| Titel: | Ueber Rückkohlung des Eisens nach Darby's Verfahren. | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 269 | 
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                        Ueber Rückkohlung des Eisens nach Darby's
                           								Verfahren.
                        Darby's Verfahren über Rückkohlung des Eisens.
                        
                     
                        
                           Den in Pittsburg auf dem internationalen Congreſs der Eisen- und Stahlhüttenmänner
                              									gehaltenen Vortrag des Hüttendirektors A.
                                    									Thielen-Ruhrort über Darby's Rückkohlungsprozeſs
                              									geben wir nach der Kölner Zeitung um deswillen
                              									ausführlicher wieder, weil derselbe ein bedeutsames Verfahren bespricht, das, auf
                              									einem deutschen Werke aus- und durchgebildet, eine groſse Zukunft haben dürfte.
                              									Redner weist darauf hin, daſs die Versuche, Stahl herzustellen, von jeher in der
                              									Hauptsache die Lösung der Aufgabe betrafen, dem Eisen eine bestimmte Menge
                              									Kohlenstoff zuzuführen oder abzunehmen. Dies geschieht, indem man entweder an einem
                              									Punkte, wo das Converterbad den gewünschten Kohlenstoffgehalt besitzt, den Prozeſs
                              									beendet oder ihn bis zur gänzlichen Entkohlung fortsetzt und dann den gewünschten
                              									Kohlenstoff in Form von Spiegeleisen, Ferromangan u.s.w. hinzufügte. Für Deutschland
                              									kam nur die letztere Methode in Betracht und wurde auch dann beibehalten, als das
                              										Thomas-Gilchrist'sche Verfahren im basischen
                              									Converter zur Aufnahme gelangte. Sie muſste es um so mehr bleiben, als die Natur des
                              									Prozesses eine der Entphosphorung vorhergehende völlige Entkohlung bedingt. Nach
                              									Einführung der Stahlerzeugung in basisch ausgekleideten Apparaten wurden die schon
                              									früher vereinzelt aufgetauchten, aber erfolglos gebliebenen Versuche, die
                              									Kohlenstoffzufuhr ohne Zuhilfenahme von Spiegeleisen zu bewirken, von verschiedenen
                              									Seiten wieder aufgenommen. Diese Versuche gründeten sich auf das bekannte Bestreben
                              									des Kohlenstoffs und Eisens, sich in den höchsten Wärmegraden zu verbinden. Man
                              									suchte durch Zuführung von schweren Kohlenwasserstoffen, durch Hinzufügung von
                              									Theer, Erdöl u.s.w., sowie mannigfachen Gemischen dieser Körper mit festen
                              									Substanzen, z.B. mit gebranntem Dolomit, reducirend und kohlend auf das Stahlbad
                              									einzuwirken; indeſs waren die Erfolge aller Versuchsmethoden nicht derart, um die
                              									dauernde Einführung einer derselben in den praktischen Betrieb zu gestatten, bis es
                              										John Henry Darby, dem Direktor der Brymbo-Stahlwerke, gelang, einen sicheren Weg zur
                              									Lösung dieser Frage zu finden.
                           Aufmerksam gemacht durch die Anreicherung von Kohlenstoff, welche in der
                              									Schweiſsstelle zweier Stäbe während der Erwärmung im Feuer stattgefunden hatte,
                              									brachte er flüssigen Stahl mit festem Kohlenstoffe in innige Berührung, und eine
                              									rasche Aufsaugung von Kohlenstoff durch den Stahl war die Folge. Gestützt auf diesen
                              									Versuch bildete er das ihm (D. R. P. Nr. 47215 vom 28. September 1888, Nr. 51353 vom
                              									11. August 1889, Nr. 51963 vom 23. Juni 1888) patentirte Verfahren aus, wonach
                              									flüssiger Stahl dadurch gekohlt werden kann, daſs man ihn durch stückförmige Kohle,
                              									am besten in Form von Graphit, Holzkohle o. dgl., filtrirt. Er benutzte zu diesem
                              									Verfahren einen Apparat, welcher aus einem Eisenblechcylinder besteht, der oben
                              									offen, unten durch eine feuerfeste, vielfach durchlöcherte Platte geschlossen und im
                              									Uebrigen mit feuerfestem Material ausgekleidet ist. Dieser wurde mit
                              									Kohlungsmaterial angefüllt und zwischen die beiden Stahlpfannen oder auch zwischen
                              									den Martinofen und die Stahlpfanne eingeschaltet. Der flüssige Stahl nahm seinen Weg
                              									durch die Zwischenräume der Kohlenstückchen und wurde dabei durch Absorption des
                              									Kohlenstoffs auf den gewünschten Kohlungsgrad gebracht. Weitere Versuche bewiesen,
                              									daſs die Aufnahme des Kohlenstoffs rasch genug erfolgte, um eine längere
                              									Einwirkungszeit, wie sie bei der oben beschriebenen Filtration stattfindet, unnöthig
                              									zu machen. Darby construirte deshalb einen zweiten
                              									Apparat, bei welchem der cylindrische Filter durch einen Kessel ersetzt ist, welcher
                              									in geeigneter Weise zwischen Martinofen und Stahlpfanne oder zwischen zwei
                              									Stahlpfannen angebracht wird. Er ist ebenso wie der Filter feuerfest ausgekleidet
                              									und besitzt einen mehrfach durchlöcherten feuerfesten Boden. Die Kohlung erfolgt nun
                              									in der Weise, daſs aus dem oberhalb befindlichen, mit einem Schieber verschlossenen
                              									Behälter das zerkleinerte Kohlungsmaterial nach Bedarf langsamer oder schneller
                              									durch das Oeffnen des Schiebers in den Kessel gelassen wird und dort mit dem
                              									flüssigen Stahl zusammentrifft, welcher dadurch gekohlt wird und durch die Bodenlöcher
                              									abflieſst. Die Kohlung erfolgt in der Regel während des ersten Drittels der Charge.
                              									Der Rest weichen Stahls mischt sich alsdann mit dem schon gekohlten Stahl in der
                              									Pfanne zu einem in sich gleichartigen Ganzen. Der Verlust an Kohlungsmaterial
                              									(Graphit) beträgt etwa 15 bis 20 Proc; wird Koks zum Kohlen gebraucht, ſo ist der
                              									Verlust gröſser. Um sein Verfahren auch auf den Converterprozeſs zu übertragen, trat
                              										Darby 1889 mit der Actiengesellschaft Phönix in Laar bei Ruhrort in Verbindung. Die Versuche
                              									wurden dort zunächst in der Thomashütte angestellt, und zwar mit einem derart
                              									angeordneten Apparat, daſs der Kohlungskessel zwischen zwei über einander stehenden
                              									Pfannen angebracht ist und der Stahl beim Durchlaufen aus der ersten in die zweite
                              									Pfanne durch den zutretenden, mittels einer Schieberstange regulirbaren
                              									Kohlenstoffstrom gekohlt wurde. Es zeigte sich indessen sehr bald, daſs Thomasstahl,
                              									selbst aus den besten Rohmaterialien hergestellt, sich allerdings kohlen lieſs, aber
                              									dadurch seine Walzfähigkeit in einem solchen Grade verlor, daſs die Blöcke in der
                              									Walze in Stücke fielen. Nachdem festgestellt worden war, daſs der Grund dieser
                              									Erscheinung in der Art und Weise der Vornahme des Prozesses lag, indem nämlich das
                              									zu mehr als 60 feinen Strahlen während 4 Minuten aus einander gezogene Stahlbad
                              									durch den Sauerstoff der Luft stark oxydirt wurde, suchte man den Uebelstand dadurch
                              									zu heben, daſs man statt der 60 im Boden des Kessels befindlichen Löcher deren nur
                              									eins von entsprechendem Durchmesser anbrachte, wodurch denn auch eine erheblich
                              									bessere Walzbarkeit der gekohlten Blöcke erzielt wurde. Immerhin erreichte dieselbe
                              									aber nicht diejenige der gewöhnlichen Thomasblöcke gleicher Härte, weshalb der
                              									Apparat ganz verlassen und durch eine neue Einrichtung Ersetzt wurde, bei der man
                              									den Kohlungskessel durch einen feuerfest ausgekleideten, mit einer Bodenöffnung
                              									versehenen Trichter ersetzte und den letzteren zwischen Pfanne und Coquille
                              									anbrachte. Eine seitlich am Träger angebrachte Vorrichtung ermöglichte es, das
                              									gemahlene Kohlungsmaterial allmählich in bestimmten regulirbaren Mengen in den
                              									Trichter gelangen zu lassen. Hierbei stellte sich nur der Uebelstand heraus, daſs
                              									die Genauigkeit und Gleichmäſsigkeit der Kohlung wesentlich von der Zuverlässigkeit
                              									des betreffenden Arbeiters abhing. Diesen Uebelstand beseitigte man durch eine
                              									Anordnung, bei welcher das Kohlungsmaterial direkt zu dem aus dem Converter
                              									austretenden Stahlstrahle tritt, während die Schlacke durch ein vorgehaltenes,
                              									entsprechend geformtes, mit feuerfester Masse umkleidetes Blech oder feuerfesten
                              									Stein bis nach erfolgter Kohlung im Converter zurückgehalten wird. Die Menge des
                              									ausflieſsenden Kohlungsmaterials ist wie gewöhnlich durch einen den Behälter
                              									abschlieſsenden Schieber regulirbar. Auf diese Weise wurden im Monat Juni d. J. auf
                              									dem Phönix etwa 70 Proc. aller Schienenchargen
                              									hergestellt; ebenso eine Anzahl Chargen für härt- und schweiſsbaren Thomasstahl,
                              									welche sämmtlich durchaus zufriedenstellende Ergebnisse hatten. Uebrigens erfordert
                              									das Kohlungsverfahren beim Thomasprozesse denselben Zusatz an Ferromangan, wie für
                              									weiche Fluſseisenchargen oder für die Herstellung von harten Stahlsorten mit
                              									Spiegeleisen nothwendig ist. Nachdem in dieser vereinfachten Weise eine Reihe sehr
                              									befriedigender Ergebnisse gewonnen waren, wurde das Verfahren auch im Martin- und
                              									Bessemerbetrieb angewandt. Auch hier waren die Ergebnisse auſserordentlich günstig.
                              									Redner faſst zum Schlusse die Vortheile, welche der Kohlungsprozeſs für
                              									Stahlerzeugungsmethoden im Einzelnen darbietet, kurz folgendermaſsen zusammen:
                           1) Für den Thomasprozeſs. Die Kohlung geht bei völliger
                              									Abwesenheit der Oxyde und phosphorsäurehaltigen Schlacken vor sich, verläuft in
                              									Folge dessen sehr sicher, ist von keiner Rückphosphorung begleitet und ist bis jetzt
                              									zu jeder in der Praxis gewünschten Höhe ausführbar, ohne gleichzeitige Anreicherung
                              									des Mangangehaltes. Durch Wegfall des Spiegeleisens findet eine erhebliche
                              									Ersparniſs statt.
                           2) Für den Bessemerprozeſs. Die Kohlung erfolgt bis zu
                              									den höchsten Härtegraden mit bei weitem gröſserer Sicherheit als unter Zuhilfenahme
                              									von Spiegeleisen und ohne die mit letzterem Verfahren verbundene Anreicherung von
                              									Mangan. Auch hier findet durch Wegfall des Spiegeleisens eine bedeutende Ersparniſs
                              									statt.
                           3) Für den Martinprozeſs. Für den sauren und basischen
                              									Martinprozeſs sind die erreichten Vortheile fast gleich den vorstehend für Bessemer-
                              									und Thomasprozeſs beschriebenen. Auſserdem kommen die sehr erheblichen Kosten für
                              									Ferromangan und Ferrosilicium ganz oder gröſstentheils in Wegfall. Die Verbindung
                              									des Verfahrens mit dem basischen Martinprozeſs gestattet die Erzeugung eines
                              									Stahles, der für manche Verwendungszwecke sich erfolgreich mit Tiegelstahl messen
                              									kann. Auch läſst sich auf diesem Wege ein Material erzeugen, welches in der Zukunft
                              									sehr vortheilhafte Verwendung als Rohmaterial für den Tiegelprozeſs finden
                              									dürfte.
                           Die Ueberlegenheit des Kohlungsprozesses hinsichtlich des Kostenpunktes macht sich um
                              									so mehr geltend, je höher der Härtegrad des herzustellenden Materials steigt. Zu dem
                              									Vortheile, die härteren Stahlsorten mit weit gröſserer Leichtigkeit und Sicherheit
                              									herstellen zu können, tritt also auch noch die sehr erhebliche Verbilligung der
                              									Herstellungskosten, während bei dem alten Verfahren die letzteren mit dem Härtegrade
                              									beträchtlich steigen.
                           Schlieſslich gedenkt Redner noch einer Abänderung des Verfahrens, die erst in den
                              									letzten drei Wochen des Juli 1890 auf dem Phönix zur
                              									Anwendung kam. Auf dem genannten Werke werden zur Eisenbannradreifen-Herstellung
                              									Blöcke verwandt, die, nachdem sie zu flachen Scheiben ausgeschmiedet sind, in der
                              									Richtung der Mittellinie gelocht und dann weiter verarbeitet werden. Diese
                              									Fabrikation bedingt, daſs die Oberfläche des Blockes vollkommen glatt und dicht ist, da sonst Fehler in dem
                              									fertigen Radreifen zu sehen sind. Da der direkt gekohlte Martinstahl, obwohl
                              									verhältniſsmäſsig ruhig, doch nicht sofort nach Beendigung des Gieſsens völlig
                              									ruhige Oberfläche zeigt, so wurde davon Abstand genommen, das Material für
                              									Eisenbahnradreifen nach dem neuen Verfahren zu erzeugen. Vor kurzem wurden nun
                              									versuchsweise Zusätze von metallischem Aluminium zu dem fertigen Bade gemacht, und
                              									es gelang, durch Hinzufügung von etwa 0,04 Proc. Aluminium einen vollständig
                              									blasenfreien Block zu erzielen, der gleich nach Beendigung des Gusses ruhig stand
                              									und sich zur Eisenbahnradreifen-Herstellung vorzüglich eignete. Im Anschlusse hieran
                              									wurden mehrere Façonguſsstücke aus gekohltem Stahle gegossen; auch diese waren
                              									vollkommen blasenfrei.
                           Der Vortrag wurde mit lebhaftestem Beifalle aufgenommen und bezeichnet einen groſsen
                              									Erfolg für die auf wissenschaftlicher Grundlage vorgehende deutsche Technik, welche
                              									auch beim Rückkohlungs-Prozesse wiederum den Ruhm der praktischen Durchbildung
                              									derselben für sich in Anspruch nehmen kann.