| Titel: | Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890. | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 167 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und
                           								Industrie-Ausstellung in Bremen 1890.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 69 d.
                           								Bd.)
                        Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
                           								Bremen.
                        
                     
                        
                           
                              Die Marine-Ausstellung.
                              
                           Die Marine-Ausstellung ist in einem besonderen Gebäude untergebracht. Dieselbe hat
                              									ihren hauptsächlichsten Inhalt seitens der Kaiserlichen Marineverwaltung erhalten,
                              									welche die in ihrem Besitze befindlichen Modelle von Kriegsfahrzeugen aller Art,
                              									ferner Ausrüstungsgegenstande, einige Barkassen und Boote und endlich als
                              									interessantestes Stück den Originalbrandtaucher Wilhelm
                                 										Bauer's aus dem Jahre 1851 ausstellte. Die Ausstellung ist keineswegs reich
                              									oder auch nur in einem Theile der Marinetechnik vollständig, doch ist sie insofern
                              									trotzdem von Interesse, als sie eine immerhin zutreffende, wenn auch nicht
                              									lückenlose Geschichte unserer Kriegsmarine veranschaulicht.
                           Durch die vorgeführten Modelle wird wohl jeder in unserer Marine vorhandene bezieh.
                              									vorhanden gewesene Schiffstypus vergegenwärtigt und damit ein Vergleich zwischen den
                              									bescheidenen Anfängen und dem jetzigen stolzen Stande unserer Kriegsmarine
                              									ermöglicht. Gleichzeitig ist ein Ueberblick über die gewaltigen Fortschritte in der
                              									Kriegsschiffsbaukunst und deren veränderter Formgebung gestattet.
                           
                           Die Ausstellung zeigt uns ein Modell des ersten preuſsischen Kriegsschiffes, der in
                              									den vierziger Jahren nach den Plänen des verewigten Prinzen Adalbert gebauten Segelkorvette Amazone,
                              									welche im November 1861 während eines Orkanes an der holländischen Küste mit Mann
                              									und Maus unterging. Wir finden ebenso das Modell der ersten Dampferkorvette unserer
                              									Marine, eines hölzernen Raddampfers, der Danzig, deren
                              									plumper, übrigens im Auslande ausgeführter Holzbau seltsam absticht von den daneben
                              									stehenden Eisen- und Stahlkolossen, den Panzerschiffen.
                           Die ehemaligen gedeckten Korvetten erhielten in neuerer Zeit die Bezeichnung
                              										„Kreuzerfregatten“. Den Typus dieser Kreuzerfregatten finden wir in dem
                              									Modell des Prinz Adalbert und Stosch veranschaulicht. Die Schiffe sind auf deutschen Werften gänzlich
                              									aus deutschem Material gebaut; sie besitzen ein Deplacement von 3925 bezieh. 2856t und Maschinen von 4800 und 2500 . Die
                              									Besatzung des Prinz Adalbert besteht aus 451, diejenige
                              									des Stosch auf 420 Mann.
                           Im Gegensatze zu den gedeckten Korvetten, welche eine vollständig abgeschlossene
                              									Batterie unter Deck führen, stehen die Glattdeckskorvetten, deren Geschütze auf Deck
                              									angeordnet sind. Der Typus der Glattdeckskorvetten, jetzt „Kreuzerkorvetten“
                              									benannt, wird dargestellt durch die Modelle der Carola
                              									und Marie. Die Schiffe haben je 2169t, besitzen Maschinen von 2100  und führen
                              									eine Besatzung von 268 Mann. Der Habicht, zu dessen
                              									Modell wir jetzt kommen, gehört zur Classe der Kreuzer, von denen unsere Marine
                              									augenblicklich vier aufzuweisen hat. Das nächste Modell stellt den Aviso Zieten dar, welcher ausschlieſslich für Torpedozwecke
                              									erbaut ist. Zur Classe der Avisos gehört auch der Blitz, das erste auf einer deutschen Werft erbaute Stahlschiff;
                              									augenblicklich dient der Aviso als Flottillenschiff der Torpedoflottille. Das letzte
                              									der vom Reichsmarineamte ausgestellten Modelle ist das des Artillerieschulschiffes
                              										Mars. Auf diesem Schiffe, welches mit allen Arten
                              									der in unserer Marine gebräuchlichen Geschütze ausgerüstet ist, erhalten die
                              									Marineofficiere ihre artilleristische Ausbildung. Das Artillerieschulschiff Mars selbst stellt verschiedene Modelle aus, nämlich:
                              									eine 17cm-Halbrahmenlaffete, eine 10,5cm-Mittelpivotlaffete, eine 15cm-Brockwelllaffete, eine 8,7cm-Gelenklaffete, ferner eine 8cm-Landungslaffete und eine 3,7cm-Revolverkanone, wie sie an Bord der
                              									Kriegsschiffe zur Verwendung gelangt.
                           Das Panzerschiff Württemberg, eines der stärksten
                              									Schlachtschiffe unserer Marine, ist 1881 auf der deutschen Werft Vulcan in Stettin erbaut. Das Schiff hat eine
                              									Wasserverdrängung von 7400t, Maschine von 5600
                              									 und 376 Mann Besatzung. In dem Modelle der Panzerdeck-Kreuzerkorvette Prinzeſs Wilhelm sehen wir das neueste Schiff unserer
                              									Marine. Auch dieses Schiff, ein Schwesterschift der längere Zeit von dem Prinzen Heinrich befehligten Korvette Irene, ist in Deutschland, und zwar auf der Germania-Werft zu Kiel erbaut.
                           
                           Eine Eigenthümlichkeit der beiden genannten Schiffe ist das unter der Wasserlinie
                              									befindliche Panzerdeck, welches die Maschinen-, Kessel-, Pulver- und Munitionsräume
                              									schützt, und ferner ein Kofferdamm, in Gestalt eines Korkgürtels, der sich über und
                              									unter der Wasserlinie um das Schiff herumzieht und das Durchschlagen der Geschosse
                              									erschwert. Die 4400t groſse Korvette hat eine
                              									äuſserst starke Maschine von 8000  mit deren Hilfe das Schiff eine
                              									Fahrgeschwindigkeit von über 18 Knoten in der Stunde erreicht.
                           Die Kaiserliche Seewarte in Hamburg stellt eine Anzahl
                              									Schiffsmodelle meist holländischer Abstammung aus dem 16. und 17. Jahrhundert aus,
                              									sowie 12 Schiffsmodelle, welche die Entwickelung des Segelschiffbaues der
                              									Handelsmarine darstellen. Das Studium dieser Modelle ist höchst interessant; alle
                              									möglichen Schiffstypen von dem plumpen holländischen Vollschiffe aus der Mitte des
                              									18. Jahrhunderts bis zum modernen schneidigen Klipper, zum scharfgebauten schlanken
                              									Stahlschiffe der Gegenwart werden uns hier vorgeführt. Auſser den Modellen hat die
                              									Seewarte eine vollständige Instrumenten- und Signalausstattung eines
                              									Kauffahrteischiffes ausgestellt, als Signallaternen, die verschiedenen Kompasse,
                              									Barometer, Thermometer und dergleichen interessante Sachen mehr; des weiteren einen
                              									Schrank mit allen Druckarbeiten der Seewarte, eine sehr interessante physikalische
                              									Karte des indischen Oceans, ferner einen Pendelapparat, mehrere magnetische
                              									Instrumente und schlieſslich eine ganze Reihe von Modellen, welche uns die
                              									Entwickelung und Vervollkommnung nautischer Instrumente veranschaulichen.
                           In naturgetreuen Darstellungen finden sich ferner noch verschiedene Einrichtungen,
                              									welche das Leben auf Kriegsschiffen darstellen. Die Küchen und Badekammern für die
                              									Mannschaften zeigen den möglichsten Grad des Erreichbaren. Ein Lazareth und
                              									Tragbahren erinnern an die ernste Bestimmung unserer Kriegsmarine.
                           Unter den vielfachen weiteren Schaustücken der Ausstellung verdient der Bauer'sche Brandtaucher nähere Beachtung, weil derselbe
                              									das erste in praktischen Gebrauch genommene Unterseeboot ist und deshalb ein
                              									hervorragendes Interesse namentlich angesichts der jüngsten Bestrebungen auf dem
                              									Gebiete der Unterseeboote verdient. Dieser Bauer'sche
                              									Brandtaucher war im J. 1851 gebaut und hatte die Bestimmung, unterhalb der
                              									Wasserfläche an feindliche Fahrzeuge gebracht zu werden, um an diese Torpedos
                              									anzulegen. Das Tauchboot, von welchem vielfache Abbildungen in der Literatur
                              									vorhanden sind, hat eine Länge von 8m und ist
                              									luft- und wasserdicht abschlieſsbar. Im Inneren ist ein Drehrad zur Bethätigung des
                              									Schraubenpropellers angebracht; ferner finden sich Bewegungsvorrichtungen für
                              									wagerechte Schrauben zum Heben und Senken des Bootes, zur Lösung von Ballast,
                              									Wasser- und Luftpumpen u.s.w. Mannlöcher gestatteten, daſs ein Mann unter Wasser aus
                              									dem Fahrzeuge stieg, um die Torpedos anzulegen.
                           
                           Das Tauchboot verunglückte bei Versuchen im Kieler Hafen und wurde erst vor 3 Jahren
                              									bei Baggerarbeiten wieder aufgefunden, gehoben und in das Marinemuseum in Kiel
                              									gebracht.
                           Die privaten Schiffsbauanstalten sind sehr schwach vertreten. Nur eine geringe Anzahl
                              									von Modellen und Halbmodellen gibt Zeugniſs von dem ernsten Streben unserer
                              									Privatindustrie auch auf diesem Gebiete. Auch der Norddeutsche Lloyd, unsere gröſste deutsche Dampfschifffahrtsgesellschaft,
                              									hat keine seiner Bedeutung entsprechende Vertretung gefunden. Nichtsdestoweniger sei
                              									hier auf Grund einer vom Lloyd vertheilten Broschüre,
                              									sowie einer umfangreichen Arbeit von Haack und Busley in der Zeitschrift des
                                 										Vereins deutscher Ingenieure näher über den Lloyd berichtet.
                           Gegründet im J. 1857, begann der Norddeutsche Lloyd
                              									seine Fahrten mit einer kleinen, durch drei Schiffe betriebenen Linie nach England.
                              									Im J. 1858 erfolgte die Eröffnung der New Yorker Linie, und bereits im folgenden
                              									Jahre erhielten die deutschen Schiffe die Beförderung der amerikanischen-englischen
                              									Post; 1863 zeigte der Personenverkehr bereits die Ziffer von 9714 Passagieren, 1866
                              									wurde die wöchentliche Abfertigung eines New Yorker Dampfers erforderlich, im
                              									folgenden Jahre zählte die Flotte acht transatlantische Dampfer und sechs nach
                              									England. Die Zahl der Reisen belief sich auf 47 nach Amerika und 127 nach London und
                              									Hüll; im J. 1868 kam zu den bestehenden Linien die Linie Bremen-Baltimore, 1869 die
                              									Linie Bremen-New Orleans, im Herbst 1870 die Linie Bremen-Westindien, zugleich die
                              									Eröffnung regelmäſsiger Fahrten zwischen Bremen, Rotterdam und Antwerpen. Das Jahr
                              									1871 brachte die Eröffnung einer dritten englischen Linie, im J. 1875 folgte eine
                              									Linie nach Brasilien und dem La Plata, welche im J. 1878 in zwei gesonderte Linien
                              									geschieden wurde, wogegen die westindische Fahrt eingestellt ward. Im J. 1885
                              									endlich übernahm der Norddeutsche Lloyd die
                              									Reichspostlinien nach Ostasien und Australien mit den Zweiglinien im Mittelmeer,
                              									zwischen China und Japan und in der Südsee.
                           Den wesentlichsten Abschnitt in der neueren Geschichte der Schifffahrt bildet das
                              									Jahr 1880, in welchem zuerst der Schnelldampferbetrieb in die transatlantischen
                              									Reisen aufgenommen wurde. Während bis dahin nur Schiffe von einer Schnelligkeit von
                              									höchstens 13 bis 14 Meilen den transatlantischen Verkehr vermittelten und selbst
                              									schon als Triumphe der Maschinentechnik betrachtet wurden, fingen im gedachten Jahre
                              									einige englische Rhedereien an, einzelne Schiffe von gröſserem Tonnengehalte und
                              									bedeutend gröſserer Geschwindigkeit als bisher in Fahrt zu stellen. Während es sich
                              									aber hierbei meistens um vereinzelte Fälle handelte, erkannte die Direktion des Norddeutschen Lloyd, daſs im Schnelldampferbetriebe die
                              									Zukunft der Passagierfahrt und des Postverkehres gelegen sei, daſs der gesammte
                              									Verkehr, wenigstens auf der Hauptlinie, ausschlieſslich Schnelldampfer erfordere,
                              									und zwar Schiffe von
                              									einer Bauart, welche den Passagieren die gröſstmögliche Sicherheit neben der
                              									ausgesuchtesten Eleganz und Bequemlichkeit der Einrichtung bieten könne. Diese
                              									Erwägung führte zum Bau einer ganzen Flotte von Schnelldampfern. Bereits im J. 1882
                              									wurde die Elbe in Fahrt gesetzt, ihr folgten 1883 Werra und Fulda, 1884 Eider und Ems, 1885 Aller, Trave und Saale,
                              									Ende 1887 die Lahn. In der Gröſse von 4600 bis 5200t anwachsend, schwankt die Länge zwischen 420 und
                              									460, die Breite von 45 bis 52 Fuſs. Während die Maschinen der Elbe 5600  zeigen, besitzen diejenigen der Lahn 9000, in der Schnelligkeit steigern sich die
                              									einzelnen Jahrgänge der Schiffe von 16½ englischen Meilen in der Stunde (Dampfer Elbe) bis 19½ Meilen (Lahn).
                           Gleichzeitig wurde der von England überkommene Styl der inneren Einrichtung für die
                              									Salons gänzlich verlassen. Während früher lediglich die Rücksichten der
                              									Raumersparniſs zu Gunsten der Fracht der leitende Grundsatz waren, während ferner
                              									die Salonausstattung sich in den Grenzen der auf das Aeuſserste beschränkten
                              									Nothwendigkeit hielt, d.h. nichts weiter darstellte als öde rechteckige Räume für
                              									das Einnehmen der Mahlzeiten, Räume, in denen auf Ausschmückung so gut wie gar nicht
                              									Bedacht genommen war, wurde dieser Styl seitens des Norddeutschen Lloyd gänzlich verlassen. Von der richtigen Ansicht
                              									geleitet, daſs mit den wachsenden Bedürfnissen der Gegenwart, mit der wieder
                              									erweckten Neigung zu einer Umgebung voll Geschmack, auch den Passagieren ein anderer
                              									Aufenthaltsort auf den Schiffen geboten werden müsse, als bisher, ging man dazu
                              									über, neben einer jede Bequemlichkeit darbietenden Ausstattung der Kabinen,
                              									besonders in den Salons, den Speisesälen, Damenzimmern und Rauchzimmern wahre
                              									Meisterwerke des Kunstgewerbes der Gegenwart zu schaffen und dieselben auſserdem mit
                              									den Werken von Künstlern ersten Ranges in der Malerei und Holzbildnerei zu
                              									schmücken.
                           Gegenwärtig befinden sich im Bau zwei Schnelldampfer von etwa 7000t jeder, deren contractliche Geschwindigkeit sich
                              									auf 20 Seemeilen die Stunde belaufen wird. Die Namen der vom Vulcan in Stettin demnächst zu liefernden Dampfer sind Spree und Havel. In
                              									derselben Weise, wie es der Lloyd sich angelegen sein
                              									lieſs, auf der New Yorker Linie alle anderen Linien zu übertreffen, ging derselbe
                              									auch auf der ostasiatischen Reichslinie vor. Die drei für diese Fahrt neuerbauten
                              									Dampfer Preuſsen, Bayern und Sachsen wurden von vornherein statt mit der contractlichen Geschwindigkeit
                              									von 12 Seemeilen für eine Schnelligkeit von 15 Meilen erbaut, und übertreffen an
                              									Dimension, innerer Ausstattung und aufgewandten Kosten bei Weitem die von der
                              									Reichsregierung gestellten Anforderungen. Auf der australischen Reichslinie
                              									verwandte der Lloyd zuerst ältere Dampfer, überzeugte
                              									sich aber bald, daſs der Wettbewerb mit den englischen und französischen Linien auch
                              									hier gröſsere Anforderungen stellte, als dies im Reichscontract verlangt wurde. Der Lloyd erbaute daher im J. 1888/89 für die australische
                              									Fahrt den bis jetzt gröſsten Schnelldampfer seiner Flotte, den Kaiser Wilhelm II (6400t) von einer Geschwindigkeit von 16 bis 17 Meilen in der Stunde. Der Kaiser Wilhelm II stellt zugleich einen ganz neuen
                              									Typus der für die Tropenschifffahrt bestimmten Schiffe dar. Die Prachtsäle für die
                              									erste und zweite Klasse liegen auf dem Hauptdeck, von zwei bezieh. drei Seiten der
                              									Luft freien Zugang gewährend: Ueber dem Hauptdeck erstreckt sich in einer Länge von
                              									etwa 250 Fuſs für die erste und 100 Fuſs für die zweite Klasse das Promenadendeck,
                              									welches in seinen Deckhäusern die Damen- und Musiksäle, sowie die Rauchzimmer für
                              									beide Klassen enthält, während zu beiden Seiten der eisernen Deckhäuser ein wahrhaft
                              									groſsartiger Raum für die freie Bewegung übrig gelassen ist. Gewonnen ist dieser
                              									Raum zum Theil dadurch, daſs das Promenadendeck nochmals von einem hölzernen Decke
                              									überdacht wird, auf welch letzterem die zwölf eisernen Boote in ihren Anhängebalken
                              									untergebracht sind und über welchen sich die Dampfschlote erheben. Die feste
                              									Bedachung des Promenadendecks ist an Stelle der früheren und sonst überall üblichen
                              									Sonnensegel gewählt worden, um die Tropensonne wirksamer abzuhalten und den
                              									Aufenthalt auf Deck bei jeder Witterung zu ermöglichen, endlich um die Belästigung
                              									der Fahrgäste durch den Rauch gänzlich auszuschlieſsen.
                           Gleichzeitig mit dem Kaiser Wilhelm II wurde die Elbe in die australische Fahrt während der
                              									Hauptreisezeit eingestellt. Das Jahr 1889 brachte jedoch noch eine weitere
                              									Vermehrung der Flotte des Lloyd durch die Einstellung
                              									der Dampfer München, Dresden, Karlsruhe und Stuttgart, welchen im laufenden Jahre vier weitere
                              									Dampfer derselben Klasse folgen werden. Die Schiffe dieser Klasse bilden ebenfalls
                              									einen neuen Typus der Seeschiffe; von ungeheuren Abmessungen und von einer
                              									Geschwindigkeit von 13½ bis 14 Knoten in der Stunde sind dieselben hauptsächlich für
                              									die Zwischendeckfahrt gebaut und im Stande, neben etwa 40 Kajütspassagieren 2000
                              									Zwischendecker und auſserdem etwa 4 bis 5000t
                              									Ladung zu befördern. Die gesammten nach allen Erfahrungen der neuesten Zeit und mit
                              									allen Bequemlichkeiten versehenen Zwischendeckseinrichtungen lassen sich schnell und
                              									leicht entfernen, so daſs dann der gesammte Raum für Ladungszwecke zur Verwendung
                              									kommen kann. Die gesammten Neubauten während der fünf letzten Jahre allein bedeuten
                              									die ungeheuere Vermehrung der Flotte des Lloyd um etwa
                              										82000t, eingerechnet die sechs im Bau
                              									befindlichen Schiffe. Von älteren Dampfern des Lloyd
                              									ist während dieser Zeit nur ein einziger auſser Fahrt gesetzt (verkauft) worden.
                           Hand in Hand mit den Bestrebungen für Schnelligkeit der Beförderung und
                              									Bequemlichkeit gingen diejenigen für die Sicherheit der Passagiere und der
                              									Schiffsmannschaften. Abgesehen davon, daſs in der Wahl des Materials für den Bau die
                              									allergröſste Vorsicht beobachtet wird, daſs jedes zur Verwendung kommende Material vorher
                              									in den Werkstätten des Lloyd in Bremerhaven der
                              									eingehendsten Prüfung auf Festigkeit und Güte unterworfen wird, abgesehen davon,
                              									daſs man allmählich von der Verwendung des Eisens im Schiffsrumpfe zum besten Stahl
                              									übergegangen ist, sind als allgemeine Sicherheitsmaſsregeln vor allen Dingen die
                              									Vermehrung der eisernen Querschotten zu erwähnen, welche den gesammten Schiffsrumpf
                              									in eine Anzahl von einander wasserdicht getrennter Theile scheiden (die Lahn besitzt solcher wasserdichter Abtheilungen
                              									beispielsweise elf). Im Falle einer Collision können daher etwa 9/10 des ganzen
                              									Schiffes vor dem Eindringen des Wassers vollkommen geschützt bleiben. Hand in Hand
                              									mit diesen Sicherheitsmaſsregeln geht die Einführung der doppelten Schiffsböden,
                              									zwischen denen wiederum eine Menge einzelner Abtheilungen durch Querschotten
                              									geschaffen sind, welche, mit Wasserballast gefüllt, bei einer Strandung das
                              									Eindringen des Wassers in den Schiffsraum behindern; endlich gehören als groſse und
                              									allgemeine Sicherheitsmaſsregeln die Pumpenanlagen hierher, welche, mit den riesigen
                              									Maschinen in Verbindung stehend, im Stande sind, in kürzester Frist etwa
                              									eindringende Wassermassen wieder hinaus zu werfen.
                           Während die bisher genannten Sicherheitsmaſsregeln sich gegen die Wassergefahr
                              									wenden, dienen eine Menge anderer dem Schütze vor dem Feuer. Dahin gehören zunächst
                              									die mächtigen Dampffeuerspritzen, welche mit der Maschine in Verbindung stehen,
                              									deren Röhrenleitungen in allen Theilen des Schiffes zum sofortigen Gebrauche zur
                              									Hand sind, und welche natürlich keinerlei Vorheizung bedürfen. Es gehört dahin aber
                              									vor allen Dingen eine Vorrichtung, welche es gestattet, durch einen einzigen
                              									Hebeldruck im Maschinenraume jede einzelne Abtheilung des Schiffes unter Wasserdampf
                              									zu setzen.
                           Ebenso ausgedehnt sind die Sicherheitsmaſsregeln. welche zur Anwendung kommen, wenn
                              									im Falle der höchsten Noth ein Verlassen des Schiffes angezeigt erscheint. Jedes
                              									Schiff ist natürlich zunächst mit einer Anzahl von Rettungsbooten ausgerüstet,
                              									welche im Stande sind, die Mannschaft aufzunehmen. Die Boote sind durchweg aus
                              									Stahlblech gebaut, mit Luftkästen versehen, mit Mast, Segeln, Steuer, Proviant und
                              									Wasser ausgerüstet, so zwar, daſs letzteres ebenso wie der Proviant sofort beim
                              									Antritte der Reise in den Booten untergebracht wird, deren jedes im Stande ist, 60
                              									bis 80 Personen aufzunehmen. Um ferner die Boote schnell und sicher zu Wasser
                              									bringen zu können, ein Manöver, welches oft nur sehr schwierig ausführbar ist,
                              									besitzt die Mehrzahl derselben einen von dem Capitän Bruns des Norddeutschen Lloyd erfundenen
                              									Patent-Fallapparat, durch welchen das Boot mittels eines einzigen Hebelzuges in den
                              									Davits (Aufhängebalken) nach auſsen geschwungen und selbsthätig in etwa 11 Secunden
                              									zu Wasser gelassen wird. Als Neuerung mag bemerkt werden, daſs beispielsweise auf
                              									der Lahn alle 12 Boote auf der Reeling selbst stehen und durch das
                              									bloſse Durchschneiden je einer Leine zu Wasser gebracht werden. Die Bemannung der
                              									numerirten Boote wird sofort beim Aussegeln aus dem Hafen vorgenommen und die Liste
                              									der für jedes Boot bestimmten Mannschaften und die Zahl der aufzunehmenden
                              									Passagiere in allen Räumen des Schiffes aufgehängt.
                           Auſser den stählernen Rettungsbooten besitzt jeder transatlantische Dampfer des Lloyd eine Anzahl sogen. Sheperd'scher Patentflöſse – groſse eiserne und mit Luft gefüllte, an den
                              									Enden kegelförmig zugespitzte Cylinder, welche durch Holzlattenwerk verbunden sind,
                              									während in dem letzteren der Proviant, das Wasser und der Segelapparat geborgen ist.
                              									Dieselben stehen für gewöhnlich frei auf Deck, wo sie als Bänke benutzt werden
                              									können, und brauchen im Falle der Gefahr nur über Bord geworfen zu werden. Zu den
                              									neuesten Anschaffungen des Lloyd gehören dann die
                              									Patent-Segeltuchboote. Dieselben bestehen aus zwei parallel laufenden Stahlrahmen,
                              									von der Form eines Bootquerschnittes; dieselben sind mit getheertem, durchaus
                              									wasserdichtem Segeltuche überzogen und für gewöhnlich zusammengelegt, so daſs sie
                              									einer groſsen Reisetasche nicht unähnlich sehen. Im Falle der Gefahr werden durch
                              									wenige Handgriffe die Rahmen aufgeklappt, stählerne Spanten stellen sich selbsthätig
                              									auf, das Segeltuch wird straff angezogen und ein Rettungsboot für etwa 40 Personen
                              									ist fertig. Die Boote sind durchaus seetüchtig und werden, da sie sehr leicht
                              									unterzubringen sind, stets in einer Anzahl von Exemplaren mitgeführt. Endlich mag
                              									erwähnt werden, daſs bei Antritt der Reise jeder Passagier eine Korkweste erhält,
                              									welche im Stande ist, ihn mit der gröſsten Leichtigkeit über Wasser zu halten.
                           Der Dampfer Amerika erhielt die erste von Krupp in Essen gefertigte Guſsstahlwelle für den
                              									Schraubenpropeller; dieselbe war im J. 1862 in London ausgestellt und legte mit den
                              									Grund zu Krupp's heutiger Gröſse. Heute gibt es nur
                              									wenig Schiffsmaschinen, welche nicht auf Guſsstahlwellen arbeiten. Im J. 1863 war
                              									die Amerika das schnellste deutsche Schiff, da es die
                              									Reise nach Amerika in 10½ Tagen zurücklegte; heute wird die Reise in beinahe der
                              									Hälfte dieser Zeit gemacht.
                           Interessant ist, daſs die Amerika bereits
                              									Oberflächencondensatoren erhielt; letztere wurden dann bald allgemein eingeführt.
                              									Für denselben Dampfer wurde 1871 die erste Compoundmaschine an Stelle der alten
                              									Condensationsmaschine angeschafft. Auch hier waren die günstigen Ergebnisse dieser
                              									Maschinenart die Ursache ihrer aligemeinen Einführung.
                           Bei diesem Umbaue der alten Condensationsmaschine zog der
                                 										Lloyd zum ersten Male die deutsche Industrie mit zur Arbeit heran.
                              									Namentlich die Actiengesellschaft Weser in Bremen,
                              									sowie der Vulcan in Stettin betheiligten sich an der
                              									Neueinrichtung der Maschine.
                           Auch der erste Schnelldampfer Deutschlands war das Verdienst des Lloyd. Die Elbe, von John Elder in Glasgow 1880 gebaut, verkürzte die Entfernung
                              									Southampton-New York auf 8 Tage 10 Stunden, eine Zahl, die jetzt nur durch die
                              									Leistungen der Hamburger Doppelschraubendampfer Augusto,
                                 										Victoria und Columbia übertroffen ist (rund 6
                              									Tage).
                           Mit Dreifach-Expansionsmaschinen wurde zuerst der Schnelldampfer Aller versehen. Der Dampfer Kronprinz Friedrich Wilhelm erhielt sogar eine
                              									Vierfach-Expansionsmaschine, über deren Erfolg aber die Acten noch nicht
                              									abgeschlossen scheinen.
                           Von hohem Interesse ist es, an den zum Lloyd seit seiner
                              									Gründung beschafften Ueberseedampfern die verschiedenartigen Ansprüche zu
                              									beobachten, welche zu verschiedenen Zeiten, je nach ihrer Beschäftigung, an sie
                              									gestellt wurden. Zunächst war es besonders die Beförderung von Auswanderern aller
                              									Klassen nach Amerika, welche möglichst groſse Geschwindigkeit der Schiffe
                              									beanspruchte; daneben wurden so viel Güter mitgenommen, wie es der übrig gebliebene
                              									Raum gestattete. Demnächst wurde der Frachtverkehr besonders auf den Linien nach
                              									Mittel- und Südamerika so bedeutend, und zwar so viel lohnender als der mit
                              									Passagieren, daſs man die Kajüten aus den Schiffen herausnahm und die neuen Schiffe
                              									fast ganz auf das Einnehmen von Ladung einrichtete, ohne die Geschwindigkeit zu
                              									vergröſsern. Mit Einführung der Schnelldampfer änderte sich dies sofort wieder in
                              									das Gegentheil; diese dienen fast nur dem Passagierverkehr, der Post und dem Eilgut;
                              									der gröſste Theil ihrer Tragfähigkeit wird durch die Gewichte von Schiff und
                              									Maschine selbst, sowie von der bedeutenden Menge Kohlen, die mitgenommen werden
                              									müssen, aufgebraucht, und alle Mittel wurden bei ihrem Baue zur Erreichung einer
                              									möglichst hohen Geschwindigkeit aufgewendet. Endlich muſsten nun wieder Dampfer
                              									beschafft werden, welche neben den Schnelldampfern nur der Beförderung von Ladung
                              									dienen, wodurch die Arbeit, welche von den ersten Schiffen allein ausgeführt wurde,
                              									jetzt von zwei ganz verschiedenen Arten Schiffen geleistet wird.
                           Die Werft- und Anlageeinrichtungen des Lloyd, welche in
                              									Bremerhaven liegen, sind sehr groſsartig. Die im J. 1857 angelegte
                              									Reparaturwerkstatt bildete sich mangels ähnlicher Fabriken bald zu einer
                              									Maschinenfabrik aus. Das Docken der Schiffe geschah in England, bis 1862 das von Lange in Bremerhaven gebaute Trockendock fertig
                              									gestellt war; erst von jetzt ab konnten die gröſseren Ausbesserungen auch hier
                              									vollzogen werden. 1872 wurde ein weiteres Trockendock in Bremerhaven fertig, welches
                              									den Lloyd endgültig von England unabhängig machte. Für
                              									die Schnelldampfer, namentlich die groſse Lahn, genügt
                              									aber auch dieses groſse Dock nicht mehr; besonders ist es die Wassertiefe auf der
                              									Sohle der Dockeinfahrt, welche bei dem groſsen Tiefgange gerade dieses Schiffes und
                              									bei ungünstigem Wasserstande in dem Hafenbassin, mit welchem das Dock in Verbindung
                              									steht, das Ein- und Ausdocken verhindert. Zur Abhilfe dieses Uebelstandes ist 1888 ein
                              									groſses Pumpwerk angelegt, mittels dessen der Wasserspiegel im Hafenbassin um etwa
                              										30cm innerhalb einer Stunde erhöht werden
                              									kann. Dann ist die Durchfahrt durch das Dockthor auch für die Lahn möglich.
                           Auch die Wassertiefe auf der Sohle des Einfahrtsbassins genügt jetzt nicht mehr, so
                              									daſs die groſsen Schiffe nicht völlig ausgerüstet den Hafen verlassen müssen, um auf
                              									der Rhede erst ihren Kohlenvorrath einzunehmen. Jetzt schweben Verhandlungen mit dem
                              									Bremer Senat, um diesen Uebelstand dauernd durch Vertiefung der Einfahrt zu
                              									beheben.
                           Die gesammten Dock- und Werftanlagen sind mit elektrischer Beleuchtung versehen, so
                              									daſs die Arbeiten auch Nachts weitergeführt werden können. Die Werkstätten sind
                              									jetzt so eingerichtet, daſs auch alle Neuausrüstungen mit Kesseln und Maschinen hier
                              									bewirkt werden.
                           Groſsartige und kostspielige Einrichtungen muſsten im Interesse der Passagiere, sowie
                              									zum schnellen Laden und Löschen der Schiffe getroffen werden. Eine Eisenbahn führt
                              									die Passagiere unmittelbar vor die Schiffe, wo auch noch ein groſser Wartesaal
                              									u.s.w. vorgesehen ist.
                           Mit der Reparaturwerkstatt ist eine groſse Waschanstalt für die Wäsche der Schiffe
                              									verbunden. Ebenso sind in Bremerhaven die Vorrathshäuser für den Schiffsbedarf
                              									errichtet. Welche riesigen Vorräthe zur Ausrüstung eines Dampfers für eine
                              									Ueberseereise erforderlich sind, zeigt die Bremer Ausstellung, wo ein solcher
                              									einmaliger Reisevorrath seitens der Lloyd-Verwaltung ausgestellt ist. –
                           Die Bremer Ausstellung ist ferner von der Deutschen
                                 										Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger beschickt, welche die auf Schiffen
                              									und an den Küsten zur Rettung vorgeschlagenen Einrichtungen in sehr hübschen
                              									Modellen und Naturausführungen veranschaulicht.
                           Hinzuweisen ist ferner auf die Bedeutung, welche die Elektrotechnik für die Marine
                              									gewonnen hat und welche sich in zahlreichen Ausstellungsgegenständen bemerkbar
                              									macht. Wir finden auſser allgemeinen Beleuchtungseinrichtungen die bekannten
                              									Scheinwerfer für die Kriegsschiffe und auch einen Signalapparat von Kaselowsky, welcher durch farbige Glühlampen wirkt,
                              									welche in beliebiger Reihenfolge von einer Stellscheibe aus bethätigt werden
                              									können.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)