| Titel: | Neues im Schiffswesen. | 
| Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 492 | 
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                        Neues im Schiffswesen.
                        Neues im Schiffswesen.
                        
                     
                        
                           Ueber den Fortschritt des überseeischen Schiffsverkehres und der Schiffe selbst
                              									bezüglich Geschwindigkeit und Ausrüstung bringt Engineering, 1890 S. 733, einen Aufsatz, welchem wir als Ergänzung unserer
                              									bezüglichen Mittheilungen bei Besprechung der Marine-Ausstellung in Bremen (vgl.
                              									1890 278 167) folgende Angaben entnehmen, soweit er sich
                              									auf den Eingriff des erstarkenden Schiffs Verkehres und unsere Handelsverhältnisse
                              									bezieht.
                           Der Berichterstatter weist mit Recht darauf hin, daſs noch vor kaum 50 Jahren eine
                              									atlantische Reise als ein sehr ernstes und gefährliches, jedenfalls auch
                              									langwieriges und kostspieliges Unternehmen galt, während dank der Vervollkommnungen
                              									im Schiffsverkehre, gerade der letzten Jahre, eine Reise nach Amerika schon unter
                              									den Begriff einer Ferienreise fällt. Jetzt ist zweifellos die Seereise nicht
                              									gefährlicher als eine Landreise mit der Eisenbahn und fast weniger gefahrdrohend als
                              									eine Reise auf Binnenwässern. Neben der gröſstmöglichen Sicherheit der Reise selbst
                              									ist aber der Comfort auf den Schiffen selbst unvergleichlich gestiegen, so daſs der
                              									Aufenthalt auf einem unserer neuen Dampfer – und der Referent nennt ausdrücklich
                              									unsere deutschen Dampfer – die gleichen, ja fast gröſsere Annehmlichkeiten bietet
                              									als in den besten Hotels.
                           Aber auch die Kosten der Reise für Fahrgäste wie Güter haben sich wesentlich
                              									verringert. Während vor 30 Jahren die ersten Cunard-Dampfer, wie auch die Collins-Line (Jahr
                              									1850) für die Tonne Güter an Fracht 7 bis 8 Pfd. Sterl. (140 bis 160 M.) forderten
                              									und erhielten, wird jetzt höchstens 7 bis 10 Schill. (7 bis 10 M.) für das gleiche
                              									Gewicht bezahlt!
                           Noch in der Mitte dieses Jahrhunderts bezifferte sich der Werth des Fernhandels
                              									Englands und seiner Kolonien auf 12 Millionen Pfund Sterling jährlich; die jährliche
                              									Einfuhr Englands an Korn betrug nicht mehr als 1 Million Quarters (rund 3 Millionen
                              									Hektoliter). Der Weizenpreis betrug zu jener Zeit 70 bis 80 Schill, wovon für den
                              									eingeführten Weizen mehr als die Hälfte durch die Höhe der Frachtkosten bedingt war.
                              									Jetzt hat sich der Ausfuhrverkehr Englands auf den Werth von 700 Millionen Pfund
                              									Sterling jährlich gehoben. Allein die Vereinigten Staaten von Nordamerika
                              									verschiffen jährlich 40 Millionen Quarters Weizen und Mehl nach England. Ueberhaupt
                              									beläuft sich der Handelsumschlag zwischen England und den Vereinigten Staaten auf
                              									144 Millionen Pfund Sterling jährlich!
                           Auch auf die Urheberschaft der überseeischen Dampfschifffahrt geht der
                              									Berichterstatter ein, indem er erwähnt, daſs die Amerikaner sich dieselbe
                              									zuschreiben und als erste Pioniere nennen Robert Fulton
                              									(New York), James Rumsey (Virginia), John Fitch (Pennsylvanien), Patrick Miller
                              									(Dalswinton), während die Engländer starr daran festhalten, daſs ihren Landsleuten,
                              									und zwar dem Marquis of Worcester und William Symington der Ruhm des Unternehmens gebühre.
                              									Noch im vorigen Jahre wurde das Andenken des letzteren unter diesem Gesichtspunkte
                              									ganz besonders gefeiert, während es wahrscheinlich ist, daſs hier von beiden Ländern
                              									gleichzeitig derselbe Gedanke zur Ausführung gebracht wurde.
                           Besonders beachtenswerth bei der Betrachtung der Dampfschifffahrt von einst und jetzt
                              									ist aber der Vergleich des Kohlenverbrauches für die Schiffsmaschinen. Bis zum Jahre
                              									1837 ist kein Fall bekannt geworden, in welchem ein geringerer Kohlenverbrauch als 8
                              									Pfund (3k,6) für die stündliche indicirte
                              									Pferdekraft erzielt wurde. Bei den Maschineneinrichtungen der besten Schiffe der
                              									englischen Flotte schwankte der durchschnittliche Kohlenverbrauch zwischen 8,3 Pfund
                              									auf der Medea und 12 Pfund auf dem Delphin. Auf den privaten Dampfschiffen war der
                              									Kohlenverbrauch beträchtlich gröſser.
                           Zur gleichen Zeit betrug die nur in seltenen Fällen etwas überschrittene
                              									Geschwindigkeit der Fahrt 6 Knoten in der Stunde. Die behördlichen Listen der
                              									englischen Marine aus dem Jahre 1837 ergaben, daſs die erreichte Geschwindigkeit
                              									beim African 5,1 Knoten, bei der Medea 7,8 Knoten betrug, während ein Privatdampfer mit
                              									einem stündlichen Kohlenaufwande von 12,5 Pfund für die indicirte Pferdekraft nur
                              									7,7 Knoten zu erreichen vermochte.
                           Diese Ergebnisse lieſsen Lardner u.a. zu dem Schlusse
                              									kommen, daſs eine dauernde und lohnende Verbindung zwischen Groſsbritannien und
                              									Amerika durch Dampfer, welche die Fahrt ohne Unterbrechung, also in einem Zuge
                              									zurücklegen könnten, unwahrscheinlich sei! Lardner
                              									nannte als einzig in Frage kommende Zielpunkte einer überseeischen Verbindung die
                              									westlichste Küste der britischen Inseln und den östlichst gelegenen Punkt des
                              									amerikanischen Festlandes; er meint ferner, daſs eine Fahrt nur aussichtsvoll sei,
                              									wenn der Dampfer möglichst wenig Ladung zu tragen habe.
                           Viele Schriftsteller gingen noch weiter in ihrem Miſstrauen gegen eine
                              									Dampferverbindung mit Amerika. So schreibt z.B. die Edinburgh Review, daſs nach ihrer Ueberzeugung ein Dampfer, welcher die
                              									Fahrt nach Amerika ohne Unterbrechung ausführen könne, eine wesentlich gröſsere
                              									Ausnutzungsfähigkeit der Kohle haben müsse, als die gemeinsamen Erfahrungen
                              									nautischer und mechanisch-technischer Art der hervorragendsten Zeitgenossen, nämlich
                              										Lang's, des Erbauers der Medea, und Maudsley's und Field's, aufbringen könnten.
                           Jedenfalls war die Meinung vorhanden, daſs höchstens eine Dampferverbindung zwischen
                              									der Westküste von Irland und Halifax, also eine Entfernung von 2200 engl. Meilen,
                              									angängig sei, daſs dann erst die 500 bis 600 Meilen betragende Entfernung von
                              									Halifax nach New York zurückgelegt werden könne, wenn in Halifax neue Kohlen gefaſst
                              									worden seien.
                           
                           Unter dieser Voraussetzung wurde eine Dampfer Verbindung zwischen London und New York
                              									in der Frist von 21 Tagen für denkbar gehalten. Dieser Ansatz erschien damals
                              									immerhin als ein groſsartiger Gewinn, weil die Segelfahrt seitens der bestehenden
                              									beiden Linien, welche von London bezieh. Liverpool abgingen, immerhin
                              									durchschnittlich 36 Tage dauerte.
                           Der erste Dampfer, welcher den Atlantischen Ocean durchkreuzte, die Savannah, hatte 300t
                              									Raum. Derselbe legte die Entfernung zwischen Liverpool und Savannah, Georgia, von
                              									letzterem Orte ausgehend, zum Theil dampfend, zum Theil segelnd, in der Zeit von 31
                              									Tagen zurück.
                           Der Curaçao, welcher 350t Raum und 100pferdige Maschinen besaſs, vermittelte seit 1829 mehrfach
                              									den Verkehr zwischen Holland und Holländisch-Westindien. Der Royal William machte 1833 eine Reise zwischen Quebec und Gravesend in 34
                              									Tagen.
                           Der eigentliche Beginn der überseeischen Dampfschiffahrt datirt vom 4. April 1838, an
                              									welchem Tage der Dampfer Sirius mit 94 Fahrgästen
                              									England verlieſs, um nach einer Fahrt von 17 Tagen New York zu erreichen. Der Sirius hatte 700 Registertonnen und Maschinen von 320
                              									. Er war im Besitz der St. George Steam Navigation
                                 										Company und diente dem Verkehre zwischen London und Cork. Für die
                              									überseeische Reise wurde der Sirius angekauft durch Mc Gregor Laird für die British
                                 										and American Steam Navigation Company. Fast gleichzeitig mit dem Sirius lief der Great
                                 										Western nach New York ab, welcher die Fahrt in 15 Tagen zurücklegte. Auf
                              									der Rückreise brauchte das Schiff gar nur 12,5 Tage.
                           Hiermit war der Beweis der Möglichkeit einer Dampferverbindung nach Amerika gebracht,
                              									und bald war ein reger Dampferverkehr angebahnt.
                           In der ersten Zeit des überseeischen Handels war das Geschäft durch die berühmten
                              									Baltimorer Klipper völlig monopolisirt, welche anfangs mit einer Fassungskraft von
                              									nur 350t, später aber bis zu 2000t gebaut wurden. Dieser Klipperverkehr gab der
                              									Stadt New York das Uebergewicht als Handelshafen. Regelmäſsig verkehrende
                              									Segelschiffe gingen von New York nach Liverpool, London und Havre. Der Verkehr war
                              									damals entschieden bewunderungswürdig, da die Klipper sich ganz besonders durch
                              									regelmäſsiges Eintreffen auszeichneten. Mit den Fahrten vom Sirius und Great Western war dieses Monopol
                              									gebrochen. Aber dieser Sieg hatte noch eine wesentlich tiefere Bedeutung insofern,
                              									als New York, überhaupt Amerika, seinen Ausgangspunkt für den Schiffsverkehr völlig
                              									verlor und dieser sich nach England bezieh. Deutschland verlegte. Jetzt wird der
                              									Handelsverkehr Amerikas zu 90 Proc. von fremden Schiffen, und zwar zumeist
                              									englischen und deutschen, vermittelt.
                           Entscheidend für diesen Umschwung war es, daſs die englische Cunard-Linie die amerikanische Collins'sche
                                 										Linie aus dem Felde schlug. Mit welchen Mitteln beide Linien seitens ihrer
                              									Staaten unterstützt wurden, beweisen folgende Zahlen. Die Collins-Linie hatte 5 Schiffe zur Ausführung von 20 jährlichen Fahrten,
                              									für jedes Schiff erhielt die Gesellschaft 3850 Pfd. Sterl. Zubuſse, welche Summe
                              									sogar schlieſslich auf 6600 Pfd. Sterl. erhöht wurde. Die Cunard-Linie erhielt insgesammt jährlich 81000 Pfd. Sterl.
                           Die Collins-Linie hatte in den ersten beiden Jahren
                              									ihres Bestehens mit ihren 5 Schiffen eine Einnahme aus Fracht- und Fahrgastverkehr
                              									im Betrage von 396000 Pfd. Sterl., für die Post noch 150000 Pfd. Sterl. Im vierten
                              									und fünften Jahre trafen viele ungünstige Ereignisse ein. Im J. 1854 verlor die
                              									Gesellschaft ihren Dampfer Arctic mit 321 Leben und
                              									1856 den Dampfer Pacific mit 186 Leben. Die hierfür
                              									gebauten Ersatzdampfer, namentlich der Adriatic, waren
                              									schneller und besser als die früheren, aber das Vertrauen zu der Gesellschaft war
                              									geschwunden, und nach weiteren zwei Jahren (1858) ging die Gesellschaft in ihrem
                              									Kampfe gegen die Cunard-Linie ein, nachdem der Staat
                              									seine Unterstützung zurückgezogen hatte. Zu letzterem Schritte hatte sich der Staat
                              									gezwungen gesehen, weil die Rheder aus Boston, Baltimore und Philadelphia
                              									protestirten, daſs New York zu ihrem Nachtheile eine staatliche Unterstützung
                              									erfahre.
                           Auch in England selbst war ein Wettbewerb gegen die Cunard-Linie angeregt. Im J. 1851 schon begann ein in Glasgow gebauter
                              									Dampfer, City of Glasgow, von dieser Stadt
                              									Concurrenzfahrten, welche von der Clyde nach Sandy Hook rund 18 Tage beanspruchten.
                              									Man hatte erwartet, daſs dieses Schiff der Bahnbrecher für Ueberleitung eines
                              									groſsen Theiles des amerikanischen Handels auf die Clyde sein würde, doch schon nach
                              									vier Fahrten muſste der Dampfer nach Liverpool für 40000 Pfd. Sterl. verkauft
                              									werden.
                           Einige Jahre später begann von Liverpool aus die Inman-Linie ihre Fahrten, und zwar bis heute vom Glücke begünstigt. Im J.
                              									1858 endlich waren schon folgende Linien die Vermittler zwischen Europa und Amerika:
                              										Cunard, Fahrzeit 10 Tage 20 Stunden; Collins, Fahrzeit 11 Tage 14 Stunden; Liverpool, Fahrzeit 13 Tage 3 Stunden; Croskey, Fahrzeit 12 Tage 19 Stunden; Vanderbilt, Fahrzeit 12 Tage 10 Stunden; Hamburger Packetfahrt, Fahrzeit 12 Tage 22 Stunden; Bremer Lloyd, Fahrzeit 13 Tage 14 Stunden; Glasgow, Fahrzeit 14 Tage 10 Stunden; Galway, Fahrzeit 16 Tage 10 Stunden.
                           Im J. 1858 besaſsen die genannten Linien zusammen 40 Dampfer, welche in diesem Jahre
                              									281 Reisen zwischen Amerika und Europa zurücklegten. Die Gesammtzahl der damals
                              									beförderten Fahrgäste bezifferte sich auf 50000, wovon durch den Untergang der New York und Austria etwa
                              									500 ertranken. Die Ueberfahrtseinnahme betrug damals 800000 Pfd. Sterl. insgesammt,
                              									oder 16 Pfd. Sterl. für jeden Fahrgast.
                           
                           Inzwischen hat sich der Bremer Lloyd als wenigstens
                              									ebenbürtiger Mitbewerber Englands herausgebildet, als ein so gefährlicher Gegner,
                              									wie ihn England noch nie gehabt hat. Der Lloyd hat 11
                              									Dampfer von 4500 bis 5000t, 9 zwischen 3000 und
                              										4000t, 15 zwischen 2000 und 3000t, 7 zwischen 1000 und 1200t, 6 zwischen 700 und 1000t und 16 Schiffe unter 700t. Der Lloyd ist die
                              									einzige Gesellschaft der Welt, welche eine zweimalige regelmäſsige Verbindung nach
                              									New York in jeder Woche unterhält. Unser englischer Berichterstatter nennt die
                              									Fahrzeuge „Wunder von Comfort“. Er erwähnt besonders, daſs die Schiffe
                              									Southampton anlaufen und somit einen groſsen Theil des englischen Verkehrs
                              									übernehmen. –
                           Der Schiffsbau selbst wird im hervorragendsten Maſsstabe noch immer von England
                              									beherrscht, wenn auch neuerdings namentlich Deutschland ein scharfer Wettbewerber
                              									wird. In letzter Zeit haben besonders Schaufelraddampfer eine erhöhte Bedeutung für
                              									Küsten- und Fluſsverkehr erhalten. Namentlich sind hier die beiden, den Verkehr
                              									zwischen Ostende und Dover vermittelnden belgischen Kanalboote, Princess Henriette und Princess
                                 										Josephine, als hervorragende Beispiele heutiger Schiffsbaukunst zu nennen.
                              									Ferner sind hervorhebenswerth die Schiffe Duchess of
                                 										Hamilton, Verkehr zwischen Ardrossan und der Insel Arran, Princess Victoria, Kanal verkehr zwischen Stranraer und
                              									Laine, sowie die Clacton Belle, Themseverkehr zwischen
                              									London und Clacton-on-Sea.
                           Wir geben im Folgenden eine Tabelle über die Hauptabmessungen dieser Schiffe;
                              									dieselbe läſst erkennen, daſs ein ungewöhnliches Maſs für das Verhältniſs der Länge
                              									zur Breite gewählt wurde.
                           
                              
                                 
                                 PrincessHenriette undPrincessJosephine
                                 
                                    
                                    Princess
                                    
                                    Victoria
                                    
                                 
                                    
                                    Duchess
                                    
                                    of Hamilton
                                    
                                 
                                    
                                    Clacton Belle
                                    
                                 
                              
                                 Länge
                                 300'
                                 280'
                                 250'
                                 246'
                                 
                              
                                 Breite
                                 38'
                                 35'6''
                                 30'
                                 26'6''
                                 
                              
                                 Tiefe
                                 13'6''
                                 14'0''
                                 10'6''
                                 10'0''
                                 
                              
                                 Maschine
                                 2-Kurbel-Verbund
                                 2-Kurbel-Verbund
                                 2-Kurbel-Verbund
                                 2-Kurbel-Verbund
                                 
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 39'' und 104''
                                 51'' und 90''
                                 34½'' u. 60''
                                 28'' und 50''
                                 
                              
                                 Hub
                                 6'0''
                                 5'6''
                                 5'0''
                                 5'0''
                                 
                              
                                 Kesselzahl
                                 6
                                 4
                                 3
                                 2
                                 
                              
                                 Druck
                                 120 Pfund
                                 115 Pfund
                                 115 Pfund
                                 115 Pfund
                                 
                              
                                 Versuchsfahrt
                                 7. Juni 1888
                                 19. April 1890
                                 28. Mai 1890
                                 2. Mai 1890
                                 
                              
                                 Durchschnittliche Ge-    schwindigkeit
                                 21,28 Knoten
                                 19,77 Knoten
                                 18,09 Knoten
                                 17,07 Knoten
                                 
                              
                           Abbildungen und nähere Beschreibung der Princess
                                 										Henriette finden sich in Industries, 1890 * S.
                              									156 und 147.
                           Auch die deutsche Fluſsschifffahrt hat neuerdings manchen bemerkenswerthen Zuwachs
                              									erfahren. Im Monat Oktober d. J. ist die Zahl der Schleppdampfer auf der Elbe um
                              									einen vermehrt worden, welcher das gröſste Räderboot sein dürfte, das den genannten
                              									Fluſs jetzt befährt.
                           
                           Das Schiff entstammt der Werft der Firma Gebrüder
                                 										Sachsenberg zu Roſslau a. E. und wurde im Auftrage der Dampfschifffahrtsgesellschaft vereinigter Schiffer zu
                              									Dresden erbaut. Dieser neue Dampfer, welcher den Namen Vereinigter Schiffer XII. erhielt und vor Kurzem zwischen Dresden und
                              									Gohlis bei der ersten Probefahrt einen glänzenden Beweis seiner Leistungsfähigkeit
                              									ablegte, ist bereits das neunte Dampfschiff, welches die Gesellschaft bei der
                              									genannten Firma erbauen lieſs.
                           Um einen Begriff von den Gröſsen- und Constructionsverhältnissen des genannten
                              									Schleppdampfers zu geben, erwähnen wir, daſs derselbe eine Länge von 66m bei 10m Breite
                              									– über die Radkasten gemessen – und 2m,7 Höhe in
                              									der Mitte hat. Wenn das voll ausgerüstete Schiff 800 Centner Kohlen in den Bunkern
                              									führt, beträgt dessen Tiefgang 1m. Der Dampfer hat
                              									eine Dreifach-Expansionsmaschine von 550 bis 600 indic.  und nach dem
                              									Dreiarm Systeme erbaute Räder mit je sechs Schaufeln. Der Dampf wird erzeugt in zwei
                              									geschweiſsten Kesseln, welche für 11at Ueberdruck
                              									concessionirt sind und mit künstlichem Zuge und Rauchverbrennung arbeiten. Zwei
                              									kleine Ventilationsmaschinen führen den Dampfkesseln die erforderliche
                              									Verbrennungsluft zu. Der Maschinenraum ist mit einem Deckhause in eleganter
                              									Ausführung überbaut, wodurch ein vollständiger Ueberblick über die gesammte
                              									Maschinerie, wie auch eine leichte Zugänglichkeit eines jeden einzelnen Theiles
                              									ermöglicht wird.
                           Der Dampfer ist mit allen Errungenschaften der Neuzeit ausgestattet; er besitzt ein
                              									Dampfsteuer, welches – von nur einem Manne mit Leichtigkeit geführt – ihm eine
                              									früher ungekannte Manövrirfähigkeit gibt, und ferner eine Dampfankerwinde, welche
                              									das Heben der beiden 300 bezieh. 375k schweren
                              									Anker besorgt. – Was die Schleppkraft des Dampfers anbetrifft, so bemerken wir noch,
                              									daſs derselbe im Stande ist, 6 bis 10 Kähne mit 45000 bis 60000 Centner Ladung in 68
                              									bis 70 Stunden von Hamburg nach Magdeburg zu befördern, während stündlich kaum 8
                              									Centner Kohlen verbraucht werden.
                           Die Probefahrt vereinigte auf dem Dampfer eine stattliche Anzahl eingeladener Gäste
                              									mit den maſsgebenden Persönlichkeiten der Gesellschaft und Vertretern der Erbauer,
                              									und hat wohl jeder der Anwesenden die Ueberzeugung gewonnen, daſs unsere deutschen
                              									Schiffsbauanstalten, wie die der Gebr. Sachsenberg,
                              									sich den renommirtesten Schiffswerften des Auslandes als durchaus ebenbürtig an die
                              									Seite stellen können.
                           Von anderer Seite geht uns noch ein Bericht über einen kürzlich von Gebrüder Sachsenberg nach der Weser gelieferten
                              									Schleppdampfer zu.
                           Es ist das der den Herren Bredehorst und Co. in Bremen
                              									gehörige Dampfer Franzius, welcher, dem obengenannten
                              									gegenübergestellt, zwar nur ein kleiner Raddampfer, dessen Leistungsfähigkeit aber
                              									eine verhältniſsmäſsig ungewöhnlich hohe ist.
                           Der Schiffskörper dieses Dampfers hat 36m,60 Länge,
                              										4m,65 Breite und 1m,75 Höhe, während sein Tiefgang voll ausgerüstet
                              									und mit 300 Centner Kohle an Bord nur 60cm
                              									beträgt. Die Maschinerie besteht aus einem für 7at,5 Betriebsüberdruck concessionirten Dampfkessel, einer Verbundmaschine von
                              									100 bis 120 indic.  und einem Paar Rädern mit je sechs beweglichen,
                              									gebogenen Stahlschaufeln.
                           Die Probefahrt fand Ende September zwischen Bremen und Hameln statt mit zwei groſsen
                              									Kähnen im Schlepptau, deren jeder 2000 Centner Weizen geladen hatte. Der Wasserstand
                              									war für diese Fahrt der denkbar ungünstigste, denn er war so niedrig, daſs an vielen
                              									Stellen der Stromquerschnitt ganz ungenügend für freies Fahren war. Trotzdem
                              									beförderte der Dampfer die beiden Kähne auf der 234km langen Strecke in 65 Stunden reiner Fahrzeit mit einem Kohlenverbrauche
                              									von nur 117k stündlich, während vertragsmäſsig für
                              									normalen Wasserstand 72 Stunden Fahrzeit und 120k
                              									Kohlen vereinbart worden war.
                           Besonders interessant gestaltete sich diese Fahrt oberhalb Minden wegen der hier
                              									vorkommenden vielen und starken Stromschnellen. Schon an der Mindener Brücke liegt
                              									eine der stärksten Stromschnellen, und alle Schiffer bezweifelten, daſs ein Schiff'
                              									mit so kleiner Maschine die beiden Kähne würde zusammen hindurchziehen können; es
                              									ging aber anstandslos hindurch und selbst in den gefürchteten Stromschnellen bei
                              									Eisbergen und bei Hameln vermochte es die Kähne hindurchzubringen, ohne den Zug zu
                              									theilen, wie es sonst so häufig geschieht, indem die Dampfer an solchen Stellen die
                              									Kähne einzeln hindurchziehen.
                           Diese groſse Ueberlegenheit der in Roſslau erbauten Radschleppdampfer wird in
                              									allererster Linie erreicht durch die eigenthümliche Construction der Räder, welche
                              									einen sehr hohen Nutzeffect sichert und daraus folgend bei hohem Schleppvermögen
                              									eine geringe Pferdestärke und geringen Kohlenverbrauch der Maschinen erfordert.
                              									–
                           Ein Wendepunkt im überseeischen Schiffsverkehre scheint die Verwendung der sogen.
                              									Zwillingsschraubenschiffe zu sein, welche man in der Kriegsmarine längst eingeführt
                              									hatte. Das Schiff erhält zwei Schrauben, welche durch je eine besondere Maschine
                              									getrieben werden.
                           Das erste deutsche Doppelschraubenschiff, die Augusto,
                                 										Victoria, welches vom Stettiner Vulcan gebaut
                              									war, hat die erste Fahrt zwischen Queenstown und New York in 6 Tagen und 8 Stunden
                              									zurückgelegt und damit das bisher erzielte beste Ergebniſs, welches die City of Paris mit 6 Tagen 18 Stunden davontrug,
                              									übertroffen.
                           Wenn man sich vergegenwärtigt, daſs das erste Dampfschiff, der Sirius, welcher im J. 1838 die regelmäſsige
                              									Personenüberfahrt nach New York eröffnete, eine Länge von nur 54m hatte und 17 Tage zu einer Reise brauchte,
                              									während jetzt Ungethüme von 150m und mehr Länge
                              									dieselbe Fahrt in 6 Tagen zurücklegen, so gibt das in schwachen Umrissen ein Bild
                              									davon, was die Technik innerhalb der letzten 50 Jahre auf diesem Gebiete geleistet
                              									hat.
                           
                           Da die Seefahrt immer mehr als jede andere Art der Beförderung eine Reihe von
                              									Gefahren in sich birgt, so sollte man mit Recht erwarten, daſs die Vervollkommnungen
                              									im Baue unserer Oceandampfer namentlich auch auf die Erreichung einer gröſseren
                              									Sicherheit gerichtet gewesen wären. Das Einzige, was in Bezug hierauf hervorgehoben
                              									zu werden verdient, ist die Einführung der wasserdichten Querschotte, welche dazu
                              									bestimmt sind, ein Schiff im Falle des Leckwerdens vor dem Sinken zu bewahren. In
                              									welcher unvollkommenen Weise dieses System jedoch selbst bei den gröſsten Dampfern
                              									der Gegenwart zur Anwendung gelangt ist, zeigt der Fall des Dampfers Oregon, welcher am 14. März 1886 in Folge eines
                              									Zusammenstoſses innerhalb weniger Stunden in Sicht des Landes sank, ohne daſs es
                              									möglich war, ihn in den nahen Hafen in Sicherheit zu bringen.
                           Eine der gröſsten Gefahren, welchen ein Dampfer ausgesetzt ist, besteht in dem
                              									Unbrauchbarwerden seiner Maschinen, indem er dadurch hilflos dem Spiele der Wellen
                              									preisgegeben wird. Erst der allerneuesten Zeit ist es vorbehalten gewesen, dieser
                              									Gefahr in der atlantischen Personenbeförderung [durch Anwendung von zwei Schrauben,
                              									deren jede für sich durch eine besondere, von der anderen ganz unabhängige Maschine
                              									bewegt wird, zu begegnen. Die Inman-Linie hat am 1.
                              									August 1888 den ersten groſsen Zweischraubendampfer für die Fahrt nach New York in
                              									Betrieb gesetzt und damit einen hervorragenden Schritt in der Vervollkommnung der
                              									Oceandampfschifffahrt gethan.
                           Die Zweischraubenschiffe sind schon seit einer längeren Reihe von Jahren in der
                              									Kriegsmarine eingeführt und ihre groſse Ueberlegenheit im Vergleiche zu den Dampfern
                              									mit einer Schraube ist längst erwiesen. Es sind auch wohl einige wenige
                              									Handelsdampfer mit zwei Schrauben ausgestattet worden; für die groſse
                              									Personenbeförderung hat sich jedoch diese Construction, die hier ganz besonders am
                              									Platze ist, bis jetzt noch nicht einbürgern können. Der Grund hierfür ist eigentlich
                              									schwer zu ersehen und es läſst sich diese auffällige Thatsache nur dadurch erklären,
                              									daſs man bis jetzt immer an der etwas schwierigen und kostspieligen Bauart, sowie an
                              									dem immerhin theuren Betriebe Anstoſs nahm und daſs jede Neuerung sich nur langsam
                              									und mit Widerstreben Bahn bricht.
                           Die Vorzüge der Zweischraubenschiffe sind sehr vielseitig. Da zur vortheilhaften
                              									Ausnutzung einer gegebenen Maschinenkraft immer eine Schraube von einem gewissen
                              									Geringstdurchmesser und damit ein bestimmter Tiefgang des Schiffes erforderlich ist,
                              									so wird man folglich durch die Anwendung von zwei Schrauben bei einem Schiffe von
                              									gewissem Tiefgange auch eine verhältniſsmäſsig gröſsere Maschinenkraft verwerthen
                              									können. Mit der Zunahme der Schiffsabmessungen und der immer weiter gehenden
                              									Steigerung der Geschwindigkeit – beides Umstände, welche immer stärkere Maschinen
                              									erfordern – muſste man daher nothwendig auf die Zweischraubenconstruction kommen. Schiffe von der Gröſse,
                              									wie sie uns die Zukunft zu bringen scheint, lassen sich eben nicht mehr durch eine
                              									Schraube allein mit der hohen, den jetzigen Anforderungen entsprechenden
                              									Geschwindigkeit treiben, wenn man nicht den Tiefgang des Schiffes in der
                              									unvortheilhaftesten Weise erhöhen will.
                           Da die Schrauben bei einem Zweischraubenschiffe ganz unabhängig von einander vorwärts
                              									und rückwärts arbeiten können, so ist hierdurch ein Mittel gegeben, nicht nur die
                              									Steuerfähigkeit des Schiffes wesentlich zu unterstützen, sondern dasselbe sogar ohne
                              									Ruder zu steuern, indem man eine Schraube schneller als die andere laufen bezieh.
                              									die eine vorwärts und die andere rückwärts arbeiten läſst. Im Falle eines Bruches
                              									des Ruders ist das Schiff also durchaus nicht hilflos, sondern den groſsen Gefahren
                              									weniger ausgesetzt als ein gewöhnlicher Einschraubendampfer. Die groſse
                              									Steuerfähigkeit wird den Schiffsführer auch viel besser in den Stand setzen, einem
                              									Zusammenstoſse auszuweichen.
                           Der Hauptvorzug der Zweischraubendampfer besteht jedoch immer darin, daſs sie zwei
                              									von einander ganz unabhängige Maschinen und Treib Vorrichtungen besitzen. Beim
                              									Bruche einer der beiden Maschinen oder Schrauben ist daher immer eine
                              									Treibvorrichtung vollkommen betriebsfähig und das Schiff kann ungestört mit einer
                              									nur um etwa 25 Proc. verminderten Geschwindigkeit seine Reise fortsetzen.Der Unfall der City of
                                       												Paris
                                    											278 * 213 lehrt allerdings, daſs alle
                                    											menschlichen Vorausberechnungen unsicher sind. Dies ist ein
                              									Vortheil, der gar nicht hoch genug angeschlagen werden kann, denn da sich die Segel
                              									bei den jetzigen groſsen Dampfern als vollständig nutzlos erwiesen haben, so sind
                              									nur bei doppelten Maschinen die groſsen Gefahren ausgeschlossen, welche bei
                              									gewöhnlichen Dampfern ein Wellen- oder Schraubenbruch in sich schlieſst. Wie oft
                              									haben sich Fälle ereignet, daſs ein Dampfer mit gebrochener Maschine, mit mehr als
                              									tausend Personen an Bord, wochenlang hilflos auf dem Ocean umhertrieb, bis er
                              									endlich durch Zufall von einem anderen Dampfer aufgefunden wurde!
                           Die Anwendung von zwei Schrauben gewährt aus diesen Gründen eine Sicherheit gegen die
                              									Gefahren zur See, wie sie bei gewöhnlichen Dampfern gar nicht erzielbar ist.
                           Es kann daher nur mit Freude und Genugthuung begrüſst werden, daſs die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft in
                              									neuester Zeit damit vorgegangen ist, zunächst zwei groſse Dampfer nach dem
                              									Zweischraubensysteme für die Fahrt zwischen Hamburg und New York in Bau zu geben,
                              									von denen einer der Stettiner Maschinenbau-Actiengesellschaft Vulcan in Bredow und der andere Laird Bros in Birkenhead (England) übertragen wurde. Ersterer, dessen
                              									Stapellauf bereits am 1. December 1888 erfolgt ist, führt den Namen Augusta Victoria. Seine Länge beträgt 150m, seine Breite 18m und die Tiefe vom Kiel bis zum Oberdeck 13m. Um einen
                              									Vergleich mit einigen anderen bekannten Dampfern der nordatlantischen Fahrt zu
                              									ermöglichen, soll die folgende kleine Zusammenstellung dienen:
                           
                              
                                 
                                 Länge
                                 Breite
                                 
                              
                                 
                                    City of Rome
                                    
                                 170m,0
                                 16m
                                 
                              
                                 
                                    City of New York
                                    
                                 158m,0
                                 19m
                                 
                              
                                 Umbria und Etruria
                                 150m,0
                                 17m
                                 
                              
                                 
                                    Servia
                                    
                                 155m,0
                                 16m
                                 
                              
                                 
                                    Alaska
                                    
                                 150m,0
                                 15m
                                 
                              
                                 
                                    Lahn
                                    
                                 133m,0
                                 15m
                                 
                              
                                 
                                    Aller
                                    
                                 131m,0
                                 14m
                                 
                              
                                 
                                    Ems
                                    
                                 130m,0
                                 14m
                                 
                              
                           Die Hauptgesichtspunkte, welche bei dem Entwürfe der beiden Dampfer ins Auge gefaſst
                              									wurden, waren in erster Linie die Sicherheit und dann die Erzielung einer möglichst
                              									groſsen Geschwindigkeit, soweit sich letztere Bedingung mit der Sicherheit in
                              									Einklang bringen lieſs. Man entschied sich deshalb zunächst für das
                              									Zweischraubensystem, um gegen die Folgen eines Maschinenbruches geschützt zu sein.
                              									Um aber auch den Gefahren eines Zusammenstoſses möglichst vorzubeugen, entschloſs
                              									man sich, abweichend von der bisher üblichen Bauweise, das oben genannte Schiff
                              									durch wasserdichte Querschotte in so viele Einzelräume zu theilen, daſs dasselbe
                              									auch in dem Falle noch nicht sinkt, daſs sich zwei benachbarte Abtheilungen mit
                              									Wasser füllen, eine Möglichkeit, die dann eintreten könnte, wenn das Schiff gerade
                              									an der Stelle eines seiner Schotte angerannt wird; ja man stellte sich sogar die
                              									Aufgabe, selbst unter diesen Umständen die Reise noch fortsetzen zu können. Die
                              									Erfüllung dieser Bedingung ist besonders schwierig und erfordert zunächst, daſs die
                              									Kessel in drei durch Schotte vollständig von einander getrennten Räumen aufgestellt
                              									sind. Sollte in Folge eines Zusammenstoſses das zwischen zwei Kesselräumen liegende
                              									Schott verletzt werden, so würde bei einer derartigen Anordnung also immer noch ein
                              									Kesselraum unversehrt bleiben und das Schilf noch mit einem Drittel seiner
                              									Kesselkraft weiterdampfen können. Aber auch die beiden neben einander liegenden
                              									Maschinen sind durch ein wasserdichtes Längsschott von einander getrennt, so daſs im
                              									Falle eines den Maschinenraum beschädigenden Zusammenstoſses immer noch eine
                              									Maschine betriebsfähig bleibt.
                           Um diesen hohen Anforderungen genügen zu können, sah man sich genöthigt, dem Schiffe
                              									im Ganzen elf wasserdichte Querschotte und ein Längsschott zu geben, bei welchen die
                              									sonst üblichen wasserdichten Thüren unterhalb des Hauptdecks gänzlich vermieden
                              									sind. Von jedem einzelnen durch die Schotte gebildeten Raume führen bequeme Treppen
                              									nach dem Oberdeck.
                           Ein sich über den gröſsten Theil der Schiffslänge erstreckender Doppelboden
                              									vervollständigt noch die constructiven Sicherheitsmaſsregeln und verhindert das Leckwerden
                              									des Schiffes selbst, wenn bei etwaigem Grundstoſse der äuſsere Schiffsboden
                              									beschädigt werden sollte.
                           Es sind demnach alle Mittel, welche die neuere Technik an die Hand gibt, um einen
                              									Dampfer „unsinkbar“ zu machen, in so vollständiger Weise zur Anwendung
                              									gelangt, wie das bis jetzt nur noch bei dem jüngst in Fahrt gesetzten Dampfer City of New York geschehen ist. Auſserdem hat man auch
                              									noch mächtige Dampfpumpen vorgesehen, welche in der Minute die ganz bedeutende Menge
                              									von 36t bezieh. 360hl Wasser fördern können. Die Pumpen würden daher im Stande sein, das
                              									Schiff, wenn es sich überhaupt jemals ganz mit Wasser füllen könnte, innerhalb 4,5
                              									Stunden wieder leer zu pumpen.
                           Die unter Deck befindlichen Personenaufenthaltsräume sind durchgehends hell, luftig
                              									und geräumig und es ist auſserdem eine gröſsere Anzahl von Drawing-rooms mit anstoſsendem Schlafgemach vorhanden, die einen
                              									angenehmen Aufenthalt gewähren, falls die betreffenden Mitfahrenden sich von der
                              									übrigen Gesellschaft zurückzuziehen wünschen. Der groſse Salon befindet sich im
                              									Vordertheile des groſsen Deckshauses, welches sich über den gröſsten Theil der
                              									Schiffslänge auf dem Oberdeck erstreckt und über welchem sich das Promenadendeck
                              									ununterbrochen in einer Länge von 96m ausdehnt.
                              									Der Salon für die Passagiere II. Klasse ist im hinteren Theile dieses Deckshauses,
                              									welches auſser einer Reihe von Personenunterkunftsräumen noch die erforderlichen
                              									Räume für die Officiere enthält. Auf dem Promenadendeck sind in besonderen Häusern
                              									noch der Damensalon I. Klasse, das Musikzimmer, der Rauchsalon I. und II. Klasse,
                              									der Damensalon II. Klasse und einige Personenunterkunftsräume untergebracht. Ein
                              									kleinerer und besonders elegant ausgestatteter Damensalon I. Klasse ist im
                              									Vordertheile des Hauptdeckes angeordnet.
                           Alle Salons, Treppenhäuser und Vorplätze sind nach den Plänen des Architekten Poppe in Bremen mit der ausgesuchtesten Eleganz und dem
                              									gröſsten Luxus ausgestattet, von dem man sich ein schwaches Bild machen kann, wenn
                              									man sich vergegenwärtigt, daſs für die Ausschmückung der Räume allein eine Summe von
                              									220000 M. ausgegeben ist. Zur Ausführung der behufs Ausschmückung der Räume
                              									reichlich verwendeten Gemälde wurden nur hervorragende Künstler herangezogen und
                              									nichts ist gespart worden, um die Ausstattung zu einer wahrhaft glänzenden zu
                              									machen, deren Wirkung noch gesteigert werden wird, wenn das nach den bewährtesten
                              									Systemen eingerichtete elektrische Licht seinen Glanz über das Ganze ausströmt.
                           Auch die Zwischendeckseinrichtung ist insofern wesentlich vervollkommnet, als die
                              									Mitfahrenden nicht wie gewöhnlich in einem groſsen Raume, sondern in einzelnen
                              									Kammern in Gruppen von 12 bis 18 Personen untergebracht werden.
                           Der Lüftung der verschiedenen Schiffsräume, dieser für einen groſsen Dampfer so überaus wichtigen
                              									Einrichtung, ist die gröſste Aufmerksamkeit zugewendet worden. Die Decks, auf
                              									welchen sich die Personenunterkunftsräume befinden, werden nicht nur durch sehr
                              									reichlich bemessene Luft- und Lichtschachte, welche man selbst bei schlechtem Wetter
                              									offen halten kann, gelüftet, sondern es sind auſserdem noch 38 mechanische Lüfter
                              									vorhanden, welche jeder einzeln durch eine besondere kleine elektrische Maschine von
                              									einem durch Dampf betriebenen groſsen Elektricitätserzeuger in Gang gesetzt
                              									werden.
                           Neben den für Unterbringung und Bequemlichkeit der Mitfahrenden bestimmten
                              									Einrichtungen nehmen in besonderem Grade die maschinellen Anlagen die Aufmerksamkeit
                              									in Anspruch, welche in Bezug auf ihre Gröſse nur unbedeutend, in ihrer
                              									Vollkommenheit indeſs noch bei keinem der vorhandenen Dampfer übertroffen worden
                              									sind.
                           Wie bereits erwähnt, erhält das Schiff zu seiner Fortbewegung zwei von einander
                              									unabhängig arbeitende dreicylindrige Expansionsmaschinen, welche eine Gesammtkraft
                              									von 13000  entwickeln. Jede dieser Maschinen hat einen Hochdruckcylinder von
                              										1050mm, einen Mitteldruckcylinder von 1700mm und einen Niederdruckcylinder von 2700mm Durchmesser, bei einem Hube von 1600mm. Die Oberflächencondensatoren werden durch vier
                              									mächtige Centrifugalpumpen, deren jede ein Auswurfrohr von 400mm Durchmesser besitzt, mit dem erforderlichen
                              									Kühlwasser gespeist, erhalten sechs durch besondere Maschinen bewegte Luftpumpen und
                              									besitzen im Ganzen 7800 Rohre von je 3m,8 Länge.
                              									Sämmtliche Condensatorrohre zusammengenommen besitzen also eine Länge von 29640m, gleich fast 4 deutschen Meilen.
                           Damit man sich eine Vorstellung von den riesigen Abmessungen der Maschinen zu machen
                              									im Stande ist, sei erwähnt, daſs der Durchmesser der Kurbelwellen 500mm und das Gewicht jeder einzelnen dieser Wellen
                              										45t oder 900 Centner beträgt. Diese Wellen
                              									sowohl, als auch die beiden Schraubenwellen, deren jede ein Gewicht von 820 Centner
                              									besitzt, geben zugleich ein beredtes Zeugniſs von der Leistungsfähigkeit der
                              									deutschen Stahlindustrie. Das Gewicht eines der groſsen Dampfcylinder beträgt 32t und das Gesammtgewicht beider Maschinen rund
                              										1000t oder 20000 Centner, wovon allein 1200
                              									Centner auf die kupfernen Dampf- und Pumpenrohre kommen.
                           Der zum Betriebe erforderliche Dampf wird in acht groſsen Kesseln erzeugt, die im
                              									Ganzen mit 48 Feuerungen versehen sind und in drei Schornsteinen von je 3m,4 oder 11 Fuſs Durchmesser münden. Das
                              									Gesammtgewicht der Kessel beträgt 508t oder 10160
                              									Centner. Von der Kohlenmenge, welche diese acht Kessel verschlucken, kann man sich
                              									am besten eine Vorstellung machen, wenn man den Kohlenvorrath, den das Schiff für
                              									eine Reise von Hamburg nach New York einzunehmen hat, in Eisenbahnwagenladungen
                              									ausdrückt. Es sind danach 240 Ladungen erforderlich, um diese Menge zu befördern:
                              									das entspricht einem Eisenbahnzuge von 1,5 bis 2km Länge,
                              									zu dessen Fortbewegung 5 bis 6 Locomotiven erforderlich sind.
                           Insgesammt sind 42 Dampfmaschinen mit zusammen 82 Dampfcylindern auf dem Fahrzeuge
                              									thätig. 22 Maschinisten und 80 Heizer bilden die Betriebsmannschaft. –
                           Genaue Abbildungen des Zwillingsschraubenbootes Normannia der Hamburger
                                 										Packetfahrt-Gesellschaft finden sich im Engineering, 1890 * S. 248.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)