| Titel: | Ueber neuere Kriegsschiffbauten. | 
| Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 557 | 
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                        Ueber neuere Kriegsschiffbauten.
                        (Schluſs des Berichtes S. 513 d. Bd.)
                        Ueber neuere Kriegsschiffbauten.
                        
                     
                        
                           Ein fernerer sehr wichtiger Umstand, der die Treffsicherheit ungünstig beeinfluſst,
                              									liegt in der Schwierigkeit, bei schneller Bewegung das Ziel überhaupt richtig zu
                              									sehen und rechtzeitig abzufeuern. Hier spielt die Uebung eine groſse Rolle. Beim
                              									Schlingern des Schiffes z.B. von 2° nach jeder Seite und einer Periode der
                              									Schwingung von 4 Secunden bleibt ein Ziel von 20 Fuſs Höhe in einer Entfernung von
                              										1200m nur etwa ⅕ Secunde in der Visirlinie
                              									sichtbar, und in dieser Zeit muſs abgefeuert werden. Damit der Abfeuernde Zeit hat,
                              									das Ziel zu sehen, wenn sich das Ziel mit der Visirlinie deckt, wird stets nur
                              									gefeuert werden, wenn das Geschütz in der Schwankung sich hebt, würde man abfeuern,
                              									wenn das Geschütz sich senkt, so kommt das Ziel ganz plötzlich in Sicht, und dann
                              									schlägt nach Versuchen das Geschoſs fast stets dicht beim eigenen Fahrzeug ins
                              									Wasser; die Verspätung kann dabei bis ½ Secunde betragen. Während des Schlingerns
                              									ausgeführte Schieſsversuche ergaben trotz aller Vorsicht, daſs bei einer Entfernung
                              									des Zieles von 1200 bis 1500m die meisten
                              									Geschosse 600 bis 800m über das Ziel
                              									hinausflogen.
                           Auf dem Lande wird zur Feststellung der Entfernung ein Probeschuſs abgegeben; auf der
                              									See hat ein derartiger Probeschuſs absolut keinen Zweck, da er nichts zur Aufklärung
                              									beiträgt. Man sieht, das Geschoſs ist über das Ziel hinweggeflogen, aber es bleibt
                              									unklar, ob die Distanz nicht richtig gemessen, ob dem Zeitverluste für Richten und
                              									Visiren nicht genügend Rechnung getragen ist, ob Fahrzeug oder Ziel schwankten, oder
                              									sonst persönliche Fehler des Abfeuernden im Spiele gewesen sind. Auſserdem sind im
                              									nächsten Augenblicke alle Verhältnisse geändert.
                           Hiernach läſst sich wohl behaupten, daſs das Treffen auf der See mit den langen
                              									Geschützen, zumal bei bewegtem Wasser und auf einige Entfernung hin, fast ganz
                              									Zufallssache wird. Der Procentsatz der Treffer, welche bei Versuchen unter den
                              									gewöhnlichen Bedingungen eines Kampfes auf offener See erzielt wurden, ist bis jetzt
                              									so gering gewesen, daſs dieser Treffunsicherheit gegenüber eigentlich alle Fragen
                              									der Taktik und des Manöverirens der Kriegsschiffe im Seegefecht vollständig in
                              									Fortfall kommen.
                           
                           Ist nun dieses Treffen mit den schweren Geschützen vielleicht dadurch zu erreichen,
                              									daſs man sich dem Gegner möglichst nähert, selbst auf die Gefahr hin, sich dadurch
                              									der Wirkung einer der anderen Waffenarten, dem Torpedo oder der Ramme zu sehr
                              									auszusetzen, und wenn dem so ist, hat es Sinn, beim Bau der Kriegsschiffe so
                              									groſsen, ja fast ausschlieſslichen Werth auf die schwere Artillerie zu legen?
                           Bei den früheren Segelschiffen war die ganze Takelage mit Zielscheibe, ein derartiges
                              									Schiff bot eine Zielhöhe von 100 und mehr Fuſs dar, das jetzige Kriegsschiff führt
                              									meist keine Takelage, die Zielfläche schrumpft auf 20 Fuſs über Wasser zusammen,
                              									eine Höhe, die auf einige Entfernung fast verschwindet. Beim Geschütz liegt aber die
                              									Schwierigkeit des Treffens in der senkrechten Richtung, während beim Torpedo gerade
                              									die senkrechte Abweichung keine Schwierigkeit bietet. Die verwundbare Fläche des
                              									modernen Kriegsschiffes ist daher unter Wasser fast gröſser als über Wasser, die
                              									Länge des Schiffes ist zum Verhältniſs seiner Höhe stets bedeutend, und so stellte
                              									sich die Wahrscheinlichkeit des Treffens für Geschütz und Torpedo bei gewisser
                              									Entfernung ziemlich gleich, und es fragt sich nun, welcher Waffe man die
                              									verderblichere Wirkung zuzumessen geneigt ist. Nach dem Vorhergehenden scheint es
                              									bei auch nur etwas bewegter See keinen Zweck zu haben, das Feuer der schweren
                              									Geschütze auf eine weitere Entfernung als etwa 600 bis 800m überhaupt zu eröffnen, dieselbe Entfernung gilt
                              									aber heute auch als Kernschuſs für den Whitehead-Torpedo, und während man diese
                              									Waffe in groſser Anzahl mit verhältniſsmäſsig geringen Kosten ins Gefecht führen
                              									kann, braucht man Millionen, um die wenigen schweren Geschütze der Panzerschiffe zum
                              									Schwimmen zu bringen. Wenn auch die Annahme wohl gerechtfertigt sein mag, daſs
                              									gröſsere Seegefechte stets bei verhältniſsmäſsig ruhigem Wetter geführt werden, so
                              									ist doch dieses z.B. für den Kreuzerkrieg durchaus nicht ausführbar, da hier der
                              									Gegner unter allen Umständen angegriffen werden muſs; auch liegt die
                              									Wahrscheinlichkeit nicht fern, daſs ein im Torpedowesen überlegener Gegner gerade
                              									aus diesem Umstände Nutzen zu ziehen sucht, und seinen Feind bei einigermaſsen
                              									bewegtem Wasser zum Kampfe zwingt, was ihm, wenn er über schnelle und seetüchtige
                              									Schiffe verfügt, gar nicht so schwer fallen dürfte. Hierbei würde sich denn die
                              									vorhin angeführte Kampfdistanz von 600 bis 800m zu
                              									Gunsten der Torpedos vielleicht noch ganz erheblich verkleinern.
                           Die Anwendung der groſsen Geschütze an Schiffsbord scheint entschieden über die
                              									praktischen Grenzen hinausgegangen zu sein. Die muthmaſsliche Wirkung derselben
                              									steht in keinem Verhältniſs zu den groſsen Kosten des Geschützes und dann besonders
                              									zu den Kosten der Panzerschiffe selbst. Die Auslage von etwa 8 bis 10 Millionen
                              									Rubel, welche nöthig ist, um in einem Seegefechte 4 Stück 100t-Kanonen in Thätigkeit zu bringen, können nicht
                              									durch die zu erwartende Wirkung dieser Geschütze genügend gerechtfertigt werden. Nach den
                              									Versuchen auf dem Schieſsstande sollte freilich ein einziger Treffer eines solchen
                              									Geschützes hinreichen, den Gegner mit einem Schlage zu vernichten, wenn nur das
                              									Geschoſs einigermaſsen richtig einschlägt. Es ist jedoch stets zu erwägen, ob nicht
                              									das groſse, schwere Schiff, ehe der Fall des Treffens mit dem schweren Geschütz
                              									eintritt, bereits von den zahlreichen leichteren Geschossen des Gegners, oder durch
                              									Torpedo und Ramme, in einen solchen Zustand versetzt worden, daſs alles weitere
                              									Treffen mit den Riesenkanonen zur Unmöglichkeit wird? Die Ereignisse eines künftigen
                              									Seekampfes werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach in rasender Geschwindigkeit
                              									abspielen, Secunden werden über Sieg und Verlust entscheiden, der Erfolg muſs auf
                              									der Seite verbleiben, welche über die zweckdienlichste Waffe verfügt und diese in
                              									gröſserer Anzahl ins Treffen zu führen versteht.
                           Man hat mehr und mehr gesucht, alle Mittel des Angriffes und der Verteidigung in
                              									einem Fahrzeuge zu vereinigen; kaum aber schien das neue Ideal gefunden, als auch
                              									schon neue Mittel der Zerstörung auftauchten und zu neuen Veränderungen zwangen. So
                              									ist es dahin gekommen, daſs unser modernes Schlachtschiff eine Kriegsmaschine
                              									darstellt, in welcher die Menschen eigentlich nur zur Bedienung der einzelnen
                              									Mechanismen da sind, die in Bezug auf ihre Wirksamkeit auf den einen Faktor
                              										„Kohle“ angewiesen sind.
                           Jetzt, wo wir glücklich bei Schiffskolossen von 15000t Deplacement, Maschinen von etwa 25000  und 110t-Geschützen angelangt sind, werden Versuche mit
                              									Dynamitgeschossen gemacht. Nach den neuesten Erfahrungen soll es gelungen sein,
                              									derartige Geschosse aus den gewöhnlichen Geschützen auf weite Entfernung zu
                              									schleudern, und hiervon würde wahrscheinlich ein Treffer genügen, den oben
                              									angeführten Schiffskoloſs zu vernichten.
                           Wohin soll dieser Kreislauf führen? Es ist unmöglich allen Wünschen in einem Schiffe
                              									nachzukommen. Das Kriegsschiff muſs immer ein Compromiſs bleiben, einige wenige
                              									Hauptbedingungen müssen festgestellt, diese in möglichst vollkommenem Maaſs erfüllt,
                              									und dann andre Eigenschaften mehr oder minder geopfert, oder in einer anderen
                              									Schiffsklasse zum Ausdruck gebracht werden.
                           Ein Schiff soll so lange wie möglich im Kampfe schwimmen bleiben, das ist gewiſs eine
                              									Hauptbedingung, also wird Gürtelpanzer, das Panzerdeck und Zellenbau angeordnet, um
                              									die Schwimmlinie zu schützen, die übrigen vitalen Theile, Maschine und Kessel,
                              									Geschütze und Mannschaft sollen ebenfalls Schutz bekommen, also Seitenpanzer und
                              									Seitenkohlenbunker u.s.w., so häufen sich eins nach dem andern die für die Defensive
                              									nöthigen Gewichte. Man soll aber nicht vergessen, daſs die beste Methode, selbst
                              									schwimmen zu bleiben, darin besteht, den Gegner zu versenken. Der Hieb ist eben
                              									immer die beste Verteidigung; also Offensivkraft zu Gunsten der Defensivkraft zu
                              									sehr zu schmälern, scheint ein groſser Fehler.
                           Unter ein gewisses Maſs kann man für ein Schiff, welches auf der See kämpfen soll,
                              									nicht herabgehen; Seetüchtigkeit muſs vor Allem vorhanden sein; der Kampf mit Wind
                              									und Wellen muſs unter allen Umständen ausgefochten werden können; ferner groſse
                              									Geschwindigkeit, selbst bei schlechtem Wetter, denn dies ist die erste Bedingung der
                              									modernen Seekriegsführung. Alles dieses erfordert schon ein ziemlich groſses Schiff,
                              									jedenfalls nicht unter 3000 bis 4000t Deplacement.
                              									Mit schwerem Gürtel oder Seitenpanzer läſst sich überhaupt kein kleines Schiff
                              									herstellen.
                           Ist man aber im Stande, wie sich dieses nach genauen Rechnungen und Plänen ergibt,
                              									für denselben Preis, den 4 Stück 110t-Geschützen
                              										eines 12 bis 14000t-Schiffes zehn Stück etwa 50t-Geschütze, die ebenfalls fast jeden Panzer
                              									durchschlagen können, in 5 kleineren Schiffen von je etwa 4000t Deplacement entgegenzustellen, so fragt es sich,
                              									ob die Wahrscheinlichkeit des Sieges sich auf Seite der 10 leichteren Geschütze
                              									neigen würde oder nicht? Ein Treffer der 110t-Kanone würde wahrscheinlich hinreichen um eines der kleineren Schaffe zu
                              									vernichten oder doch auſser Kampf zu setzen, während vielleicht 5 Treffer der 50t-Kanonen nicht denselben Einfluſs auf das
                              									gröſsere Fahrzeug ausüben könnten. Auf der einen Seite ist das Ziel gröſser und
                              									leichter zu treffen, auf der anderen die schwimmende Plattform ruhiger und die
                              									Wirkung des einzelnen Schusses eine gröſsere. Sollte man aber auch die schwere
                              									Artillerie dieser Gegner als ziemlich gleichwerthig bezeichnen, so bleibt doch immer
                              									eine direkte, fast 5fache Ueberlegenheit in Bezug auf die Auxiliarartillerie und auf
                              									die übrigen Waffen, Torpedo und Ramme, und diese würden in einem derartigen Kampfe
                              									wahrscheinlich den Ausschlag geben. Hierbei ist vorläufig ganz davon abgesehen, daſs
                              									die 5 leichten Schiffe in Friedenszeiten dem Staate entschieden viel mehr Nutzen
                              									leisten würden als das eine groſse.
                           Mit technischen Gründen allein läſst sich jedoch nicht entscheiden, welche Arten der
                              									Kriegsschiffe die zweckmäſsigsten sein würden, dazu müssen vielmehr folgende
                              									Umstände und Fragen mit in Rechnung gezogen werden:
                           1) Welches sind die Schiffe, welche den augenblicklichen und für die nächsten Jahre
                              									zu verfolgenden Interessen des Staates in bester Weise entsprechen, z.B. die
                              									Handelsflotte am besten beschützen, die Colonialpolitik unterstützen, die Küsten
                              									beschirmen u.s.w. und
                           2) Eine rivalisirende Macht, mit der man möglicherweise in Kampf gerathen kann, hat
                              									eine bestimmte Art der Kriegsschiffe bei sich ausgebildet, – welches ist die beste
                              									Schiffsklasse, um diesem Gegner zu begegnen; muſs man Panzerschiffe bauen, weil der
                              									Gegner ebenfalls Panzerschiffe baut, oder kann man vielleicht eine andere
                              									vortheilhafte Schiffsklasse für sich finden, und endlich, lassen sich die beiden Anforderungen
                              									zu 1 und 2 in einer Schiffsklasse vereinigen.
                           Je nach der geographischen Lage jedes Staates, je nach seinen Hilfsmitteln, je nach
                              									seinen politischen und Handelsinteressen muſs die Beantwortung dieser Frage anders
                              									auslallen. England z.B. und Italien, welche jetzt im Panzerschiff bau glänzen,
                              									bedürfen einer derartigen, schwimmenden Ringmauer, ihres politischen Ansehens
                              									halber, ohne dieselbe würden sie ihre Stellung als Groſsmächte nicht aufrecht
                              									erhalten können. Bei England besonders ruht der ganze Schwerpunkt in der Flotte, ein
                              									England ohne mächtige Flotte wäre nicht mehr existenzfähig.
                           Anders liegen die Verhältnisse bei den Continentalmächten. Die Flotte ist hier meist
                              									nicht Grundbedingung der Existenz, kann daher unbeschadet einen ganz anderen
                              									Charakter annehmen. Die Ausgaben für Armee und Marine lassen sich als solche für die
                              									Sicherheit eines Staates auffassen, dieselben sind daher durchaus nützlich und
                              									productiv. Zumal wenn das dazu nöthige Material im Inlande selbst beschafft wird,
                              									tritt ja nur ein Kreislauf des Geldes, eine beschleunigte Circulation ein, die auf
                              									Handel und Industrie höchst anregend einwirkt. Die Bauten der Marine beeinflussen
                              									sehr weite Kreise der Industrie, rufen die höchsten Leistungen der Technik hervor
                              									und wirken als Sporn zur Weiterentwicklung derselben. Im Kriegsschiff ist die
                              									höchste technische Intelligenz eines Landes gleichsam verkörpert, für den Kenner
                              									redet dasselbe in dieser Hinsicht eine klare, deutliche Sprache.
                           Vom nationalen Standpunkte aus wird wohl überall die Schaffung einer kraftvollen
                              									Marine auf das Wärmste zu befürworten sein, aber nicht überall ist die Möglichkeit
                              									der Verwendung von groſsen pekuniären Mitteln zu diesem Zweck vorhanden. Für den auf
                              									diesem Gebiete Schwächeren handelt es sich darum, die beste Waffe des Schwächeren
                              									zur See zu finden, und diese besteht unzweifelhaft im Torpedo und im
                              									Kreuzerkrieg.
                           Es wird nicht leicht sein, auf den Meeren herumstreichende, bald hier bald dort
                              									auftauchende schnelle Schiffe abzufangen, selbst wenn zu ihrer Verfolgung eine
                              									groſse Anzahl Jäger abgesandt werden kann. Seetüchtigkeit, Geschwindigkeit und
                              									ökonomisch arbeitende Maschinen sind die drei hauptsächlichen, an einen guten
                              									Kreuzer zu stellenden Anforderungen. Die letzten beiden Faktoren können erst durch
                              									die neuesten Errungenschaften der Technik einigermaſsen erfüllt werden, sichern dann
                              									aber auch dem Kreuzer seine Ueberlegenheit, selbst dem an Artillerie weit stärkeren
                              									Gegner gegenüber. Es kann nicht genug hervorgehoben werden, daſs die Schnelligkeit
                              									eine Waffe geworden ist und zwar diejenige Waffe, auf der unsere ganze Kriegsführung
                              									beruht.
                           Der moderne Kreuzer muſs eine Geschwindigkeit entwickeln können, die derjenigen der
                              									schnellsten Handelsdampfer nicht nachsteht; sie soll gegen 20 Knoten in der Stunde
                              									betragen. Wie wir schon im Vorhergehenden gesehen haben, ist hierzu ein Schiff von nicht zu kleinen
                              									Abmessungen nöthig.
                           Zieht man besonders noch die Nothwendigkeit groſser Kohlenfassungsräume in Betracht,
                              									so wird sich unter ein Deplacement von etwa 3 bis 4000t nicht herabgehen lassen.
                           Als Erziehungsmittel für die Heranbildung und Erhaltung eines tüchtigen, kühnen und
                              									seegewandten Marinepersonales gibt es wohl keine geeignetere Schiffsklasse als
                              									solche Oceankreuzer. In der Beziehung übertreffen sie weit die schwerfälligen
                              									Panzerkolosse, welche fast überall dazu verdammt sind, den gröſsten Theil ihrer
                              									Lebensdauer in den Häfen zu vertrauern.
                           Der Nutzen demnach, welchen der Staat in Friedenszeiten aus seinen leichteren und
                              									schnellen Schiffsbauten zieht, ist eine lebendige, fortschreitende Entwicklung
                              									seiner Marine, während der Bau der Panzerkolosse die Anlage eines todten Kapitales
                              									repräsentirt.
                           Vielleicht werden sich die im Vorstehenden dargelegten Anschauungen mit den Jahren
                              									ändern müssen, aber die Gestaltung einer Flotte darf man bei den rapiden,
                              									technischen Fortschritten der Jetztzeit auf nicht zu lange Zeit im Voraus fest
                              									bestimmen, schon aus diesem Grunde scheint es verkehrt, Schiffe zu bauen, die viele
                              									Jahre zu ihrer Fertigstellung brauchen. Die Bedürfnisse der Gegenwart schnell
                              									befriedigen, stets für die gegenwärtigen Zwecke ein ausreichendes und vorzügliches
                              									Material an der Hand zu haben und sich durch Schaffung einer starken und
                              									leistungsfähigen Industrie die Möglichkeit zu geben, jeden später aufkommenden
                              									Wünschen in kürzester Zeit zu genügen, das scheint die richtige Politik für eine
                              									Marine. Treten dann später andere Anforderungen auf, so kann man getrost der Zukunft
                              									überlassen, die Bedürfnisse der Zukunft zu befriedigen.
                           Wir schlieſsen an das Vorstehende eine Mittheilung aus der Tribuna über die Probefahrten mit dem Torpedokreuzer Partenope.
                           Die Partenope ist nach den Plänen Sr. Excellenz des
                              									Ministers Brin in der Werft von Castellamare, unter
                              									Leitung des Herrn Direktor Mikeli, gebaut und mit
                              									Maschinen der Firma F. Schichau in Elbing ausgerüstet
                              									worden. Die Hauptabmessungen sind: Länge 75m,
                              									Breite 7m,5, Deplacement voll ausgerüstet 840t; sie repräsentirt den Typus der neuesten,
                              									vollkommensten und bestdurchdachten Torpedokreuzer.
                           Die Armirung besteht aus mehreren Torpedolancirapparaten und zahlreichen
                              									schnellfeuernden Geschützen. Das Innere des Schiffes ist sehr praktisch angeordnet.
                              									Die beiden Maschinen liegen in der Mitte; je vor und hinter denselben befindet sich
                              									ein Kesselraum mit zwei Kesseln. Diese Anlage hat sich bei den zahlreichen
                              									abgehaltenen Fahrten auf das Beste bewährt. Die Maschinen sind 2 Satz
                              									Dreifachexpansionsmaschinen. Die vier Lokomotivkessel, ebenfalls nach Schichau'schem System gebaut, arbeiten mit einem
                              									Dampfdruck von 12at und verstärktem Zuge. Bei dieser Anordnung sind
                              									die Heizräume nicht verschlossen, sondern frei und offen, die Mannschaften erhalten
                              									stets frische und kühle Luft und können in Folge dessen ohne zu ermüden lange
                              									arbeiten. Man hat es in der Gewalt, das Feuer nach Belieben zu reguliren und je den
                              									Bedürfnissen entsprechend die Kraft der Maschine zu regeln. Bei der Partenope ist von Anfang bis zu Ende der Proben jede
                              									Störung ausgeschlossen gewesen, die gesammte maschinelle Anlage hat tadellos
                              									gearbeitet.
                           Die contractlichen Leistungen der Maschinen waren bestimmt auf 4000 i bei ununterbrochener forcirter Fahrt von 3 Stunden
                              									und bei einem stündlichen stärksten Kohlenverbrauch von 1k,1, ferner während einer 24stündigen Fahrt bei
                              									natürlichem Zuge auf 2000 i mit einem
                              									stärksten stündlichen Kohlenverbrauch von 0k,9.
                           Die Firma Schichau hat geleistet auf der 3stündigen
                              									Probefahrt im Mittel 4150 bis 4200 i bei
                              									einem Kohlenverbrauch von nur 0k,95 und bei der
                              									Probe mit natürlichem Zuge 2200 bis 2300 i
                              									mit einem Kohlenverbrauche von nur 0k,68.
                           Der Luftdruck unter den Rosten der Kessel betrug bei der forcirten Fahrt nur 40 bis
                              										50mm Wasserstandshöhe, während der Firma
                              									erlaubt war, bis über das Doppelte hinaufzugehen. Während aller Proben, an die sich
                              									eine Fahrt von Neapel nach Messina und zurück bei ziemlich schlechtem Wetter
                              									anschloſs, bewährten sich Schiff und Maschine vorzüglich und manöverirten die
                              									Maschinen mit einer Schnelligkeit und Sicherheit, die die Bewunderung der Offiziere
                              									erregte. Die Abnahmecommission in Neapel hat die Maschinen mit groſser Befriedigung
                              									abgenommen und wir halten die Partenope für ein
                              									Fahrzeug, welches bestimmt berufen sein wird, der italienischen Flotte noch viele
                              									und werthvolle Dienste zu leisten.