| Titel: | Die Jute, ein Rohstoff für Schiesswolle. | 
| Autor: | Otto Mühlhäuser | 
| Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 137 | 
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                        Die Jute, ein Rohstoff für
                           								Schiesswolle.
                        Von Dr. Otto Mühlhäuser.
                        (Schluss der Abhandlung S. 88 d. Bd.)
                        Die Jute, ein Rohstoff für Schiesswolle.
                        
                     
                        
                           Behufs Feststellung der Ausbeute bezieh. auch um das günstigste Verhältniss zu
                              									ermitteln, in welchem Salpeter- und Schwefelsäure zu mischen sind, wurden folgende
                              									Versuche mit der mit Natron gereinigten völlig trockenen Jute ausgeführt.
                           
                        
                           I.
                           10 g Jute werden in ein auf 15° C. abgekühltes Gemisch von 50 g Salpetersäure von 1,5
                              									spec. Gew. und 50 g Schwefelsäure von 1,84 spec. Gew. während 1 Stunde in kleinen
                              									Portionen eingetragen. Beim Eintragen erhöht sich die Temperatur und hat man daher
                              									das das Salpeterschwefelsäuregemisch enthaltende Eisengefäss mit kaltem Wasser zu
                              									kühlen, um die Temperatur von 15° C. während der ganzen Dauer des Eintragens zu
                              									erhalten. Beim Eintauchen färbt sich die Jute braunroth. Da die Säuremischung von
                              									der Faser bezieh. dem Nitroproducte aufgesaugt wird, so wird man, sobald dieser
                              									Zustand sich bemerkbar macht, dasselbe zunächst auf die Seite schieben, so dass ein
                              									Theil des Bodens frei wird, und dann die Masse mit einem Pistill zusammenpressen. Es
                              									sammelt sich dann an dem freigelegten Theil des Bodens wieder Säuregemisch an, das
                              									man zum Tauchen einer neuen Portion Jutewerg verwendet u.s.f.
                           Nach dem Eintragen, welches etwa 1 Stunde dauerte, liess man die Masse 3 Stunden
                              									stehen, dann brachte man dieselbe auf eine in einem Trichter befindliche perforirte
                              									Glasplatte und saugte gründlich unter häufigem Aufdrücken von der gelbrothen Säure
                              									ab. Das abgesaugte braune Product wurde dann in kleinen Portionen in kaltes Wasser
                              									eingetragen, rasch zerzupft und gut umgerührt. Man erhielt eine gelbe flockige
                              									Masse, welche aus unendlich vielen kleinen Zellmetamorphosen besteht, die sich
                              									leicht mit der Hand aus dem Wasser fischen und zum lockeren Ballen drücken lassen.
                              									Nachdem der grösste Theil der Masse aus dem säurehaltigen Wasser herausgeholt ist,
                              									giesst man das Waschwasser durch ein Seihtuch, fügt den gepressten Filterrückstand
                              									zu den Pressungen und wiederholt die Waschoperation etwa 3- bis 4 mal, bis eben die
                              									Masse vollständig ausgewaschen ist. Dann gibt man eine Wäsche mit etwa 50 bis 60°
                              									warmem Wasser, endlich eine solche mit sehr verdünnter Sodalösung. Schliesslich
                              									wäscht man noch 1- bis 2 mal mit reinem Wasser. Die ersten Waschwässer sind ziemlich
                              									gelb gefärbt, ebenso auch das Sodawaschwasser. Ist letzteres gegeben, so ballt sich
                              									augenscheinlich die Wolle mehr zusammen und fühlt sich gröber wie ehedem an. Die
                              									gewaschene Wolle wird zum Trocknen auf Glasplatten ausgebreitet und während etwa 8
                              									Stunden bei 50 bis 60° vollständig, d.h. bis das Gewicht nicht mehr abnimmt,
                              									getrocknet. 10 g Jute geben 12,95 g Schiesswolle, was einer Ausbeute von 129,5
                              									Proc. entspricht.
                           Zur Feststellung der Zusammensetzung bezieh. zur Ermittelung des N-Gehaltes wurde die
                              									gelblich gefärbte, total trockene Wolle nach einer Methode analysirt, welche von Champion und PelletCompt. rend., 83 S. 707. herrührt
                              									und von EderBerl. Berichte, Bd. 13. verbessert
                              									worden ist.
                           Die Analyse wurde wie nachsteht ausgeführt:
                           Ein etwa 180 cc fassendes Glaskölbchen ist mit einem durchbohrten Kautschukstöpsel
                              									verschlossen, dessen Bohrung ein nach abwärts gebogenes Gasentbindungsrohr (von
                              									geringer lichter Weite) enthält. Die Röhre ist in der Mitte entzweigeschnitten und
                              									wieder durch einen dicken Kautschukschlauch, den man an beiden Enden mit Draht
                              									absolut dicht an die beiden Glasröhrenenden anlegt, verbunden. Am freiliegenden
                              									Schlauchstück bringt man einen Schraubenquetschhahn an und kann man daher die Röhre
                              									durch Zusammendrücken des Schlauchs abschliessen. Das Kölbchen wird zur Hälfte mit
                              									reinem Wasser gefüllt, die Wolle, etwa 250 mg, eingetragen und nun das Wasser zum
                              									Kochen gebracht so lange, bis fast alles Wasser aus dem Kölbchen verdampft und alle
                              									Luft durch den fortwährend ausströmenden Dampf vertrieben ist. Während noch das
                              									Wasser aus dem Rohre ausströmt, taucht man das Ende der Gasbindungsröhre in die
                              									gesättigte salzsaure EisenvitriollösungIch bereitete
                                    											die Lösung durch Erwärmen von reiner Salzsäure mit reinem Eisenvitriol auf
                                    											dem Wasserbade. Dabei reichert man die Lösung soweit mit Vitriol an, dass
                                    											beim Erkalten des Filtrats ein Theil des Eisensalzes auskrystallisirt, die
                                    											Mutterlauge also verwendet man. und entfernt nach Schluss des
                              									Quetschhahns die Flamme. Dann öffnet man den Hahn so weit, dass die Lösung nur
                              									langsam dem Kölbchen zufliessen kann, was sich unter heftigem Stossen des Inhaltes
                              									vollzieht. Ist das Kölbchen halb voll, so schliesst man und lässt aus einem mit
                              									luftfreiem WasserLuftfreies
                                    											Wasser stellte ich durch 3 stündiges Kochen von destillirtem Wasser dar.
                                    											Noch heiss, wurde dasselbe mit einer Schicht Xylol bedeckt, um die Luft
                                    											abzuhalten, welche, wenn auch nur in Spuren vorhanden, leicht Täuschungen
                                    											erwecken kann. gefüllten Becherglase so viel eintreten, bis das
                              									sich in der Entbindungsröhre befindliche Eisensalz grösstentheils ins Kölbchen
                              									gespült ist. Nun schliesst man den Hahn nicht allzufest, sondern nur soweit, dass
                              									schon bei geringem Ueberdruck im Kölbchen – trotz dem Hahnverschluss – das Wasser
                              									der Entbindungsröhre ausgetrieben wird. Man erhitzt jetzt mit der Flamme und bringt
                              									das Gasentbindungsrohr unter eine mit starker NatronlaugeDurch
                                    											Auflösen von 1 Theil Natron in 2 Theilen Wasser bereitet.
                              									angefüllte Messröhre von etwa 100 cc Inhalt. Sobald die Dämpfe des Kölbchens
                              									genügende Spannung erreicht haben, wird der Faden der Röhre – wie bereits erwähnt –
                              									vorwärts gedrängt. Ist dies der Fall, so öffnet man den Hahn ganz und die
                              									Gasentwickelung beginnt. Der Inhalt des Kölbchens färbt sich in Folge der Bildung
                              									von Oxydsalz immer dunkler. Gegen den Schluss der Operation kommen ganz kleine
                              									Bläschen. Kommt nur noch Salzsäure, so hört man auf, bringt die Messröhre in einen
                              									mit Wasser gefüllten und mit Thermometer versehenen Glascylinder und lässt, ohne den
                              									Röhreninhalt durchzuschütteln, erkalten. Dann liest man ab und reducirt das
                              									Gasvolumen auf 0° und 760 mmBarometerstand. Die erhaltene Anzahl von
                              									Cubikcentimetern NO multiplicirt man mit 0,6269 und erhält so die Milligramm N,
                              									welche in der abgewogenen Menge Wolle enthalten sind. Die Wolle von Versuch I. gab
                              									folgenden N-Gehalt:
                           1) 0,257 g Substanz gaben 54 cc NO bei 15° C. und 738 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,09.
                           2) 0,2495 g Wolle gaben 51 cc NO bei 13° C. und 738 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           11,83.
                           Die Probe auf den Flammpunkt wurde in einem gewöhnlichen Trockenschranke ausgeführt,
                              									dessen Decke zwei Oeffnungen zum Einhängen zweier Reagirröhren besitzt. Ins eine
                              									Rohr bringt man die Schiesswolle, ins dicht daneben hängende das mit losem Korke
                              									versehene Thermometer. Ist alles in der Weise vorbereitet, so erhitzt man mit einem
                              									Bunsenbrenner. Sobald Detonation erfolgt wird abgelesen. In unserem Falle lag der
                              									Flammpunkt bei 170° C.
                           Die Prüfung auf Zersetzung durch Hitze beruht im Allgemeinen auf der Erscheinung;
                              									dass die geringsten Spuren von Zersetzungsproducten, welche durch Erwärmen einer
                              									kleinen Schiesswollprobe sich bilden, durch Jodkaliumstärkepapier nachgewiesen
                              									werden können. Man führte die Probe wie folgt aus. In einem Becherglase wird Wasser
                              									bis auf 70° C. über einem Bunsenbrenner erhitzt, nachdem man vorher ein Thermometer
                              									und ein Reagenzglas derart ins Wasser eingetaucht hat, dass ersteres etwa 7 cm,
                              									letzteres 6 cm unter dem Wasserspiegel steht. Auf den Boden des Rohrs bringt man
                              									eine kleine Probe Schiesswolle. Dann schliesst man die Röhre mit einem Pfropfen, der
                              									ein an einem Platindrahte aufgehängtes, schwach angefeuchtetes Jodkaliumstärkepapier
                              									trägt, und sieht zu, ob das Papier in dem sich bildenden Dunstkreise verändert wird.
                              									In unserem Falle war Zersetzung nicht bemerkbar.
                           
                        
                           II.
                           Dieses Mal wurde die Jute mit einer Mischsäure nitrirt, die einen Theil Salpetersäure
                              									auf zwei Theile Schwefelsäure enthielt. Davon wurde wie beim ersten Versuche, die 15
                              									fache Menge angewendet. 21,1 g trockene Jute wurden in ein Gemisch von 105 Theilen
                              									Salpetersäure von 1,5 spec. Gew. und 210 g Schwefelsäure von 1,84 spec. Gew. während
                              									einer Stunde in Portionen bei 15–17° C. eingetragen. Nach 2½ stündigem Stehen wurde
                              									die von der Säure abgepresste Masse in Wasser gebracht und sorgfältig, wie beim
                              									ersten Versuche beschrieben wurde, erst mit sehr viel kaltem Wasser, dann mit
                              									Sodalösung gewaschen und schliesslich bei 50–60° getrocknet. Ausbeute = 27,9 g =
                              									132,2 Proc.
                           Der N-Gehalt wurde wie folgt gefunden:
                           1) 0,262 g Wolle gaben 56 cc NO bei 16° C. und 738 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,26.
                           2) 0,259 g Wolle gaben 54½ cc NO bei 16 ½° C. und
                              									738 mm Barometerstand; in Procenten:
                           12,04.
                           Der Flammpunkt der Wolle lag bei 167° C. Gegen Jodkaliumstärkepapier verhielt sich
                              									die Wolle bei der Probe stabil.
                           
                        
                           III.
                           Man nitrirte mit der 15 fachen Menge Mischsäure von der Zusammensetzung 1 : 3.
                           10 g trockene Jute wurden in ein Gemisch von 38 Theilen Salpetersäure und 114 g
                              									Schwefelsäure unter denselben Bedingungen wie bei Versuch I. und II. eingetragen.
                              									Nach 3 stündigem Stehen wurde gepresst, dann gewaschen, bezieh. entsäuert und die
                              									Wolle bei 50–60° C. getrocknet.
                           Ausbeute 13,58 g = 135,8 Proc.
                           1) 0,251 g Substanz gaben 52½ cc NO bei 16° C. und 740 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,03.
                           2) 0,2545 g Substanz gaben 52 cc NO bei 16° C. und 742 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           11,80.
                           Der Flammpunkt der Wolle liegt bei 169° C. Jodkaliumstärkepapier zeigt bei der
                              									Wärmeprobe keine Veränderung.
                           
                        
                           IV.
                           Dieser Versuch wurde genau wie Versuch II. ausgeführt, aber mit grösseren Mengen und
                              									reinerer Jute.
                           50 g Jute werden nach und nach innerhalb zwei Stunden in ein auf 15° C. abgekühltes
                              									Gemisch von 250 g Salpetersäure von 1,50 spec. Gew. und 500 g Schwefelsäure von 1,84
                              									spec. Gew. unter Einhaltung der Temperatur von 15° C. eingetragen. Nach 3 stündigem
                              									Stehen saugte man von der rothgelben Mischsäure ab. Dann wurde successive mehrmals
                              									mit kaltem Wasser, mit warmem von etwa 55° C., dann mit schwach sodahaltigem und
                              									schliesslich mit kaltem Wasser vollständig entsäuert. Bei 50–60° wurde vollkommen
                              									getrocknet.
                           Ausbeute 72,7 g = 145,4 Proc.
                           Die Analyse ergab:
                           1) 0,2525 g Wolle gaben 51 cc NO bei 12° C. und 755 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,03.
                           2) 0,2495 g Substanz gaben 50,2 cc NO bei 11° C. und 751 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           11,96.
                           Beim Erwärmen auf 70° C. entwickelte das Präparat keine Zersetzungsproducte. Der
                              									Flammpunkt liegt bei 162° C.
                           Der Gehalt der Abfallsäure an Salpetersäure wurde mit dem Nitrometer von G. Lunge ermittelt. Zwei Analysen gaben die
                              									nachstehenden Resultate:
                           1) 0,0875 g Abfallsaure gaben 6,3 cc NO bei 14° C. und 752 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           19,07 Proc. NO3H.
                           2) 0,264 g Abfallsäure gaben 19,3 cc NO bei 17° C. und 753 mm Barometerstand:
                           19,25 Proc. NO3H.
                           Die von der Schiesswolle abfiltrirte Säure enthält demnach noch 19,17 Proc. nutzbare
                              									Salpetersäure, welche durch Abtreiben gewonnen werden kann.
                           Das aus Jute durch Nitrirung mit Salpeterschwefelsäure erhaltbare Product stellt
                              									makroskopisch betrachtet, eine helle, bräunlich-gelbe, aus unendlich vielen Härchen
                              									bestehende Wolle dar, deren Glanz schwach an Seide erinnert. Wie eine Untersuchung
                              									unter dem Mikroskope lehrt, haben diese Härchen im Wesentlichen die ursprünglich in
                              									der Jutefaser vorhandene Zellform beibehalten. Die Länge der Zellen, ebenso das
                              									Lumen zeigt Dimensionsveränderungen nicht, dagegen scheint ein Abtrag der äusseren
                              									Schichten der Zelle stattgefunden zu haben: der Gesammtdurchmesser der Zelle ist kleiner
                              									geworden. Diese Thatsache findet ohne Schwierigkeit ihre Erklärung, wenn man sich
                              									erinnert, dass die Jutezelle aus zwei Substanzen, aus Cellulose und einem
                              									gerbstoffähnlichen Körper besteht. Erstere scheint die das Lumen einschliessenden
                              									Partien zu bilden, letztere die peripherischen Schichten, welche beim
                              									Nitrirungsprocesse abgelöst werden. Die Rolle des Loslösens der Zellen aus ihrem
                              									Verbände fällt offenbar der Schwefelsäure zu, welche die gerbstoffartige, die Zellen
                              									unter einander verklebende Substanz zerstört. Die Salpetersäure führt dann die
                              									freigelegte Cellulose in Nitrocellulose über, welcher Vorgang durch die Wasser
                              									entziehende Wirkung der Schwefelsäure begünstigt wird.
                           Die nach den Versuchen I, II, III und IV erhaltenen Präparate sind identisch und
                              									bestehen der Hauptsache nach aus Pentanitrocellulose:
                           C12H15O5(ONO2)5.
                           Ueber die Eigenschaften der Schiesswolle ist an diesem Orte Nachstehendes zu
                              									sagen:
                           Die Wolle ist unlöslich in heissem und kaltem Wasser, unlöslich in Aether, Benzol und
                              									in Alkohol. Sie löst sich aber in Essigäther und bildet damit beim Erkalten eine
                              									Gelatine. Schon mit wenig Essigäther befeuchtet gelatinisirt die Wolle sehr leicht,
                              									anscheinend viel leichter als Schiessbaumwolle, augenscheinlich in Folge der
                              									feineren und mit weitem Lumen ausgestatteten Zellen. Diese Gelatine besitzt eine
                              									gelbe Farbe.
                           In Fladform gebracht und an der Luft getrocknet erhält man eine elastische, zähe
                              									Masse, welche mit dem aus Schiessbaumwolle bereiteten Präparate grösste Aehnlichkeit
                              									besitzt. In Nitrobenzol löst sich die Wolle ebenfalls auf und bildet damit beim
                              									Erkalten eine gelbe, klar durchsichtige Gelatine. Sehr interessant ist es, den
                              									Vorgang des Gelatinisirens der Wolle unter dem Mikroskope zu beobachten. Präparirt
                              									man die Wolle wie gewöhnlich mit Wasser und bringt an die Seite des Deckgläschens
                              									einen Tropfen Nitrobenzol, so verdrängt letzteres allmählich das Wasser, gelangt an
                              									die Nitrojute und gelatinisirt sie. Das einzelne Härchen löst sich nicht einfach im
                              									Medium auf, sondern verschwindet aufquellend in demselben. Die Gelatine stellt dann
                              									keine klare Lösung, sondern eine körnige Masse in einem flüssigen Mittel dar. So
                              									beim Nitrobenzol, wo das Quellen langsam statt hat, so auch beim Essigäther, wo es
                              									rasch vor sich geht. Man muss vermuthen, dass beim Gelatinisiren die Nitrocellulose
                              									mit dem zugesetzten Medium zu einer eigenartigen Verbindung zusammentritt, welche
                              									dann in Form von mehr oder weniger sichtbaren Körnern im überschüssigen Mittel
                              									herumschwimmt.
                           In Aether-Alkohol löst sich die Wolle theilweise. 60 g aus 2 Theilen Aether und 1
                              									Theil Alkohol bestehende Mischung lösen in der Wärme nach mehrstündiger Digestion
                              									11,90 Proc. Wolle auf. Der verbleibende Rückstand ist in Aceton nur wenig löslich.
                              									100 Theile Aceton lösen davon etwa 1 Proc.
                           An der Luft mit einem Streichholze entzündet brennt die Wolle langsam und ruhig mit
                              									gelber Flamme rauchschwach ab. Durch Schlag mit dem Hammer auf den Amboss detonirt
                              									sie unter denselben Erscheinungen wie Schiessbaumwolle. Aehnlich verhält sich das
                              									Präparat bei der Entzündung mit einem Knallquecksilberzünder. Der Versuch wurde in
                              									einer runden, mit einer Vertiefung für die Knallquecksilberpatrone versehenen
                              									Blechkapsel ausgeführt. Die Kapsel wurde mit 20 g Schiesswolle gefüllt und auf einer
                              									dicken Bleiplatte zur Explosion gebracht, wodurch eine gewöhnlicher Schiesswolle
                              									entsprechende Wirkung erzielt wird.
                           Mit Schwefelsäure in der Kälte zusammengebracht, geht die Wolle unter Abgabe von
                              										NO3H in Lösung. Die NO2-Reste scheinen dabei durch Schwefelsäurereste ersetzt zu werden. Gegen
                              									Eisenvitriol und Eisenchlorür verhält sich die Wolle analog den Nitraten und genau
                              									wie Schiessbaumwolle. Beim Zerlegen mit Schwefelsäure über Quecksilber wird aller N
                              									in Form von NO abgegeben. Die Wolle kann daher auch mit dem Nitrometer von Lunge analysirt werden.
                           Die Schiessbaumwolle wird im Grossen, nachdem der grösste Theil der Säure durch
                              									Waschen entfernt und die Masse geholländert ist, bekanntlich durch vorsichtige
                              									Behandlung mit Carbonaten vollständig entsäuert. Dieser Weg der Entsäuerung musste
                              									von vornherein auch für die Entsäuerung der Nitrojute als der richtige angenommen
                              									werden. Da nun im Allgemeinen Nitrokörper überhaupt, namentlich leicht aber Körper,
                              									welche die Gruppe ONO2 enthalten, durch Alkalien
                              									zersetzt werden, und über das Verhalten der Schiesswolle gegen Alkali, wenigstens
                              									mit Rücksicht auf technische Verhältnisse wenig bekannt ist, so schien das Studium
                              									des Verhaltens der technisch wichtigeren Alkalien gegen Nitrojute von speciellem
                              									Interesse. BéchampCompt rend., 41817. und EderBerl. Berichte, Bd. 13 S. 169.
                              									studirten die Einwirkung der wässerigen Alkalihydrate auf in Aether-Alkohol gelöste
                              									Nitrocellulose und kamen auf Grund ihrer Untersuchungen zur Ansicht, dass man mit
                              									Alkalien die NO2 reiche Schiesswolle auf an NO2-Gruppen arme Cellulose abbauen könne. So geht nach
                              										Eder Pentanitrocellulose und Tetranitrocellulose in
                              									Dinitrat über. Letzteres ist aber nach H. O. WillBerl Berichte, 24–400. kein Dinitrat
                              									der Cellulose, er hält den Körper vielmehr für das Oxim eines Ketons und
                              									constatirte, dass Schiessbaumwolle, mit Natronhydrat in alkoholisch-ätherischer
                              									Lösung behandelt, bei längerer Einwirkungsdauer Oxybrenztraubensäure liefert:
                           
                              
                                 COH|CHOH|COOH
                                 oder
                                 CH2OH|CO|COOH.
                                 
                              
                           Bei den nachfolgenden Versuchen wurde Schiesswolle in wässeriger Lösung mit
                              									Natronhydrat bezieh. Natriumcarbonat behandelt und in allen Fällen eine Umsetzung
                              									von Substanz beobachtet. Ein Abbau im Sinne von Eder
                              									fand jedoch nicht statt. Das Gewicht der in Reaction gebrachten Wolle nahm wohl mehr
                              									oder weniger ab, die Zusammensetzung des zurückbleibenden Antheils wurde aber immer
                              									als dieselbe befunden wie vor der Einwirkung des Alkalis, sie veränderte sich nicht.
                              									Man muss daher annehmen, dass das Alkali dem einmal angegriffenen Molekül alle NO2-Gruppen und nicht einen Theil derselben entzieht
                              									und wird wohl ausser CO2, N2O3 und NO3H, welche von dem Alkali gebunden werden,
                              									wesentlich das Salz der Oxybrenztraubensäure entstehen.
                           Verhalten gegen eine 5 procentige Natronlösung:
                           
                           Wird 1 g Wolle mit 100 g einer 5 procentigen Natronlösung in der Kälte 48
                              									Stunden stehen gelassen, so entsteht eine klare Lösung von braungelber Farbe, welche
                              									beim Ansäuern mit Schwefelsäure N2O3 entwickelt.
                           Verhalten gegen eine 1 procentige Natronlösung:
                           Versetzt man 1 g Schiesswolle mit 100 g einer 1 procentigen Natronlauge, so färbt
                              									sich die Lauge mehr und mehr gelb, ein vollständiges Auflösen der Wolle findet
                              									indessen nicht statt. Nach 52 stündigem Stehen wurde durch ein gewogenes Filterchen
                              									filtrirt, der Rückstand mit warmem Wasser vollständig ausgewaschen, getrocknet und
                              									der Verlust bestimmt. Es waren 0,779 g auf dem Filter verblieben. Eine 1 procentige
                              									Natronlösung zersetzt demnach innerhalb der angegebenen Zeit 22,1 Proc. der
                              									Schiesswolle.
                           Die Analyse des Rückstandes ergab Folgendes:
                           1) 0,2525 g Rückstandswolle gaben 54 ½ cc NO bei 15° C. und 736 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,39.
                           2) 0,2525 g Substanz gaben 53,7 cc NO bei 15° und 746 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,33.
                           Daraus geht hervor, dass die aus Jute bereitete Schiesswolle durch dünne Lauge zwar
                              									sehr stark angegriffen: zerstört wird, dass aber der zurückbleibende Theil nicht
                              									etwa ein Product darstellt, aus dem Nitrogruppen abgespalten wurden, sondern
                              									derselbe aus unangegriffener Schiesswolle besteht.
                           Verhalten gegen Soda: Wie aus den beiden letzt angeführten Versuchen hervorgeht, ist
                              									die Anwendung von Natronlauge zur Entsäuerung von Schiesswolle unstatthaft. Man ging
                              									daher zur Prüfung des Verhaltens der Soda über. Letztere wird im Grossen zur
                              									Entsäuerung der Schiessbaumwolle verwendet, das Verhalten der Soda gegen Nitrojute
                              									erschien daher interessant.
                           Verhalten gegen eine kalte 1 procentige Sodalösung:
                           1 g Schiesswolle wurde mit 100 g einer 1 procentigen Na2CO3-Lösung 50 Stunden unter öfterem
                              									Umrühren stehen gelassen. Dann wurde die wenig gelb gefärbte Lösung von der
                              									rückständigen Wolle abfiltrirt, der Rückstand ausgewaschen, getrocknet und gewogen.
                              									Es verblieben 0,9815 g. Der Verlust betrug also 1,85 Proc.
                           Die Analyse ergab:
                           0,252 g Substanz gaben 52,2 cc NO bei 16° C. und 748 mm Barometerstand; in
                              									Procenten:
                           12,04.
                           Verhalten gegen eine warme 1 procentige Sodalösung:
                           Digerirt man 1 g Schiesswolle mit 100 g einer 1 procentigen Sodalösung 3 Stunden lang
                              									auf dem Wasserbade, so erhält man eine stark gefärbte, braungelbe Lösung und einen
                              									Rückstand. Gesammelt, gewaschen und getrocknet wog derselbe 0,752 g. Es waren somit
                              									0,248 g = 24,8 Proc. Wolle in Lösung gegangen.
                           Die rückständige Wolle war mehr weiss geworden.
                           Die Analyse derselben ergab folgende Resultate:
                           1) 0,2615 g gaben 54,5 cc NO bei 15° C. und 73,8 mm Barometerstand; in Procenten:
                           12,0.
                           2) 0,249 g gaben 54½ cc NO bei 16½ ° C. und 738 mm Barometerstand; in Procenten:
                           12,5.
                           Auch in diesem Falle hat eine gradweise Abspaltung nicht stattgefunden, die
                              									Zerstörung erstreckte sich wie in allen Fällen auf das ganze Molekül.
                           Was man aus diesen Versuchen sieht, lässt sich darin zusammenfassen, dass man zur
                              									Wegnahme der letzten Säurereste aus Schiesswolle weder kalte Natronlauge, noch warme
                              									Sodalösung anwenden soll. Man wird vielmehr zur Vermeidung von Substanzverlusten die
                              									Wolle mit einer schwachen Sodalösung versetzen.
                           Stuttgart, im Januar 1892.
                           Chemisch-technologisches Laboratorium der technischen
                              									Hochschule.