| Titel: | Ueber elektrische Strassenbahnen. | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 412 | 
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                        Ueber elektrische Straſsenbahnen.
                        Ueber elektrische Straſsenbahnen.
                        
                     
                        
                           Im Februar 1890 hat Eugen Griffin in dem Franklin Institute einen Vortrag über elektrische
                              									Straſsenbahnen gehalten, der im Journal des Institutes, Bd. 129 S. 265, abgedruckt
                              									ist; demselben sind nachfolgende Angaben entnommen.
                           Die Mittheilungen über den Verkehr auf den verschiedenen Arten von Straſsenbahnen in
                              									Amerika lassen als den stärksten den in der Stadt New York hervortreten, wo in dem
                              									am 30. September 1888 endenden Jahre die in den Straſsen laufenden und über
                              									denselben liegenden Bahnen 371021524 Personen beförderten, d.h. 247mal so viel als
                              									die Bevölkerung der Stadt. Die Gesammtzahl der von den amerikanischen Straſsenbahnen
                              									jährlich beförderten Personen übersteigt 4 Billionen. Es bestehen in Amerika 5 Arten
                              									von Straſsenbahnen: Pferdebahnen, Seilbahnen, geräuschlose Dampf bahnen, Hochbahnen
                              									mit Dampflocomotiven, elektrische Bahnen. In Amerika wurden
                           
                              
                                 
                                 1885
                                 1886
                                 1887
                                 1888
                                 1889
                                 am 1. Januar 1890waren
                                 
                              
                                 fertig
                                 im Bau
                                 
                              
                                 eröffnet
                                   3
                                   5
                                   7
                                   33
                                 104
                                   137
                                   114 Bahnen,
                                 
                              
                                 mit einer Länge von
                                 12
                                    44,8
                                    52,3
                                    208,8
                                   1025,6
                                    1234,4
                                 1394km,
                                 
                              
                                 mit
                                 13
                                 39
                                 81
                                 265
                                 965
                                 1230
                                 1116 Wagen.
                                 
                              
                           Mit Speicherbatterien wird zur Zeit in Amerika nur die Fourth Avenue Line in New York
                              									City betrieben; dieselbe hatte früher 10 Wagen im Dienst, auf denen Batterien der
                              										Julien Company waren, jetzt läuft bloſs ein
                              									einziger. Den andern Bahnen wird die Elektricität von Centralstationen geliefert.
                              									Wenn die Wirren in der Patentfrage betreffs der Speicherzellen sich gelichtet haben
                              									werden, wird's vielleicht anders; doch dürfte der Betrieb mit Speicherbatterien
                              									etwas theuerer sein und die Beschaffung der Elektricität begrenzt, so daſs die Wagen
                              									den Kampf mit Eis und Schnee nicht aufnehmen können, wie es im verflossenen Winter die
                              									elektrischen Bahnen in vielen Städten Amerikas thun muſsten.Um heftigen Schneestürmen mit Erfolg entgegen
                                    											treten zu können, bedient man sich in den Vereinigten Staaten elektrisch
                                    											betriebener Schneepflüge, welche im Stande sind, fuſshohen Schnee vom
                                    											Geleise zu entfernen. Ein solcher von der Thomson-Houston Electric Company zu Boston gebauter Pflug ist in
                                    											der Elektrotechnischen Zeitschrift, 1890 * S.
                                    											411, abgebildet. Derselbe besteht aus einem vierrädrigen Motorgestell mit
                                    											flachem Stehbrett. Zwei Motoren je zu 15  treiben den Pflug in
                                    											gleicher Weise wie die elektrischen Wagen; eine auf dem Stehbrette
                                    											angebrachte Säule trägt den Contactarm mit Rolle. Unter jedem Ende des
                                    											Wagens befindet sich eine groſse cylindrische Bürste, welche unter einem
                                    											Winkel von 45° mit der Streckenrichtung gestellt ist und zu beiden Seiten
                                    											über das Geleise hinausragt. Das Stehbrett enthält einen 15pferdigen
                                    											elektrischen Motor, welcher diese Bürsten in rasche Umdrehung
                                    										versetzt.
                           Bei Anlage der Centralstation darf nicht übersehen werden, daſs der Bahnbetrieb eine
                              									sehr wechselnde Belastung der Dampfmaschinen und der Dynamomaschinen mit sich
                              									bringt; erstere müssen daher besonders kräftig sein. Die Dynamo sind solche, wie sie
                              									für Glühlampen benutzt werden. Die neueste ist eine 100pferdige vierpolige Dynamo
                              									der Thomson-Houston Company mit gemischter Wickelung;
                              									ihre elektrische Leistung übersteigt 95 Proc.; ihr Regulator wirkt ganz vorzüglich.
                              									Die Company baut jetzt eine 250pferdige Dynamo. Die Benutzung von Kohlenbürsten
                              									vermindert die Abnutzung der Stromsammler bei diesen Maschinen sehr
                              									beträchtlich.
                           Für die Straſsenbahnen sind 500 Volt allgemein als oberste Grenze angenommen worden.
                              									Ueberall wird mit Gleichstrom gearbeitet.
                           Die Motoren auf den Wagen haben allgemein Siemens'sche
                              									Trommelanker mit Reihenwickelung; Gramme-Anker würden
                              									zu groſs ausfallen, namentlich zu hoch werden. Die jetzt benutzten Motoren haben
                              									eine Leistung von 91,5 Proc. Am besten wird der Motor unter dem Wagen angebracht,
                              									obwohl er da einestheils stark Beschädigungen ausgesetzt und anderntheils nicht
                              									leicht zugänglich ist, nicht gut gereinigt und überwacht werden kann, so daſs
                              									gelegentlich wohl kostspielige Ausbesserungen nöthig werden können, die sich, wenn
                              									früher bemerkt, billiger hätten bewirken lassen. Es empfiehlt sich deshalb eine
                              									Besichtigung des Motors am Ende jedes einzelnen Laufes des Wagens. Auch die
                              									Benutzung besonderer Locomotiven. welche einen oder mehrere Wagen ziehen, ist ins
                              									Auge gefaſst worden.
                           Auf den meisten Bahnen treibt der Motor unmittelbar, und jede Achse hat ihren Motor;
                              									dabei ist das Geräusch am kleinsten. Die von Wharton
                              									auf seinen Wagen mit Speicherbatterien benutzten Wurmräder haben sich sehr gut
                              									erwiesen; die Versuche waren aber noch nicht erschöpfend genug. Für
                              									Reibungsübertragung ist noch keine praktische Form gefunden. Die Kettenübertragung
                              									wurde versucht, aber allgemein verworfen. In den Scranton-Kohlenwerken arbeitet eine elektrische Locomotive ganz gut, deren
                              									Motor eine Zwischen welle treibt, während ein auf dieser sitzendes Rad mit den
                              									beiden Laufrädern durch gewöhnliche Stangen verbunden ist.
                           Für die Führung der Zuleiter des Stromes in unterirdischen Kanälen ist eine
                              									befriedigende Ausführung bis jetzt noch nicht gefunden. Bei Benutzung oberirdischer
                              									Leiter wird man zumeist auf die Anwendung eines einzigen Drahtes angewiesen sein.
                              									Die vorgeschlagene Herstellung eines in sich geschlossenen metallischen Stromkreises
                              									durch Ausspannen von zwei Drähten bringt in breiteren Straſsen mit Kreuzungen,
                              									Krümmungen, Weichen groſse Schwierigkeiten mit sich in Betreff der Führung der
                              									Leitungen und der Zuleitungsstangen, und bei eindrähtiger Leitung bilden die Räder
                              									und Schienen ja auch eine metallische Rückleitung für den Strom. Der Leitungsdraht
                              									hängt an Querdrähten, welche zwischen zwei Reihen von Säulen gespannt sind, oder an
                              									Armen an einer Säulenreihe, wo das Geleise nahe genug an den Bordsteinen liegt. Ist
                              									die Straſse breit genug, so stellt man am besten eine Säulenreihe mitten zwischen
                              									die beiden etwa 2m von einander abstehenden
                              										Geleise; eine solche
                              									Ausführung hatte sich bei der Eckington and Soldiers' Home
                                 										Railway auf der New York Avenue in Washington in 16monatlichem Betrieb sehr
                              									gut bewährt. Nach den Stellen, wo wegen der Länge der Bahn, der Zahl der Wagen, der
                              									Steilheit die Zuführung eines stärkeren Stromes, als der gewöhnliche Stromleiter
                              									zuzuführen vermag, erwünscht ist, führt man von der Centralstation aus noch einen
                              									zweiten Stromzweig – nach Befinden auf einem anderen, kürzeren Wege, oder
                              									unterirdisch – in einem Hilfsleiter (feeder wire).
                           Wo Telegraphen- und Telephonleitungen oder andere Linien die Leiter kreuzen, spannt
                              									man Schutzdrähte aus, um das Herabfallen jener Leitungsdrähte auf die Leiter der
                              									Bahn zu verhüten; die Schutzdrähte sind aus Stahl und laufen über den Leitern
                              									parallel zu denselben; sie sind sorgfältig gegen die Leiter zu isoliren. In Boston
                              									verwendet man auf den zweigeleisigen Bahnen drei Schutzdrähte, einen 0m,36 oberhalb und auf der Auſsenseite jedes
                              									Leiters und einen in der Mitte zwischen den beiden andern.
                           Bis jetzt haben sich die elektrischen Bahnen in Amerika weder als gefährlich für das
                              									Publikum, noch als feuergefährlich erwiesen; die Spannung von 500 Volt veranlaſst ja
                              									keine ernsten Beschädigungen. Der Betrieb der elektrischen Bahnen stellt sich, wie
                              									aus mehreren Gründen zu erwarten war, merklich billiger als der auf Pferdebahnen.
                              									Die Kraft kostet in der Station zwischen 0,9 und 7 Cents, für 1 Wagenmeile englisch;
                              									der letzte Preis wird gezahlt für einen einzelnen Wagen, der unter sehr ungünstigen
                              									Verhältnissen läuft und dennoch der Gesellschaft mehr einbringt als irgend ein
                              									anderer Wagen. In Boston stieg die Geschwindigkeit von 9,6 auf 12km,8 in der Stunde, was für die Fahrenden eine
                              									Ersparniſs von 4 Millionen Stunden bedeutet. Auf der Watervlietbahn hat sich die tägliche Meilenzahl (298km) nahezu verdoppelt durch die Benutzung der
                              									Elektricität. Oekonomisch von Gewicht ist auch die Möglichkeit, daſs man nöthigen
                              									Falls einen oder selbst zwei Wagen mittels Tau anhängen kann, und zwar unter sehr
                              									geringen Mehrkosten. Im Jahr 1888 kamen auf 1 Fahrgast:
                           
                              
                                 
                                 Roh-einnahme
                                 Betriebs-kosten
                                 Reinein-nahme
                                 
                              
                                 
                                 Cents *
                                 Cents
                                 Cents
                                 
                              
                                 bei den Hochbahnen im Staate New York
                                 5,01
                                 2,81
                                 2,20
                                 
                              
                                 bei den in den Straſsen laufenden Bahnen ebenda
                                 4,94
                                 4,02
                                 0,92
                                 
                              
                                 bei der Third Ward Electric
                                       												Railway in Syracuse (1889)
                                 4,92
                                 2,78
                                 2,14
                                 
                              
                                 bei den Bahnen in den Straſsen in Pennsylvanien
                                 5,59
                                 3,18
                                 2,41
                                 
                              
                                   „     „     
                                    											„        „     „         „      „  Massachusetts
                                 5,10
                                 4,28
                                 0,82
                                 
                              
                                 bei der Boston and Revere Electric
                                       												Railway (1889)
                                 4,70
                                 2,71
                                 1,99
                                 
                              
                           * 1 Cent = 4,24 Pf.
                           Die Abnutzung hat sich bei den zum Theil seit 1887 und 1888 im Betrieb befindlichen
                              									Bahnen nur bei den mechanischen Theilen gezeigt, nicht bei den elektrischen Anker
                              									und Feldmagneten. Ernstliche Betriebsstörungen sind nicht vorgekommen. Bei der
                              									vielleicht unter den schwierigsten Verhältnissen arbeitenden West End Road in Boston ist in den Monaten Juni bis September 1889 von
                              									33665 Rundfahrten (583506km) nicht eine einzige
                              									ausgefallen. Bei Schneeverwehungen haben sich die elektrischen Bahnen den
                              									Pferdebahnen überall entschieden überlegen gezeigt.
                           Die Anlagekosten stellen sich in Amerika bei bester Ausführung auf 10000 Dollars
                              									(42400 M.) für 1 Meile (1km,6) Geleise in
                              									gepflasterter Straſse bei zweigeleisigen Bahnen und auf denselben Betrag für jeden
                              									Motor nebst einem offenen anzuhängenden Wagen nebst Stromerzeuger, Station und
                              									Leitung. Eine zweigeleisige Bahn von 10 Meilen Länge mit 20 Motorwagen u.s.w. kommt
                              									also auf 400000 Dollars.
                           Der Vortragende meint, daſs bereits die elektrischen Bahnen in Amerika von so durchschlagendem Erfolge
                              									gewesen sind, daſs in naher Zukunft sie dort die Pferdebahnen in den Straſsen
                              									verdrängen würden; auch bei den Hochbahnen würde die Elektricität, wenn auch etwas
                              									später, vorherrschend werden, denn die Verhältnisse bei diesen sind dem elektrischen
                              									Betriebe äuſserst günstig. Selbst auf den Dampf bahnen dürfte die Elektricität
                              									Anwendung finden, und damit werde bereits begonnen; es würde sich leicht durchführen
                              									lassen, daſs längere Züge gebildet würden, in denen jeder Wagen seinen Motor
                              									erhielte und durch Leitungen auf den Wagen die Motoren hinter einander geschaltet
                              									würden, während ein Führer auf dem Stehbrette des Führerwagens den ganzen Zug
                              									lenkte, von dem einen oder von dem andern Ende des Zuges aus.