| Titel: | Elektrische Eisenbahnbremsen. | 
| Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 158 | 
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                        Elektrische Eisenbahnbremsen.Vgl. auch Forbes und
                                    											Timmis 1886 259 456. Am 26. Februar 1889 ist
                                 										in Amerika unter Nr. 398577 für Bowman und
                                       											Widdifield ein (am 29. Oktober 1888 nachgesuchtes) Patent
                                 										auf eine elektrische Bremse ertheilt worden, auf die wir später zurückzukommen
                                 										beabsichtigen.
                        Mit Abbildungen auf Tafel
                              									9.
                        Elektrische Eisenbahnbremsen.
                        
                     
                        
                           In Engineering vom 20. Decbr. 1889 Bd. 58 S. 703
                              									werden nach einem von E. Sartiaux und L.
                                    											Weissenbruch ausgearbeiteten Vortrage im Eisenbahncongresse
                              									folgende Mittheilungen über die Fortschritte in der Anwendung elektrischer Bremsen
                              									in den letzten 4 Jahren gemacht.
                           1) Die Achard-Bremse (1879 233 379. 234 425; * D. R. P. Kl. 20 Nr. 12455 vom 21. März 1880),
                              									welche 1865 durch Verleihung des Monthyon-Preises
                              									ausgezeichnet wurde, hat nach wiederholten Versuchen in Belgien auf den
                              									Staatsbahnen, sowie in Frankreich auf der Nordbahn, Ostbahn und den Staatsbahnen die
                              									aus Fig. 1 und
                              										2
                              									ersichtliche verbesserte Einrichtung erhalten. Der Elektromagnet A schwebt frei gegenüber der Achse D. Seine beiden Polstücke m und n legen sich, wenn der Strom durch den
                              									Elektromagnet geht, wie eine Reibungsrolle an die auf der Achse D
                              									angebrachten, dem Elektromagnete als Anker dienenden eisernen Ringe und dann windet
                              									der zwischen den Elektromagnetrollen gelegene Theil des Kernes die Bremskette B auf und legt die Bremsschuhe an die Räder; die
                              									schlieſsliche Spannung der Kette B und die Zeitdauer,
                              									während welcher der Kern mit der Achse D umläuft, hängt
                              									von der Stromstärke ab, welche dem Ermessen des Locomotivführers unterstellt ist.
                              									Ein mit dieser Bremse ausgerüsteter Zug ist 4 Jahre zwischen Tours und Les Sables
                              									d'Or ohne Störung gelaufen. Die Bremse ist natürlich nicht selbstthätig. Den Strom
                              									lieferte eine Grammedynamo, die auf der Locomotive untergebracht ist und von einer
                              										Brotherhood-Maschine getrieben wird.
                           2) Die Park-Bremse wurde am 30. December 1886 probirt,
                              									aber aus den Versuchen gezogen, weil ihre mechanischen Einzelheiten nicht vollkommen
                              									waren. Die Bremse enthält eine Stange, welche durch ein Excenter auf der Wagenachse
                              									in Bewegung gesetzt wird; ihr Ende kann mittels eines Sperrkegels, der durch die
                              									Wirkung eines elektrischen Stromes eingelegt wird, auf ein Sperrrad wirken, das am
                              									Umfange einer an der Unterseite des Wagengestells angebrachten, als Trommel für die
                              									Bremsketten dienenden Guſseisentrommel sitzt. Ein zweiter Sperrkegel verhindert die
                              									Rückbewegung der Trommel beim Rückgange des ersten. Wird der elektrische Strom
                              									unterbrochen, so hört der erste Sperrkegel auf zu wirken, der zweite aber hält die
                              									Bremse in Thätigkeit; um die Bremse zu lüften muſs ein Strom in einer zweiten
                              									Leitung gesendet werden, welcher den zweiten Sperrkegel aushebt. Die auf der
                              									Locomotive aufgestellte Dynamo wiegt mit ihrem Motor 180k. Drei Drähte sind entlang dem Zuge zu führen, werden aber in einer
                              									einzigen Kuppellung am Ende jedes Wagens vereinigt. Bei geringen Geschwindigkeiten
                              									arbeitete die Bremse gut, bei 60km in der Stunde
                              									aber vermochten die Sperrkegel nicht zu wirken. Diese Bremse ähnelt sehr der
                              									ältesten von Achard (vgl. Zetzsche, Handbuch der elektrischen Telegraphie, Bd. 4 * S. 818).
                           3) Bei der Card-Bremse nöthigt ein elektrischer Strom
                              									zwei Trommeln unter jedem Wagen zum Eingriff in einander; die eine wird von der
                              									einen Achse mittels einer Kette in beständiger Umdrehung erhalten; die andere trägt
                              									die Bremskette und legt durch ihre Umdrehung die Bremse an. Entlang dem Zuge laufen
                              									zwei Leiter, und es sind in den aus ihnen gebildeten Stromkreis nebst je einem
                              									Widerstände zwei Speicherbatterien eingeschaltet, die eine am Schluſswagen, die
                              									andere auf der Locomotive, welche einander entgegenwirken und bei denen mittels
                              									eines Umschalters die Zahl der eingeschalteten Elemente verändert werden kann. Bei
                              									einer andern für Card in Amerika patentirten Bremse
                              									sind nach Fig.
                                 										3 zwei Elektromagnete rund um die Achse gelegt, welche sich schlieſsend um
                              									dieselbe legen, wenn der Strom sie durchläuft. Die Card-Bremse wurde aus den Versuchen gezogen, da sie Brüche herbeizuführen
                              									geeignet ist.
                           
                           4) Die Waldumer-Bremse ist am 27. und 28. September 1887
                              									auf der Cincinnati-, Washington- und Baltimorebahn zwischen East Norwood und Bond
                              									Hill probirt worden, mit einer Reihendynamo, welche von einer den Dampf von der
                              									Locomotive entnehmenden Dreicylindermaschine getrieben wird. Der Locomotivführer
                              									handhabt die Bremse mittels eines Umschalters. Stellt er den Umschalterhebel auf die
                              									Mitte seines Weges, so entsendet er einen Strom, welcher die Ketten anzieht und die
                              									Bremsbacken anlegt. Wird der Hebel bis ans Ende geführt, so bleibt die Bremse bei
                              									der gewöhnlichen Geschwindigkeit der Dynamo wirksam. Der Druck in der Bremse kann
                              									vergröſsert werden, indem man das Dampfventil weiter öffnet, dadurch die
                              									Geschwindigkeit der Dynamo und die elektromotorische Kraft des Stromes vergröſsert.
                              									Unter jedem Wagen liegt eine wagrechte Welle, welche den Kern eines in eine Trommel
                              									eingeschlossenen Elektromagnetes bildet; einerseits trägt die Trommel ein Rad,
                              									welches durch eine endlose Kette mit einer als Trommel für die Bremskette dienenden
                              									Hilfswelle verbunden ist; andererseits trägt die Welle des Elektromagnetes ein Rad,
                              									welches auf sie mittels einer endlosen Kette von einer Achse aus eine beständige
                              									Drehung überträgt. Wird ein Strom durch den Elektromagnet gesendet, so wirken seine
                              									Pole auf innerhalb der Trommel angebrachte parallele Eisenstäbe anziehend und
                              									zufolge der so hervorgebrachten Reibung muſs die Trommel an der Drehung des
                              									Elektromagnetes Theil nehmen. Hört der Strom auf, so fällt die Bremse ab, da die
                              									Verbindung sich löst. Es ist nur ein Leiter vorhanden, die Elektromagnete sind
                              									parallel geschaltet und die Rückleitung erfolgt durch die Räder und Schienen; der
                              									isolirte Leiter hat Kuppelungen gleich einer Luftbremse. Die Bremse wird
                              									selbsthätig, wenn man im letzten Wagen noch einen zweiten Stromerzeuger unterbringt,
                              									der von der Achse getrieben wird. So lange alles in Ordnung ist, wird diese Dynamo
                              									durch ein Relais auſser Thätigkeit gehalten; beim Auftreten eines Fehlers im Leiter,
                              									sei es zufolge mangelnder Isolirung, oder beim Zerreiſsen des Zuges, wird die Dynamo
                              									an den Leiter gelegt und die Bremse in Thätigkeit gesetzt. Der Erfinder dieser
                              									Bremse ist Duwelius; derselbe besitzt auch ein
                              									amerikanisches Patent (Nr. 224880. vom 24. Februar 1880), worin ein Elektromagnet
                              									mit rings um denselben und parallel zu seiner Achse angeordneten Ankerstäben
                              									beschrieben ist. Diese Stäbe k sind nach Fig. 4 und 5 in radialen
                              									Schlitzen in den Endscheiben der Trommel beweglich und legen sich in Einschnitte j in den Elektromagnetpolen ein; in einer spätem Form
                              									dagegen sind die Einschnitte weggelassen und die Trommel wird bloſs durch die
                              									Reibung mitgenommen, wie es aus Fig. 6 und 7 ersichtlich ist. Die Waldumer-Bremse wirkte bei den Versuchen ohne Stöſse,
                              									ward aber nicht auf langen Zügen versucht.
                           5) Die Widdifield- und Bowman-Bremse ist eine Abänderung
                              									einer Bremse, die schon beiden Burlington-Versuchen
                              									(vgl. Lumière Electrique 1887 Bd. 26 * S. 301) unter demselben Namen auftrat. Es sind hier zwei Stromkreise
                              									vorhanden; mittels des einen wird die Bremse angelegt, mittels des andern
                              									losgelassen. Als Elektricitätsquelle dienen zwei Batterien, eine auf der Locomotive,
                              									die andere im Schluſswagen. Diese Bremse wurde am 10. Januar 1889 an einem 15
                              									bedeckte, 8-räderige Personenwagen und 2 Gepäckwagen enthaltenden Zuge probirt;
                              									letztere beiden und die Locomotive waren nicht mit Bremsen versehen. In dem einen
                              									Falle, wo ein Anhalten nöthig wurde, kam der mit 37km in der Stunde fahrende Zug in 16 Secunden auf einer Länge von 125m zum Stillstande.
                           6) Die Westinghouse-Bremse. Georg Westinghouse jr. wählte die Elektricität, um seine Luftbremse (vgl.
                              									1888 268 433) auf den langen Güterzügen in Amerika
                              									anwendbar zu machen. Bekanntlich wird das dreifache Westinghouse-Ventil durch Verminderung des Druckes in dem Luftrohre auf
                              									dem Zuge in Thätigkeit gesetzt. Wenn nun die Luft bloſs durch eine einzige Oeffnung
                              									entweichen kann, nämlich durch das Ventil des Locomotivführers, so fällt der Druck
                              									am vordern Zugende früher als am hintern, und die Bremsen werden nach und nach an
                              									den einzelnen Wagen wirksam. Deshalb suchte Westinghouse mit Hilfe der Elektricität eine raschere Wirkung zu erzielen,
                              									aber nur eine kurze Zeit lang, weil die Erfindung des rasch wirkenden Ventils es
                              									dann überflüssig machte. Er ordnete in Abständen an der Röhre auf dem Zuge drei
                              									Entleerungsventile an, welche, wenn die Bremse wirksam werden sollte, durch einen in
                              									einem in die Röhre eingeschlossenen Leiter zugeführten elektrischen Strom geöffnet
                              									wurden. Die 1887 bei Burlington angestellten Versuche
                              									zeigten, daſs die selbsthätige Bremse eben so sicher mit der elektrischen Anordnung
                              									wirkte, als ohne dieselbe. Aber die Bremsen konnten nur mit ihrer Hilfe auſser
                              									Thätigkeit gesetzt werden, und man lief daher Gefahr, daſs, wenn der Stromkreis
                              									durch eine zufällige Ableitung geschlossen würde, die Bremsen zu wirken begännen und
                              									nicht wieder unwirksam gemacht werden könnten. Eine weitere Schwierigkeit lag darin,
                              									daſs die elektrisch zu öffnenden Ventile gleichmäſsig über den Zug vertheilt werden
                              									sollten.
                           7) Die Eames-Bremse unterscheidet sich von der bisher
                              									unter demselben Namen bekannt gewesenen dadurch, daſs der Luft der Eintritt in das
                              									Rohr auf dem Zuge zum Zwecke der Anwendung der Bremse durch ein elektrisches Oeffnen
                              									eines Ventils auf jedem Wagen gestattet wird und nicht bloſs durch ein einziges
                              									Ventil auf der Locomotive. Als Elektricitätsquelle wird eine auf der Locomotive
                              									untergebrachte Dynamo verwendet, die in dem Augenblicke in Gang gesetzt wird, wo die
                              									Bremsung erforderlich wird. Diese Bremse lieferte bei den zweiten Burlington-Versuchen gute Ergebniſse; in ihrem Arbeiten
                              									zeigten sich aber Fehler, die aus den Unvollkommenheiten der Ausführung und Mangel
                              									an elektrischer Erfahrung entsprangen.
                           
                           8) Bei der Carpenter-Bremse besteht jeder Vertheiler aus
                              									zwei Ventilen. Das erste wird nach Verlangen durch Elektricität, oder durch Luft aus
                              									dem Rohr auf dem Zuge zur Wirkung gebracht und legt die Bremsschuhe an, indem es der
                              									verdichteten Luft den Zutritt aus dem Hilfsbehälter zu dem Bremscylinder ermöglicht.
                              									Das zweite wird bloſs durch Elektricität in Thätigkeit gesetzt und macht die Bremse
                              									wieder unthätig. Den Strom liefert eine Julien-Batterie
                              									auf der Locomotive. Als Leiter dienen zwei isolirte Drähte, die Rückleitung bildet
                              									das Rohr auf dem Zuge; der eine Pol der Batterie liegt an einem Umschalterhebel,
                              									mittels dessen der Strom bei Bedarf in den einen oder in den andern Draht gesendet
                              									werden kann. Auch diese Bremse ward 1887 bei Burlington
                              									erprobt und erwies sich besser als die beiden andern, bei denen die Elektricität nur
                              									eine Aushilfsrolle spielt.
                           9) Bremsen mit unmittelbarer Wirkung. Bei den bisher
                              									besprochenen Bremsen fällt der Elektricität nur eine untergeordnete Rolle, nur die
                              									Hervorbringung einer kleinen Wirkung zu. Groſse Kraftäuſserungen von der
                              									Elektricität verlangten in ihren Bremsen Sigmund von
                                 										Sawiczeski, William Siemens und Marcel
                                 									Deprez.
                           Sawiczeski erstrebte, Elektromagnete unmittelbar
                              									bremsend auf die Kränze der Räder wirken zu lassen. 1881 angestellte Versuche
                              									zeigten, daſs die Wirkung nur schwach war.
                           Siemens und Boothby brachten nach Fig. 8 bis 10 unter jedem Wagen eine
                              									Dynamo B an, welche eine in den Zahnbogen D eingreifende Schnecke C
                              									in Umdrehung versetzte; auf die Achse des Bogens D
                              									waren die Bremshebel E und E1 aufgesteckt, indem sie mit dem Muff F verschraubt waren, der mit dem Muffe G in Verbindung. Die Verlängerung des Hebels E E1 ist mit der Feder
                              										I verbunden, welche die Bremse anzulegen trachtet.
                              									Wenn die Verbindungsschnur M, welche dem Zuge entlang
                              									läuft, angespannt wird, z.B. beim Zerreiſsen des Zuges, so übt sie auf den Hebel L einen Ruck aus, durch welchen F frei gegeben wird, worauf die Feder I den
                              									Hebel E E1 in der
                              									Pfeilrichtung dreht und das Bremsen veranlaſst. Die Dynamo setzt die Bremsung
                              									selbsthätig, oder auf Wunsch fort, wenn die Muffverbindung wieder hergestellt ist.
                              									Will man die Bremse auſser Thätigkeit setzen, so kehrt man den Strom um, damit sich
                              									die Dynamo in entgegengesetzter Richtung dreht.
                           Marcel Deprez entwarf zuerst eine Bremse, in welcher ein
                              									Solenoid auf eine mit zwei Bremsbacken verbundene Stange wirkte. Eine zweite
                              									enthielt kräftige Elektromagnete, deren Polstücke eine auf die Achse aufgekeilte
                              									Kupferscheibe umfaſsten; die Foucault'schen Ströme,
                              									welche in der Scheibe erregt werden, wenn ein Strom die Elektromagnete durchläuft,
                              									widersetzen sich der Drehung. Keine dieser Bremsen ist einem Versuche unterworfen
                              									worden, und es ist kaum zu erwarten, daſs sie von Erfolg sind.
                           Diese Mittheilungen geben der Hoffnung, daſs in nächster Zukunft elektrische Bremsen sehr in
                              									Aufnahme kommen sollten, wenig Nahrung. Selbsthätige Luft- und Vacuum-Bremsen sind
                              									so einfach und wirksam, daſs für Einführung einer neuen Art von Bremsen wenig Raum
                              									bleibt, bis dieselbe jene an Bremskraft und an Billigkeit der ersten Anlage
                              									bedeutend übertrifft. Auch dürften nur sehr wichtige Vorzüge es rechtfertigen, wenn
                              									man die schon vorhandene Mannigfaltigkeit noch weiter vergröſsern wollte.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
