| Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 181 | 
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                        Neuere Verfahren und Apparate für
                           								Zuckerfabriken.
                        Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
                        
                     
                        
                           Ueber neue Süſsstoffe berichtet Dr. Kronberg (Deutsche
                                 										Zuckerindustrie, Bd. 15 Nr. 31. S. 959).
                           Nachdem einmal seit der Einführung des Fahlberg'schen
                              									Saccharins die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt darauf gerichtet ist, daſs die Zuckerarten bei
                              									weitem nicht als die Träger des höchsten Grades von Süſsigkeit anzusehen sind,
                              									werden fort und fort, bald hier, bald da, neue Stoffe von groſser Süſsigkeit
                              									beobachtet, und man könnte bald eine ganze Tabelle von „Saccharinen“ (in
                              									allgemeinerer Bedeutung) zusammenstellen und Versuche wagen, den Zusammenhang
                              									zwischen der Eigenschaft der Süſsigkeit und der chemischen Constitution dieser
                              									interessanten Stoffe zu erforschen. Beispielsweise berichtete Herr Berlinerblau, Professor an der Universität in Bern, in
                              									der Sektion für Chemie bei der Französischen Gesellschaft zur Förderung der
                              										WissenschaftenAssociation française pour l'avancement des
                                       												sciences, fusionnée avec l'association scientifique de France
                                    											(fondée par Le Verrier en 1864); Compte rendu de la 18me Session (1889–90), I, p.
                                    										278. über einen neuen Süſsstoff der aromatischen Reihe von der Formel
                              										C6H4.OC2H5.NH.CO.NH2, welche er durch Einwirkung von Kaliumcyanat auf
                              									die Salze des Amidobenzols (?? soll wohl heiſsen „Amidophenetols“, vgl.
                              									unten) erhalten hat. Die isomere (d.h. hier: sowohl procentual als auch nach
                              									Atomgruppen gleich zusammengesetzte, aber in ihren Atomgruppen anders angeordnete)
                              									Orthoverbindung ist geschmacklos, und der analoge schwefelhaltige Körper C6H4.OC2H5.NH.CS.NH2 bitter. Herr Berlinerblau glaubt, daſs es kein zweites Beispiel für eine so
                              									ausgesprochene Verschiedenheit in den Eigenschaften der Sinneswahrnehmung zwischen
                              									Isomeren oder Homologen gibt. Bei der Discussion über diese höchst eigenthümliche
                              									Thatsache bemerkte Herr Cazeneuve, daſs er einen
                              									Amidocampher von ausgesprochen süſsem Geschmack erhalten habe; Herrn Grimaux war der süſse Geschmack schon vor 15 Jahren an
                              									einem von ihm dargestellten Nitropyruvinureïd ("uréide pyruvique nitrée)
                              									aufgefallen, und Herr Franchimont erinnerte bei dieser
                              									Gelegenheit daran, daſs auch der Dimethylharnstoff ("diméthyl urée") süſs ist.
                           Das Nitropyruvinureïd, welchem die Formel C4H3N3O4 oder \mbox{CO}\left\{ {{\mbox{N }\ \
                                 										:\mbox{C.CH}_2(\mbox{NO}_2)\ \ \ }\atop{\mbox{NH . CO}}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
                                 										\ \ } \right. zukommt (vgl. Beilstein,
                                 										organische Chemie, 2. Aufl. 1886, Bd. I S. 1038, sowie Wurtz, Dictionnaire de chimie pure et appliquée. Band
                              									III, Paris 1878, S. 579, 580: „monouréide pyruvique nitrée“ C4H3(AzO2)Az2O2Oder:\mbox{CH}_2(\mbox{AzO}_2)\left.
                                             														{{\dot{\mbox{C}}=\mbox{Az}}\atop{\dot{\mbox{CO}}.\mbox{AzH}}}
                                             														\right>\mbox{CO}, erhält man aus dem „Pyruvil“ durch Rochen mit 4 bis 5 Th.
                              									gewöhnlicher Salpetersäure, Verdampfen zum Syrup, Erkaltenlassen, Waschen des
                              									Rückstandes mit 2 bis 3 Th. Wasser und Lösen in 25 Th. siedendem Wasser, in Form
                              									hellgelber glänzender Blättchen, welche in kaltem Wasser nur wenig löslich und auch
                              									erst in 25 Th. kochendem Wasser löslich sind. Das Pyruvil für diese Darstellung gewinnt man aus
                              									Harnstoff und Brenztraubensäure, indem man 2 Th. von ersterem und 1 Th. von
                              									letzterer 1 bis 2 Stunden auf 100° erhitzt, dem erhaltenen Gemenge gleichzeitig
                              									gebildetes brenztraubensaures Ammoniak und unveränderten Harnstoff durch kochenden
                              									Alkohol entzieht und den Rückstand aus 10 Th. kochendem Wasser krystallisirt. Der
                              									Harnstoff', ein wesentlicher Bestandtheil des Harns, ist bekanntlich nach der so
                              									berühmt gewordenen Entdeckung Wöhler's auch künstlich
                              									darzustellen, nämlich aus cyansaurem Ammoniak durch Molekularumlagerung, und man
                              									führt diese Darstellungsweise in der Regel so aus, daſs man Kaliumcyanat mit der
                              									äquivalenten Menge Ammoniumsulfat versetzt, das Gemisch, in welchem sich durch
                              									Wechselzersetzung neben Kaliumsulfat Ammoncyanat bildet, im Wasserbade zur Trockne
                              									verdampft und den Rückstand mit Alkohol auszieht, in welchem der Harnstoff in der
                              									Hitze leicht löslich ist, während das Kaliumsulfat zurückbleibt. Die erforderliche
                              									Brenztraubensäure stellt man durch Destilliren von Weinsäure mit saurem
                              									schwefelsaurem Kali und Fractioniren als Flüssigkeit vom spec. Gew. 1,29 dar.
                           Man gelangt also hier von relativ einfachen Rohstoffen: cyansaurem Kali,
                              									schwefelsaurem Ammoniak, Weinsäure und Salpetersäure zu dem Atomcomplex
                              										\mbox{CO}\left\{
                                 										{{\mbox{N  }:\mbox{C.CH}_2(\mbox{NO}_2)}\atop{\mbox{NH}\,.\,\dot{\mbox{C}}}\ \ \
                                 										\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ }, wieder einer jener so eigenthümlichen
                              									complicirten Atomconfigurationen, welche, bis jetzt noch nicht näher erklärbar, die
                              									Eigenschaft bedingen, in den Geschmacksnerven die Empfindung der Süſsigkeit
                              									hervorzurufen.
                           Der Dimethylharnstoff, welchen Franchimont im Auge hat,
                              									ist der von ihm dargestellte unsymmetrische Dimethylharnstoff NH2.CO.N(CH3)2, welchen man aus Kaliumcyanat und
                              									Dimethylaminsulfat in sehr süſsen groſsen Krystallen erhält, nicht der von Wurtz aus Methylcyanat und Methylaminsulfat erhaltene
                              									symmetrische Dimethylharnstoff.
                           Die Angabe des Herrn Berlinerblau bezieht sich
                              									namentlich auf diejenigen Körper, welche er im Journal für
                                 										praktische Chemie, Bd. 30 S. 97 bis 115 (vgl. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Jahrg. 17 [1884] Referate
                              									S. 609 bis 610) als Aethoxyphenylharnstoff und Aethoxyphenylthioharnstoff
                              									erwähnt.
                           Der Para-Aethoxyphenylharnstoff
                           C9H12N2O2 =
                              										C2H5O.C6H4.NH. CONH2
                           (vgl. Beilstein 1888 Bd. 2 S.
                              									466; J. pr. Chem., N. F. Bd. 30 S. 104) wird aus
                              									salzsaurem p-Amidophenetol und Kaliumcyanat in schwer löslichen, sehr süſs
                              									schmeckenden Blättchen erhalten.
                           Der Para-Aethoxyphenylthioharnstoff
                           C9H12N2SO = C2H5O.C6H4.NH.CS.NH2
                           oder Aethyläther des Oxyphenylthioharnstoffes (vgl. J. pr. Chem., Bd. 30 S. 108; Beilstein l. c. S. 466) entsteht aus salzsaurem p-Amidophenetol und Rhodanammonium und
                              									schmeckt nach der Angabe von Berlinerblau (l. c. J. pr. Chem., Bd. 30 S. 108) sehr bitter (nach Beilstein dagegen süſs – jedenfalls zu berichtigen, da
                              									dieser Berlinerblau citirt).
                           Die zugehörige Ortho-Verbindung (vgl. J. pr. Chem., Bd.
                              									30 S. 106, Beilstein S. 460: Aethyläther des
                              									o-Oxyphenylthioharnstoffes) entsteht aus salzsaurem o-Amidophenetol und
                              									Rhodanammonium bei 2- bis 3 maligem Abdampfen und schmeckt nach Berlinerblau ebenfalls sehr bitter.
                           Die Stellungen der Atome zu einander (in den verschiedenen isomeren Verbindungen),
                              									der Ersatz eines einzigen Atoms unter zahlreichen anderen durch ein anderes
                              									ähnliches Atom (Schwefel durch Sauerstoff) u. dgl. Dinge, welche von Haus aus nur
                              									für die abstrakte Theorie überhaupt von Interesse zu sein scheinen, spielen also für
                              									die Eigenschaft der Süſsigkeit, welche zuerst die Aufmerksamkeit des Menschen gerade
                              									auf den Zucker gelenkt hat, eine ganz hervorragende Rolle und fordern zu weiterer
                              									Vertiefung in dies für den organischen Chemiker schon an sich so hochinteressante
                              									Gebiet auf.
                           Lindet empfahl eine Methode zur Darstellung von
                              									Raffinose aus Melasse, insbesondere zur Trennung von Raffinose und Rohrzucker (Comptes rendus, Bd. 110 S. 795), welche sich durch
                              									Schnelligkeit und Sicherheit des Erfolges auszeichnet und auſserdem den Vorzug hat,
                              									sich auch noch auf andere Stoffe als die Raffinose anwenden zu lassen.
                           Bevor man die Raffinose abscheiden und von der Saccharose trennen will, muſs man
                              									(abweichend von allen bisherigen Methoden) die Melassen reinigen und entfärben, um
                              									sie von der Hauptmenge der den Zucker verunreinigenden und am Krystallisiren
                              									hindernden Stoffe zu befreien. Dies bewirkt der Verfasser nicht durch Bleiessig,
                              									sondern durch schwefelsaures Quecksilberoxyd. Wenn man eine Lösung von Melasse im 5-
                              									oder 6fachen Gewichte Wasser in der Kälte mit schwefelsaurem Quecksilber schüttelt,
                              									so sieht man neben der Bildung eines Niederschlages von basisch schwefelsaurem Salz
                              									eine solche einer flockigen, braunen Verbindung, deren Zusammensetzung verwickelt
                              									ist, die aber Ulminstoffe, Stickstoffverbindungen und Quecksilber enthält. Die
                              									Flüssigkeit klärt und entfärbt sich manchmal vollständig, manchmal theilweise. Man
                              									filtrirt, sättigt die aus der Zersetzung des schwefelsauren Quecksilbers herrührende
                              									Schwefelsäure und läſst kochen unter Beibehaltung einer geringen Alkalität. Die
                              									entfärbte Lösung wird dann in Luftleere zu einem dicken Syrup eingedampft und dieser
                              									mit starkem Methylalkohol vermischt, wodurch abermals Unreinigkeiten abgeschieden
                              									werden.
                           Die Behandlung mit dem Quecksilbersalz, dem Baryt und dem Methylalkohol hat die
                              									Melasse so gereinigt, daſs nur noch die Raffinose von der Saccharose getrennt zu
                              									werden braucht. Dies kann entweder durch nachstehend beschriebene Behandlung der
                              									methylalkoholischen Lösung oder auch so geschehen, daſs man den Alkohol verjagt, die nunmehr leicht
                              									sich abscheidende Saccharose krystallisiren läſst und den Ablaufsyrup im
                              									Methylalkohol löst und weiter behandelt.
                           Zur Trennung der Saccharose und Raffinose wird dann die verschiedene Löslichkeit
                              									dieser Zucker einerseits im Methylalkohol, andererseits im Aethylalkohol
                              									benutzt.
                           Scheibler hat gezeigt, daſs die Raffinose viel löslicher
                              									in absolutem Methylalkohol ist, als die Saccharose (100 Th. Methylalkohol lösen 9,5
                              									Raffinose und 0,4 Saccharose), allein die Löslichkeit der Saccharose nimmt sehr
                              									rasch mit dem Wassergehalte des Alkohols zu, so daſs die Trennung der beiden Zucker
                              									durch unmittelbare Behandlung des beide enthaltenden Syrups durch starken
                              									Methylalkohol sehr schwierig ist. Der Löslichkeitsunterschied wird so benutzt, daſs
                              									nicht der Syrup vor dem Vermischen mit wasserfreiem Methylalkohol, sondern die
                              									methylalkoholische Lösung selbst entwässert wird. Man sieht dann, in dem Maſse wie
                              									sie ihr Wasser verliert, die Saccharose ihre normale Löslichkeit in concentrirtem
                              									Alkohol wieder gewinnen und sich krystallinisch abscheiden.
                           Man bringt die methylalkoholische Zuckerlösung in einen Kolben und erhitzt diesen im
                              									Wasserbade. Die Alkoholdämpfe mit Wasserdampf gehen in einen ersten Kühler, unter
                              									welchem ein zweiter mit Kalk gefüllter und ebenfalls im Wasserbade erhitzter Kolben
                              									sich befindet. Die condensirte Flüssigkeit wird durch den Kalk entwässert und
                              									entweicht in Gestalt alkoholreicher Dämpfe, die sich in einer zweiten Kühlschlange
                              									condensiren, woraus diese Flüssigkeit in den ersten Kolben zurückgeht. Beim Abkühlen
                              									krystallisirt die Saccharose gröſstentheils aus.
                           Auf diese Arbeit, welche die Flüssigkeit an Raffinose anreichert, folgt eine zweite,
                              									welche im Zusatze von Aethylalkohol besteht.
                           Die Raffinose ist im Methylalkohol von 95° G. L. zu 11,4 Proc. löslich, in
                              									Aethylalkohol derselben Dichte aber nur zu 0,06 Proc. Wenn man also zu einer
                              									methylalkoholischen Lösung gewöhnlichen Alkohol hinzufügt, so fällt ein
                              									syrupähnliches Product nieder, welches so viel Raffinose enthält, daſs man diese
                              									leicht entweder durch Krystallisation aus Wasser oder aus gewöhnlichem Alkohol
                              									gewinnen kann.
                           Letzteres ist vorzuziehen, nur muſs man dazu nicht starken Alkohol, sondern solchen
                              									von höchstens 80 bis 85° anwenden. Es nimmt nämlich die Löslichkeit der Saccharose
                              									im Alkohol rasch mit dessen Wassergehalt zu, während diejenige der Raffinose unter
                              									diesen Verhältnissen sich kaum verändert.
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Saccharose
                                 Raffinose
                                 
                              
                                 Alkohol
                                 von
                                 95°
                                 löst
                                 Proc.
                                 0,30
                                 0,06
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 90°
                                 „
                                 „
                                 1,00
                                 0,08
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 85°
                                 „
                                 „
                                 2,23
                                 0,10
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 80°
                                 „
                                 „
                                 6,20
                                 0,21
                                 
                              
                           Man kann also, ohne groſsen Raffinoseverlust befürchten zu müssen, derart verdünnten Alkohol
                              									anwenden, daſs die Saccharose in die Mutterlauge der Krystallisation übergeht.
                           Es sind hiernach folgende vier Arbeiten nach einander auszuführen, um Raffinose aus
                              									Melasse abzuscheiden:
                           1) Reinigung und Entfärbung der Melassen durch schwefelsaures Quecksilber, Baryt und
                              									Methylalkohol.
                           2) Entwässerung der methylalkoholischen Lösung mittels Kalk beim Siedepunkt dieses
                              									Alkohols.
                           3) Fällung der methylalkoholischen Lösung durch gewöhnlichen Alkohol.
                           4) Krystallisation des Niederschlages in Aethylalkohol von 80 bis 85°. Das
                              									Direktorium des Vereins für die Rübenzucker-Industrie des Deutschen Reiches erlieſs
                              									ein Rundschreiben an die Handelschemiker (Zeitschrift
                              									des Vereins 1890 Bd. 40 S. 439 ff.), aus welchem wir den von einer
                              									Sachverständigen-Commission vereinbarten Entwurf für eine Anleitung zur Bestimmung
                              									des Gehaltes an Raffinose und Invertzucker in den Producten der deutschen
                              									Rübenzuckerfabrikation entnehmen. Zweck derselben soll sein, den Herren
                              									Handelschemikern bei ihren Untersuchungen als Norm zu dienen, da die Nothwendigkeit
                              									eines übereinstimmenden Verfahrens nicht wohl bestritten werden kann und im
                              									Interesse der Zuckerfabrikanten sowohl wie der Herren Handelschemiker selbst
                              									liegt.
                           
                        
                           1) Polarisation.
                           a) Erwärmung der Proben. Gegen das Erwärmen der Proben sind wissenschaftliche
                              									Bedenken nicht zu erheben, es ist bei Einzeluntersuchungen vielmehr vorzuziehen. Bei
                              									gleichzeitiger Inangriffnahme einer gröſseren Zahl von Analysen wird die Rücksicht
                              									auf Zeitersparniſs über die Wahl zwischen der Arbeit mit kalten bezieh. mit
                              									erwärmten Proben entscheiden.
                           b) Anwendung von Bleiessig bei Erstproducten ist, besonders bei Benutzung der Ventzke-Soleil-Scheibler'schen Apparate, nicht wohl zu
                              									entbehren. Der Bleiessig ist aber nach der Vorschrift der deutschen Pharmacopoe II.
                              									Ausgabe S. 170 zu bereiten: Spec. Gew. 1,235 bis 1,240; auſser Bleiessig soll
                              									überdies in allen Fällen zur Klärung noch colloidale Thonerde, nach Scheibler's Vorschrift bereitet, zugesetzt werden.
                           c) Klärung dunkler Nachproducte. Die Anwendung anderer Klärmittel als Bleiessig und
                              									colloidaler Thonerde ist möglichst zu vermeiden. Von Kohlensorten darf nur
                              									extrahirte Kohle angewendet werden, welche nach Vivien's Vorschrift aus guter Knochenkohle durch Auswaschen mit Salzsäure und
                              									Wasser mit nachfolgendem Glühen bereitet ist.
                           d) Polarisation der Melasse. Das halbe Normalgewicht Melasse gelöst, wird mit
                              									thunlichst viel Bleiessig geklärt und zu 100 aufgefüllt; das Ergebniſs der Analyse
                              									wird, ohne Correctur für das Volumen des Niederschlages, berechnet durch
                              									Multiplication der im 200mm-Rohre beobachteten Ablenkung mit 2 bezieh.
                              									der im 100mm-Rohre beobachteten Ablenkung mit
                              									4.
                           
                        
                           2) Bestimmung des
                                 									Invertzuckers.
                           
                              a) Qualitativ.
                              Behufs Ausführung der qualitativen Invertzuckerbestimmung wird bezüglich der
                                 										Menge der Substanz und der Fehling'schen Lösung,
                                 										sowie der Dauer des Kochens genau so verfahren, wie bei quantitativen
                                 										Bestimmungen. Ergibt sich dabei keine oder eine nicht wägbare Ausscheidung von
                                 										Kupferoxydul, so ist die Untersuchung nicht weiter zu verfolgen; anderenfalls
                                 										wird sie quantitativ zu Ende geführt.
                              
                           
                              b) Quantitativ.
                              Wird für Rohzucker oder Melasse die Bestimmung der reducirenden Substanz
                                 										gefordert, so kann, falls die Beschaffenheit des Musters dazu nöthigt, dieselbe
                                 										in einer vorher mit Bleiessig geklärten Lösung vorgenommen werden.
                              Die Bestimmung soll auch ferner erfolgen nach dem Verfahren, welches die im J.
                                 										1885 eingesetzte Invertzucker-Commission angenommen hat und welches in der
                                 										Vereins-Zeitschrift Jahrg. 1886 S. 6 und 7 veröffentlicht ist. Bei Anwendung
                                 										dieses Verfahrens ist jedoch ganz besondere Aufmerksamkeit auf die Reinheit der
                                 										zur Herstellung der Fehling'schen Lösung benutzten
                                 										Reagentien zu richten. Gute Fehling'sche Lösung
                                 										soll gegen chemisch reinen Zucker bei Innehalten der Arbeitsvorschrift ein
                                 										Oxydationsvermögen von mindestens 16 und höchstens 22mg Kupfer zeigen. Die Verwendung der Soldaini'schen Lösung ist für Handelsanalysen zu
                                 										vermeiden.
                              Wird bei der quantitativen Analyse weniger als 50mg Kupfer gewogen, so gilt Invertzucker als „quantitativ nicht
                                    											bestimmbar“.
                              Melasse mit nicht mehr als 1 Proc. Invertzucker ist wie fester Zucker zu
                                 										untersuchen und das Ergebniſs nach der Herzfeld'schen Tabelle zu berechnen.
                              Melasse mit mehr als 1 Proc. Invertzucker wird zwar in gleicher Weise untersucht,
                                 										jedoch unter Anwendung von weniger Substanz von der zur Analyse genommenen
                                 										Melasse entsprechend dem steigenden Gehalte an Invertzucker, nach der in den
                                 										Ausführungsvorschriften zum Zuckersteuergesetze Anlage B unter I gegebenen
                                 										Anleitung. Bei Berechnung des Ergebnisses sind die Tabellen von Meissl bezieh. von Hiller zu benutzen: siehe den Herzfeld'schen Bericht in der Vereins-Zeitschrift 1890 Märzheft S. 191,
                                 										bezieh. die als Anhang hier beigefügte Arbeitsvorschrift.
                              
                           
                        
                           3) Zuckerbestimmung in der Melasse
                                 										nach Clerget.
                           Eine Klärung durch Bleiessig findet nicht statt. Das halbe Normalgewicht an Melasse
                              									wird direkt im 100cc-Kolben nach der Vorschrift
                              										in Anlage B der
                              									Ausführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetze (vgl. die als Anhang beigefügte
                              									Arbeitsvorschrift) invertirt; nach Auffüllen bis zur Marke wird, falls nöthig, mit
                              									extrahirter Kohle geklärt.
                           Das Ergebniſs wird nach der Formel \frac{100\,S}{132,66} für 20°
                              									C. Temperatur berechnet; bei abweichender Temperatur erfolgt die Correctur entweder
                              									nach der Tuchschmidt'schen Formel
                              										\frac{100\,S}{132,66-1/2\,t} oder nach der Formel J20 = Jt + 0,0038S(20 – t).
                           
                        
                           4) Bestimmung der
                                 									Raffinose.
                           a) Die Bestimmung der Raffinose erfolgt nur bei Producten der Melasseentzuckerung. Zu
                              									verfahren ist nach der obigen Inversionsvorschrift bezieh. nach Anlage B der
                              									Ausführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetze. Das Ergebniſs ist jedoch nicht nach
                              									der dort angegebenen Formel zu berechnen, sondern nach der Formel:
                              										Z=\frac{0,5124\,P-J}{0,8390} und
                              										R=\frac{P-Z}{1,852}. Vgl. die Tabelle II im Herzfeld'schen Berichte, Vereins-Zeitschrift 1890
                              									Märzheft S. 199.
                           b) Bei Producten mit mehr als 2 Proc. Invertzucker ist von Bestimmung der Raffinose
                              									mittels der Inversionsmethode Abstand zu nehmen.
                           Diesem Entwürfe ist als Anhang nachstehende Arbeitsvorschrift für die Invertzuckerbestimmung beigefügt:
                           Bereitung der Fehling'schen Lösung. a) 34g,639 krystallisirter Kupfervitriol werden mit
                              										500cc Wasser übergössen und gelöst, der
                              									Kupfervitriol darf nicht verwittert sein.
                           b) 173g Seignettesalz werden mit 400cc Wasser übergössen, dann 100cc Natronlauge, welche 500g Natronhydrat im Liter enthält, zugesetzt und
                              									nach dem Lösen filtrirt.
                           Ausführung der Analyse. Zur Invertzuckerbestimmung wird
                              									man im Allgemeinen die mit Bleiessig und Thonerde oder mit letzterer allein geklärte
                              									Flüssigkeit benutzen können, ohne daſs das Blei entfernt zu werden braucht, nur bei
                              									Anwendung eines sehr groſsen Ueberschusses von Blei oder im Falle die Flüssigkeit
                              									viel alkalische Erden enthält, ist es nothwendig, dieselbe noch nachträglich mit
                              									Soda zu behandeln. Im ersteren Falle verwendet man zur Analyse 38cc,4 der Polarisationsflüssigkeit (26g,048 : 100), welche man durch Wasserzusatz auf
                              										50cc bringt, im zweiten z.B. 18g Substanz, welche mit Bleiessig auf 75 aufgefüllt
                              									werden, davon werden 50 mit kohlensaurem Natron zu 60cc verdünnt und hiervon wiederum 50 zur Analyse verwandt. Oder man nimmt
                              										46cc,07 der Polarisationsflüssigkeit, füllt
                              									mit kohlensaurem Natron zu 60cc auf und verwendet
                              										50cc davon zur Analyse.
                           Stets muſs die Zuckerlösung behufs der Invertzuckerbestimmung filtrirt werden. Enthält ein
                              									Zucker keine mit Bleiessig fällbaren Substanzen, so löst man beispielsweise 20g zu 100, filtrirt und verwendet vom Filtrate
                              										50cc. Die Filtration darf nie unterlassen
                              									werden, da Holztheile und andere mechanische Verunreinigungen das Resultat
                              									beeinflussen können. – Es müssen stets 10g
                              									Substanz zu 50cc gelöst zur Analyse verwendet
                              									werden, falls die Herzfeld'sche Tabelle benutzt werden
                              									soll.
                           50cc der wie eben angegeben bereiteten Zuckerlösung
                              									werden mit 50cc
                              									Fehling'scher Lösung (25cc Seignettesalz-Natronlauge und 25cc
                              									Kupferlösung) in eine Erlenmeyer'sche Kochflasche
                              									gebracht, gut umgeschwenkt und möglichst rasch über einem Drahtnetze, welches eine
                              									Asbestpappe mit kreisförmigem Ausschnitte von 6cc,5 im Lichten bedeckt, unter Benutzung eines Dreibrenners zum Sieden
                              									erhitzt. Sobald in 3 bis 4 Minuten der Kochpunkt eingetreten ist, den man von dem
                              									Moment an rechnet, wo Blasen nicht nur aus der Mitte, sondern auch am Rande des
                              									Gefäſses aufsteigen, wird genau 2 Minuten mit der kleineren Flamme eines Einbrenners
                              									im Kochen erhalten. Zur Zeitbestimmung bedient man sich zweckmäſsig, wenn man viele
                              									Bestimmungen ausführen muſs, statt einer gewöhnlichen Secundenuhr einer kleinen
                              									Sanduhr, welche nach 2 Minuten eine Glocke ertönen läſst. Alsdann wird die
                              									Kochflasche sofort von der Flamme entfernt und 100cc kaltes, luftfreies, destillirtes Wasser in dieselbe gebracht, um den
                              									Inhalt rasch abzukühlen und so nachträgliche Abscheidung von Kupferoxydul zu
                              									verhindern, und von einer guten Luftpumpe sofort durch das gewogene Asbestrohr
                              									abfiltrirt. Man befeuchtet den Asbest vorher mit etwas Wasser. Nachdem die
                              									Flüssigkeit abgelaufen ist, bringt man den Niederschlag zweckmäſsig mit kaltem
                              									Wasser unter Zuhilfenahme einer Federfahne auf das Filter, weil bei solcher
                              									Behandlung das lästige Anhaften des Kupferoxyduls an den Gefäſswänden nicht in dem
                              									Maſse eintritt, als bei der Anwendung von heiſsem Wasser, und wäscht erst, nachdem
                              									der Niederschlag vollständig in das Asbeströhrchen gespült worden ist, mit 300 bis
                              										400cc siedend heiſsem Wasser aus. Während des
                              									Abfiltrirens thut man gut, einen kurzhalsigen Trichter lose auf das Asbeströhrchen
                              									zu setzen, den man beim Auswaschen durch einen gröſseren ersetzt, welcher durch
                              									einen dicht schlieſsenden Kautschukstopfen auf dem Rohre befestigt wird. Während des
                              									ganzen Filtrirens hat man Acht, daſs die Flüssigkeit im Asbeströhrchen niemals ganz
                              									abläuft. Ist das Auswaschen vollendet, so deckt man noch mit etwa 20cc absolutem Alkohol, nach Belieben darauf auch
                              									noch mit Aether ab und bringt das Röhrchen in einen auf 130 bis 200° erhitzten
                              									Trockenschrank.
                           Sobald dasselbe genügend getrocknet ist, erhitzt man denjenigen Theil, wo das
                              									abfiltrirte Kupfer über dem Asbest liegt, über einem Brenner bis zum schwachen
                              									Glühen, um die Oxydation des Kupferoxyduls zu Kupferoxyd zu bewirken und dabei
                              									vorhandene organische Substanz zu verbrennen. Diese Procedur darf nicht unterlassen
                              									werden, da bei
                              									Bestimmung geringer Invertzuckermengen im Zucker augenscheinlich stets eine
                              									organische Kupferverbindung neben Kupferoxydul ausfällt, deren Natur noch nicht
                              									bekannt ist.
                           Das auf diese Weise präparirte Rohr wird sodann mittels eines Kautschukstopfens vor
                              									einen Wasserstoffapparat gespannt, welcher möglichst arsenfreies Gas entwickelt.
                              									Zweckmäſsig verlängert man die verengerte Stelle des Rohres durch Ansetzen eines
                              									Kautschukschlauches und Glasröhrchens, um den Luftzutritt zu verhindern, und
                              									reducirt das Kupferoxyd durch langsames Erwärmen im Wasserstoffstrome. Sobald die
                              									Reduction vollendet, was in wenigen Minuten der Fall ist, läſst man im
                              									Wasserstoffstrome erkalten, wobei das gebildete Wasser, welches sich zum Theil im
                              									Halse des Rohres angesetzt hat, völlig verflüchtigt wird, ohne daſs besonderes
                              									Erwärmen der betreffenden Stellen nöthig wäre. Das erkaltete Rohr wird in den
                              									Exsiccator gebracht und nach einer Viertelstunde gewogen. Als Exsiccator benutzt man
                              									ein hohes Standgefäſs, zum Wägen befestigt man das Rohr in einer Drahtschlinge.
                           Statt über Asbestfilter kann man den Niederschlag auch über ein mit Fluſssäure
                              									ausgewaschenes Papierfilter filtriren. Man wäscht denselben zunächst mit kaltem
                              									Wasser, darauf mit 300 bis 400cc heiſsem aus,
                              									verascht im Platintiegel und reducirt das Kupferoxyd in demselben im
                              									Wasserstoffstrome, welchen man in der bekannten Weise in den mit einem
                              									durchlöcherten Thondeckel bedeckten Tiegel leitet.
                           Wenn man in dieser Weise verfährt, wird von dem Papiere nur sehr wenig Kupfer aus der
                              									Lösung zurückgehalten. Um über diesen Punkt Klarheit zu gewinnen, eventuell auch
                              									eine Correctur anzubringen, führt man bei Verwendung neuer Papiersorten jedesmal
                              									zunächst eine blinde Bestimmung aus, wäscht das Filter wie vorgeschrieben aus und
                              									bestimmt die Menge des in der Asche verbleibenden Kupferoxyds. Von den bekannten Schleicher und Schüll'schen aschenfreien Filtern von
                              										9cm Durchmesser wird in der Regel nicht mehr
                              									als 1mg Kupferoxyd zurückgehalten.
                           Beträgt die Menge des reducirten Kupferoxyduls nicht mehr, als 0g,1 Kupferoxyd entspricht, so kann man bei
                              									Handelsanalysen die Reduction zu metallischem Kupfer unterlassen und sich damit
                              									begnügen, das Oxydul durch Glühen behufs Wägung in Oxyd überzuführen. Zur Benutzung
                              									der auf S. 191 stehenden Tabelle muſs die gefundene Menge des letzteren
                              									selbstverständlich zunächst auf Kupfer umgerechnet werden.
                           Die Untersuchung von Melassen wird genau so ausgeführt wie die fester Zucker, d.h. es
                              									werden 10g Substanz zu 50cc gelöst mit 50cc
                              									Fehling'scher Lösung behandelt. Das Entbleien, welches
                              									hier selten wird unterbleiben können, hat mit Rücksicht auf einen Kalkgehalt stets
                              									mit kohlensaurem, nicht mit schwefelsaurem Natron zu erfolgen.
                           Gewisse Melassen geben, auf diese Weise untersucht, Abscheidungen
                           
                           Tabelle zur Berechnung des Procentgehaltes an Invertzucker aus
                              									dem gefundenen Kupfer bei Anwendung von 10g
                              									Substanz zur Analyse.
                           
                              
                                 Cumg
                                 InvertzuckerProc.
                                 Cumg
                                 InvertzuckerProc.
                                 
                              
                                   50
                                 0,05
                                 185
                                 0,76
                                 
                              
                                   55
                                 0,07
                                 190
                                 0,79
                                 
                              
                                   60
                                 0,09
                                 195
                                 0,82
                                 
                              
                                   65
                                 0,11
                                 200
                                 0,85
                                 
                              
                                   70
                                 0,14
                                 205
                                 0,88
                                 
                              
                                   75
                                 0,16
                                 210
                                 0,90
                                 
                              
                                   80
                                 0,19
                                 215
                                 0,93
                                 
                              
                                   85
                                 0,21
                                 220
                                 0,96
                                 
                              
                                   90
                                 0,24
                                 225
                                 0,99
                                 
                              
                                   95
                                 0,27
                                 230
                                 1,02
                                 
                              
                                 100
                                 0,30
                                 235
                                 1,05
                                 
                              
                                 105
                                 0,32
                                 240
                                 1,07
                                 
                              
                                 110
                                 0,35
                                 245
                                 1,10
                                 
                              
                                 115
                                 0,38
                                 250
                                 1,13
                                 
                              
                                 120
                                 0,40
                                 255
                                 1,16
                                 
                              
                                 125
                                 0,43
                                 260
                                 1,19
                                 
                              
                                 130
                                 0,45
                                 265
                                 1,21
                                 
                              
                                 135
                                 0,48
                                 270
                                 1,24
                                 
                              
                                 140
                                 0,51
                                 275
                                 1,27
                                 
                              
                                 145
                                 0,53
                                 280
                                 1,30
                                 
                              
                                 150
                                 0,56
                                 285
                                 1,33
                                 
                              
                                 155
                                 0,59
                                 290
                                 1,36
                                 
                              
                                 160
                                 0,62
                                 295
                                 1,38
                                 
                              
                                 165
                                 0,65
                                 300
                                 1,41
                                 
                              
                                 170
                                 0,68
                                 305
                                 1,44
                                 
                              
                                 175
                                 0,71
                                 310
                                 1,47
                                 
                              
                                 180
                                 0,74
                                 315
                                 1,50
                                 
                              
                           von grünen Kupferverbindungen, wodurch die Bestimmung des
                              									Invertzuckers nach der üblichen Methode darin unmöglich gemacht wird, In der Regel
                              									läſst sich in solchen Producten die Invertzuckerbestimmung ausführen, wenn man
                              									verdünntere Lösungen der Substanz anwendet, also z.B. nur 5g statt 10g
                              									Melasse zu 50cc gelöst mit 50cc
                              									Fehling'scher Lösung behandelt. Man multiplicirt das
                              									erhaltene Kupfer alsdann mit 2 und benutzt erst darauf die Tabelle, um den
                              									Invertzuckergehalt zu berechnen. In Ermangelung eines besseren und genaueren
                              									empfiehlt es sich, dieses Verfahren für die Untersuchung derjenigen Melassen, welche
                              									bei der Untersuchung von 10g zu 50cc den erwähnten Uebelstand zeigen, allgemein
                              									anzuwenden.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)