| Titel: | Chronometer-Echappement mit vollkommen freier Unruhe und dessen Anwendung für Pendeluhren mit gänzlich freiem Pendel, S. Riefler. | 
| Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 357 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Chronometer-Echappement mit vollkommen freier
                           								Unruhe und dessen Anwendung für Pendeluhren mit gänzlich freiem Pendel, S.
                              								Riefler.
                        Mit Abbildungen.
                        Chronometer-Echappement.
                        
                     
                        
                           Um die Uebelstände des Le Roy'schen Echappements,
                              									welches nur in beschränktem Maſse als „freies Echappement“ zu bezeichnen ist,
                              									da die Unruhe ihre Bewegungen nicht vollständig frei vollzieht, zu beseitigen,
                              									verwendet Riefler nach D. R. P. Nr. 50739 vom 18. Juli
                              									1889 die direkte Uebertragung der Kraft vom Räderwerk auf die Unruhe durch
                              									Vermittelung der Spirale.
                           Wenn die Unruhe aus der Ruhelage gekommen ist, hat die Spirale eine gewisse Spannung,
                              									welche mit der Gröſse des Schwingungsbogens zunimmt, Wird diese Spannung im
                              									geeigneten Moment durch das Räderwerk vermehrt, so findet eine Kraftzufuhr statt.
                              									Ermöglicht wird dies dadurch, daſs das eine Ende der Spirale, nicht wie bisher, fest mit den Platinen
                              									verbunden, sondern beweglich angebracht wird. Die Aufgabe des Räderwerkes besteht
                              									hier also darin, den Befestigungspunkt der Spirale, das Spiralklötzchen, bei jeder
                              									Unruheschwingung im geeigneten Moment hin oder her zu bewegen.
                           Die erste Construction eines Echappements, bei welchem dieses Prinzip zur Anwendung
                              									kam, wurde vom Erfinder im Jahre 1869 gemacht. Allein eine praktische Bedeutung
                              									konnte diese erste Construction ebenso wenig gewinnen, wie eine ganze Anzahl
                              									späterer Constructionen, und zwar hauptsächlich deshalb, weil sie einerseits nicht
                              									mit der nöthigen Ruhe arbeiteten, anderseits aber viel zu complicirt waren.
                           Zu Anfang des Jahres 1889 entstand die Construction des nachfolgend beschriebenen
                              									Echappements, welches theoretisch vollkommen ist und gleichzeitig durch eine fast
                              									überraschende Einfachheit sich auszeichnet. Dasselbe ist auch anwendbar für
                              									Pendeluhren mit vollständig freiem Pendel.
                           Echappement in Anwendung für Unruheuhren (Fig. 1 und
                              										Fig. 2) unterhalb der Unruheachse a, in deren Verlängerung befindet sich die Drehachse
                              									eines sternförmigen Hebels B mit drei Armen. In dem
                              									einen Arm ist bei K das eine Ende der Spirale P mit dem Klötzchen befestigt; die beiden anderen Arme
                              									tragen, über ihre Ebene emporstehend, die Hebe- und zugleich Ruhesteine S und S1, welche cylindrisch
                              									und am oberen Ende bis zur Mitte der Cylinderachse abgeflacht sind. (Die
                              									Seitenansicht ist in Fig. 3 gegeben.) An der
                              									Cylinderfläche findet die Hebung, an der ebenen Fläche die Ruhe statt. An der Achse
                              										e f des Räderwerkes befindet sich ein Heberad H und darüber mit kleinem Zwischenraum ein Ruherad R. Die Zähne h des
                              									ersteren bewirken die Hebung, die Zähne r des letzteren
                              									bewirken mit ihren radialen Flächen (diese Zähne können auch ein wenig
                              									unterschnitten sein) die Ruhen.
                           
                              
                              Fig. 1–6., Bd. 276, S. 357
                              
                           Das Spiel des Echappements vollzieht sich nun wie folgt: Wird die Unruhe U aus ihrer Ruhelage in der Richtung des Pfeiles
                              									gebracht, so bewegt die Spirale den Stern B in gleichem
                              									Sinne, bis der Stein S1
                              									sich an die Hebefläche h des Rades H anlegt. In diesem Moment verläſst die Ruhefläche des
                              									Steines S den Zahn r2 des Ruherades R, die
                              									Räder drehen sich in der Pfeilrichtung und der Zahn h
                              									bewirkt die Hebung, d.h.
                              									er drängt den Stein S1
                              									zurück, bewegt dadurch den Stern B entgegengesetzt der
                              									Pfeilrichtung und erhöht auf diese Art die Federspannung der Spirale. Die Unruhe
                              									schwingt sodann vollends aus und bei ihrer Rückkehr findet im Moment, wo sie die
                              									Ruhelage in entgegengesetzter Richtung des Pfeiles überschreitet, die zweite
                              									Auslösung statt, der Stein S1 verläſst den inzwischen vorgerückten Zahn r
                              									und der Zahn h3 bewirkt
                              									die Hebung des Steines S. Dieses Spiel wiederholt sich
                              									bei jeder Hin- und Herschwingung der Unruhe.
                           Auſser den beiden Rädern H und R befindet sich noch ein drittes Rad E an
                              									derselben Welle. Dieses bewegt einen Windfang W. Das
                              									Spiel der Hemmung vollzieht sich dadurch ohne alle Stöſse und die Ruhezähne legen
                              									sich äuſserst sanft an die Hebeflächen an. Der Auslösungswiderstand kann durch
                              									entsprechende Drehung der Steine S und S1 in ihrer Fassung
                              									beliebig geändert werden. Derselbe kann gleich Null gemacht werden ohne Gefahr einer
                              									unzeitigen Auslösung, da. die Spirale stets mit der ganzen, ihr jeweils
                              									innewohnenden Spannkraft die Ruhesteine an das Heberad andrückt.
                           
                              
                              Fig. 7., Bd. 276, S. 358
                              
                           
                              
                              Fig. 8., Bd. 276, S. 358
                              
                           Statt der zwei Räder H und R kann natürlich auch ein einziges Rad angewendet werden, dessen Hebe- und
                              									Ruhezähne in verschiedenen Ebenen liegen. Für manche Zwecke (Reiseuhren u. dgl.)
                              									wird es genügen, ein Rad anzuwenden, dessen Zähne in einer Ebene liegen, und die
                              									Steincylinder, die hier auch Stahlstifte sein können, der ganzen Länge nach
                              									cylindrisch zu lassen. Die Zähne erhalten dann die in Fig.
                                 										5 dargestellte Form oder man kann auch die Cylinder S bis auf etwa ⅕ ihres Durchmessers abflachen (Fig. 6), um die Möglichkeit zu haben, den
                              									Auslösungswiderstand in einfachster Weise zu reguliren.
                           
                           Anwendung des Echappements für Pendeluhren mit vollkommen freiem Pendel (Fig. 7 und Fig. 8). Das
                              									im Vorhergehenden beschriebene Echappement läſst sich auch für Pendeluhren anwenden.
                              									Anstatt des Spiralklötzchens ist es hier die Pendelaufhängung, welche an dem dritten
                              									Arm des dreiarmigen Hebels, der hier mehr die Form eines Ankers annimmt, befestigt
                              									wird. Es empfiehlt sich die, in diesem Falle wagerecht gelagerte Drehachse des
                              									Ankers durch eine, nicht allzuscharfe, Messerschneide zu bilden.
                           Die Drehachse a a des Ankers A ist durch die auf Achat- oder Sardonixsteinen P
                                 										P gelagerte Messerschneide des Stahlprismas M
                                 										M gebildet; i i ist die Aufhängefeder des
                              									Pendels; o ein kleiner Keil, durch Welchen die
                              									Höhenlage der Pendelaufhängung etwas geändert werden kann. Durch die Schrauben v, v1, v2 kann der Eingriff
                              									des Ankers in bequemer Weise regulirt werden. – Die wirksame Länge der Aufhängefeder
                              									des Pendels ist durch Klemmbacken K variabel gemacht,
                              									um diejenige Länge aufzufinden, bei welcher die Pendelschwingungen isochronisch
                              									sind.
                           Die Wirkungsweise des Echappements ist folgende: Wird das Pendel aus der Ruhelage in
                              									der Richtung des Pfeiles Fig. 8 gebracht, so bewegt
                              									sich der Anker in derselben Richtung, bis die Palette S1 sich an die Hebefläche h des Rades H anlegt; in
                              									diesem Moment verläſst die Palette S den Zahn r2 des Ruherades R, die Räder drehen sich in der Pfeilrichtung und der
                              									Zahn h bewirkt die Hebung, d.h. er drängt die Palette
                              										S1 zurück, bewegt
                              									dadurch den Anker entgegengesetzt der Pfeil-Achtung und erhöht auf diese Art die
                              									Spannung der Aufhängefeder des Pendels, wodurch demselben die nöthige Kraft
                              									zugeführt wird, seine Schwingungen fortzusetzen. Dieser Vorgang wiederholt sich bei
                              									jeder Pendelschwingung abwechslungsweise auf der einen und auf der anderen Seite des
                              									Ankers. Wird statt der Federaufhängung die Fadenaufhängung für das Pendel gewählt,
                              									die ja noch immer nicht ganz verlassen worden ist, so erfolgt die Auslösung durch
                              									den seitlichen Zug, welchen das Pendel ausübt, wenn es aus seiner Ruhelage in der,
                              									dem Pfeile entgegengesetzten Richtung gekommen ist. Die Kraftzufuhr findet hierbei
                              									dadurch statt, daſs der Aufhängepunkt des Pendels, welcher höher liegt, als die
                              									Drehachse des Ankers, nach erfolgter Auslösung durch das Heberad in
                              									entgegengesetzter Richtung der Pendelschwingung bewegt wird.
                           Dieses Echappement ist das erste und soweit bekannt, zur Zeit das einzige, bei
                              									welchem das Pendel vollkommen frei schwingt. Bei allen öderen Constructionen, welche
                              									bisher als „freie Pendel“ bezeichnet worden sind, ist das Pendel nur
                              									annähernd oder vergleichsweise frei.
                           Nach einem vom Erfinder freundlichst eingesandten Sonderabdruck
                              									aus dem Bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt, 1890
                                 									Nr. 10.