| Titel: | Ueber das Verhalten von Explosivstoffen in der Luftleere und die Vacuumtrockenapparate von E. Passburg, Breslau. | 
| Autor: | K. Stammer | 
| Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 102 | 
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                        Ueber das Verhalten von Explosivstoffen in der
                           								Luftleere und die Vacuumtrockenapparate von E. Passburg, Breslau.
                        (D. R. P. Nr. 56330.)
                        Von Dr. K. Stammer (Breslau).
                        Ueber das Verhalten von Explosivstoffen in der Luftleere und die
                           								Vacuumtrockenapparate.
                        
                     
                        
                           Es ist schon längere Zeit bekannt, dass sich Schiesspulver (Schwarzpulver aus
                              									Salpeter, Kohle und Schwefel) im luftleeren bezieh. luftverdünnten Raum wesentlich
                              									anders verhält, als in gewöhnlicher atmosphärischer Luft. In dem „Examen de la poudre“, einem älteren Berichte
                              									aus dem vorigen Jahrhundert, wird schon bemerkt, dass sich Pulver um so schwerer
                              									entzündet, je verdünnter die umgebende Luft ist. In der ersten Hälfte dieses
                              									Jahrhunderts stellte Hearder fest, dass sich Pulver
                              									durch einen vermittelst der galvanischen Batterie glühend gemachten Platindraht
                              									nicht entzünden liess, sobald die Luft vollständig ausgepumpt war. Durch die
                              									weiteren Versuche von Bianchi, Heeren und besonders von
                              										Abel, welche grösstentheils in diesem Journal
                              									veröffentlicht sind, wurde indess bewiesen, dass das Pulver sich zwar bei richtiger
                              									Anordnung der Wärmequelle bei genügend langer und intensiver Einwirkung derselben
                              									unter Entzündung zersetzte, die Gasentwickelung aber unter so geringer
                              									Wärmeentwickelung vor sich ging, dass die übrigen nicht dicht am Drahte gelegenen
                              									Pulverkörner nur weggeschleudert wurden, ohne sich zu entzünden.
                           
                           Etwas anders wirkte die Erhitzung auf unter Vacuum befindliche Schiessbaumwolle,
                              									welche, auch wenn ganz plötzlich stark erhitzt, nur langsam abbrannte. Die oben
                              									genannten Forscher erklären diese Thatsache durch das leichte Entweichen der
                              									Verbrennungsgase, welche deshalb nicht die hohe Temperatur erreichen können, welche
                              									zur vollständigen momentanen Zersetzung nöthig ist.
                           Auch bei der Entzündung von Knallquecksilber und ähnlichen, heftig wirkenden
                              									Explosivstoffen vermittelst des galvanisch glühend gemachten Drahtes explodirten,
                              									wie Heeren auf der Naturforscherversammlung zu Hannover
                              									1865 zeigte, im luftverdünnten Raume nur die unmittelbar am Drahte gelegenen Theile,
                              									während die übrigen Partikel unzersetzt fortgeschleudert wurden.
                           Wenn nun auch spätere Beobachtungen die oben angeführten Versuche, besonders bei
                              									ihrer Anwendung auf grössere Massen und in Bezug auf die Nichtübertragbarkeit der
                              									Entzündung auf benachbarte Mengen, nicht voll bestätigten, so legten doch diese
                              									interessanten Thatsachen den Gedanken nahe, die Macht der Explosivstoffe, besonders
                              									während ihrer Herstellung bei unvorhergesehenen und unerwünschten Zersetzungen und
                              									Explosionen zu bannen. So empfahl denn schon Neumann
                              									(siehe dieses Journ. Band 202 S. 207) die gefährliche Operation des Körnens und
                              									Mengens von Knallquecksilber im luftverdünnten Raum vorzunehmen. Ueber einen hierzu
                              									bestimmten Apparat fehlen in der Literatur die weiteren Angaben. Erst auf
                              									Veranlassung des kgl. preussischen Kriegsministeriums wurden die Versuche wieder
                              									aufgenommen und praktisch verwerthet, als es sich darum handelte, die zur Füllung
                              									von Zündhütchen in grossen Massen hergestellten Explosivstoffe, welche hauptsächlich
                              									Knallquecksilber enthalten, sowohl schnell, als möglichst gefahrlos zu trocknen. Die
                              									Explosibilien, welche Fulminate enthalten, explodiren schon bei verhältnissmässig
                              									niederer Temperatur und zersetzen sich hierbei sehr heftig unter momentan grosser
                              									Gasentwickelung. Brachte man daher einen solchen Stoff in einem eisernen Gefäss zur
                              									Explosion, so wurde das Gefäss jedesmal zerstört und die Stücke mit grosser
                              									Heftigkeit weit weggeschleudert. Diese Explosion nahm aber einen ganz andern
                              									Verlauf, wenn dieselbe Quantität von Sprengstoff in einem ähnlichen eisernen Gefäss,
                              									aber unter Auspumpen der Luft angewandt wurde. In diesem Falle blieben die Wände des
                              									Gefässes, trotzdem sie einen bedeutenden Druck aushalten mussten, unversehrt,
                              									während sich das Vacuum allerdings zum grössten Theil verbraucht erwies. Als jedoch
                              									späterhin immer grössere Mengen von Sprengstoff angewandt wurden, wurde das Gefäss
                              									zuletzt zerstört, aber, wie sich sehr deutlich bemerken liess, unter ganz erheblich
                              									abgeschwächter Wirkung. Mit einer geringen Menge des Knallquecksilber enthaltenden
                              									Explosivstoffes wurde das Vacuum im Moment der Explosion aufgehoben, wie das
                              									Vacuummeter zeigte, aber es entstand sofort wieder in dem Maasse, wie sich die Gase
                              									condensirten. Nach diesen Versuchen ist die Erklärung für den Unterschied in der
                              									Wirkung einer Explosion in einem mit Luft gefüllten und einem luftleeren Gefässe
                              									darin zu suchen, dass in ersterem Falle sich der plötzlich auftretende heftige
                              									Druck, welcher durch die Ausdehnung der Explosionsgase entsteht, auf die schon
                              									zusammengedrückte Luft überträgt, wobei schliesslich Zerstörungen der äusseren Hülle
                              									erfolgen. Wenn nun aber keine Luft in dem Raum vorhanden ist, in welchem die
                              									Explosion stattfindet, so ist die Wirkung der Explosion bedeutend schwächer, da die
                              									Gase sich ohne Widerstand in dem luftleeren Raume ausdehnen und zum Theil im Moment
                              									ihrer Entstehung wieder condensiren können. Es ist hierdurch der vermittelnde
                              									Körper, der, wie z.B. die Luft, gerade durch sein Zusammendrücken die Zerstörungen
                              									veranlasst, ausgeschaltet. Eine weitere Ursache für die Schwächung der Kraft der
                              									Explosion liegt darin, dass durch die schnelle Ausdehnung den entstehenden Gasen im
                              									luftleeren Raume eine Menge Wärme entzogen wird, wodurch sie ihre volle Ausdehnung
                              									nicht erreichen können und auf die Gefässwände einen bedeutend geringeren inneren
                              									Druck ausüben werden. Bei der Uebertragung dieser Versuche ins Grosse wurde zuerst
                              									eine Modification des von E. Passburg bisher zum
                              									Trocknen von leicht zersetzlichen Substanzen, wie Farben, organischen Präparaten
                              									u.s.w. angewandten Vacuumtrockenapparates (D. R. P. Nr. 28971 und 40844)Vgl. 1888 200 * 223. benutzt, der, mit einer
                              									Luftpumpe verbunden, in kurzer Zeit evacuirt werden konnte. Da sich aber beim
                              									Explodiren grosser Mengen von Explosivstoffen zeigte, dass, ungeachtet des Vacuums,
                              									stets ein starker Druck auf die Wände der Trockenkammer erzeugt wird, welcher eine
                              									Ueberanstrengung der Gefässwände erfordern würde, so ist an diesem Apparat eine
                              									weitere Sicherheitsvorrichtung angebracht worden, welche vermittelst Ventile
                              									bewirkt, dass die Gase entweichen können, sobald ein Ueberdruck in dem Apparat
                              									entsteht. Hierdurch ist die Absicht, die völlige Sicherheit des Arbeitens zu
                              									gewährleisten, erreicht, und es erübrigt noch zu erwähnen, dass die
                              									Vacuumtrockenapparate auch ein schnelles Trocknen ermöglichen. Eine Explosion kann
                              									demnach kein Unheil anrichten; und es ist daher
                              									nicht erforderlich, bei niedriger Temperatur zu arbeiten. Durch Anwendung von Dampf
                              									ist es unter Beihilfe des Vacuums möglich, ein fast 20 mal schnelleres Trocknen zu
                              									erreichen, als mit den alten Systemen, bei welchen in grossen, leicht gebauten
                              									Trockenhäusern die Explosivstoffe, auf Horden ausgebreitet, durch Einleiten von
                              									schwach erwärmter Luft und Absaugen der mit Feuchtigkeit gesättigten Dämpfe
                              									getrocknet wurden. In Folge der verkürzten Trocknungsdauer braucht aber jetzt auch
                              									nur ein kleiner Theil der früher benöthigten Mengen in den Trockenräumen
                              									aufgestapelt zu werden, was noch die Sicherheit vermehrt, da die Anhäufung von
                              									bedeutenden Mengen Explosivstoff in den verschiedenen Trockenhäusern stets eine
                              									Quelle der grössten Gefahr bildete. Wenn solche grosse Mengen in den alten
                              									Trockenhäusern oder an anderen Stellen der Fabrikation explodirten, so war im
                              									grossen Umkreis eine gewaltige Zerstörung und ein Verlust an Menschenleben und
                              									Eigenthum gewiss.
                           Das kgl. preussische Kriegsministerium hat auch weiterhin die umfassendsten Versuche
                              									mit den von Passburg construirten
                              									Sicherheitstrockenapparaten gemacht und es ist diesen Versuchen zu danken, dass die
                              									vorliegende endgültige Construction entstanden ist. Seit einem Jahr ist eine
                              									Trockenanlage nach System Passburg in dem diesem
                              									Ministerium unterstellten Feuerwerkslaboratorium zu Spandau in Gebrauch, nachdem
                              									dieselbe ganz besonders auf ihre vollständige Sicherheit bei der Handhabung dadurch
                              									geprüft worden ist, dass künstliche Explosionen hervorgerufen
                              									worden sind, deren Ergebnisse höchst zufriedenstellend waren. Da die
                              									Trockenapparate die Bedingung vollständig erfüllen, dass die
                              									Knallquecksilberzündsätze sich sowohl schnell als gefahrlos trocknen lassen, so sind
                              									die Apparate in der beifolgend gezeichneten Form vom Kriegsministerium für die im
                              									Feuerwerkslaboratorium herzustellenden Explosivstoffe angenommen worden und wird
                              									eine umfassende Anlage dort errichtet. Auch für eine andere Regierung ist eine
                              									Trockenanlage nach System Passburg zum Trocknen des
                              									rauchlosen Pulvers gebaut worden. In diesem Falle sind die Apparate jedoch etwas
                              									abweichend construirt und von bedeutend grösserem Fassungsvermögen als diejenigen,
                              									deren Beschreibung folgt:
                           Textabbildung Bd. 283, S. 104Passburg's Vacuumtrockenapparat für ExplosivstoffeA Explosionsraum; B
                                    											Trockenraum; D Holzwand zur Abtrennung der Maschinenräume; a
                                    											Luftsaugeleitung vom Trockenapparat zur Luftpumpe; b Heizdampf- und
                                    											Kühlwasserleitung nach dem Trockenapparat; c Dampf- und
                                    											Wasser-Austrittsleitung aus dem Trockenapparat; d Rohrleitung zum Manometer
                                    											in der Maschinenstube; e Rohrleitung zum Lufthahne in der Maschinenstube; In
                                    											1/50 der wirklichen Grösse. Der Apparat besteht aus einem geschlossenen gusseisernen Gefäss, welches
                              									sich auf einer Seite durch Thüren öffnen lässt, die sehr leicht in ihren Angeln
                              									gehen. In diesem Gefäss sind 4 hohle Horizontalplatten über einander angebracht,
                              									welche durch den Abdampf der Maschine geheizt werden, wie die Abbildungen zeigen.
                              									Die zu trockenden Explosivstoffe werden auf flachen Schalen ausgebreitet und
                              									letztere auf diese Wärmeplatten gestellt. Mit dem eigentlichen Trockenapparat fest
                              									verbunden ist das Explosionsgefäss, welches mit 44 Sicherheitsventilen versehen ist.
                              									Die Deckel, die auf den Oeffnungen lose aufliegen, sind mit Gummiringen versehen und
                              									schliessen in Folge des Luftdruckes bei Herstellung des Vacuums im Inneren absolut
                              									luftdicht ab. Eine nasse Luftpumpe, welche mit dem Trockenapparat in Verbindung
                              									steht, erzeugt im Innern des Apparates ein Vacuum von mindestens 700 mm. Hierbei
                              									entweicht, durch die von den Dampfplatten geleitete Wärme unterstützt, das in dem
                              									Explosivstoff enthaltene Wasser sehr schnell bei niedriger Temperatur. In kurzer
                              									Zeit ist das Trocknen beendigt; durch Ventilumstellung kann an Stelle des Abdampfes
                              									der Maschine kaltes Wasser durch die Wärmeplatten geleitet werden, wodurch die in
                              									den Schalen befindlichen Explosivstoffe in wenigen Minuten abgekühlt werden und aus
                              									dem Apparat ohne irgend welche Gefahr herausgenommen werden können. Auf diese
                              									Weise sind leicht zu trocknende Substanzen in ½, die schwierigst zu trocknenden, wie
                              									z.B. Schwarzpulver, in 1 Stunde vollständig zur Weiterverwendung geeignet
                              									herzustellen. In dem Falle, dass eine Explosion eintritt, dehnen sich die Gase in
                              									dem Expansionsgefäss aus, wobei das Vacuum sozusagen als eine Art Aufsaugemittel für
                              									die Kraft der Explosion dient. Bildet sich dennoch ein Ueberdruck in dem
                              									Trockenapparat, so werden die 44 Sicherheitsdeckel des Expansionsgefässes
                              									herabgeworfen, worauf die Gase frei austreten. Die Sicherheitsdeckel sind
                              									abwechselnd so angeordnet, dass die Deckel, wenn sie abfliegen, die Ränder der
                              									Oeffnungen nicht beschädigen. Die Zeichnung veranschaulicht die Anlage eines von
                              									zwei Trockenapparaten, die mit einer Luftpumpe in Verbindung stehen. Derjenige Theil
                              									des Raumes, worin sich die Expansionsgefässe befinden, ist von dem Theil mit dem
                              									eigentlichen Trockengefäss durch eine hölzerne Wand so getrennt, dass im Falle die
                              									Deckel von den Sicherheitsventilen abfliegen, die Bedienungsmannschaft nicht
                              									verletzt werden kann. Die sämmtlichen Ventile, sowie die Vacuummeter befinden sich
                              									im Maschinenraum, damit nach Beschickung und Verschliessen des Apparates der
                              									Trockenraum nicht mehr betreten zu werden braucht, bis das Trocknen vollendet und
                              									der abgekühlte Apparat wieder mit Luft gefüllt ist.