| Titel: | Ueber Nononaphten und seine Derivate. | 
| Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 517 | 
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                        Ueber Nononaphten und seine Derivate.
                        (Schluſs des Berichtes S. 456 d. Bd.)
                        Ueber Nononaphten und seine Derivate.
                        
                     
                        
                           
                              Hexanaphtencarbonsäure.
                              
                           Im Anschlusse an die vorstehend mitgetheilte Abhandlung sei noch der Hauptinhalt
                              									einer interessanten Arbeit von Ossian Aschan berichtet,
                              									welche vor Kurzem in den Berichten der deutschen chemischen
                                 										Gesellschaft, 1890 Bd. 23 S. 867, unter dem Titel „Ueber die in dem Erdöl aus Baku vorkommenden Säuren von
                                    											niedrigerem Kohlenstoffgehalte“ erschienen ist.
                           Als Rohmaterial zur Darstellung dieser Säuren dienten Ossian 200k roher Naphtasäuren, welche
                              									aus den bei der Reinigung der Naphta mit Aetznatron entstehenden Rückständen, die
                              									sich in sehr groſsen Mengen in den Fabriken zu Baku angehäuft haben, gewonnen worden
                              									waren. Zu dem Zwecke wurde die dickflüssige Masse mit Wasser versetzt, während 48 Stunden auf 90 bis
                              									100° erhitzt, bis sich die mechanisch beigemengten Kohlenwasserstoffe abgeschieden
                              									hatten und eine klare Seifenlösung entstanden war. Diese wurde mit verdünnter
                              									Schwefelsäure zersetzt, die abgeschiedene Säure abgehoben und bei 100° geklärt. Die
                              									Rohsäure enthält ein wenig Natronsalz, Wasser und Kohlenwasserstoffe in nicht
                              									unbeträchtlicher Menge. Sie stellt ein lichtgelbes, nach Erdöl und Fettsäuren
                              									riechendes Liquidum vom spec. Gew. 0,9891 bei 18° dar. 100g Rohsäure erfordern zur Sättigung 14g,8 Natronhydrat. 25 Volumina derselben geben mit
                              									20 Volumina Natronlauge von 24° B. (150g
                              									Natronhydrat und 650cc Wasser) eine welche
                              									Schmierseife, welche gut schäumt und vorzüglich wäscht, aber ihres unangenehmen und
                              									lange anhaftenden Geruches wegen zur Zeit in der Praxis noch nicht verwendbar
                              									ist.
                           Beim Destilliren der Säure unter gewöhnlichem Drucke gehen erst Wasser und
                              									Kohlenwasserstoffe über, gegen 200° fängt die Säure selbst an zu sieden, aber unter
                              									theilweiser Zersetzung. Bis 300° ist erst ⅓ übergegangen, der gröſste Theil siedet
                              									demnach über dieser Temperatur. An der Luft ist die Säure bei gewöhnlicher
                              									Temperatur beständig. Sie treibt Salzsäure aus Chlorcalcium allmählich aus unter
                              									Bildung von Calciumsalzen.
                           Die Rohsäure stellt ein Gemisch von Säuren der Reihe CnH2n-2O2
                              									dar, also der homologen Reihe der Carbonsäuren der Naphtene. Entsprechend der jetzt allgemein angenommenen Ansicht, daſs die
                              									Naphtene Hexahydrobenzolkohlenwasserstoffe sind, wären diese Säuren also als
                              									Hexahydrobenzoesäuren und Homologe aufzufassen.
                           Aschan hat sich zunächst die Isolirung und Untersuchung
                              									der Glieder mit niederem Kohlenstoffgehalte dieser Säurenreihe zur Aufgabe gemacht,
                              									da anzunehmen ist, daſs von den höheren Homologen mehrere Isomere in dem
                              									Säurengemische vorhanden sind, deren Trennung von einander nicht ohne Weiteres
                              									gelingen dürfte (von der Säure C8H14O2 können z.B.
                              									drei, von der Säure C9H16O2 bereits vierzehn verschiedene Isomere
                              									auftreten). Zwecks Reindarstellung der niedrigst siedenden Säuren wurde die Rohsäure
                              									destillirt und die ersten Destillate aufgefangen und für sich weiter verarbeitet.
                              									Als Destillationsgefäſs diente eine kupferne Blase mit aufgesetztem 3cm langem, zweikugeligem Linnemann'schen Rohre, welche jedesmal mit 10k Rohsäure beschickt wurde. Die Temperatur stieg, nachdem die Säure selbst
                              									bei 220° zu destilliren begonnen hatte, ziemlich rasch auf 240°, dann langsamer. Es
                              									wurde jedesmal bis auf 270° destillirt, wobei sich etwa 800g Destillat in der Vorlage sammelten. Die
                              									verschiedenen Destillate wurden vereinigt, mit einer 5procentigen Natronlauge
                              									geschüttelt, wobei ¾ in Lösung gingen. Die Lösung wurde einige Tage stehen gelassen,
                              									bis sie sich völlig geklärt hatte, die Erdölschicht abgehoben und die wässerige
                              									Lösung mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt. Es schied sich ein farbloses Oel ab,
                              										welches von der
                              									wässerigen Flüssigkeit getrennt und zur Klärung einige Stunden im Wasserbade erhitzt
                              									wurde. Aus der wässerigen Flüssigkeit lieſs sich noch ein Theil der Säure mit Aether
                              									extrahiren. Aus 100k roher Säure wurden so
                              									ungefähr 6k der niedrig siedenden Producte
                              									erhalten, welche einen scharfen, zugleich an die niederen Glieder der Fettsäurereihe
                              									erinnernden Geruch haben. Bei mehrtägigem Stehen an der Luft nimmt die Säure
                              									allmählich dunkle Färbung an.
                           Um die verschiedenen Säuren isoliren zu können, wurden die Methylester dargestellt.
                              									Die Methylirung geht sehr leicht von statten, wenn man 1l des Säuregemisches in 1l,5 reinem,
                              									wasserfreiem Methylalkohol löst und nach und nach unter Umschütteln 0l,5 englische Schwefelsäure zugibt. Die Mischung
                              									erwärmt sich stark und nimmt dunkle Färbung an; nach Zusatz etwa der Hälfte der
                              									Schwefelsäure trübt sie sich und nach kurzer Zeit scheiden sich die Ester fast
                              									vollständig als leichtflüssiges, ziemlich angenehm riechendes Liquidum ab. Nach dem
                              									Abkühlen wurde mit 4 Volumen Wasser verdünnt, die obere Schicht abgehoben und mit
                              									Natronlauge kräftig durchgeschüttelt, wobei nur wenig saure Körper aufgenommen
                              									wurden. Die Ausbeute beträgt etwas mehr als das Gewicht der angewendeten Säure.
                           Bei den ersten Fractionirungen (unter Benutzung eines Linnemann'schen Aufsatzes von 30cm Länge
                              									mit zwei groſsen Kugeln, welcher in der ersten Kugel eine 2cm hohe Schicht Glasperlen hatte und mit 2
                              									Platindrahtnetzen versehen war) destillirten die Ester zwischen 180 bis 240°. Nach
                              									fünfzehnmaligem Fractioniren fingen die ersten, allerdings kleinen Portionen bei
                              									130° an zu sieden. Bei 160 bis 165°, 185 bis 190°, 205 bis 210° und 225 bis 230°
                              									hatten sich die Hauptfractionen angesammelt. Die Fraction 160 bis 165° nebst
                              									darumliegenden wurde nun für sich in Arbeit genommen und nach fünfzehnmaliger
                              									Fractionirung, wobei sich die Nebenfractionen auf einige Gramm verminderten, wurde
                              									eine Hauptportion (105g) erhalten, welche den
                              									constanten Siedepunkt 165,5 bis 167,5° (corr.) zeigte. Die Analyse derselben ergab
                              									Zahlen, welche auf die Formel C6H11.COO.CH3, also auf
                              									den Methylester der Hexanaphtencarbonsäure stimmen.
                           Dieser Ester ist ein farbloses, lichtbrechendes Oel vom spec. Gew.
                              										\frac{18^{\circ},4}{18^{\circ},4}=0,90547; er besitzt
                              									angenehmen, fruchtähnlichen Geruch, der jedoch bald ekelerregend wirkt. Von
                              									alkoholischer Kali- oder Natronlauge wird er leicht verseift.
                           Um die freie Säure zu erhalten, wurde der Ester in Alkohol gelöst, mit Kalihydrat in
                              									gewöhnlicher Weise verseift, und aus dem Kalisalz die Säure abgeschieden. Es wurden
                              									etwa 70g der constant bei 215 bis 217° (corr.)
                              									siedenden Säure erhalten. Der Hexanaphtencarbonsäure
                              									kommt, falls sie, wie anzunehmen, mit der Hexamethylencarbonsäure identisch ist, die Formel:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 276, S. 520
                              
                           also einer hexahydrirten Benzoesäure, zu. Sie ist ein
                              									farbloses, bei gewöhnlicher Temperatur etwas dickliches Gel, welches zugleich
                              									harz-artig und nach Baldriansäure riecht. Der widerwärtige Geruch derselben haftet
                              									sehr lange an Haut und Kleidern. Spec. Gew.
                              										\frac{18^{\circ},4}{18^{\circ},4}=0,95025, sie erstarrt nicht
                              									bei – 10°. Brom wirkt bei gewöhnlicher Temperatur nicht darauf ein, beim Erhitzen
                              									bilden sich Substitutionsproducte unter Abspaltung von Bromwasserstoff. Läſst man
                              									eine Lösung von Kaliumpermanganat in kohlensaurem Natron in der Kälte auf die Säure
                              									wirken, so tritt Entfärbung erst nach längerem Stehen ein. Salpetersäure vom spec.
                              									Gew. 1,3 wirkt langsam oxydirend auf die Säure.
                           Die Hexanaphtencarbonsäure hat stark sauere Eigenschaften, sie treibt allmählich
                              									Salzsäure aus Chlorcalcium aus unter Bildung ihres Kalksalzes, weshalb man sie mit
                              									Phosphorsäureanhydrid trocknen muſs. Schwefelsäure löst die Säure leicht, beim
                              									Erhitzen tritt Zersetzung ein; auch Phosphorsäure wirkt schon bei gewöhnlicher
                              									Temperatur allmählich zersetzend. Das Calcium- und Baryumsalz werden durch
                              									Kohlensäure nicht zerlegt, was nach Angabe anderer Autoren bei den höheren Homologen
                              									der Hexanaphtencarbonsäure geschieht.
                           Die Hexanaphtencarbonsäure ist mit der von Perkin jun.
                              									und Colman (Berliner Berichte, 1888 Bd. 21 S. 741)
                              									synthetisch dargestellten Methylpentamethylencarbonsäure (2 : 1) isomer. Die
                              									Isomerie geht deutlich aus der Ungleichheit der specifischen Gewichte hervor; die
                              									Methylpentamethylencarbonsäure besitzt nämlich das spec. Gew.
                              										\frac{15^{\circ}}{15^{\circ}}=1,02054 und siedet auch einige
                              									Grad höher, bei 219 bis 219°,5.
                           Von Salzen der Hexanaphtencarbonsäure wurden dargestellt
                              									das Kaliumsalz C6H11.COOK, das Natriumsalz C6H11.COONa, das Calciumsalz (C6H11.COO)2.Ca + 4H2O, dag
                              									Baryumsalz (C6H11.COO)2Ba, das Silbersalz C6H11.COOAg und das
                              									Cadmiumsalz (C6H11.COO)2Cd.
                           Ferner wurden untersucht das beim Behandeln der Säure mit der berechneten Menge
                              									Phosphorpentachlorid entstehende Chlorid C6H11.COCl, welches
                              									bei 167 bis 169° siedet und den Chloriden der Fettsäuren ähnlich riecht, sowie das
                              										Amid C6H11.CO.NH2. Letzteres
                              									wurde aus dem Chlorid mit trockenem Ammoniumcarbonat erhalten; es krystallisirt in
                              									schönen, sehr dünnen Blättchen, welche starken Perlmutterglanz haben.
                           
                           Das Amid schmilzt in Wasser schon unter 100°, in trockenem Zustand bei 123°,5.
                           Von den Homologen der Hexanaphtensäure hat Aschan noch
                              									die Säuren C8H14O2, Siedepunkt 237 bis 239° (corr.), und C9H16O2, Siedepunkt 251 bis 253° (corr.), isolirt.
                              									Dieselben wurden aus ihren bei 190 bis 192° bezieh. 209 bis 213° (corr.) siedenden
                              									Methylestern dargestellt.