| Titel: | Zerstörung einer Schiffsmaschine. | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 213 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zerstörung einer Schiffsmaschine.
                        Mit Abbildung.
                        Zerstörung einer Schiffsmaschine.
                        
                     
                        
                           Ein beispielloser Unfall hat die Maschine eines der gröſsten Schnelldampfer
                              									betroffen, welche den Ocean durchkreuzen. Das stattliche Schiff' der Inman-Line, die City of
                                 										Paris, deren Maschinen 20000  leisteten, hat während ruhiger Fahrt
                              									einen vollständigen Zusammenbruch der einen und zwar der Steuerbord-Maschine
                              									erfahren, ein Unfall, der in unserer Technik völlig ohne Vorgang dasteht. Das
                              									Fahrzeug galt für einen der stolzesten Vertreter der englischen Schiffsbaukunst und
                              									wurde gerade bezüglich seiner gewaltigen Dampfmaschinen seiner Zeit besonders
                              									gerühmt.
                           Bevor wir auf den Unfall eingehen, sei das Schiff, welches ein Schwesterschiff der
                              										City of New York ist, in seinen Abmessungen kurz
                              									beschrieben.
                           Die City of Paris ist ein völlig neues Schiff, welches
                              									seine glänzend verlaufene Probefahrt erst am 27. Juli 1888 vollzogen hatte. Das
                              									Schiff ist 565 Fuſs lang, 64 Fuſs breit und 62 Fuſs hoch. Das Fassungsvermögen
                              									beziffert sich auf 13500t. Für 1000 Fahrgäste ist
                              									Unterkunft vorgesehen. Erbauer des Schiffes wie auch der Maschinen sind J. und G. Thomson in Glasgow, denen besonders tüchtige
                              									Erfahrungen im Schiffs- wie auch Schiffsmaschinenbau zur Seite stehen.
                           Die City of Paris ist mit Doppelschraubenpropellern
                              									versehen, deren jede durch eine besondere Dreifach-Expansionsmaschine von 10000
                              									 betrieben wird. Die drei Dampfcylinder jeder Maschine haben bei 5 Fuſs Hub
                              									die Durchmesser von 45, 74 und 113 Zoll. Der Dampfdruck beträgt 150 Pfund (etwa
                              										11at), die Schraubenwellen erhalten 85
                              									Umdrehungen in der Minute. Zur Oberflächen Condensation dienen wagerecht angeordnete
                              									Cylinder.
                           
                           Die Cylinder jeder Maschine haben folgende Anordnung. Die drei Cylinder sind mit A, B und C bezeichnet. Der
                              									Hochdruckcylinder A besitzt im Kolben den
                              									Mitteldruckcylinder 2 und den Niederdruckcylinder 4. Die Lager dieser Ventile sind mit dem Buchstaben F bezeichnet. Jeder Cylinder wird von zwei Λ-Rahmen
                              									getragen, deren jeder aus einem Stück Guſsstahl von 6t Gewicht (!) besteht. Die Cylinder sind unter einander, wie auch die
                              									beiderseits der Kiellinie angeordneten beiden Dampfmaschinen mit einander durch
                              									kräftige Streben verbunden. Die Maschinen hatten eine Höhe von 45 Fuſs.
                           Textabbildung Bd. 278, S. 214 Am 25. April 1890 lief die City of Paris etwa
                              									216 Seemeilen von der irländischen Küste bei voller Geschwindigkeit und schönstem
                              									Wetter ruhige Fahrt. In jedem Maschinenraum befanden sich 3 Mann.
                           Plötzlich zertrümmerte kurz nach 5 Uhr Nachmittags unter ungeheurem Getöse an der
                              									Steuerbordmaschine der Niederdruckcylinder von 113 Zoll = 2870mm Durchmesser. Ebenso zeigten sich die mächtigen
                              									Λ-Ständer sowie der Condensator völlig zerstört. Die umherfliegenden mächtigen
                              									Bruchstücke hatten die wasserdichten Schottwände und die Bordwände durchschlagen und
                              									die Seeventile zerstört, so daſs sofort Wasser in riesiger Menge in beide
                              									Maschinenräume drang und das Schiff anfüllte zum Entsetzen der Fahrgäste, für deren
                              									Rettung sofort Alles in Bereitschaft gesetzt wurde. Da die Dampfpumpen sämmtlich
                              									unter Wasser standen, muſste das Schiff 40 Stunden lang mit den Handpumpen flott
                              									gehalten werden, bis ein anderer Dampfer zu Hilfe kam und das seiner Maschinenkraft
                              									beraubte Schiff, welches trotz gesetzter Segel trieb, nach Queenstown schleppte.
                              									Hier wurden die Löcher in den Bordwänden durch Taucher geschlossen und das Schiff
                              									bis auf seinen normalen Tiefgang von 26 Fuſs ausgepumpt. Die Backbordmaschine erwies
                              									sich als so weit unbeschädigt, daſs die City of Paris
                              									mit Hilfe derselben nunmehr nach Liverpool dampfen konnte.
                           Ein Fahrgast auf der City of Paris schildert im Engineering den Unfall mit folgenden Worten:
                           
                              „Das erste Geräusch war, wie wenn ein Excentrikreifen oder ein anderer kleiner
                                 										Maschinentheil gebrochen wäre; das nächste klang, wie wenn der Cylinderdeckel
                                 										herausflog; und dann folgten ununterbrochen Krach auf Krach, untermischt mit dem
                                 										schleifenden und polternden Getöse, welches den Zusammenbruch einer Maschine
                                 										charakteristisch macht . . .
                              
                           
                              „Später erfuhr ich, daſs die Steuerbord-Maschinenkammer überschwemmt war, daſs der
                                 										Niederdruckcylinder bei seinem Zusammenbruche den Condenser zertrümmert hatte,
                                 										daſs das Injectordruckrohr mit dem Kingston-Ventil
                                 										und den Bordwechseln zerstört war, daſs die unmittelbar unter dem
                                 										zusammengebrochenen Cylinder gelegene Dampfpumpmaschine ebenfalls beschädigt,
                                 										und daſs die, die beiden Maschinenräume trennende Längsschottwand von den
                                 										umherfliegenden Stücken durchschlagen worden war.
                              
                           
                              „Es scheint, daſs unmittelbar vor dem Cylinderbruche – 7 oder höchstens 10
                                 										Secunden zuvor – der Kolben des Niederdruckcylinders eine Anzahl von Hüben mit
                                 										einer fürchterlichen Geschwindigkeit gemacht hat, und wenn, wie vermuthet wird,
                                 										die Pleuelstange sich vom Kurbelzapfen getrennt hatte, so muſste die erstere wie
                                 										ein Dreschflegel nach links und rechts wirken. Die beiden Λ-Ständer unter dem
                                 										Cylinder wogen jeder 14t – sie sind
                                 										verschwunden. Der Kolben wog 10t, die
                                 										Kolbenstange 3t, der Kreuzkopf 2t, die Pleuelstange 7t, die Kurbelachse 14t und der Cylinder 45t.
                              
                           
                              „Im Augenblicke des Bruches befanden sich 7 Maschinenwärter und Heizer in der
                                 										Maschinenkammer. Einer befand sich auf der obersten Plattform über den
                                 										Cylindern, zwei standen an der Umsteuerung auf der mittleren Plattform, und die
                                 										übrigen waren zerstreut in dem 45 Fuſs langen und etwa 30 Fuſs breiten
                                 										Maschinenraume. Mannlöcher mit Plattenverschluſs führen zu den
                                 										Wasserballastzellen; die Entfernung vom Fuſsboden des Maschinenraumes bis zum
                                 										Boden dieser Zellen beträgt 4 Fuſs 6 Zoll, die Stärke der Fuſsbodenplatten ⅜
                                 										Zoll, jene der Schiffsplatten 1⅛ Zoll.
                              
                           
                              „Die Steuerbordmaschine blieb nach dem Bruche von selber stehen, – der Dampf wurde
                                 										erst später abgeschlossen. Der nebenseitige Maschinenraum E (der unversehrt gebliebenen Maschine) füllte sich
                                 										binnen 5 bis 7 Minuten mit Wasser. Die gröſste Gefahr lag in der mittels
                                 										blecherner Streben mit den Kesseln verbundenen Querschottwand, welche sich um 4
                                 										Zoll federte und um 2 Zoll verschoben war. Drei von den Kesseln wurden
                                 										ausgeblasen in der Hoffnung, daſs sie als Schwimmzellen gegen die Ueberfluthung
                                 										wirken würden. 2800t Wasser, die sich später
                                 										auf 3000t vergröſserten, befanden sich in den
                                 										Abtheilungen hinter den Maschinen.“
                              
                           Ueber die Ursachen des beispiellosen Unfalls wird schwerlich eine sichere Angabe
                              									gezeitigt werden. Die wunderbarer Weise geretteten Maschinisten haben bei ihrer
                              									wiederholten Vernehmung behauptet, daſs bis zum Augenblick der Zerstörung die
                              									Maschine gut und ohne auffällige Nebenumstände gelaufen sei, daſs die Zerstörung
                              									also völlig plötzlich erfolgt ist.
                           Im Allgemeinen neigt man sich der Ansicht zu, daſs ein somit als zweifellos
                              									anzunehmender plötzlicher Bruch dem beim Aufbau der Maschine ausschlieſslich
                              									verwendeten Stahl zuzuschreiben ist. Stahl ist nun einmal kein Stoff, der auf die
                              									Dauer einer so ungeheuren Beanspruchung gewachsen ist, wie sie der Betrieb einer so
                              									gewaltigen Schiffsmaschine mit sich bringt. Weiches zähes Eisen ist jedenfalls besser in der
                              									Lage, die Millionen starker, unelastischer Stöſse aufzunehmen, als der spröde Stahl,
                              									der hier bei den Maschinen der City of Paris für alle
                              									beweglichen Maschinentheile, ferner aber auch für die Dampfkolben und die
                              									Lagerschrauben Verwendung gefunden hat. Man berechne nur die wahrhaft riesige
                              									Beanspruchung der Schraubenbolzen an den Pleuelstangenköpfen bei der
                              									Kolbengeschwindigkeit von beinahe 4m, dem
                              									Kolbendruck von 95t beim Aufgange und von 130t beim Niedergange des Kolbens!
                           Ueber den Befund des Maschinenraumes, als das Schiff im Liverpooler Dock etwa 14 Tage
                              									nach erfolgtem Unfälle eingebettet war, gibt Engineering, 1890 Nr. 1268, einen längeren Bericht, aus welchem wir
                              									folgende Mittheilungen hier wiedergeben wollen, um über den Vorgang der Zerstörung
                              									einige Aufklärung zu erzielen.
                           Man fand nach der Entleerung des Schiffes vom Wasser, daſs die Schraubenwelle der
                              									Steuerbordmaschine nicht richtig liege. Um nun die Ursache der Unordnung zu
                              									erkennen, muſste die zur Umhüllung der Schrauben welle von der hinteren Schiffs wand
                              									bis zur Schraube sich erstreckende Stahlblechhülse abgestreift werden. Als dies kaum
                              									geschehen war, rutschte die Schraube sammt ihrer Welle in Folge der geneigten
                              									Bettung des Schiffes im Dock nach hinten heraus. Es ergab sich, daſs die über 20
                              									Zoll starke Schraubenwelle hart hinter der Kuppelung, welche ihren äuſseren Theil
                              									mit der im Schiffe liegenden Welle verbindet, abgebrochen war. Das hintere Lager der
                              									Schraube hat 6 Fuſs lange Lagerbacken und wiegt 26t. Während die mit der Schiffswand verbundenen Arme des Lagers unversehrt
                              									waren, erwies sich in der oberen 3,5 Zoll dicken Lagerbacke die nur 1 Zoll starke
                              									mit Pockholzausfütterung versehene Büchse, welche zerbrochen im Schiffsraume lag,
                              									stellenweise völlig durchgerieben. Auch die Welle selbst war stark abgerieben.
                              									Dieselbe muſs sich, wie die stark unrund ausgeriebene untere Lagerbacke nachweist,
                              									fast 8 Zoll unterhalb ihrer normalen Achse befunden haben. Aus diesem Befunde kann
                              									geschlossen werden, daſs die Futterhülse längst zerbrochen war und dadurch der
                              									starke Verschleiſs der Welle stattfinden konnte.
                           Als nun der oben bemerkte Bruch der Welle an der Kuppelung erfolgte, muſste die
                              									Maschine nothgedrungen durchgehen, weil – wie jetzt durch verschiedene Zuschriften
                              									nachgewiesen ist – kein Regulator zur Verhinderung des Durchgehens an der Maschine
                              									angebracht war.
                           Im Tunnel der Steuerbordschraubenwelle liegen ferner vier Lager, deren Deckel sich
                              									sämmtlich zerbrochen vorfanden, während sich jedoch die Lagerstellen der Welle
                              									unversehrt erwiesen. Die den Schraubenwellentunnel nach vorn begrenzende Blechwand,
                              									sowie auch die Wandschotte zwischen Tunnel und Maschinenraum waren über der Welle
                              									eingerissen und nach oben gedrückt, so daſs aus diesem Befunde mit Sicherheit auf ein gewaltsames
                              									Aufwärtsdrücken der Schraubenwelle geschlossen werden muſs. Innerhalb des
                              									Maschinenraumes sind die Lager völlig zerstört.
                           Der Maschinenraum selbst gewährt folgendes furchtbare Bild der Verwüstung:
                           Auf der Kurbelwelle lag der Niederdruckcylinder in zwei Hälften zersprungen. Die
                              									beiden Theile enthielten die zerrissenen kupfernen Dampfzulaſsrohre von dem
                              									Mitteldruckcylinder. Die Kolbenstange war völlig verbogen und enthielt nur noch
                              									einen kleinen Theil des Dampfkolbens. Vom Mitteldruckcylinder war einer der groſsen
                              									Verbindungsflanschen zum Niederdruckcylinder weggebrochen. Die Kurbel des
                              									Niederdruckcylinders stand auf dem oberen Todtpunkte; sie war noch mit der
                              									abgebrochenen und stark verbogenen Pleuelstange verbunden.
                           Die Deckel der Kurbelwellenlager waren sämmtlich zerbrochen. Am hinteren Lager war
                              									die eine Lagerdeckelschraube von 5,5 Zoll, also 140mm (!) Dicke glatt abgebrochen. Ebenso waren die Λ-Ständer von etwa 1¾
                              									Zoll Fleischdicke glatt abgebrochen. Dabei wird verschiedentlich betont, daſs
                              									sämmtliche Bruchstellen völlig gesundes Aussehen zeigen und auf bestes Material
                              									schlieſsen lassen.
                           Der Niederdruckcylinder ist an seinem schwächsten Punkte, nämlich zwischen den
                              									Steuerungsgehäusen parallel zur Achse geborsten. Der Deckel ist mehrfach zerschlagen
                              									vorgefunden. Der Kolben selbst ist von der Nabe abgerissen und in zwei Theile
                              									zerbrochen. –
                           Die Ursache der Zerstörung findet der Berichterstatter des Engineering in dem Durchgehen der Maschine, veranlaſst durch den Bruch der
                              									Welle. Er bemerkt hierzu aber sehr richtig, daſs eine weitere Veranlassung
                              									vorgelegen haben müsse, welche den Einfluſs des Durchgehens der Maschine
                              									beschleunigt und erheblich verstärkt haben müsse. Er sagt, daſs unter gewöhnlichen
                              									Umständen ein Durchgehen der Maschine immer noch zeitig genug bemerkt und durch
                              									Abstellung des Dampfzulasses rechtzeitig behoben werden kann, wenn nicht eine andere
                              									Ursache auf Beschleunigung des Durchgehens hinarbeite.
                           Als solche Ursache bezeichnet der Berichterstatter die übergroſse Kompression des
                              									Dampfes, welche an dieser Maschine eingetreten sei. Er sagt, daſs die besonders
                              									angeordnete und betriebene Maschine für die Umlaufspumpe ihren gewöhnlichen Gang
                              									nach dem Durchgehen der Schraubenmaschine beibehalten habe, so daſs der benutzte
                              									Dampf nicht hinreichend habe condensiren können, daſs ferner in Folge der
                              									übermäſsigen Geschwindigkeit der Schraubenmaschine die Ableitungsrohre nicht
                              									genügend Dampf haben fortschaffen können, so daſs sich hieraus ein übermäſsiger
                              									Gegendruck im Cylinder habe entwickeln müssen. Aus diesem Umstande ergibt sich eine
                              									hohe Anfangs- und Endspannung des Kampfes, welche die Sicherheitsventile am Cylinder
                              									nicht auszugleichen fähig waren, so daſs ein Sprung des Cylinderdeckels die Folge
                              									war.
                           
                           Dieser Auffassung des Berichterstatters vom Engineering
                              									tritt O. H. Müller in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure entgegen, indem er gerade zu
                              									den gegentheiligen Schluſsfolgerungen kommt.
                           In Folge des riesig groſsen schädlichen Raumes bei Kolbensteuerungen schnellgehender
                              									Maschinen (er betrug beim Niederdruckcylinder des Meteor von J. und G. Thomson schon bei zwei
                              									Steuerungskolben 8 Proc., muſs also bei vier Steuerungskolben, wie bei der City of Paris, mindestens 10 Proc. betragen) läſst
                              									sich die Compression bei Vollgang und gewöhnlicher Coulissensteuerung, wie bei der
                              										City of Paris, nicht über das Dreifache des
                              									Anfangsvolums bringen (Meteor 2,5), und wegen der
                              									geringen Anfangsspannung, 0,2 bis 0at,25 abs.,
                              									erreicht die Endspannung der Compression beim Niederdruckcylinder durchschnittlich
                              									nicht über 0at,7 (Mittel von 35 untersuchten
                              									Dreifach-Expansionsschiffsmaschinen), während die Anfangsspannung des
                              									Admissionsdampfes bei natürlichem Zuge der Kessel 1,1 bis 1,65, bei künstlichem Zuge
                              									(geschlossenen Heizräumen) 2 bis 2at,5 (Meteor 2,5) beträgt. Da die City of Paris sich im letzteren Falle befindet – wenigstens früheren
                              									Berichten des Engineering gemäſs – und da auſserdem der
                              									Dampf mit dem Condensat sämmtlicher drei Dampfmäntel als Arbeitsdampf in dem
                              									Niederdruckcylinder mitwirkte, so sollte man die Anfangsspannung hier zu wenigstens
                              										2at,75 annehmen dürfen, welchem Drucke doch
                              									auch der Cylinderdeckel gewachsen sein muſste. Gröſser kann aber auch die
                              									Compressionsendspannung nicht gewesen sein. Denn nehmen wir an, daſs sich der
                              									Gegendruck beim Durchgehen von 0,2 selbst bis zu einer ganzen Atmosphäre gesteigert
                              									hätte, so konnte die Endspannung doch nicht über 1 × 3 = 3at sein. Aber wie hoch müſste dann da die
                              									Compression im Mittel- oder gar im Hochdruckcylinder gewesen sein?! Kehrt man die
                              									Diagramme um, so daſs die Unterlinie des Diagramms der anderen Kolbenseite
                              									eingezeichnet wird, so stellt sich der Unterschied noch viel günstiger für den
                              									Anfangsdruck des Admissionsdampfes.
                           Müller ist der Ansicht, daſs gerade das Gegentheil,
                              									nämlich der Mangel an gehöriger Compression, schuld war. Die flache, ganz
                              									unverrippte Form ist wohl die denkbar schwächste, die man einem Kolben geben kann.
                              									Stellt man sich diese 10t schwere Masse mit einer
                              									Geschwindigkeit von sage: 200 Umdrehungen oder 400 Hüben in der Minute, mit einer
                              									ganz ungenügenden Compression bei einem Hube von 5 Fuſs vor, so sagt das Gefühl,
                              									daſs so ein Kolben den jähen Wechsel des Trägheitsmomentes bei der Umkehr der
                              									Bewegungsrichtung nicht ertragen kann. Wächst das Trägheitsmoment mit dem Quadrate
                              									der Geschwindigkeit, und war der Bruchsicherheitscoefficient für 75 Umdrehungen
                              									sage: 9, so muſste derselbe bei 215 Umdrehungen schon auf 1 herunterkommen; und dies
                              									in dem Augenblicke, wo diese Geschwindigkeit erreicht war, wozu 7 bis 10 Secunden
                              									ganz genügen waren. (Man
                              									beobachte eine Reversirmaschine, binnen wie wenigen Secunden bei offenem
                              									Dampfventile sich die Geschwindigkeit in unheimlicher Weise steigert, bevor die
                              									Walzen packen.) Denkt man sich nun, daſs ein Trümmer des Kolbens nach oben flog und
                              									zwischen Cylinderdeckel und das noch an der Kolbenstange festsitzende Stück des
                              									Kolbens gerieth, so konnte bei der Gewalt des Stoſses nicht nur der Cylinderboden
                              									herausgesprengt, sondern gleichzeitig auch die Λ-Ständer zerrissen werden, worauf im
                              									nächsten Augenblicke der 45t schwere Cylinder aus
                              									seiner Höhe herab auf die Kurbelachse stürzte, während die mit rasender
                              									Geschwindigkeit weiter arbeitende Pleuelstange mit dem Kreuzkopfe und der
                              									Kolbenstange so lange nach oben und nach rechts und links in den Trümmern weiter
                              									umherschlug und stach, bis diese sich zwischen Kurbeln und Grundplatte dermaſsen
                              									eingekeilt hatten, daſs die Maschine sich nicht weiter drehen konnte. So wurde sie
                              									auch bei offenem Dampfventile nach dem Bruche gefunden.
                           Den Bruch eines Cylinderdeckels hat Müller zweimal
                              									beobachtet. 1860 in der Görkauer Baumwollspinnerei bei einer wagerechten 75
                              									-Corliſsmaschine, bei deren Anlassen Müller
                              									vergessen hatte, sich davon zu überzeugen, ob der Wärter den Einspritzhahn.) dessen
                              									Leitung vom Oberwassergraben des Wasserrades kam, nicht etwa zu früh geöffnet hatte.
                              									Richtig war dieses geschehen, so daſs Condensor, Luftpumpe und der Cylinder auf der
                              									Vorderdampfseite ersäuft waren. Kaum hatte die Maschine nach Oeffnung des
                              									Dampfventils etwa eine halbe Umdrehung gemacht, als auch schon der Cylinderboden
                              									unter einem dumpfen Krache mit einem Wasserschwalle hinterher gegen die Wand
                              									flog.
                           Genau dasselbe war einem Monteur fast zur gleichen Zeit und unter ähnlichen Umständen
                              									– ebenfalls bei einer Corliſsmaschine – in Lomnitz passirt, wobei auch noch die
                              									Pleuelstange riesig verbogen wurde. In beiden Fällen hatte sich der (doppelwandige)
                              									Cylinderboden fast kreisrund vom Flansch getrennt, und dieser saſs mit allen
                              									Schrauben als unversehrter Ring am Cylinder fest. Nun berichtet Engineering aber, daſs am Umfange des Cylinderdeckels
                              									ein groſses Stück fehle; folglich konnte der Stoſs nicht, wie in obigen Fällen, ein
                              									centraler, auf die ganze Fläche des Deckels gleichmäſsig vertheilter gewesen, also
                              									auch nicht durch Uebercompression verursacht sein. Er muſs vielmehr ein
                              									excentrischer, wie bei obiger Annahme durch Trümmer veranlaſster gewesen sein,
                              									vorausgesetzt natürlich, daſs das fehlende Stück nicht etwa später, durch Fall o.
                              									dgl., weggeschlagen worden ist.
                           Die Schiffshaut wurde im Deck unversehrt gefunden. Die gegentheilige Vermuthung des
                              										Engineering, ebenso die Annahme, daſs sich die
                              									Pleuelstange vom Kurbelzapfen getrennt habe, sind also irrthümlich.
                           Aus dem Unglücke der City of Paris lassen sich jetzt
                              									schon folgende Lehren ziehen:
                           1) Die Anbringung eines verläſslichen Regulators ist für Schraubenschiffsmaschinen
                              										eine Nothwendigkeit,
                              									sowohl bei See- als auch bei Fluſsdampfern.
                           Bei Raddampfern kann man das äuſsere Hauptlager ebenso wie das ganze Rad während der
                              									Fahrt beobachten und Reparaturen oder Anbringung von Ersatzstücken auch auf hoher
                              									See ohne Weiteres ausführen. Dahingegen sind die Schraube, das hintere Wellenlager
                              									und das Stopfbüchsenrohr sowohl während der Fahrt als im Hafen unzugänglich und nur
                              									im ausgepumpten Trockendock zu besichtigen. Nach diesem Unfälle muſs jeder Kapitän
                              									eines Schraubendampfers fürchten, daſs jeden Augenblick irgend etwas Unverhofftes
                              									eintritt. Hat man nun schon mit einer Schraube und einem Hinterstevenlager Sorge
                              									genug, so ist diese Sorge eine doppelte bei zweischraubigen Dampfern, und darum,
                              									sowie auch aus manchen anderen, hier nicht weiter zu erörternden Gründen glaubt Müller
                           2) daſs die Doppelschrauben-Schnelldampfer doch nur ein Experiment sind.
                           Die Schraube hat unbestreitbare Vortheile gegenüber dem Schaufelrade, schon im
                              									Effecte allein, da sich der Slip bei gleicher Geschwindigkeit und sonstigen gleichen
                              									Verhältnissen etwa wie 11 zu 25 verhält; allein die Gefährlichkeit ihrer
                              									Unzugänglichkeit ist doch eine so dunkle Schattenseite an ihr, daſs sie, wenigstens
                              									für Dampfer mit langer Fahrt, sehr ernstlich in Betracht gezogen werden sollte.
                           Es ist wohl auch mit aus diesem Grunde, daſs die sämmtlichen Postdampfer, welche den
                              									Verkehr zwischen England und dem Continente, Irland u.s.w. versehen, bisher nur als
                              									Raddampfer ausgeführt sind. Denn der Tiefgang allein kann das Motiv dazu nicht
                              									gewesen sein, da viele continentale Häfen Wassertiefen von mehr als 14 Fuſs das
                              									ganze Jahr hindurch besitzen. Andererseits gestattet die Schaufelradmaschine
                              									allerdings eine viel zweckmäſsigere Ausnutzung des Schiffes für die Unterbringung
                              									massenhafter Passagiere bei geringer Schiffstiefe, da die Schraubenwelle gerade die
                              									werthvollsten Räume des Schiffes durchbricht, und da Postdampfer sich nicht für
                              									Cargoräumlichkeiten einzurichten brauchen, die sich bei Schraubendampfern wegen der
                              									sonstigen Unverwendbarkeit in den unteren Schiffsräumen von selbst ergeben.
                              									Auſserdem sind die Schiffsvibrationen bei Raddampfern fast Null, bei
                              									schnelllaufenden Schraubenmaschinen aber so lästig, daſs sie manchem Passagier die
                              									ganze Fahrt verderben.