| Titel: | Ueber den Wärmeaustausch zwischen Dampf und Metall eincylindriger Dampfmaschinen. | 
| Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 229 | 
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                        Ueber den Wärmeaustausch zwischen Dampf und
                           								Metall eincylindriger Dampfmaschinen.
                        Ueber den Wärmeaustausch zwischen Dampf und Metall eincylindriger
                           								Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           Um den Einfluss des Wärmeaustausches zwischen Dampf und dem Metall der Cylinderwände
                              									auf den Dampfverbrauch festzustellen, sind bereits seit längerer Zeit zahlreiche
                              									theoretische und praktische Untersuchungen von hervorragenden Fachmännern angestellt
                              									worden, unter denen die bezüglichen Veröffentlichungen von Dwelshauvers-Dery, Fliegner, Grashof, Hirn, Kirsch, Unwin, Willans und Zeuner in erster Linie zu nennen sind.
                              									Nichtsdestoweniger ist es noch nicht gelungen, die im Inneren eines Dampfcylinders
                              									vor sich gehenden Erscheinungen vollständig klarzulegen, weshalb E. Cavalli, Professor der Ingenieurschule zu Rom, vor
                              									Kurzem, allerdings unter Zugrundelegung verschiedener Annahmen, über die hier in
                              									Betracht kommenden Wärmebewegungen weitere theoretische Untersuchungen anstellte,
                              									welche, in Revue universelle des mines, 1890 S. 280,
                              									veröffentlicht, das über diese wichtige Frage bereits vorhandene Material um einen weiteren Beitrag
                              									bereichern.
                           Denkt man sich einen homogenen festen Körper von unbestimmter Dicke, welcher auf der
                              									einen Seite von einer ebenen Fläche (α) begrenzt ist,
                              									und nimmt man an, dass diese Fläche in Folge steter Wärmezufuhr eine constante
                              									Temperatur beibehält, so lässt sich, da die Wärme nach und nach in die Masse des
                              									Körpers eindringt, die Temperatur irgend einer Schnittfläche (μ) parallel zur Endfläche (α) unter Benutzung der von Cauchy auf Grund
                              									vorausgegangener Untersuchungen von Laplace und Fourier aufgestellten Formel berechnen.
                           Bezeichnet
                           
                              
                                 c, k0 und γ
                                 bezieh. die specifische Wärme, das Wärme-leitungsvermögen und das
                                    											Gewicht des Körpersfür den Cubikmeter in Kilo;
                                 
                              
                                 ϑ
                                 die anfängliche gleichmässige Temperaturin der ganzen Masse;
                                 
                              
                                 
                                    y
                                    
                                 die Temperatur der Schnittfläche μ nach
                                    											einerZeit von z Stunden, gezählt vom
                                    											ersten Augen-blicke der Erwärmung an;
                                 
                              
                                 
                                    t
                                    
                                 die Temperatur, auf welche die Fläche α
                                    											durchstete Wärmezufuhr erhalten wird (ϑ, y
                                    											und tin Graden nach Celsius);
                                 
                              
                                 
                                    x
                                    
                                 die Entfernung der beiden Flächen μ und αin Meter;
                                 
                              
                           und setzt man ausserdem
                           \varphi=x:2\,\sqrt{\frac{k_0\,.\,z}{c\,\gamma}},\
                                 										L=\frac{2}{\sqrt\pi}\int\limits^\varphi_0l^{-\varphi^2}\,.\,d\,\varphi
                              									. . . (1)
                           so ist nach der Formel von Cauchy
                           y-\vartheta=(t-\vartheta)\,(1-L) . . . . . . .
                              									(2)
                           Das Integral L, bekannt unter dem Namen des Integrals
                              									von Laplace, lässt sich innerhalb endlicher Zeiten
                              									nicht auf irgend welche Formen bringen, da es weder in Reihen noch in fortgesetzten
                              									Brüchen entwickelt werden kann. In Anbetracht seiner grossen Bedeutung für
                              									wissenschaftliche Beobachtungen hat man deshalb numerische Tafeln aufgestellt, unter
                              									denen diejenigen von Meyer (Vorlesungen über Wahrscheinlichkeitsrechnung, Leipzig 1879, S. 545) die
                              									Werthe dieses Integrals bis zur siebenten Decimalstelle angeben.
                           Man findet hier, für \varphi=2,30,
                           L=0,9988568, woraus
                              										1-L=0,0011432,
                           und erhält, wenn t-\vartheta=100^{\circ}\
                                 										\mbox{C.} gesetzt wird,
                           y=\vartheta+0,11432^{\circ}.
                           Setzt man für \varphi=2,30 mit genügender Annäherung
                              										y=\vartheta, so ergibt sich der entsprechende Werth für
                              										x=\delta aus
                           \delta=4,60\,\sqrt{\frac{k_0}{c\,\gamma}\,z} . .
                              									. . . (3)
                           Diese Entfernung δ bestimmt die Lage derjenigen Fläche
                              									des Körpers, in welcher sich die während der Zeit z
                              									fortgepflanzte Wärmemenge q' aufhält.
                           Der algebraische Ausdruck für die Wärmemenge q' lässt
                              									sich leicht ermitteln. Betrachtet man in dem Körper ein gerades Prisma von 1 qm
                              									Grundfläche und einem Gewichte von y . dx Kilo, welches zwischen den Flächen μ und μ' von unendlich
                              									kleiner Entfernung gelegen ist, so erhält man die der Temperaturzunahme y – ϑ entsprechende Anzahl von Calorien zu:
                           
                              d\,q'=\gamma\ .\ c\,(y-\vartheta)\,d\,x
                              
                           und für die gesammte während der Zeit z in das Innere des Körpers übergeströmte Wärmemenge
                              										q' für den Quadratmeter der Fläche α:
                           
                              q'=c\,\gamma\int\limits^\delta_0\,(y-\vartheta)\,d\,x=c\,\gamma\,(t-\vartheta)\int\limits^\delta_0\,(1-L)\,d\,x\
                                 										\mbox{Calorien.}
                              
                           Diese Wärmemenge q' lässt sich auch geometrisch
                              									darstellen. Denkt man sich durch den Körper, rechtwinklig zur Fläche α, eine Gerade x und durch
                              									diese eine Fläche π gelegt, welche die Flächen α und μ in den Geraden a und m schneidet, trägt
                              									von der Geraden x auf m
                              									das Stück M0M = (t – ϑ) (1 – L),
                              									dessen Grösse sich mit Hilfe der Tabellen von Meyer
                              									ermitteln lässt, auf, so gehört das äusserste Ende M
                              									dieses Abschnittes einer Curve an, deren einzelne Punkte man erhält, indem man der
                              									Grosse x verschiedene Werthe innerhalb der Grenzen 0
                              									bis δ beilegt. Diese in der Fläche π liegende Curve bildet mit der Grundlinie x und der Geraden a eine
                              									Fläche, deren Grösse sich nach der Simpson'schen Regel
                              									bestimmen lässt. Man erhält:
                           
                              F=(t-\vartheta)\int\limits^\delta_0\,(1-L)\,d\,x=0,2452\,(t-\vartheta)\,\delta
                              
                           also
                           
                              q'=0,2452\,(t-\vartheta)\,\delta\,.\,c\,.\,\gamma
                              
                           und unter Berücksichtigung der Gleichung (3)
                           q'=1,128\,(t-\vartheta)\,\sqrt{k_0c\,.\,\gamma\,.\,z} . . .
                              									. . . (4)
                           Die vorstehende Entwickelung beruht auf der Annahme, dass die Temperatur der Fläche
                              										α constant ist; dies ist in Wirklichkeit nicht der
                              									Fall, da dieselbe ursprünglich die Temperatur ϑ besitzt, welche erst allmählich in
                              									Folge von Wärmezufuhr nach z Stunden in die Temperatur
                              										t übergeht. Es lässt sich demnach die in das Innere
                              									des Körpers übergeströmte Wärmemenge nur annähernd nach Gleichung (4) bestimmen und
                              									es wird sich der genaue Werth derselben, den wir mit q
                              									bezeichnen wollen, etwas niedriger stellen, als aus der genannten Gleichung
                              									hervorgeht. Wie aber auch immer der Werth von q
                              									ausfallen mag, so muss man doch zugeben, dass die Temperatur der Fläche α während eines der Zeit z
                              									folgenden kurzen Zeitaugenblickes dz den constanten
                              									Werth t beibehält, und erhält daher stets
                           d\,q=d\,q'=\frac{(t-\vartheta)\,\sqrt{k_0\,c\,\gamma}}{1,773\,\sqrt{z}}\,d\,z
                              									. . . . . (5)
                           Andererseits folgt nach dem Newton'schen Gesetz, wenn T
                              									die constante Temperatur der zugeführten Wärme und k
                              									das äussere Wärmeleitungsvermögen bezeichnet:
                           d\,q=k\,(T-t)\,d\,z . . . . . (6)
                           Eliminirt man den Werth \frac{dq}{dz} aus Gleichung (6) und setzt
                              									denselben in Gleichung (5) ein, so erhält man nach Transformation:
                           
                              t=\frac{1,773\,k\,.\,T\sqrt{z}+\vartheta\sqrt{k_0\,c\,\gamma}}{1,773\,k\sqrt{z}+\sqrt{k_0\,c\,\gamma}}
                              
                           und setzt man
                           
                              \frac{1,773\,k}{\sqrt{k_0\,c\,\gamma}}=\a_0
                              
                           so erhält man die sehr einfache Formel:
                           t=T-\frac{T-\vartheta}{a_0\sqrt{z}+1} . . . . .
                              									. . (7)
                           aus welcher sich die Temperatur der Fläche α am Ende derjenigen Zeit z
                              									bestimmen lässt, innerhalb welcher sie der Einwirkung der Wärmequelle ausgesetzt
                              									war.
                           Für Schmiedeeisen und mit genügender Annäherung auch für Gusseisen kann man
                              										\sqrt{k_0\,c\,\gamma}=226,5 setzen (hierbei ist c=
                                 										0,113,\ k_0=58,82 und \gamma=7730 angenommen);
                              									demnach
                           a_0=0,00783\ k . . . . . . (8)
                           Hieraus lässt sich nun leicht der genaue Werth für die während der Zeit z in den Körper für das Quadratmeter erwärmter Fläche
                              									übergeströmte Wärmemenge berechnen. Man erhält:
                           
                              q=k\int\limits^z_0\,(T-t)\,d\,z
                              
                           
                              =\frac{2\,k}{a_0}\,(T-\vartheta)\,\left\{\sqrt{z}-\frac{1}{a_0}\ log\
                                 										nat\,(a_0\sqrt{z}+1)\right\}
                              
                           oder mit Berücksichtigung des Werthes der Constanten a0:
                           q=255,5\,(T-\vartheta)\,\left\{\sqrt{z}-\frac{1}{a_0}\
                                 										log\ nat\,(a_0\sqrt{z}+1)\right\} . . . (9)
                           Wir wollen nun dazu übergehen, das Vorgehende auf die mit Expansion und Condensation
                              									arbeitenden eincylindrigen Dampfmaschinen in Anwendung zu bringen.
                           In dem Cylinder einer derartigen Maschine findet bei jedem Hube die Einströmung
                              									frischen Dampfes auf derjenigen Seite statt, welche beim vorausgegangenen Hube mit
                              									dem Condensator in Verbindung stand; beim Beginne der Dampfeinströmung ist die
                              									Temperatur dieser Seite gleich oder nur wenig höher als diejenige des Wasser- und
                              									Dampfgemisches, welches in den Condensator übergetreten ist. Der mit einer höheren
                              									Temperatur vom Kessel ankommende Dampf verliert deshalb beim Eintritte in den
                              									Cylinder einen Theil seiner latenten Wärme und erwärmt die Wandungen, mit denen er
                              									in Berührung kommt. Wenn dieser Dampf gesättigt ist, so erfolgt eine theilweise
                              									Condensation, welche mit derjenigen in den Dampfzuleitungsrohren und dem
                              									Schieberkasten zusammen das auf den mittels Indicator abgenommenen Diagrammen
                              									ersichtliche Sinken der Dampfspannung verursacht.
                           Beim Beginne der Einströmung steht das in den schädlichen Räumen eingeschlossene
                              									kleine Dampfvolumen mit verhältnissmässig grossen Oberflächen in Berührung und der
                              									energische Wärmeaustausch zwischen Dampf und Mantel verursacht eine nicht
                              									unbeträchtliche Condensation; in dem Masse jedoch, als der Kolben mit zunehmender
                              									Geschwindigkeit seinen Hub zurücklegt, wird der Wärmeaustausch theils wegen des
                              									allmählichen Warmwerdens der Wandungen, theils wegen der Abnahme des zwischen
                              									Oberfläche und eingetretenen Dampfvolumens anfänglich bestehenden Verhältnisses
                              									geringer, hört jedoch während der ganzen Einströmperiode nicht auf, in ein und
                              									derselben Richtung vor sich zu gehen.
                           Der Cylinderdeckel, die vordere Kolbenflüche, sowie die Innenfläche des schädlichen
                              									Raumes bleiben während der ganzen Dauer der Einströmung mit dem Dampfe in
                              									beständiger Berührung, und es wird ihre Gesammtwirkung für die Flächeneinheit
                              									jedenfalls eine andere sein als diejenige der erst im Verlaufe der Kolbenbewegung
                              									allmählich mit dem Dampfe in Berührung kommenden inneren Mantelfläche des Cylinders.
                              									Deshalb ist es behufs Ermittelung der übergeströmten Wärmemenge erforderlich, eine
                              									Transformation der Gleichungen (7) und (9) vorzunehmen.
                           Die Zeit z, gerechnet als Bruchtheil einer Stunde,
                              									welche der Kolben aus der Anfangsstellung zum Durchlaufen eines beliebigen Theiles
                              									seines Hubes braucht, lässt sich auch durch den Winkel α, um welchen sich die Kurbel von ihrer Todtpunktlage aus gedreht hat, und
                              									die Anzahl der minutlichen Umdrehungen der Schwungradwelle ausdrücken. Man hat
                           
                              z=\frac{\alpha}{120\,\pi\,u}
                              
                           Setzt man ausserdem
                           a=\frac{a_0}{\sqrt{120\,\pi\,n}}=0,0004\,\frac{k}{\sqrt{u}}
                              									. . . . . (10)
                           so gehen die Gleichungen (7) und (9) über in:
                           t=T-\frac{T-\vartheta}{a\sqrt{\alpha}+1} . . . .
                              									. (11)
                           und
                           q=13,158\,\frac{T-\vartheta}{\sqrt{n}}\,\left\{\sqrt\alpha-\frac{1}{a}\
                                 										log\ nat\,(a\sqrt\alpha+1)\right\} . . . (12)
                           in denen T die Temperatur des
                              									Einströmdampfes und ϑ die Temperatur der Wand beim Beginne der Einströmung
                              									bezeichnet.
                           Die für das Quadratmeter erwärmter Fläche ermittelte Wärmemenge q dringt in die Wandungen bis auf eine Dicke d derselben, deren Werth in Meter sich aus Gleichung
                              									(3) ermitteln lässt.
                           Setzt man
                           \sqrt{\frac{k_0}{c\,\gamma}}=0,26, so wird
                              										\delta=0,06\,\sqrt{\frac{\alpha}{n}}
                           Arbeitet die Maschine mit Volldruck, ohne Expansion, so wird
                           \alpha=\pi und
                              										\delta=\frac{0,106}{\sqrt{n}}
                           Diese Tiefe fällt hiernach um so geringer aus, je grösser n ist, und wird nie die äussere Fläche des Cylinders erreichen, solange
                              									dessen Wandstärke nicht unverhältnissmässig dünn ist.
                           Der Wärmeaustausch an der inneren Cylinderfläche, welche nur allmählich beim
                              									Vorwärtsschreiten des Kolbens mit dem Dampfe in Berührung kommt, ist natürlich
                              									geringer, als wenn der letztere bereits vom ersten Augenblicke des Kolbenhubes an
                              									mit der während der Einströmperiode erst nach und nach frei werdenden Fläche in
                              									Berührung gewesen wäre.
                           
                              (Schluss folgt.)