| Titel: | Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen. | 
| Fundstelle: | Band 281, Jahrgang 1891, S. 126 | 
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                        Bemerkungen über die heutigen
                           								Kriegswaffen.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 97 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen.
                        
                     
                        
                           Die oben S. 98 und 99 gegebene Tabelle führt zur Beurtheilung der Gewehrmunition
                              									zuerst Angaben über das Material der eigentlichen Geschosse und dessen Umhüllung
                              									an. Wie schon oben angegeben, verlangte das kleine Kaliber eine sehr steile
                              									Windung der Züge, andererseits sollten auch womöglich die Anfangsgeschwindigkeiten
                              									der Geschosse noch gesteigert werden. Ein Geschoss aus Weichblei oder Hartblei mit
                              									Papierumhüllung schien in Folge dessen die Anstrengungen im Laufe- nicht aushalten
                              									zu können, ohne sich zu deformiren. Es wurden deshalb besondere Geschossumhüllungen,
                              										„Geschossmäntel“, eingeführt, welche aus einem härteren Material, wie
                              									Kupfer, Nickel oder Stahl, bestanden. Die grössere Haltbarkeit gegen atmosphärische
                              									Einflüsse und die unschädlichste Einwirkung bei Verwundungen hat Nickel, deshalb
                              									kommt eine Vernickelung der Mäntel vielfach vor. Eigenthümlicher Weise zeigt das
                              									neue Schweizer Geschoss (vgl. Fig. 1 Nr. 12) (Rubin'sches Panzergeschoss), dass ein besonderer
                              									härterer Mantel auf der ganzen Geschossoberfläche nicht nöthig ist, sondern nur eine
                              									Stahlummantelung der Spitze. Da der Durchmesser des mittleren Geschosstheiles 8,2 mm
                              									beträgt, während die Laufbohrung zwischen den Feldern nur 7,5 mm weit ist, so
                              									scheint auf eine grosse Zusammenstauchung des Geschosses gerechnet zu werden, worauf
                              									die Form des hinteren Geschosstheiles auch wohl hindeutet. Eine besonders
                              									angefertigte und gefettete Papierumhüllung beginnt hinter der Stahlkappe um die
                              									Spitze.
                           Die Längen und die Querschnittsbelastungen der Geschosse sind bei der Kalibergrösse
                              									schon besprochen worden. Die Geschossgewichte selbst zeigen eine beträchtliche
                              									Verminderung gegen früher.
                           Es mag angedeutet sein, dass Wolfram als Geschossmaterial statt des specifisch
                              									leichteren Bleies empfohlen wurde. Ob seine Verwendung eine Verminderung des
                              									Kalibers, eine Verkürzung der Geschosse oder beides gleichzeitig herbeiführen
                              									könnte, muss der Entscheidung der Zukunft anheimgestellt werden.
                           Die Ladungen der Patronen mit altem, rauchstarkem „Schwarzpulver“ sind gar
                              									nicht angeführt, weil das neue Collodiumpulver, sogen. „rauchschwache“
                              									Pulver, in Zukunft wahrscheinlich allein Verwendung finden wird. Es ist nicht bloss
                              									seine Eigenschaft, „rauchschwach“ zu sein, welche die Staaten zu seiner
                              									Einführung zwingt, es ist besonders die, bei einer Verminderung des
                              									Pulverladungsgewichtes die Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse beträchtlich zu
                              									erhöhen, ohne eine grössere Gasspannung im Laufe, also ohne eine grössere
                              									Anstrengung desselben herbeizuführen; es verbrennt nämlich, nachdem es entzündet
                              									ist, nicht plötzlich unter Aeusserung einer stossweisen Wirkung, sondern mehr nach
                              									und nach, und es erlaubt somit, einen steileren Drall anzuwenden, als er beim alten
                              										„Schwarzpulver“ möglich war. Ausserdem hat es wenig Rückstand und scheint
                              									die Treffähigkeit zu verbessern.
                           
                           Ein Schiessversuch mit dem neuen Schweizer Gewehr auf 600 m mit rauchschwachem
                              									Nobelpulver in drei Körnergrössen gibt über Anfangsgeschwindigkeiten, Trefffähigkeit
                              									und Gasspannungen einige Auskunft.
                           
                              
                                 Es betrugen
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 beim Pulver von
                                 300 bis 350
                                 800
                                 1150 Körnern für 1 g
                                 
                              
                                 die Anfangsge-  schwindigkeit
                                 622
                                 607
                                   595 m
                                 
                              
                                 der Gasdruck
                                 2404
                                 2424
                                 2388 at
                                 
                              
                                 die 50procentige  Streuung
                                    											war:  nach der Höhe
                                    14,5
                                   14,5
                                     17 cm
                                 
                              
                                      „       „   Seite
                                 11
                                     9,5
                                       8 cm
                                 
                              
                                 der Radius des  Trefferkreises war
                                    23,5
                                 22
                                     23 cm
                                 
                              
                           Bei einem alten Gewehr M. 69/81 war die entsprechende Hüben-
                              									und Seitenstreuung 20,1 und 19,8 cm (früher galten Gasspannungen bei starken
                              									Ladungen erst dann für gross, wenn sie 2800 at überschritten).
                           In Italien wurden auf derselben Entfernung (600 m) gegen eine bestimmte Scheibe
                              									erzielt
                           mit dem alten Schwarzpulver:
                           bei Einzelfeuer 38 Proc., bei Repetirfeuer 26 Proc.
                              									Treffer,
                           mit dem Nobelpulver (Ballistit):
                           bei Einzelfeuer 54 Proc., bei Repetirfeuer 47 Proc.
                              									Treffer.
                           Die Anfangsgeschwindigkeiten beim neuen österreichischen Gewehr betrugen mit dem
                              									alten Schwarzpulver 510 m, mit dem neuen rauchschwachen Pulver aber 600 m.
                           Wie die letzte Spalte der Tabelle ergibt, sind die Anfangsgeschwindigkeiten bei allen
                              									neu eingeführten Gewehren, mit Ausnahme des Schweizer Gewehres, jetzt schon auf 600
                              									in und mehr gestiegen, während sie bei den Gewehren vor zehn Jahren nur 400 bis 450
                              									m betrugen; die Zunahme beträgt also ⅓ bis ½. In Folge dessen hat die Krümmung der
                              									Flugbahn stark ab- und die Gestrecktheit zugenommen. Beim neuen Schweizer Gewehr
                              									erhebt sich das Geschoss bis zu Manneshöhe (1,8 m) erst bei 459 m Schussweite,
                              									während dies früher schon bei 344 m stattfand. Für Deutschland würden diese Zahlen
                              									beim neuen und alten Gewehr lauten: 520 und 360 m.
                           Aus dem eben angeführten Versuch mit Pulversorten in drei Körnergrössen ergibt sich,
                              									dass diese Grösse von Einfluss auf die Geschwindigkeit und Treffähigkeit ist. Es
                              									soll sich bei diesem Versuch gezeigt haben, dass die Ladung mit den grössten Körnern
                              									nicht vollständig verbrannte. Möglicher Weise wäre das bei einem längeren Laufe
                              									unter Erhöhung der Geschwindigkeit geschehen.
                           Es ist wohl kaum denkbar, dass das neue rauchschwache Pulver schon jetzt in einer
                              									Form dargestellt werde, welche nicht mehr verbesserungsfähig ist. Da dieses Pulver
                              									höchstens seit vier, in Frankreich vielleicht seit sechs Jahren in Gebrauch ist, so
                              									kann man nicht annehmen, dass jetzt schon alle Feinheiten der Darstellungsweise, die
                              									geeignetste Form, Grösse, Oberflächenbeschaffenheit und Dichtigkeit der Körner
                              									endgültig ermittelt worden seien. Es ist mithin nicht sicher, ob die gegebenen
                              									Zahlen für die Endgeschwindigkeiten einen bleibenden Werth haben, im Gegentheil
                              									dürfte eine Steigerung derselben nicht unwahrscheinlich sein.
                           Mit der Verminderung des Gewichtes der Pulverladung ist natürlich auch eine kleine
                              									Verminderung des Patronengewichtes eingetreten. Die Gesammtverminderung desselben
                              									ist selbstverständlich meist eine beträchtliche. Die Längen der Patronen sind bei
                              									einigen Staaten grösser, bei anderen kleiner als bei den bezüglichen früher
                              									gebrauchten grösseren Kalibers.
                           Die aus einer Gelbblechcomposition gestanzte Hülse in Flaschenform hat zum Theil
                              									hinten einen vorspringenden Rand (Krempe, Wulst), um ein Umfassen des am Verschlüsse
                              									befindlichen Ausziehers zu gestatten, zum Theil ist der hintere Theil glatt und hat
                              									zum Eingreifen dieses „Extractors“ eine Eindrehung (Kerbe, Hohlkehle). Die
                              									letztere Form begünstigt das Aufeinanderliegen der Patronen im Rahmen. Das Gewicht
                              									der Patronenhülsen ist bei einigen Staaten (Frankreich, Schweiz) grösser, bei
                              									anderen kleiner als bei der Munition vor zehn Jahren. Die anfangs vielleicht
                              									kleinlich erscheinende Erwähnung dieser Thatsache ist für eine Beurtheilung des
                              									kleinen Kalibers sehr wichtig. Es zeigt dies deutlich die Spalte der Tabelle, welche
                              									angibt, den wievielten Theil des ganzen Patronengewichts das Hülsengewicht ausmacht.
                              									(Da, wo Patronenrahmen eingefühlt sind, ist deren Gewicht zum Patronengewicht
                              									zugerechnet worden.) Die Zahlen schwanken zwischen 30
                              									und 44,8 Proc.; die entsprechenden für die
                              									Rahmengewichte betragen 4,2 (Belgien) bis 13,4 Proc. (Oesterreich).
                           Aus diesen Zahlen würde sich ergeben, dass jeder kriegsmässig ausgerüstete
                              									Infanterist in
                           
                              
                                 Belgien
                                 41,9
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Frankreich
                                 43,4
                                 „
                                 
                              
                                 Deutschland
                                 43,83
                                 „
                                 
                              
                                 Oesterreich
                                 44,8
                                 „
                                 
                              
                           des Munitionsgewichtes an Hülsen- und Rahmenblech zu tragen
                              									hat. Vor zehn Jahren betrugen die entsprechenden Zahlen für „todtes
                                 										Munitionsmaterial“ 31,7, 27,4, 28,5, 30,3, in der Schweiz sogar nur 22
                              									Proc., vor 20 Jahren beim Zündnadel- und Chassepotgewehr höchstens 10 Proc. Diese
                              									Steigerung des Munitionsgewichtes durch die Verpackung hebt einen Theil der
                              									Gewichtserleichterung, welche das kleine Kaliber hätte verursachen können, wieder
                              									auf. Schon früher wurde hervorgehoben, welchen Nutzen in dieser Beziehung die
                              										„Buchrückenform“ des belgischen Patronenrahmens gewähren muss. Würde das
                              									österreichische Gewehr statt seines Rahmens von 22 g diesen von 6 g einführen
                              									können, so würde der Mann mit 110 Patronen weniger belastet sein, als jetzt mit 100.
                              									Dass dieser schon leichteste Rahmen durch Anfertigung aus einer Aluminiumcomposition
                              									oder durch Anbringung von Löchern noch etwas erleichtert werden kann, ist immerhin
                              									denkbar.
                           Angesichts der ganz riesigen Zahlen für „todtes Munitionsmaterial“ ist es
                              									vielleicht erklärlich, wenn die Möglichkeit einer Erleichterung der Patronenhülsen
                              									noch kurz besprochen wird. Sie würde ausgeschlossen sein, wenn sie deren Haltbarkeit
                              									im Geringsten beeinträchtigte, denn das Steckenbleiben eines Hülsenrestes im Laufe
                              									bis zum nächsten Schusse hat entweder eine Ladehemmung zur Folge, welche bei dem
                              									kleinen Bohrungsdurchmesser schwer zu beseitigen ist, oder wenn es das Laden nicht
                              									hindert, veranlasst es das nächste durch den Lauf mit grösser Geschwindigkeit
                              									gehende Geschoss zu einer vielleicht verhängnissvollen Beschädigung des Rohres.
                              									Durch die Art des Feuerns aus dem Kastenmagazin wird der Schütze im Gefecht viel
                              									weniger das Beschädigen einer Patrone bemerken als früher. Um eine grosse Sicherheit
                              									in dieser Beziehung zu gewähren, ist vielleicht die Metallstärke bei der belgischen
                              									Patronenhülse beträchtlich grösser gewählt worden, als bei der deutschen (in
                              									Folge des leichten Patronenrahmens konnte dies ohne Vermehrung des Gesammtgewichtes
                              									stattfinden). Eine Erleichterung könnte nur durch die Anwendung eines Materials
                              									herbeigeführt werden, welches widerstandsfähiger als eine der bisher angewandten
                              									Metalllegirungen ist. Eine specifisch leichtere Aluminiumcomposition würde sich hier
                              									nur dann eignen, wenn sie nicht spröde wäre. Sollte die Herstellung einer
                              									erleichterten haltbaren Patronenhülse aus Stahl, Nickelstahl oder einem verwandten
                              									Material ganz unmöglich sein? Eine sehr grosse Elasticität, eine gewisse Zähigkeit
                              									ist bei dünnen (sogar bei gestanzten) Stahlblechröhren constatirt; die
                              									Hülsenconstruction würde sich vielleicht diesem Material anpassen lassen; Sicherheit
                              									gegen Zerreissen bei der Explosion der Pulverladung würde die Untersuchung jeder
                              									Hülse durch einen stossweise auf die Innenwand ausgeübten hydrostatischen Druck
                              									gewähren. Zunächst würde der Preis allerdings ein hoher werden. Berücksichtigt man
                              									aber, dass durch 3 g Gewichtsersparniss bei einer Patrone die Schussausrüstung eines
                              									ganzen Heeres um mindestens 1/10 gesteigert werden kann, so darf man die
                              									Mehrkosten nicht für nutzlos halten, wenigstens nicht für einen Theil der
                              									Feldausrüstung. Eine weitere Verminderung des Kalibers bei einem der Grossstaaten
                              									Europas würde vielleicht auch eine Vermehrung der Schusszahl seiner Armee
                              									herbeiführen, andere Staaten würden gezwungen sein, um diese Ueberlegenheit
                              									auszugleichen, ihre Munition mit allen Mitteln zu erleichtern oder eine
                              									Neubewaffnung vorzunehmen. Für alle Staaten, welche von den kleinen Kalibern ein
                              									grosses besitzen, liegt ein gewisser Zwang vor, sich sofort in den Besitz einer
                              									verbesserten, leichteren Patronenhülse zu setzen, wenn sie fabricirt werden kann. Da
                              									ein Staat wie Deutschland jährlich allein 50 bis 70 Millionen Hülsen verbraucht, so
                              									würden Versuche in dieser Richtung nicht ganz zwecklos sein.
                           Eine Eigenthümlichkeit der Schweizer Patrone (welche vielleicht auch anderswo
                              									vorkommt) verdient hier noch eingeschaltet zu werden, da sie für das Gewicht der
                              									Patronenhülse von Belang ist. Nach der Zeichnung in der Allgemeinen Waffenkunde von R. Schmidt, 1891,
                              									ist die Hülse nur zu etwa ⅔ mit Pulver gefüllt. Diese Thatsache ist möglicher Weise
                              									dadurch begründet, dass der übrige mit Luft gefüllte Raum die Spannung der
                              									Pulvergase erheblich vermindert; es ist das unter Umständen eine durchaus
                              									nothwendige rationelle Maassregel für ein bereits eingeführtes Gewehrmodell. Für ein
                              									neu zu entwerfendes dürfte es sich aber fragen, ob nicht durch die
                              									Pulverbeschaffenheit eine derartige Einrichtung unnöthig gemacht werden könne, durch
                              									welche der Soldat gezwungen wird, pro Schuss 2 bis 3 g Hülsenblechrohr zu tragen, um
                              									1 bis 2 cc gewöhnlicher Luft zu transportiren. Eine Verkürzung der Patrone um
                              									mindestens ⅓ ihrer bisherigen Länge dürfte noch anderweitige Vortheile für ihren
                              									Transport bieten.
                           Aus den Spalten der Tabelle, welche Zahlen über die Ausrüstung eines Infanteristen
                              									mit Patronen bringen, ergibt sich zunächst die Thatsache, dass Deutschland am
                              									schärfsten die Folgerungen gezogen hat, welche sich aus der Einführung eines
                              									schnellfeuernden Gewehres von kleinem Kaliber ergeben. Es lässt den Infanteristen
                              									150 Patronen tragen, welche in Rahmen verpackt sind. Durch letzteren Umstand
                              									ist der Munitionsersatz einfach geblieben und die Anwendung des Repetirfeuers in
                              									jedem Augenblicke sicher gestellt. Die Zahl ist doppelt so gross, als sie es früher
                              									durchschnittlich bei europäischen Infanteristen war. Diejenigen Staaten, welche ihre
                              									Patronen zum Theil in Rahmen, zum Theil einzeln verpackt tragen lassen, wollen nicht
                              									nur einem zu grossen Munitionsverbrauche, den das Repetirfeuer verursachen könnte,
                              									vorbeugen, sondern auch einer Vermehrung des Munitionsgewichtes, welches die
                              									ausschliessliche Rahmenverpackung herbeiführen würde. Nur England macht eine
                              									Ausnahme. Da dort jeder Mann ein besonderes Reservemagazin mit sich führen soll,
                              									welches schwerer ist, als die zur Verpackung aller Patronen erforderlichen Rahmen
                              									sein würden, so scheint die Ausrüstung lediglich Rücksicht auf möglichste
                              									Beschränkung des Repetirfeuers genommen zu haben. Vielleicht ist dieselbe durch den
                              									Mannschaftsersatz begründet, vielleicht auch dadurch, dass die Infanterie meist
                              									gegen nicht ebenbürtig bewaffnete, uncultivirte Völker in wegelosen Gegenden zu
                              									kämpfen hat.
                           Die ballistischen Leistungen der neuen Gewehre lassen sich zur Zeit nur theilweise in
                              									Zahlen wiedergeben. Die Spalte der Tabelle über Visirschussweiten kann nur einen
                              									Anhalt darüber gewähren, auf welchen Entfernungen die verschiedenen
                              									Heeresverwaltungen das Schiessen begrenzt haben wollen. Wenn also das englische
                              									Gewehr noch ein Visir auf 3500 Yards (etwa 3200 m) hat, so dürfte damit nicht im
                              									Geringsten anzunehmen sein, dass es um mindestens 1200 m weiter trifft als irgend
                              									ein anderes. – Nach einigen Angaben soll das
                           französische Gewehr eine grösste
                              									Schussweite von 3200 m
                           (wahrscheinlich ist dieselbe grösser)
                           
                              
                                 deutsche
                                 Gewehr
                                 eine
                                 
                                    grösste
                                    
                                 Schussweite
                                 von
                                 3800 m
                                 
                              
                                 österreichische
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 4000 m
                                 
                              
                                 haben.
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Leider schien es nicht angängig, die sich vorfindenden Zahlen über Gasspannungen in
                              									der Tabelle wiederzugeben. Dieselben sind so, dass sie zu falschen Schlüssen über
                              									einige Waffen und Pulversorten Veranlassung geben würden.
                           Für die Treffähigkeit finden sich überhaupt nur höchst vereinzelte Zahlen vor. Es ist
                              									indess bei der grossen Gleichförmigkeit des Dralles (zwischen 30 und 36 Kalibern)
                              									und bei den geringen sonstigen Veränderungen im Profil der Züge nicht anzunehmen,
                              									dass die Laufbeschaffenheit grosse Unterschiede in der Treffähigkeit hervorgebracht
                              									habe – die Gewehrprüfungscommissionen werden das schon verhindert haben. Es ist zu
                              									vermuthen, dass jede derselben Zahlen für die Verbesserung der Treffähigkeit ihres
                              									neuen Gewehrmodells liefern könnte, wie sie für das alte italienische Gewehr durch
                              									Einführung des Collodiumpulvers bekannt geworden sind. Sollte eine neue
                              									Geschossconstruction eine grosse Verbesserung der Präcision geben, dann wird ihre
                              									Annahme und Einführung nirgends auf sich warten lassen.
                           Wie die Leistungsfähigkeit der neuen Gewehre durch die riesige Steigerung der
                              									Anfangsgeschwindigkeiten (und der Rasanz) verbessert wurde, ist ebenfalls bei der
                              									Pulverladung unter Hinweis auf die Zahlen der letzten Spalte der Tabelle besprochen
                              									worden.
                           Bisher gehörte zur Beurtheilung der Leistungsfähigkeit eines Gewehres die Angabe, wie
                              									viel Schüsse dasselbe in der Minute zu verfeuern im Stande sei. Die beigefügte Tabelle bringt
                              									solche jetzt wenig Werth besitzende Zahlen nicht. Der eigentliche Griff zum Laden
                              									besteht fast bei allen neuen Gewehren in der Bewegung der rechten Hand vom Abzüge
                              									zum Verschlussgriff dem oben beschriebenen Bewegen desselben und im Anlegen des
                              									Zeigefingers an den Abzug. Wenn man aus den Worten Moltke's: „Ein gewisser Grad
                                 										von Unübertrefflichkeit führt zur Uniformität“ schliessen darf, so
                              									bezeichnet diese Gleichmässigkeit, dass ein „gewisser Grad der
                                 										Unübertrefflichkeit“ hier erreicht ist. Ein schlechtes Zeugniss für die
                              									Büchsenmachertechnik ist es nicht, dass man jetzt, nachdem dieselbe vor 25 Jahren in
                              									dem Zündnadelschloss ein Hauptmittel zur Entscheidung eines grossen Völkerkrieges
                              									lieferte, von der Anführung von Zahlen zum Vergleich der Ladegeschwindigkeit neuer
                              									Gewehrmodelle absehen kann, ohne sich einer Unterlassungssünde schuldig zu machen.
                              									(Eine Steigerung der Ladegeschwindigkeit ist nicht ganz ausgeschlossen; es könnte
                              									z.B. die Kraft, mit welcher die Pulvergase das Gewehr beim Anschlage gegen die
                              									Schulter stossen, benutzt werden, eine Feder zu spannen; diese Spannung könnte dann
                              									durch die vorgehende Bewegung des Abzuges nach dem Schusse gelöst und verwandt
                              									werden, um die Ladebewegungen des Verschlusses zu vollziehen; dann könnte die
                              									abfeuernde Hand ruhig am Abzüge bleiben. Es fragt sich indess, ob eine derartige
                              									Verbesserung so gross wäre, dass sie einen Staat zur Einführung eines neuen
                              									Gewehrmodells so zwänge, wie es die Annahme des Repetirmechanismus und die des
                              									kleinen Kalibers gethan haben).
                           Nachdem Beschaffenheit und Eigenschaften der neuen Gewehre besprochen, sei die Frage
                              									berührt: „Welches ist das beste Gewehr?“ Nach den gegebenen Ausführungen
                              									erscheint es erklärlich, wenn ein Beurtheiler das für
                              									das beste hält, welches eine Spur mehr Treffähigkeit als ein anderes hat, ein zweiter das mit der grössten Anfangsgeschwindigkeit
                              									(Rasanz), ein dritter das, welches die grösste
                              									Schusszahl mitzuführen gestattet, ein vierter das,
                              									welches jahrelang von einem unbeholfenen Menschen gebraucht werden kann, ohne dass
                              									es einer Reparatur bedarf; so können noch eine Menge von Specialgesichtspunkten für
                              									Beurtheilung eines Gewehres in den Vordergrund gestellt werden. Wenn man aber
                              									versucht, sich auf einen allgemeinen Standpunkt zu stellen, der die Leistung eines
                              									Gewehres in jeder nur denkbaren Richtung ermittelt (vielleicht in „Punkten“
                              									ausdrückt) und der dann diese Einzelleistungen zusammenfasst, so darf man
                              									augenblicklich (Juni 1891) vielleicht sagen, dass das in Belgien, der Türkei,
                              									Argentinien eingeführte Mauser-Gewehr M. 89 das
                              									kriegsbrauchbarste sei. (Näheres über die neuesten italienischen und russischen
                              									Modelle liegt noch nicht vor.)
                           Die nächsten 10 Jahre werden sicher noch manche Veränderung in der Gewehrfrage
                              									bringen, besonders deshalb, weil die Verminderung des Kalibers und die Vergrösserung
                              									der Anfangsgeschwindigkeit noch keine festen Grenzen haben. Die Zahlen einer
                              									Uebersichtstabelle über die Gewehre werden vielleicht im neuen Jahrhundert noch mehr
                              									von den heutigen abweichen, als diese von den vor 10 Jahren gültigen.
                           Die Einführung der grossen Anfangsgeschwindigkeiten von 600 m und mehr bei den
                              									Gewehren, welche das rauchschwache Pulver veranlasst hat, sind von grossem Einfluss
                              									auf den Gebrauch zweier Instrumente geworden:
                           
                              der Entfernungsmesser und der Ferngläser.
                              
                           Ein grosser Theil der früher bei der Infanterie gebräuchlichen Entfernungsmesser
                              									beruhte auf der „vermeintlichen“ Ermittelung der Entfernung durch die
                              									Bestimmung der Fortpflanzungszeit des von der Waffe ausgehenden Knalles.
                           Durch die Art des letzteren beim rauchschwachen Pulver wird das wesentlich geändert.
                              									Nach französischen Beobachtungen auf den Schiesständen hört man jetzt nur noch den
                              									einzelnen Gewehrschuss bis auf 800 m, die Salve einer Section bis 1200, die eines
                              									Zuges bis 1400 m.
                           Textabbildung Bd. 281, S. 129Fig. 2.Apparat zur photographischen Aufnahme des Geschosses. Ein besonders schwer wiegender Umstand macht die genannten
                              									Entfernungsmesser ganz unmöglich. Es ist dies die Steigerung der
                              									Geschossgeschwindigkeit und die Entdeckung, dass die Wahrnehmung des Knalles der
                              									Pulverladung in der Waffe durch eine besondere Schallerzeugung des Geschosses selbst
                              									beeinträchtigt wird.
                           Im J. 1885 fanden durch Mach und Salcher in Wien Versuche statt, um ein Geschoss dicht vor der Mündung zu
                              									photographiren mit Hilfe der Lichtwirkung eines elektrischen Funkens, welchen die
                              									Entladung einer Leidner Flasche erzeugt. Zu dem Zwecke war, wie die nebenstehende
                              									Figur verdeutlichen soll, eine Drahtleitung von der Aussenbekleidung der Flaschen
                              									zum Innern hergestellt, welche zwei Unterbrechungen, I
                              									und II, hatte. Die eine war so eingerichtet, dass ein
                              									durchfliegendes (Metall-) Geschoss eine momentane Verbindung herstellen musste,
                              									diese rief eine Entladung durch einen in der zweiten Unterbrechung überspringenden
                              									Funken hervor, welcher die Aufnahme des Geschosses durch einen vorher entsprechend
                              									eingestellten photographischen Apparat ermöglichte. Wenn das Geschoss eine
                              									Geschwindigkeit hatte, welche grösser als die des Schalles war, so erzeugte es
                              									photographirbare Luftwellen, eine vor dem Kopfe, andere an den Seiten. Es wurde nun
                              									behauptet, dass in der Bildung dieser Wellen die Erzeugung eines das Ohr treffenden
                              									knallartigen Schalles zu suchen sei (Sitzungsberichte der
                                 										Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, Bd. XCV, XCVII und XCVIII,
                              									II Abthlg.). Weiter fortgesetzte Versuche haben dann in neuester Zeit zu dem
                              									endgültigen Ergebniss geführt, dass beide, sowohl die Luftwelle des Geschosses, als
                              									auch die Pulverexplosion in der Waffe eine acustische Wirkung haben; je nach der
                              									Stellung des Beobachters zur Waffe und zur Schussrichtung erscheinen beide Wirkungen
                              									als in einander übergehende, einzeln nicht unterscheidbare, zuweilen auch als zwei
                              									getrennte; wenn nur ein Knall vernommen wird, dann geht er (immer grosse
                              									Anfangsgeschwindigkeiten vorausgesetzt) vom Geschosse aus (Capit. Moch: Sur la poudre sans fumée et la tactique, Paris 1891). Aus
                              									dieser Erkenntniss ergibt sich, dass ein auf der Fortpflanzungszeit des Knalles der
                              									Waffe basirtes „Telemeter“
                              									ein Unding geworden
                              									ist, welches in die Rumpelkammer gehört. Für das Schätzen der Entfernung steht daher
                              									dem Infanteristen nur das Auge und das Fernglas zu Gebote. Letzteres hat damit und
                              									mit den wachsenden Schussweiten die Bedeutung eines absolut nothwendigen
                              									Ausrüstungsstückes für die Truppe bekommen.
                           Nach französischer Ansicht (Revue du cercle milit. vom
                              									24. Mai d. J.) soll nun ein Doppelfernglas nicht dazu dienen, leuchtende oder sich
                              									vom Hintergrunde stark abhebende Gegenstände zu beobachten, sondern solche, welche
                              									wenig von ihrer Umgebung zu unterscheiden sind. Es darf deshalb das wenige Licht,
                              									welches diese Gegenstände haben, nicht wegnehmen; in Folge dessen muss der Officier
                              									ein Doppelfernglas besitzen, welches nur schwach, höchstens 4 Mal vergrössert, aber ein grosses Gesichtsfeld hat und so klar wie
                              									irgend möglich ist.
                           Vielleicht ist diese Notiz für Optiker nicht ganz unwesentlich.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)