| Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. | 
| Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 260 | 
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                        Ueber Fortschritte in der
                           								Spiritusfabrikation.
                        (Patentklasse 6. Fortsetzung des Berichtes S. 235
                           								d. Bd.)
                        Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
                        
                     
                        
                           II) Versuche in der Brennerei zu Siegersleben. Diese
                              									Brennerei arbeitet unter sehr günstigen Verhältnissen, ist vorzüglich geleitet und
                              									gewinnt auch ohne Flusssäure aussergewöhnlich hohe Ausbeuten. Es liegt also hier
                              									derselbe Fall als in Falkenrehde (vgl. 1890 277 80) vor,
                              									wo es auch nicht gelungen war, die Ausbeuten durch die Anwendung der Flusssäure zu
                              									steigern. Auch in Siegersleben blieb die Flusssäure wirkungslos, nur die günstige
                              									Einwirkung auf den Säuerungsprocess ist auch hier deutlich zu bemerken, aber sie
                              									hält sich doch nur innerhalb sehr enger Grenzen, wie folgende Zahlen zeigen:
                           Es wurden verbraucht Cubikcentimeter Normalnatron:
                           
                              
                                 
                                 
                                 Süsse Maische
                                 Saure Maische
                                 Säurezunahme
                                 
                              
                                 Ohne
                                 Flusssäure
                                 0,56
                                 1,05
                                 0,49
                                 
                              
                                 Mit
                                 „
                                 0,68
                                 0,88
                                 0,20
                                 
                              
                           Die Säurezunahme in der sehr gut geleiteten und unter günstigen Verhältnissen
                              									arbeitenden Brennerei zu Siegersleben war überhaupt eine so geringe, dass durch die
                              									Eindämmung derselben nicht viel erwartet werden konnte. Wir gewinnen also aus diesen
                              									Versuchen das Resultat, dass die Flusssäure in einer sehr gut geleiteten und unter
                              									günstigen Verhältnissen arbeitenden Brennerei bemerkbare Erfolge nicht aufzuweisen
                              									hat.
                           III) Versuche in der Brennerei zu Hadmersleben. Hier
                              									waren die Verhältnisse für die voraussichtliche Wirksamkeit der Flusssäure bei
                              									weitem günstiger, denn es wurde ein Kartoffelmaterial verarbeitet, wie es schlechter
                              									nicht gedacht
                              									werden konnte. Ausserdem erstreckte sich ein Theil der Versuche weit in den Sommer
                              									hinein. Bei der ersten Versuchsreihe vom 1. bis 14. April fanden zu Ende
                              									verschiedene Betriebsstörungen statt, so dass nur die Versuche bis zum 8. April als
                              									einwandsfrei zu bezeichnen sind. Diese gaben im Mittel folgende Resultate:
                           
                              
                                 
                                 Mit Flusssäure
                                 Ohne Flusssäure
                                 
                              
                                 Vergährung, Sacch.-Grad.
                                 1,93
                                 1,87
                                 
                              
                                 Säure, Cubikcentimeter Nor-    malnatron
                                 1,06
                                 1,96
                                 
                              
                                 Alkoholausbeute, Proc.
                                 9,61
                                 8,29
                                 
                              
                           Nach Beseitigung der Betriebsmängel wurden die Versuche in einer zweiten Reihe vom 5.
                              									bis 9. Juni wiederholt und dabei folgende Durchschnittswerthe gefunden:
                           
                              
                                 
                                 MitFlusssäure
                                 OhneFlusssäure
                                 Mehr durchFlusssäure
                                 
                              
                                 Vergährung, Sacch.-Grad
                                 2,2
                                 2,4
                                 + 0,2
                                 
                              
                                 Säure, Cubikcentimeter    Normalnatron
                                 0,92
                                 2,13
                                 – 1,21
                                 
                              
                                 Alkoholausbeute, Proc.
                                 9,73
                                 8,85
                                 + 0,88
                                 
                              
                           Diese Zahlen, welche als einwurfsfrei angesehen werden können, zeigen mit
                              									Deutlichkeit, dass die Flusssäure unter schwierigen Verhältnissen der Brennerei von
                              									einem sehr grossen und sicheren Nutzen werden kann. Die antiseptische Wirkung,
                              									welche die Säure ausübt, wird überall da von Nutzen sein, wo es schwer oder
                              									unmöglich ist, der Säuerung auf anderem Wege Herr zu werden, und in diesem Sinne hat
                              									die Flusssäure in der Brennerei voraussichtlich eine nicht zu verachtende
                              									Zukunft.
                           IV) Gährversuche im Kleinen mit und ohne Flusssäure. 1)
                              										Versuche mit Mais. 2 k grob geschrotener Mais
                              									wurden in einem für Laboratoriumszwecke eingerichteten Henze'schen Apparat kunstgemäss gedämpft, ausgeblasen und mit 200 g
                              									Darrmalz verzuckert. Von der so gewonnenen und auf etwa 18° abgekühlten Maische wog
                              									man in zwei etwa 6 l fassende Glasnaschen je 3 k, nach dem Zusatz von 25 g Presshefe
                              									auf die ganze Masse, ab. Eine dieser Portionen wurde sodann mit 7,5 cc 5procentiger
                              									Flusssäure versetzt, während die andere ohne einen Flusssäurezusatz blieb. Beide
                              									Maischen wurden zunächst bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen. Nach 12
                              									Stunden brachte man sie in ein grosses Wasserbad, dessen Temperatur auf 30° gehalten
                              									wurde. Um ein ungefähres Bild über den Verlauf der Gährung zu erhalten, wurde der
                              									Kohlensäureverlust durch Wägen der Flaschen nach je 12 Stunden festgestellt. Die
                              									fertig angestellte Maische enthielt 11,13 Proc. Dextrosewerth, wovon 8,34 Proc.
                              									Maltose waren, demnach waren vorhanden 20,2 Proc. Dextrin und 79,8 Proc. Maltose.
                              									Die Kohlensäureentwickelung nahm folgenden Verlauf:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 MitFlusssäure
                                 OhneFlusssäure
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 g CO2
                                 g CO2
                                 
                                 
                              
                                 nach
                                 12
                                 Stunden
                                   14
                                 26
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 24
                                 „
                                   87
                                 81
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 36
                                 „
                                   17
                                   1
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 48
                                 „
                                     2
                                 –
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                                 
                              
                                 Summa
                                 120
                                 108 g
                                 Kohlensäureverlust,
                                 
                              
                                 entsprechend
                                    245,5
                                    220,9 g
                                 vergohr. Dextrose.
                                 
                              
                           Die Gährung der nicht mit Flusssäure versetzten Maische war also im Anfang derjenigen
                              									der mit Flusssäure versetzten vorausgeeilt, bald aber hatte die Flusssäuremaische
                              									das Versäumte nachgeholt und trat nun in eine gleichmässige und stete Nachgährung
                              									ein, während die Gährung in der nicht mit Flusssäure versetzten Maische längst
                              									beendet war. Dieselbe Erscheinung tritt übrigens auch regelmässig bei den Maischen
                              									der Praxis ein, denn die mit Flusssäure versetzten Maischen erwärmen sich zuerst
                              									bemerkbar langsamer und die Hauptgährung beginnt in ihnen einige Stunden
                              									später. Ueberhaupt verläuft die Hauptgährung in den mit Flusssäure versetzten
                              									Maischen nicht so stürmisch, sondern stetiger und gleichmässiger, was im Interesse
                              									der Ausnutzung des Maischraumes nur von Vortheil sein kann.
                           Die übrigen Verhältnisse der beiden kleinen Maismaischen waren folgende:
                           
                              
                                 
                                 Mit Flusssäure
                                 Ohne Flusssäure
                                 
                              
                                 Maltose, unvergohren, Proc.
                                   0,49
                                   0,35
                                 
                              
                                 Dextrin,          „              „
                                   1,32
                                   2,36
                                 
                              
                                 Sacch.-Grad
                                 1,0
                                 1,7
                                 
                              
                                 Säure, Cubikcentimeter Nor-    malnatron
                                   0,48
                                   1,72
                                 
                              
                                 Alkohol, Proc.
                                   5,57
                                   4,88
                                 
                              
                           Beide Maischen enthielten nach der Gährung noch wirksame Diastase, aber die Menge
                              									derselben war, nach der Schnelligkeit der Verflüssigung von Stärkekleister zu
                              									urtheilen, in der Maische mit Flusssäure eine sehr viel grössere. Der bessere
                              									Ausfall des Versuches mit Flusssäure im Vergleich zu dem ohne Flusssäure ist in die
                              									Augen fallend, denn derselbe spricht sich in einer weit geringeren Säuerung, sowie
                              									auch in einer besseren Vergährung und einer beidem entsprechenden höheren
                              									Alkoholausbeute aus. – Dieselben Resultate wurden bei einem Controlversuch erhalten,
                              									bei welchem eine etwas concentrirtere Maische mit weniger Hefe angesetzt wurde.
                           2) Versuche mit Darrmalz. Diese Versuche wurden
                              									ausgeführt, da erfahrungsmässig Maischen aus reinem Malz sehr schlecht vergähren und
                              									eine mangelhafte Alkoholausbeute liefern, während ein Zusatz von Flusssäure
                              									dieselben nach Effront ebenso gut vergährbar machen
                              									soll als die Maischen aus anderen Materialien. Es wurden 2 k Darrmalz mit 2 bis 3 l
                              									Wasser bei 55° digerirt; man wusste sehr wohl, dass man bei dieser Temperatur
                              									keineswegs eine vollkommene Lösung der Stärke des Malzes erreichen würde, aber man
                              									wählte die niedrige Zuckerbildungstemperatur, um die etwa vorhandenen
                              									gährungsstörenden Organismen nicht vollständig abzutödten, sondern der Flusssäure
                              									diese Arbeit zu überlassen. Der Erfolg war denn auch, dass man eine Maische mit nur
                              									7 Proc. Dextrosewerth erhielt, während eine grosse Stärkemenge unaufgeschlossen
                              									geblieben war. Die erzielte Alkoholausbeute war aber viel höher, als nach der
                              									Dextrose zu erwarten war, so dass während der Gährung eine Menge Stärke gelöst sein
                              									musste. Zur Gährung wurden je 2 k mit 10 g Presshefe für 1 k angestellt und eine der
                              									Maischen mit 5 g 5procentiger Flusssäure versetzt. Der Verlauf der Erscheinungen war
                              									folgender:
                           
                              
                                 Kohlensäureentwickelung
                                 Mit Flusssäure
                                 Ohne Flusssäure
                                 
                              
                                 nach
                                 12
                                 Stunden
                                   29 g
                                 29 g
                                 
                              
                                 „
                                 24
                                 „
                                   63 g
                                 50 g
                                 
                              
                                 „
                                 36
                                 „
                                   17 g
                                  –  g
                                 
                              
                                 „
                                 48
                                 „
                                     2 g
                                  –  g
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summa
                                 111 g
                                         79 g CO2.
                                 
                              
                           
                              
                                 Sacch.-Grad
                                 0,4
                                 0,9
                                 
                              
                                 Säure, Cubikcentimeter Normal-    natron
                                 0,68
                                 2,76
                                 
                              
                                 Alkohol, Proc.
                                 7,25
                                 4,35
                                 
                              
                           Hier ist die Säurezunahme in der zur Säuerung mehr geneigten Malzmaische auffallend
                              									viel grösser, wenn kein Flusssäurezusatz stattfand. Die Wirkung dieser grösseren
                              									Säurebildung spricht sich nun darin aus, dass die ohne Flusssäure vergohrene Maische
                              									auch nicht eine Spur von wirksamer Diastase enthielt, während die Diastase der
                              									Flusssäuremaische vollkommen kräftig geblieben war. Hierdurch konnte natürlich von der
                              									unaufgelösten Stärke des Malzes mehr während der Gährung invertirt werden als ohne
                              									den Flusssäurezusatz. Auch hier ergab der mit einer grösseren Concentration und
                              									geringeren Hefemenge ausgeführte Controlversuch dasselbe Resultat.
                           3) Versuche mit Darrmalz und Fluornatrium. Die Anwendung
                              									der freien Flusssäure bringt in Folge der Eigenschaften dieser Säure manche
                              									Unbequemlichkeiten mit sich, jedenfalls wäre die Anwendung der Salze sehr viel
                              									einfacher und angenehmer. Nach Effront sollen nun die
                              									Salze dieselbe antiseptische Wirkung haben wie die freie Säure. Zur Prüfung dieser
                              									Frage schloss der Verfasser noch einen dritten Versuch mit Darrmalz an, bei welchem
                              									10 g mit Natronlauge genau neutralisirte Flusssäure in Anwendung kamen. Es wurden
                              									folgende Zahlen erhalten:
                           
                              
                                 Kohlensäureentwickelung
                                 mit Flusssäure
                                 ohne Flusssäure
                                 
                              
                                 nach
                                 12
                                 Stunden
                                 150
                                 150
                                 
                              
                                 „
                                 24
                                 „
                                 120
                                   85
                                 
                              
                                 „
                                 36
                                 „
                                   13
                                     8
                                 
                              
                                 „
                                 48
                                 „
                                   15
                                     9
                                 
                              
                                 „
                                 60
                                 „
                                     1
                                    –
                                 
                              
                                 „
                                 72
                                 „
                                     3
                                     1
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Summa
                                 302
                                             253 g CO2.
                                 
                              
                           
                              
                                 Vergohrene Dextrose
                                 617,56
                                 517,5
                                 
                              
                                 Sacch.-Grad
                                 0,43
                                 2,45
                                 
                              
                                 Unvergohrener Dextrosewerth,    Proc.
                                 1,21
                                 2,69
                                 
                              
                                 Säure, Cubikcentimeter Normal-    natron
                                 0,70
                                 3,50
                                 
                              
                                 Alkohol, Proc.
                                 10,75
                                 8,20
                                 
                              
                           Diese Zahlen beweisen, dass die mit Natronlauge genau neutralisirte Flusssäure gerade
                              									ebenso gut gewirkt hat, als dieselbe Flusssäuremenge in freiem Zustande. Dass das
                              									Fluornatrium als solches, d.h. ein vollkommen neutrales und indifferentes Salz, die
                              									Flusssäure nicht ersetzen kann, dürfte wohl mit Sicherheit anzunehmen sein, denn die
                              									antiseptische Wirkung kommt nur den Säuren im freien Zustande, nicht aber ihren
                              									Neutralsalzen zu, und wenn Fluornatrium ebenso antiseptisch wirkt wie die freie
                              									Flusssäure, so ist dies wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass die Säuren der
                              									Maischen im Stande sind, aus den Fluorverbindungen freie Flusssäure auszutreiben
                              									(vgl. 1890 277 80, wo Kruis
                              									die Ansicht ausspricht, dass sich die Flusssäure in der Maische nicht im freien
                              									Zustande befinden wird). Der Verfasser prüfte nun Essigsäure, Buttersäure,
                              									Milchsäure und Oxalsäure auf ihr Verhalten gegen das Fluornatrium und fand, dass
                              									dieselben sämmtlich glasätzend wirken, wenn man eine Lösung von Fluornatrium mit
                              									diesen Säuren mischt. Am stärksten ätzte von denselben die Oxalsäure, sodann die
                              									Milchsäure, aber auch Essigsäure und Buttersäure thaten dasselbe, wenn auch in etwas
                              									schwächerem Maasse. Diese Erscheinung ist natürlich nicht anders zu erklären, als
                              									dass Flusssäure durch die genannten Säuren in Freiheit gesetzt wird, und hiernach
                              									bietet die Erklärung, weshalb Fluornatrium ebenso gut wirkt wie die freie
                              									Flusssäure, keine Schwierigkeiten.
                           Der Verfasser bespricht zum Schluss noch einen Punkt, auf welchen Effront Gewicht legt. Der mit Flusssäure dargestellte
                              									Spiritus soll nämlich erheblich reiner sein, als der ohne Flusssäure gewonnene, weil
                              									die Verunreinigungen wesentlich durch die Nebengährungen, welche die Flusssäure
                              									unterdrückt, entstehen sollen. Diese Annahme hat eine gewisse Berechtigung, denn
                              									schon der Augenschein lehrt, dass die Flusssäure eine Wirkung in der Unterdrückung
                              									der durch Bakterien verursachten Nebengährungen hat; so liefert z.B. eine mit
                              									Flusssäure behandelte Maische beim Filtriren sogleich klare Filtrate, mit Fehling'scher Lösung ein reineres Kupferoxydul, mit
                              									Bleiessig geringere Niederschläge. Dass also durch den Flusssäurezusatz die Bildung
                              									von Nebenproducten eingeschränkt wird, ist nicht zu leugnen, aber es ist die Frage,
                              									ob diese Nebenproducte derart sind, dass sie den Geruch, Geschmack und vor allem den
                              									Rectificationswerth des gewonnenen Spiritus beeinflussen. Der Verfasser hat bei
                              									seinen Versuchen zahlreiche Destillate geprüft und dabei stets gefunden, dass der
                              									mit Flusssäure gewonnene Spiritus einen wesentlich reineren Eindruck macht.
                              									Eingehendere Untersuchungen zur Aufklärung dieser Seite der Frage behält der
                              									Verfasser sich für später vor.
                           Der Verfasser schliesst seine interessanten Mittheilungen mit folgenden Worten:
                              										„Wenn wir nunmehr einen Rückblick auf die erhaltenen Resultate werfen wollen,
                                 										so können die im Vorstehenden gegebenen Ausführungen keinen Anspruch darauf
                                 										machen, entscheidende zu sein, aber sie lassen doch so viel mit Sicherheit
                                 										erkennen, dass der Kern in der Anwendung des Flusssäure Verfahrens ein guter und
                                 											Effront's Beobachtungen richtig sind. In einer
                                 										ausgezeichnet geleiteten, mit den höchsten Erträgen arbeitenden Brennerei wird
                                 										man freilich durch dasselbe schwerlich etwas erreichen können, aber für weniger
                                 										gut geleitete, unter schwierigen Verhältnissen und mit mangelhaften Materialien
                                 										arbeitende Brennereien, vor allem aber für den Grossbetrieb von industriellen
                                 										Spiritusfabriken, welche jahraus, jahrein besonders in heisseren Gegenden
                                 										arbeiten, scheint mir das Effront'sche
                                 										Flusssäureverfahren mit seiner der Gährthätigkeit der Hefe unschädlichen,
                                 										antiseptischen Wirkung im höchsten Grade beachtenswerth zu sein.“
                           Wir kommen nun zu den Versuchen von Heinzelmann.
                              									Derselbe berichtet in der Zeitschrift für
                                 										Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 247, über die
                                 										Anwendung von Flusssäure in der Melassebrennerei zu Unseburg. Die Ausbeute
                              									war in dieser Brennerei durch Bakteriengährungen sehr heruntergekommen; es wurde in
                              									der reifen Maische ein Säuregehalt von 1,8 bis 2,4 gefunden. Ausser in einer
                              									gründlichen Reinigung glaubte der Verfasser nun das Heilmittel gegen die übermässige
                              									Säure in der Anwendung der Flusssäure finden zu können, seine Erwartungen wurden
                              									jedoch nicht so erfüllt, wie er es in Kartoffelbrennereien zu beobachten gewohnt
                              									war. Im Durchschnitt wurden folgende Zahlen erhalten:
                           
                              
                                 
                                 Mit Flusssäure
                                 Ohne Flusssäure
                                 
                              
                                 
                                 Saccharo-meter
                                 Säuregrade
                                 Alkohol-gehalt am4.
                                    											TageVol.-Proc.
                                 Saccharo-meter
                                 Säuregrade
                                 Alkohol-gehalt am4.
                                    											TageVol.-Proc.
                                 
                              
                                 nach dem Abstellen
                                 22,5
                                 0,5
                                 –
                                 22,8
                                   0,55
                                 –
                                 
                              
                                 am 2. Tage
                                 16,6
                                 0,8
                                 –
                                 14,2
                                 0,9
                                 –
                                 
                              
                                   „  3.    „
                                 12,4
                                 1,0
                                 –
                                 10,4
                                 1,2
                                 –
                                 
                              
                                   „  4.    „
                                   9,9
                                 1,1
                                 9,08
                                   8,7
                                 1,3
                                 9,73
                                 
                              
                           Es trat also eine Verlangsamung der Gährung durch die Flusssäure ein, doch konnte
                              									Verfasser in keinem Falle constatiren, dass die mit Flusssäure versetzten Maischen
                              									am dritten Tage der Gährung die rückständige Zuckermenge zu vergähren nachgeholt
                              									hätten. Auch die Wirkung auf die Säurezunahme war nicht so günstig, wie auch
                              									Verfasser sie bei Kartoffelmaischen beobachtet hat. Der Verfasser kommt zu dem
                              									Schluss, dass in der Anwendung der Flusssäure für Melassebrennereien nach den
                              									Ergebnissen seiner
                              									Versuche und solange wir dreitägige Gährzeit haben, kein Nutzen liegt. – Heinzelmann erwähnt noch eines Gährversuchs im Kleinen,
                              									bei welchem 0,5 l Melasselösung in einer Glasflasche mit 4 bis 5 Tropfen Flusssäure
                              									versetzt wurden. Es trat eine sehr bedeutende Verlangsamung der Gährung ein und erst
                              									am dritten Tage setzte die Hefe kräftig ein. Verfasser glaubte diese Erscheinung
                              									darauf zurückführen zu können, dass die Flusssäure in Kieselfluorwasserstoffsäure
                              									übergegangen und dadurch unwirksam geworden war, eine Vermuthung, die jedoch durch
                              									weitere Versuche des Verfassers, wonach die Kieselfluorwasserstoffsäure ebenso
                              									gährungshemmend wirkt wie die Flusssäure, nicht bestätigt wurde.
                           S. 267 theilt der Verfasser Versuche über den Werth der
                                 										Flusssäure, Kieselfluorwasserstoffsäure, neutraler und saurer schwefligsaurer
                                 										Salze zur Vergährung von Dickmaischen mit. Nach den Resultaten, zu denen
                              										Märcker gekommen war, sowie nach den vom Verfasser
                              									gemachten, in der vorigen Arbeit mitgetheilten Beobachtungen, dass in
                              									Rohrzuckerlösungen die Flusssäure eine starke Hemmung der Gährung bewirkt,
                              									erschienen dem Verfasser noch Versuche mit Maltoselösung erwünscht. Käufliche
                              									Maltose wurde in heissem Wasser gelöst und mit 0,3 g Asparagin und Nährsalzen
                              									versetzt. In Versuchsreihe I und II wurden 500 cc der Maltoselösung mit 2 g Hefe bei
                              									29 bis 30° angestellt. Da die Vergährung eine sehr schlechte war, fand in
                              									Versuchsreihe III ein Zusatz von 10 g Malzschrot statt, um Diastase und Treber
                              									hineinzuschaffen. In Keine IV wurden 500 cc filtrirter Malzmaische zur Hälfte mit
                              									Maltoselösung gemischt. Reihe V diente speciell zur Prüfung der antiseptischen
                              									Wirkung; zu diesem Zweck wurden 500 cc filtrirte Malzmaische mit etwas Maltoselösung
                              									versetzt und mit Buttersäuregährung inficirt. In jeder Reihe wurde ein Versuch ohne
                              									Zusatz, die anderen unter Zusatz verschiedener Mengen Flusssäure bezieh. der anderen
                              									Antiseptica ausgeführt. Auch auf die leichte Zersetzbarkeit der Flusssäure bei
                              									Gegenwart von Glas wurde Rücksicht genommen, indem die Versuche theilweise doppelt,
                              									einmal in einer Glasflasche und einmal in einer innen mit Pech überzogenen Flasche
                              									ausgeführt wurden; grössere Differenzen konnten hierbei jedoch nicht constatirt
                              									werden. – Wir müssen auf eine Wiedergabe des sehr umfangreichen Zahlenmaterials
                              									dieser Versuche hier verzichten und uns auf eine kurze Mittheilung der
                              									Hauptresultate beschränken. In den Versuchsreihen I bis IV hat die Flusssäure schon
                              									bei Verwendung ganz geringer Quantitäten nicht nur keinen Vortheil zu Gunsten der
                              									Gährung hervorgerufen, sondern sie hat schon bei 2,5 mg für 100 cc direct
                              									gährungsverzögernd zu wirken angefangen, auch war keine Säureverminderung bei den
                              									flusssäurehaltigen Maischen eingetreten. Zu diesen Versuchsreihen sind die Lösungen
                              									stark erhitzt gewesen und auf diese Weise vielleicht sterilisirt, so dass die
                              									Säurezunahme während der Gährung wohl nur den durch die Hefe eingeführten
                              									Milchsäurebakterien zuzuschreiben ist. In Reihe V ist die Säurezunahme während der
                              									Gährung zwar bei allen Versuchen gegen diejenigen ohne Flusssäurezusatz
                              									zurückgeblieben, jedoch ist die Gährung schon bei einem Zusatz von 5 mg für 100 cc
                              									gehemmt worden, während ein Zusatz von 2,5 mg noch eine Alkoholerhöhung von 0,4
                              									Vol.-Proc. hervorgerufen hat. Dass zugleich eine Vermehrung des für den scheinbar
                              									vergohrenen Zuckergrad gebildeten Alkohols eintritt, wie vielfach behauptet
                              									wird, da eine reinlichere Gährung stattfinden soll, ist nicht der Fall. Um dies
                              									zu entscheiden, verwandte Heinzelmann zu den Versuchen
                              									klar filtrirte Maischen, damit etwa beim Maischen un aufgeschlossene Stärke während
                              									der Gährung nicht noch in Zucker bezieh. Alkohol umgewandelt werden konnte. Die bei
                              									diesen Versuchen gewonnenen Zahlen für die dem scheinbar vergohrenen Zuckergrad
                              									entsprechenden Alkoholprocente zeigen keine Unterschiede zu Gunsten der Flusssäure.
                              									– Die Versuche mit Kieselfluorwasserstoffsäure ergaben
                              									das gleiche Resultat. Die Wirkung dieser Säure ist bei concentrirten Maltoselösungen
                              									derjenigen der Flusssäure gleich; sie wirkt ebenfalls stark gährungsverzögernd,
                              									zeigte jedoch bei der inficirten Malzmaische noch stärkere antiseptische
                              									Eigenschaften. Bei einem Zusatz von 20 mg für 100 cc hat sich nicht nur der
                              									Alkoholgehalt um 0,6 Vol.-Proc. vermehrt, sondern es ist auch die Säurezunahme noch
                              									hinter der bei Anwendung von Flusssäure gebildeten zurückgeblieben. Der Verfasser
                              									folgert aus diesen Versuchen: „Somit kann man mit Kieselfluorwasserstoffsäure
                                 										dasselbe wie mit Flusssäure erreichen, nur muss man etwa die doppelte Quantität
                                 										davon nehmen, und noch grössere Erfolge können voraussichtlich erzielt werden,
                                 										wenn man keine der beiden Säuren anwendet, sondern, wie die nachfolgenden
                                 										Versuche zeigen, Salze der schwefligen Säure, die eine noch stärkere
                                 										antiseptische Kraft als jene Säuren besitzen, benutzt.“
                           Zu diesen Versuchen verwendete der Verfasser das neutrale
                                 										Natriumsulfit mit 22 Proc. und das saure Salz
                              									mit 50 Proc. schwefliger Säure. Die Versuche wurden mit reiner Maltoselösung und mit
                              									der inficirten Malzmaische ausgeführt. Die Menge der Salze betrug 0 bis 160 mg für
                              									100 cc. Bei der reinen Maltoselösung waren beide Salze auch ohne Einfluss, bei der
                              									inficirten Malzmaische dagegen zeigten sie sich der Flusssäure und
                              									Kieselfluorwasserstoffsäure überlegen, denn es fand eine Erhöhung des
                              									Alkoholertrages um 1,5 Vol.-Proc. und eine Säurezunahme von nur 0,2 statt. Eine
                              									Untersuchung der vergohrenen Maische ergab, dass reichlich 50 Proc. der schwefligen
                              									Säure bei der Gährung verloren gehen, und der Verfasser ist der Ansicht, dass im
                              									Grossbetrieb bei der Gährung in offenen Bottichen eine noch grössere Menge
                              									schwefliger Säure verschwinden wird. Heinzelmann
                              									empfiehlt, diese Versuche in der Praxis zu prüfen und zwar mit dem neutralen Salz,
                              									da dieses reiner und sicherer im Gehalt ist. Der Verfasser schlägt vor, bei diesen
                              									Versuchen nicht sogleich mit 160 g für 1 hl, sondern erst mit 50 bis 100 g zu
                              									beginnen und allmählich bis 160 g zu steigen.
                           Zu diesen Versuchen Heinzelmann's möchten wir uns noch
                              									eine Bemerkung gestatten zur Erklärung des Umstandes, dass bei der reinen
                              									Maltoselösung und ebenso bei den Vergährungen mit Melasselösungen weder die
                              									Flusssäure noch die anderen Antiseptica eine Wirkung zeigten. Die Erklärung hierfür
                              									dürfte durch die Beobachtungen Märcker's gegeben sein.
                              										Märcker fand, dass die
                                 										Flusssäure hauptsächlich die Diastase conservirt und zur Nachwirkung
                                 										befähigt. Diese Hauptwirkung der Flusssäure konnte bei den Versuchen Heinzelmann's mit Maltose- und Melasselösung, wo keine
                              									unvergährbaren, erst durch Nachwirkung der Diastase vergährbar zu machenden
                              									Kohlehydrate vorhanden waren, naturgemäss auch nicht hervortreten. Unerklärt bleibt
                              									dann freilich das Ausbleiben der Wirkung bei den Versuchsreihen III und IV, wo durch
                              									das Malz Kohlehydrate hinzugebracht wurden, ferner das Ausbleiben der bisher
                              									allgemein ohne Ausnahme beobachteten sehr günstigen Wirkung auf die Säurebildung
                              									auch bei den Reihen I und II. Es scheint dem Referenten kaum zweifelhaft zu sein,
                              									dass die Erklärung, welche Heinzelmann hierfür
                              									heranzieht, dass nämlich die Maischen der Reihen I bis IV durch das starke Erhitzen
                              									bereits sterilisirt waren, durchaus zutreffend ist; vielleicht dürfte das
                              									Sterilisiren aber auch als die Ursache für das Ausbleiben der günstigen Wirkung der
                              									Flusssäure auch in den Versuchen der Reihen III und IV anzusprechen sein. Jedenfalls
                              									stehen die Resultate dieser beiden Versuchsreihen mit allen bisherigen
                              									Beobachtungen, besonders auch mit den Resultaten, welche Märcker bei seinen Versuchen mit Malzmaischen erhielt, im Widerspruch, zu
                              									dessen Aufklärung weitere Versuche erforderlich erscheinen.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)