| Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. | 
| Autor: | Oscar Guttmann | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 19 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
                           								Sprengtechnik.
                        
                     
                        
                           Eduard Liebert in Berlin hat kürzlich zwei Patente für
                              									die Behandlung von Nitroglycerin genommen. Das erste besteht in der Zugabe von Isoamylnitrat zum Nitroglycerin, um es angeblich ungefrierbar zu machen. Dieser Zusatz wird wohl auch
                              									das Gefrieren nicht in allen Fällen verhindern, die Wirkung aber wahrscheinlich
                              									bedeutend abschwächen (vgl. 1889 273 63). Das zweite
                              									Patent betrifft die Zugabe von schwefelsaurem oder
                                 										salpetersaurem Ammoniak zum Säuregemische bei der Nitrirung, um die während
                              									derselben sich bildende salpetrige Säure nach folgender Gleichung zu zerstören:
                              										(NH4)2SO4 + 2NO2H = H2SO4 + 4N + 4H2O.
                           A. Werner Cronquist in Stockholm hat die Empfindlichkeit gegen Schlag der verschiedenen in
                              									Schweden vorkommenden Explosivstoffe geprüft. Zu diesem Ende gab er Proben von 0g,15 bis 0g,70
                              									bei einer zwischen 15 und 22° schwankenden Temperatur zwischen Stahlplatten, auf
                              									welche ein Gewicht fallen gelassen wurde. Die Resultate waren für:
                           
                              
                                 Nitroglycerin, flüssig
                                 0,41kg/m
                                 
                              
                                           „          gefroren
                                 0,80
                                 
                              
                                           „          theilweise gefroren
                                 0,27
                                 
                              
                                 Dynamit (72 Proc. Nitroglycerin)
                                 0,50
                                 
                              
                                 Sprenggelatine (96 Proc. Nitroglycerin)
                                 0,60
                                 
                              
                                           „              (90 Proc. Nitroglycerin mit
                                    											Campher    und Nitrocellulose)
                                 1,80
                                 
                              
                                 Ammoniakpulver (Ammonnitrat, Nitroglycerin
                                    											und    Holzkohle)
                                 0,55
                                 
                              
                                 Sebastine (Nitroglycerin, Natriumnitrat und Holzkohle)
                                 0,70
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Schieſswolle, trocken
                                     0,82kg/m
                                 
                              
                                          „           mit 20 Proc. Wasser
                                     2,30
                                 
                              
                                 Nitrocellulose, löslich
                                     0,72
                                 
                              
                                 Romit (Ammonnitrat, chlorsaures Kali, Naphtalin
                                    											und    Paraffin)
                                     0,60
                                 
                              
                                 See-Romit (Nitrolactine [? Milchzucker])
                                     1,90
                                 
                              
                                 Schieſspulver, entzündet
                                   37,50
                                 
                              
                                 Bellit (Ammonnitrat und Nitrobenzin)
                                   62,00
                                 
                              
                                 
                                    In
                                       												Kupferhülse:
                                    
                                 
                                 
                              
                                 Schieſspulver, explodirt
                                   72,00
                                 
                              
                                 Bellit weder explodirt noch entzündet bei
                                 292,00
                                 
                              
                           Diese Versuche sind von den bisherigen Erfahrungen ganz verschieden. Nach den
                              									Versuchen von Heſs im österreichischen Militär-Comité
                              									explodirt 75 Proc. Dynamit bei 0kg/m,75, Schieſspulver aber schon bei 7kg/m,75. Auffällig
                              									ist ferner, daſs theilweise gefrorenes Nitroglycerin leichter detoniren solle, als
                              									un gefrorenes, lösliche Nitrocellulose leichter, als trockene Schieſswolle, und
                              									Sprenggelatine leichter, als beide. Nach unseren Erfahrungen sind wir geneigt
                              									anzunehmen, daſs bei den Versuchen Cronquist's einige
                              									Beobachtungs- oder andere Fehler mit unterlaufen sind.
                           Carl Olaf Lundholm und Josef
                                 										Sayers in Stevenston haben sich den Gebrauch von Hydrocellulose und Oxycellulose zur Nitrirung
                              									für Explosivstoffe patentiren lassen. (Engl. Patent Nr. 6399 vom 15. Februar 1890.)
                              									Es ist dabei zu erinnern, daſs Nitro-Hydrocellulose schon im Jahre 1878 von Siersch und Roth für
                              									Zündpatronen zur Detonirung von Sprenggelatine verwendet wurde.
                           Ein anderes Patent von Carl Olaf Lundholm in Stevenston
                              									(Engl. Patent Nr. 10312 vom 10. Mai 1890) schützt den Gebrauch eines Saugstoffes für
                              									Dynamit, welcher durch Glühen von organische Bestandtheile natürlich oder damit
                              									vermischt enthaltender Kieselguhr hergestellt wird. Das so erzeugte „schwarze
                                 										Dynamit“ wird mit Wasser zusammengeknetet, um es flammensicher zu machen.
                              									Bei der häufigen Undeutlichkeit englischer Patente ist es schwierig zu sagen, ob der
                              										thatsächliche Vorgang nicht solche Verbesserungen
                              									enthalte, um ihn von den Patenten Grüne und Borland-Reid (vgl. 1888 268
                              									518. 521) zu unterscheiden.
                           F. A. Abel und James Dewar haben den Gebrauch von gelatinirter Schieſswolle (an Stelle von gelatinirter
                              									Collodionwolle) patentiren lassen. (Engl. Patent Nr. 11664: vom 24. Mai 1890.)
                           Um die Entzündung von Schlagwettern zu vermeiden, haben Chalon und Guérin gelatinirtes Wasser unter dem Namen „Gelosina“ als Besatzmittel vorgeschlagen. Dies
                              									wird hergestellt (Bulletin de l'association des ingénieurs
                                 										sortis de l'École de Liège), indem 2 Proc. einer aus Algen ausgezogenen
                              									schleimigen Masse mit 98 Proc. Wasser zusammengekocht und daraus kleine Cylinder
                              									geformt werden. Der Cylinder kommt auf den Grund des Bohrloches, welches weiter ist
                              									als die Dynamitpatrone, und diese wird in die weiche Masse so eingedrückt, daſs die Gelosina die Patronen
                              									seitlich einhüllt.
                           Versuche in Mons haben ergeben, daſs sich dieser Besatz ähnlich günstig verhält, wie
                              									das Wetterdynamit, während man in Anzin fand, die Sicherheit sei nicht gröſser als
                              									bei Benutzung eines Lehmbesatzes.
                           Jedenfalls ist der gebotene Schutz ein recht unsicherer, denn von der Art der Ladung,
                              									der Stellung der Patrone u.s.w. hängt die mehr oder weniger vollkommene Ausführung
                              									desselben ab, und alle Bedenken, welche gegen die Abel-Settle'sche Wasserpatrone obwalten, sind hier in erhöhtem Grade
                              									vorhanden.
                           Rouart und Sencier haben Apparate zur Trocknung von Explosivstoffen erdacht, welche rasche und
                              									wirksame Trocknung gestatten. Die Anordnung ist aus Fig.
                                 										1 nach Génie civil, 1890 S. 443,
                              									ersichtlich.
                           Fig. 1., Bd. 278, S. 21A ist eine Kälteerzeugungsmaschine, B ein Kühlkasten, bestehend aus zahlreichen Röhren,
                              									welche in eine 0m,02 hohe Schicht von
                              									Chlorcalciumlösung eintauchen, C eine Heizvorrichtung
                              									aus Rippenrohren, D der Trockenschrank, E ein Gebläse. Die durch das Gebläse in den Kühlkasten
                              									getriebene Luft kühlt sich in der dünnen Flüssigkeitsschicht rasch ab, verliert
                              									dadurch fast alle Feuchtigkeit, erhitzt sich im Heizkasten und geht in den
                              									Trockenkasten. Die Figur zeigt einen Trockenkasten für Knallquecksilber, in dessen
                              									doppelten Wänden warmes Wasser circulirt. Die Kälteerzeugungsmaschine ist jedenfalls
                              									kostspielig sowohl in der Anlage, wie im Betriebe, und es wird wohl praktischer
                              									sein, die Luft mittels Gebläse durch eine Schicht von Chlorcalcium in Stücken
                              									hindurch in einen Heizkasten gehen zu lassen, oder zuerst durch Schwefelsäure und
                              									dann durch Kalk zu leiten, wie beides durch den Referenten schon früher mit Erfolg
                              									durchgeführt wurde.
                           Hauptmann Franz Holzner veröffentlicht in den Mittheilungen über Gegenstände des Artillerie- und
                                 										Geniewesens, 1890 Heft 3, 4 und 5, eine äuſserst sorgfältig und mit
                              									offenbar vollkommener Beherrschung der gesammten einschlägigen Verhältnisse
                              									gearbeitete Studie über „moderne Kriegsgewehre“. Um unseren Lesern einen
                              									kurzen Ueberblick über diese Frage zu bieten, und ihnen insbesondere zu zeigen,
                              									inwieweit die Pulverfrage in den verschiedenen Ländern bisher gelöst wurde, oder
                              									Aussicht auf Lösung hat, haben wir die in dieser Studie enthaltenen Angaben in nebenstehende Tabelle
                              										gebracht:In der Tabelle
                                    											bedeutet RV Repetirgewehr mit Vorderschafts-Magazin, RP Repetirgewehr mit
                                    											Packetladung, E Einzellader, Rl rauchfreies Pulver, Sk Schwarzpulver in
                                    											Körnern, V0 Anfangsgeschwindigkeit an der
                                    											Mündung, V25 25m von der Mündung gemessen.
                           
                              
                                 
                                    
                                    Land
                                    
                                 
                                    
                                    Gewehr
                                    
                                 Geschoſs-gewichtg
                                 Ladungs-gewichtg
                                 
                                    
                                    Pulvergattung
                                    
                                 Anfangs-geschwindigkeitm
                                 
                              
                                 
                                    System
                                    
                                 Caliber mm
                                 
                              
                                 Frankreich
                                 Lebel RV
                                   8
                                 15
                                    2,7
                                 Rl Blättchen (Vieille)
                                 V25 = 610
                                 
                              
                                 Portugal
                                 Kropatschek RV
                                   8
                                 16
                                    4,5
                                 Sk (österr. 1886)
                                 V25 = 532
                                 
                              
                                 Türkei
                                 Mauser RV
                                      9,5
                                    18,5
                                    4,5
                                 Sk (Rottweil Marke SGP)
                                 V0 = 536
                                 
                              
                                 Norwegen
                                 Jarmann RV
                                      10,15
                                      21,85
                                 5
                                 Sk
                                 V25 = 467
                                 
                              
                                 Oesterreich-Ungarn
                                 Mannlicher RP
                                   8
                                    15,8
                                      2,75
                                 Rl Körner (Schwab)
                                 V0 = 600
                                 
                              
                                 Deutschland
                                 Mauser RP
                                      7,9
                                    14,5
                                    2,5
                                 Rl Blättchen
                                 V25 = 620
                                 
                              
                                 Italien
                                 Vetterli-Vitali RP
                                      10,35
                                 20
                                 ?
                                 Rl Würfel (Nobel'sches
                                    											Ballistit)
                                 V0 = 620
                                 
                              
                                 Holland
                                 Vitali-Beaumont RP
                                 11
                                 25
                                 5
                                 Sk
                                 V25 = 440
                                 
                              
                                 Schweiz
                                 Schmidt RP
                                      7,5
                                 14
                                    1,9
                                 Rl Blättchen (Schenkeramsler
                                       												Sohn)
                                 V25 = 590
                                 
                              
                                 England
                                 Lee-Metford RP
                                      7,7
                                 14
                                 ?
                                 Rl Schnüre (Cordite von Abel)
                                 V0 = 646
                                 
                              
                                 Belgien
                                 Mauser RP
                                        7,65
                                    14,2
                                 3
                                 Rl (Marke )
                                 V25 = 605
                                 
                              
                                 Dänemark
                                 Krag und Jörgensen
                                    											RP
                                   8
                                    15,4
                                 5
                                 Sk (comprimirt nach Madsen)
                                 V25 = 560
                                 
                              
                                 Ruſsland
                                 Lebel? E
                                 –
                                 –
                                 –
                                 Rl (Vieille?)
                                 
                                 
                              
                                 Schweden
                                 Remington E
                                   8
                                    15,5
                                      3,15
                                 Rl Cylinder (Graupulver vonSkoglund und Wallenberg)
                                 V25 = 586
                                 
                              
                                 Spanien
                                 Remington E
                                 11
                                 25
                                      4,75
                                 Sk (Rheinisch-westf. Fabr.)
                                 V0 = 450
                                 
                              
                                 Rumänien
                                 Schmidt oder Mannlicher RP
                                 –
                                 –
                                 –
                                 Rl?
                                 
                                 
                              
                                 Serbien
                                 
                                    Mauser-Milovanovich
                                    
                                      10,15
                                 –
                                 –
                                 Rl Pantelie?
                                 
                                 
                              
                           Aus den Mittheilungen Holzner's ergeben sich noch
                              									bemerkenswerthe Einzelnheiten. Der Gasdruck wurde gemessen, beim türkischen Gewehre
                              									mit 1680at, beim schweizerischen mit 2200at, beim englischen mit 2519at,7, beim schwedischen mit 2390at. Nach Holzner und
                              									nach des Referenten Kenntniſs ist das Aussehen der verschiedenen Pulvergattungen wie
                              									folgt: Frankreich. Kleine Blättchen von etwa 2mm im Quadrate und 1mm Dicke, hornartig in Ansehen und Farbe. Oesterreich-Ungarn. Kleine Körner von grauer Farbe. Deutschland. Dünne Blättchen von 1mm im Gevierte und glänzend graubrauner Farbe. Italien. Blättchen von 2mm im Gevierte, hornartig, gelbbraun, durchscheinend. Schweiz. Blättchen, hellbraun. England (Cordite) runde Schnüre, auch kleine Cylinderchen, durch
                              									scheinend, gelbbraun oder
                              									grünlich schwarz. Belgien. Aehnlich wie Frankreich. Schweden. Kleine Cylinderchen (geschnittene Schnüre)
                              									von Hirsegröſse, graubraun bis lichtbraun.
                           Dr. S. Bein in Berlin hat einen Apparat zur Bestimmung
                              									der Explosions-Temperatur angegeben, welcher nach der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1889 S. 667, im Wesentlichen ein
                              									Doppelcylinder aus Schwarzblech ist, mit einem in den conischen Hals eingesteckten
                              									Reagensrohre, welches etwas Sand am Boden enthält, und durch einen Kork ein
                              									Thermometer sowie ein Trichterrohr eingeführt hat. Ist die Temperatur annähernd auf
                              									die Explosions-Temperatur gestiegen, so wirft man kleine Proben durch das
                              									Trichterrohr, welche bei weiterem Erhitzen explodiren; die Temperatur, bei welcher
                              									dies geschieht, wird am Thermometer abgelesen.Vgl.
                                    											1890 277 523. Der Bein'sche Apparat beruht auf demselben Prinzipe wie der
                              									von Heſs und Trauzl verwendete, den wir in
                              									nebenstehenden Fig. 2 und 3 abbilden.
                           Fig. 2., Bd. 278, S. 23Fig. 3., Bd. 278, S. 23 Derselbe besteht aus einem halbkugelförmigen Gefäſse aus Kupferblech mit
                              									einem lose aufgesetzten Deckel, das auf einem eisernen Gestelle ruht. In dem Deckel
                              									befinden sich 7 Oeffnungen, in deren jede ein unten geschlossenes, oben mit einem
                              									Rande versehenes, kupfernes Röhrchen eingesetzt ist. Das mittlere Röhrchen führt mit
                              									einem Korke den Thermometer, in die anderen, welche 5mm weit sind, wird der Explosivstoff gegeben. Das Gefäſs wird mit Rose'schem Metalle gefüllt, welches schon unter 100°
                              									schmilzt, und sehr hohe Temperaturen verträgt, ohne unangenehme Dämpfe oder
                              									Ueberkochen zu verursachen. Der Bein'sche Apparat (zu
                              									beziehen für 20 M. durch Max Kaehler und Martini in
                              									Berlin) hat jedenfalls den Vorzug groſser Billigkeit, und gestattet bequemeres
                              									Arbeiten.
                           Derselbe Dr. Bein hat eine Reihe von Versuchen
                              									angestellt, inwieferne die Beimengung von Fett zu Schieſspulver die Verbrennung
                              									desselben beeinfluſst. Wie vorauszusehen ist, hat diese Beimengung die Verbrennung
                              									erheblich verzögert, und es scheint, als ob Bein diese
                              									Eigenschaft zur Herstellung eines progressiv seine Kraft entwickelnden Pulvers
                              									benutzen möchte; es ist aber kaum anzunehmen, daſs ihm dies mit so ungleichmäſsig
                              									constituirten und in ihrer Zusammensetzung so vielfach wechselnden Stoffen, wie
                              									Fette es sind, mit genügender Sicherheit gelingen könne.
                           Dr. Max Bielefeldt in Mülheim a. Rh. veröffentlicht in
                              									der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen,
                              									Bd. XXXVIII, eine Reihe von Versuchen über das Verhalten von Explosivstoffen in
                              									Schlagwettergruben.
                           
                           Die Versuche haben deshalb ein besonderes Interesse, weil hier ein tüchtiger Fachmann der Explosivstoffindustrie mit guter Kenntniſs
                              									der Grubenverhältnisse dieselben ausführte, somit jene Bedingungen gegeben waren,
                              									welche zur Lösung aller Fragen nothwendig sind.
                           Nachdem Bielefeldt – in Uebereinstimmung mit unseren
                              									öfters ausgesprochenen Ansichten – gefunden hatte, daſs die meisten, von
                              									verschiedenen Commissionen und Versuchenden als ganz oder theilweise flammensicher
                              									bezeichneten Explosivstoffe ihr günstiges Verhalten einbüſsen, wenn mehr als eine Patrone zur Verwendung gelangt, so trachtete er
                              									vorerst die Ursachen theoretisch festzustellen. Er ging nun von der Ansicht aus,
                              									daſs der bei der Explosion von Nitroglycerin im Ueberschusse verbleibende Sauerstoff
                              									die Veranlassung zur Fortpflanzung der Flamme sei. Ein solcher Ueberschuſs konnte
                              									ebenso von zu viel Salpeter und dgl. herrühren. Um diesen Sauerstoff zu binden,
                              									fügte er Kohlenstoffträger hinzu, deren Aufgabe es war, mit dem Sauerstoffe
                              									Kohlensäure zu bilden, welche eine Flammenübertragung verhindert. Haben die
                              									Sauerstoffträger auch noch Wasserstoff zur Verfügung, so wird auch noch Wasserdampf
                              									mit gleicher Wirkung gebildet. Der Erfolg entsprach den Voraussetzungen, und es
                              									zeigt sich sonach, daſs Explosivstoffe für Schlagwettergruben, ungleich den für
                              									gewöhnliche Bergbauzwecke, möglichst viel Kohlenstoff enthalten müssen, was
                              									selbstverständlich nur zum Nachtheile der Brisanz und Kraft geschehen kann; dies ist
                              									denn auch der Grund, warum mit Rücksicht auf die indirekten Kosten solchen Explosivstoffen eine Grenze gesteckt ist.
                           Bielefeldt blieb schlieſslich bei einem Apparate stehen,
                              									welcher aus einem Krupp'schen Guſsstahlblocke von 0m,50 Durchmesser und 0m,80 Höhe mit einer centralen Bohrung von 0m,050 Weite und 0m,70 Länge bestand.
                              									Dieser stand aufrecht in einem schmiedeisernen Cylinder von 2 bis 2m,5 Höhe und 1m,20 Durchmesser, welcher oben offen und mit einem papierbezogenen Holzrahmen
                              									verkeilt war. Das Leuchtgas trat am Boden des Mantels durch eine Gasuhr ein, und im
                              									Innern des Hohlraumes angebrachte, durch Herausziehen der Kurbelstange abstreif bare
                              									Flügel von Pappe dienten zum Vermischen des Gasgemenges. Die Patronen wurden
                              									elektrisch abgethan. Bielefeldt legt den Versuchen im
                              									Stahlblocke den gröſsten Werth bei, weil er fand, daſs die Stichflamme des
                              									ausblasenden Schusses selbst bei kleinsten Mengen von Sprengstoffen Wetterzündungen
                              									hervorruft, wo der freiliegende oder in Kohlenstaub gebettete Explosivstoff sich
                              									noch vollkommen sicher erweist.
                           Ohne auf die Details seiner Versuche einzugehen, wollen
                              									wir erwähnen, daſs es sich auch hier gezeigt hat, wie die Frage der Sprengung in
                              									Schlagwettergruben nicht einseitig vom Explosivstoffe abhängig gemacht werden könne.
                              									Es ist nothwendig, daſs dieser selbst eine relative Sicherheit biete, es ist aber
                              									auch unerläſslich, daſs die Zündung gefahrlos, und der Besatz entsprechend sei.
                              									Feuchter Letten hat sich als Besatz sehr gut bewährt, und für die Zündung hat man ja in den elektrischen
                              									Zündhütchen, sowie in den Lauer'schen Reibungszündern
                              									gute Mittel. Mit diesen Behelfen haben sich Explosivstoffe, welche aus Dinitrobenzol
                              									und Ammoniaksalpeter bestehen (und aus diesen werden ja Roburit, Securit u. dgl.
                              									neuestens ausschlieſslich hergestellt), als völlig sicher erwiesen, und unseren
                              									Erfahrungen gemäſs wird insbesondere Roburit jetzt stark begehrt, da in
                              									Schlagwettergruben die geringere Kraft und die mancherlei anderen Nachtheile
                              									desselben gegenüber Dynamit für die gebotene Sicherheit gerne in den Kauf genommen
                              									werden.
                           Berichte über verschiedene Unglücksfälle sind zu verzeichnen: Nach dem Berichte der
                              									Beauftragten für die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie in Deutschland
                              									sind in der Gelatinirbude einer Dynamitfabrik 4 Menschen getödtet worden, und zur
                              									Abhilfe wird die Collodiumwolle nur mehr mit 5 Proc. Feuchtigkeit in leinenen
                              									Beuteln aus dem Trokkenhause gebracht, und bei 40 bis 45° (statt wie bisher bei 60
                              									bis 65°) gelatinirt. Es ist sehr fraglich, ob die mit so viel Feuchtigkeit zur
                              									Verwendung gebrachte Collodiumwolle eine Gelatine von solcher Güte ergibt, daſs das
                              									Nitroglycerin dauernd aufgesaugt bleibt, und nicht etwa
                              									später, in den Händen der Bergleute, zu einer Quelle gröſserer Gefahr wird, während
                              									entsprechende Vorsichtsmaſsregeln in der Fabrik angebrachter wären. Man sollte es
                              									kaum glauben, daſs heute noch die einfachsten Vorsichten in manchen Deutschen
                              									Fabriken auſser Acht gelassen werden, und doch hat es so den Anschein. In einer
                              									Fabrik war Nitroglycerin -haltiges Waschwasser in einem Klärbottiche eingefroren,
                              									und der Arbeiter hob es mit einem Werkzeuge heraus. In einer anderen wurde der
                              									Schlamm vom Filtriren des Nitroglycerins in einem Weiſsblechgefäſse zur Elbe gebracht, und mit einem eisernen Bootshaken ausgekratzt. Das ist dreimal Unrecht- ist es nicht
                              									viel einfacher, den Schlamm an einem sicheren Orte zu verbrennen?
                           Das rauchfreie Pulver fordert schon Opfer, offenbar, weil sein Verhalten unter allen
                              									Verhältnissen der Erzeugung mit neuen Vorrichtungen noch nicht genügend bekannt ist.
                              									So gab es in Spandau eine Explosion, und eine andere in Avigliana bei Turin. Bei
                              									letzterer kamen nicht weniger als 19 Personen ums Leben, und 18 wurden verwundet,
                              									wobei nur zu verwundern ist, wie man die ungewöhnliche Ansammlung einer so groſsen
                              									Anzahl von Leuten in offenbarer Nähe dulden konnte.
                           Zwei leichte Explosionen, die eine in den Nobel'schen
                              									Dynamitfabriken in Stevenston, die andere in der National
                                 										Explosives Company lim. in Hayle, wobei nur Fenster und das Dach beschädigt
                              									wurden, fanden zu ungefähr derselben Zeit im gleichen Gebäude, nämlich der sogen.
                              									Nachscheidung, statt. In dieses Gebäude werden die vom Nitroglycerin abgeschiedenen
                              									Säuren gebracht, wo sie so lange absitzen, bis die letzten Spuren von Nitroglycerin
                              									sich abscheiden. Da diese Säuren den gröſsten Theil der auf dem Nitroglycerin
                              									schwimmenden niedrigen Nitrate von Fett, Zellstoff und dgl. in Glycerin mitführen, so ist
                              									unter ungünstigen Umständen eine Zersetzung möglich. Eine gänzliche Verhütung
                              									derselben ist vorläufig noch nicht erzielt worden, doch geschah es in Hayle, daſs
                              									die Arbeiter eine sichtlich in Zersetzung befindliche Ladung 8 Stunden hindurch
                              									durch fortwährendes Kühlen mit Wasser und Preſsluft labil erhielten, ehe sie
                              									dieselbe im Sicherheitsbottiche ertränkten.
                           Die zwei hier erwähnten Fälle, sowie die harmlose Explosion einiger Tropfen von
                              									Sprengöl und Säure, welche von einem noch wenig erfahrenen Arbeiter in einem Eimer
                              									in die Sonne gestellt wurden, sind die einzigen, welche mit der Inbetriebsetzung der
                              									Dynamitfabrik der National Explosives Company lim. in
                              									Hayle (Cornwall), wahrscheinlich der zweitgröſsten Fabrik Europas, verknüpft waren,
                              									trotzdem die dortige Arbeiterbevölkerung niemals vorher mit starken Säuren oder
                              									Nitroglycerin zu thun hatte, vielmehr als Bergleute in den Zinnerzgruben an recht
                              									sorglose Behandlung gewöhnt war. Referent hofft, es werde ihm nicht als
                              									Unbescheidenheit ausgelegt werden, wenn er aus dem Berichte der
                              									Explosivstoffinspektoren für 1889 die folgende Stelle citirt: „Eine der neu
                                 										errichteten Fabriken ist die der National Explosives
                                    											Company lim. in Hayle, dieselbe ist wohl noch nicht in Betrieb (seither
                                 										ist dies geschehen), aber wir haben sie schon mehrmals besichtigt. Die Fabrik
                                 										wurde von Herrn Oscar Guttmann geplant und
                                 										hergestellt, und sowohl die gesammte Einrichtung, wie die Vollkommenheit der Details besonders zur Vermeidung, bezieh. zur
                                 										möglichsten Verminderung der Unglücksfälle geben einen glänzenden Beweis für die
                                 										Voraussicht und besondere Geschicklichkeit dieses Herrn. Selbstverständlich
                                 										haben alle neuen Fabriken den höchsten Anforderungen zu entsprechen.“
                           
                              Oscar Guttmann.