht werden sollen
                                 32cc,82 = 328,2 fürs
                                    											Ganze.
                                 Der Fehlbetrag schwankt also im obigen Falle zwischen 1,32 und 0cc,82, also zwischen 13cc,2 und 8cc,2, aufs Ganze berechnet. Selbst im letzteren günstigsten Falle
                                    											zeigt die verbrauchte Jodmenge nur einen Gehalt von 1g,2274 CS2
                                    											an, d.h. einen Fehlbetrag von 0g,0319 oder
                                    											von 2,53 Proc.
                                 Die jodometrische Methode steht also an Genauigkeit der Bestimmungsweise
                                    											mittels Kupferlösung ganz erheblich nach.
                                 
                              
                           
                              3) Andere Methoden:
                              Zum Schlusse möchte ich noch einiger Versuche Erwähnung thun, die ich gemacht
                                 										habe, um eine Bestimmung auf anderem Wege anzustreben:
                              Der eine derselben gründet sich auf die Angabe von Millon, daſs bei dem Vermischen von Schwefelkohlenstoff mit
                                 										überschüssiger weingeistiger Ammoniaklösung eine der angewandten CS2-Menge nahezu gleiche Gewichtsmenge
                                 										Schwefelcyanammon entstehe.Jahresbericht über die Fortschritte der
                                          													Chemie für 1860 S. 237.
                              
                              Zur Prüfung dieser Angabe wurden 5cc CS2 vom Siedepunkte 46,8° = 6g,2964 in einem Kochkolben, der ein Kühlrohr
                                 										trug, mit 95cc weingeistigen Ammoniaks von 6,7
                                 										Proc. Gehalt versetzt und sich selbst überlassen. Die Mischung färbte sich rasch
                                 										gelb und lieſs nach wenig Minuten einen gelben pulverigen Niederschlag fallen.
                                 										Nach vierthalbtägigem Stehen wurde das Ganze abgedampft, wobei groſse Massen von
                                 										Schwefelwasserstoff und Schwefelammonium entwichen, dann mit heiſsem Wasser
                                 										aufgenommen, vom abgeschiedenen Schwefel abfiltrirt und auf ein bestimmtes
                                 										Volumen (180cc) verdünnt. Eine abgemessene
                                 										Menge der so erhaltenen Rhodanammonlösung wurde mit 1/10-Normal-Silberlösung im
                                 										Ueberschuſs gefällt und letzterer durch 1/10-Normal-Rhodanammonlösung unter Zusatz von
                                 										Eisenammoniakalaun bestimmt.
                              10cc der Lösung enthielten 0g,274, das Ganze mithin 4g,932 Rhodanammon, welche Menge der gleichen
                                 										Gewichtsmenge CS2 entspricht, da beide
                                 										Verbindungen das gleiche Molekulargewicht besitzen. Es waren demnach nur 78,3
                                 										Proc. des angewandten Schwefelkohlenstoffs in Rhodanammon übergeführt
                                 										worden.
                              Ein zweiter Versuch gründet sich auf die Thatsache, daſs Schwefelkohlenstoff beim
                                 										Erwärmen mit Anilin und schwefelwasserstoffentziehenden Mitteln leicht in
                                 										Diphenylthioharnstoff übergeführt wird, einen Körper, welcher alle an eine
                                 										Wägeform zu stellenden Eigenschaften besitzt.
                              20cc Schwefelkohlenstoff vom Siedepunkte 46,8°
                                 										= 25g,1856 wurden mit 70g Anilin, 60g Weingeist und der entsprechenden Menge Kalilauge an einem sehr
                                 										langen Rückfluſskühler mehrere Tage lang gelinde erwärmt, Der entstandene
                                 										Krystallbrei ward abfiltrirt, zur Entfernung des überschüssigen Anilins mit
                                 										essigsäurehaltigem Wasser ausgelaugt und am Ofen getrocknet. Es wurden erhalten
                                 											46g,3 Thiocarbanilid, welche 15g,4 Schwefelkohlenstoff entsprechen. Mithin
                                 										waren bloſs 61 Proc. des angewandten Schwefelkohlenstoffs in das
                                 										Harnstoffderivat übergegangen.
                              
                           
                        
                           
                              Entfernung des Schwefelkohlenstoffs
                                 										aus dem Vorlaufe.
                              
                           Der Schwefelkohlenstoff muſs selbstredend aus dem Vorlaufe entfernt werden, ehe an
                              									eine Untersuchung der Kohlenwasserstoffe gedacht werden kann, eine Forderung, welche
                              									bei seiner bekannten Widerstandsfähigkeit gegen Reagentien aller Art nur schwer zu
                              									erfüllen ist. Wird doch, wie ich höre, der mit englischer Schwefelsäure gereinigte
                              									Vorlauf geradezu als „Schwefelkohlenstoff“ verwerthet.
                           Helbing versuchte denselben durch Behandlung des
                              									Vorlaufs mit weingeistigem Kali und Lösung des gebildeten Xanthogenats in Wasser
                              										abzuscheiden.A. a. O.
                              									Allein er fand, daſs die obere, in Wasser unlösliche Schicht selbst Dach sechsmaligem
                              									Versetzen mit der Kalilösung immer wieder zu einem festen Brei erstarrte, und zwar
                              									aus dem schon oben erwähnten Grunde, weil das gebildete Xanthogenat die noch
                              									unveränderten Schwefelkohlenstofftheilchen umhüllte und so vor der weiteren
                              									Einwirkung der Lauge schützte. Dazu kam noch, daſs bei dem Schütteln, Umgieſsen
                              									u.s.w. viel an leicht flüchtigen Bestandtheilen verloren ging.
                           Auch eine zweite von Helbing versuchte Entfernungsweise,
                              									Schütteln des Vorlaufs mit wässerigem Schwefelkalium, führte nicht zum Ziel.
                           Vincent und Delachanal erhitzten zu dem Zwecke den
                              									Vorlauf mit Weingeist und Ammoniak im geschlossenen Rohre auf Wasserbadtemperatur
                              									und gelangten so in der That zu einem schwefelkohlenstofffreien Producte.A. a. O.
                           Ich versuchte zunächst denselben durch die bereits oben beschriebene Ueberführung in
                              									Diphenylharnstoff zu binden, kam aber dabei zu keinem Ende, sintemal die Umsetzung
                              									ziemlich träge verläuft, also sehr langes Erwärmen erfordert und dabei doch niemals
                              									eine vollständige wird: wenigstens gelang es mir nicht, den Vorlauf auf diese Weise
                              									gänzlich vom Schwefelkohlenstoff zu befreien.
                           Weit besser eignet sich hierzu das Verhalten desselben zu weingeistigem Ammoniak,
                              									ohne daſs man indeſs zu dem umständlichen Verfahren von Vincent und Delachanal seine Zuflucht nehmen müſste.
                           In einem Kolben, der mit einem aufsteigenden Kühler in Verbindung, gebracht ist,
                              									werden 1000 bis 1200g des Vorlaufs oder der vom
                              										CS2 zu befreienden Fraction mit dem fünften bis
                              									sechsten Theile ihres Gewichts an gewöhnlichem Weingeist versetzt und das Ganze, um
                              									die Verdampfung der leichtest flüchtigen Essenzen möglichst zu beschränken, in eine
                              									Kältemischung gestellt. In die so vorbereitete Lösung wird nun durch ein weites
                              									Glasrohr ein stetiger Strom trockenen Ammoniaks eingeleitet. Sie färbt sich darauf
                              									hin rasch gelb, wird trübe und beginnt krystallische Massen abzuscheiden, die mehr
                              									und mehr zunehmen und schlieſslich einen festen dichten Kuchen bilden. Es ist daher
                              									Sorge zu tragen, daſs sich das Zuleitungsrohr nicht verstopfe.
                           Zu gleicher Zeit scheidet sich auch die ganze Flüssigkeit in zwei Theile. Die
                              									schwächere untere Schicht, die sich durch ihre rothe Farbe auszeichnet und mit
                              									leuchtender Flamme brennt, besteht aus Weingeist und etwas Wasser, die eine geringe
                              									Menge des Vorlaufs, sowie die mannigfachen geschwefelten Producte, welche die
                              									Einwirkung des Ammoniaks auf den Schwefelkohlenstoff erzeugt, gelöst enthalten. Die
                              									obere mit stark ruſsender Flamme brennende Schicht ist der unverändert gebliebene
                              									Vorlauf.
                           Ist die ganze Flüssigkeit von den abgeschiedenen festen Körpern erfüllt, so wird sie
                              									rasch durch ein Leinwandfilter in einen Scheidetrichter gegossen und abgepreſst. In
                              									letzterem trennt sie sich sofort in die beiden genannten Schichten, von denen die
                              									untere abgelassen und mit Wasser geschüttelt wird, um die in ihr gelöst gewesenen
                              									Theile des Vorlaufs abzuscheiden. Die obere Schicht wird mit et3as Weingeist
                              									versetzt und sammt dem eben genannten aus der unteren Schicht erhaltenen Antheile
                              									abermals mit Ammoniak behandelt.
                           Man wird gut thun, nach einiger Zeit, wenn sich wiederum ein solcher Kuchen gebildet
                              									hat, das gleiche Verfahren noch einmal durchzuführen. Dann aber werden sich
                              									gewöhnlich bei weiterem Einleiten von Ammoniak nur noch wenige Krystalle abscheiden,
                              									ein Zeichen, daſs aller Schwefelkohlenstoff entfernt ist. Doch ist es nöthig, sich
                              									davon noch durch eine besondere Prüfung zu überzeugen.
                           Der ganze Versuch nahm in den von mir untersuchten Fällen etwa 8 bis 10 Stunden, je
                              									nach der Menge des Schwefelkohlenstoffs, in Anspruch.
                           Man schüttelt nun den Vorlauf, der ja nicht bloſs Weingeist, sondern auch einen Theil
                              									der geschwefelten Verbindungen enthält, so oft mit Wasser aus, als in diesem
                              									Eisenchlorid noch einen Niederschlag oder eine Färbung erzeugt, und erhält so
                              									zuletzt eine Flüssigkeit von gelblicher Farbe, welche keine Reaction auf
                              									Schwefelkohlenstoff mehr zeigt. Ja, der so behandelte Vorlauf ist überhaupt ganz
                              									schwefelfrei geworden.Thiophen enthielt
                                    											derselbe in dem von mir untersuchten Falle nicht.
                           Dann wird derselbe mit einem Entwässerungsmittel, geglühter Potasche, wasserfreiem
                              									Kupfervitriol, vielleicht am besten mit Chlorcalcium, das auch etwa noch vorhandenen
                              									Weingeist wegnimmt, behandelt und destillirt, worauf man eine wasserklare leicht
                              									bewegliche Flüssigkeit von eigenthümlichem, an Schirling gemahnendem Geruch erhält,
                              									über die ich bald Näheres mitzutheilen hoffe.
                           Die bei der Behandlung des Vorlaufs erhaltenen geschwefelten Verbindungen, die nach
                              									ihren Reactionen ein buntes Gemisch aller möglichen Körper darstellen, besitzen eine
                              									rothgelbe bis rothe Farbe. Sie stoſsen fortwährend Ammoniakdämpfe aus und besitzen
                              									einen äuſserst unangenehmen, lange anhaftenden Geruch. Möglicherweise lieſse sich
                              									ihre wässerige Lösung, selbstredend in angemessener Verdünnung, als
                              									Vertilgungsmittel für schädliche Insekten, insonderheit für die Reblaus, verwenden.
                              									Doch muſs ich es hier einstweilen bei dem bloſsen Vorschlage bewenden lassen, da die
                              									gegenwärtige Jahreszeit zu derartigen Versuchen nicht angethan ist.
                           Die Entfernung des Schwefelkohlenstoffs vermindert das specifische Gewicht des
                              									Vorlaufs um ein Bedeutendes. So fällt es in der Fraction L1 von 0,8148 auf
                              									0,7401.
                           Auch die freiwillige Scheidung des Ganzen in zwei Schichten, von der ich bereits in
                              									der Einleitung berichtete, hat nunmehr aufgehört.
                           
                           Der Zusatz von Weingeist ist bei der Entfernung des Schwefelkohlenstoffs mittels
                              									Ammoniaks nothwendig. Läſst man ihn weg, so geht die Reaction zwar ebenfalls von
                              									statten, allein bei weitem langsamer und auch unvollständiger.
                           Daſs übrigens durch das Einleiten des Ammoniaks nicht bloſs der Schwefelkohlenstoff,
                              									sondern neben ihm noch andere Bestandtheile des Vorlaufs ausgeschieden werden, ist
                              									wohl als sicher anzunehmen. Es geht dies aus verschiedenen Anzeichen hervor. So löst
                              									z.B. der unberührte Vorlauf Resorcin leicht, der vom Schwefelkohlenstoff befreite
                              									Vorlauf schwer, während dasselbe bekanntermaſsen gerade in Schwefelkohlenstoff
                              									unlöslich ist.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)