| Titel: | Untersuchungen über die Bildung der Farblacke. | 
| Autor: | Carl Otto Weber | 
| Fundstelle: | Band 283, Jahrgang 1892, S. 183 | 
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                        Untersuchungen über die Bildung der
                           								Farblacke.
                        Von Dr. Carl Otto Weber.
                        (Schluss der Abhandlung S. 158 d. Bd.)
                        Untersuchungen über die Bildung der Farblacke.
                        
                     
                        
                           Nach den bei der Titration der Farbstofflösungen mit Tannin gemachten Erfahrungen ist
                              									es klar, dass nur wenn erstere mit der gerade erforderlichen Menge Tannin oder einem
                              									Ueberschusse desselben gefällt werden, der Farbstoff vollständig in den Tanninlack
                              									übergeht. Da die gerade erforderliche Tannin menge unbekannt ist, so bleibt nur
                              									übrig mit einem bekannten Ueberschusse von Tannin zu arbeiten und die nicht vom
                              									Farbstoffe gebundene Menge durch Titration zu ermitteln.
                           Zur Ausführung dieser Bestimmung benutzte ich: 1) eine Lösung von 50 g chemisch
                              									reinem Tannin und 200 g absolut reinem, gegen Permanganat völlig indifferentem
                              									Natriumacetat in 1 l destillirtem Wasser, 2) eine Lösung von 1 g Permanganat in 1 l
                              									destillirtem Wasser, 3) eine Lösung von 5 g reinem trockenem Indigocarmin und 100 cc
                              									concentrirter Schwefelsäure in 1 l Wasser. Von dem zu untersuchenden Farbstoffe
                              									wurde 1 g in 200 cc Wasser gelöst.
                           Zur Feststellung des Titers der Tanninlösung werden 20 cc (= 1 g Tannin) derselben
                              									auf 200 cc verdünnt. 5 cc hiervon werden in einem Becherglase mit 750 cc Wasser
                              									verdünnt, 20 cc der Indigolösung hinzugefügt und sodann mit der Permanganatlösung
                              									titrirt. In derselben Weise werden 20 cc der Indigolösung mit 750 cc Wasser verdünnt
                              									und mit Permanganat titrirt.
                           Zur Ausführung der Bestimmung wird 1 g des Farbstoffes in 200 cc Wasser gelöst. Man
                              									gibt darauf in eine 200 cc-Flasche 20 cc (= 1,000 g) der Tanninlösung und fügt
                              									darauf unter fortwährendem massigen Umschwenken 25 cc (= 0,125 g) der
                              									Farbstofflösung (nicht umgekehrt!) hinzu. Der Tanninlack scheidet sich dann sofort
                              									in äusserst fein vertheilter Form aus. Man bringt die Flasche sodann in ein
                              									Wasserbad, in dem sie während 10 Minuten erhitzt wird. Dann wird mit kaltem
                              									Wasser verdünnt und durch ein trockenes Faltenfilter filtrirt. 5 cc des Filtrates
                              									werden mit 750 cc Wasser verdünnt, 20 cc Indigolösung zugefügt und darauf mit der
                              									Permanganatlösung auf bekannte Weise titrirt. Das Resultat dieser Titration fällt
                              									natürlich niedriger aus, als das der Tanninlösung ohne Farbstoff, entsprechend dem
                              									Betrage der zur Lackbildung aufgewandten Menge Tannin. Die für 1 g Farbstoff
                              									erforderliche Menge Tannin ergibt sich aus der Formel:
                           
                              T=\frac{320\,b\,(a-c)}{1000}
                              
                           In dieser Formel bedeutet a die Anzahl von
                              									Cubikcentimetern Permanganat, die zur Titration von 5 cc der auf 200 cc verdünnten
                              									20 cc Tanninlösung und der 20 cc Indigolösung verbraucht wurde, c die Anzahl von Cubikcentimetern Permanganat, die zur
                              									Titration von 5 cc Filtrat, von den wie angegeben dargestellten Farblacken, und der
                              									20 cc Indigolösung verbraucht wurde, b bedeutet die
                              									Menge Tannin in Milligrammen ausgedrückt, die 1 cc der Permanganatlösung
                              									entsprechen.
                           Hat man also beispielsweise gefunden, dass von den 20 cc der auf 200 cc verdünnten
                              									Tanninlösung 5 cc + 20 cc Indigolösung 35,4 cc der Permanganatlösung erfordern, so
                              									ist in obiger Gleichung a = 35,4 zu setzen. Hat man
                              									ferner gefunden, dass 20 cc Indigolösung 17,6 cc Permanganat erfordern, so lässt
                              									sich hieraus und aus a leicht berechnen, dass 1 cc
                              									Permanganat 1,420 mg Tannin entspricht und man hat daher b = 1,420. Findet man, dass von dem Filtrate des wie angegeben
                              									dargestellten Lackes 5 cc + 20 cc Indigolösung 33,2 cc Permanganat beanspruchen, so
                              									ist c = 33,2 und man hat
                           
                              T=\frac{320\,b\,(a-c)}{1000}=\frac{320\,\times\,1,42\,(35,4-33,2)}{1000}
                              
                               =\frac{320\,\times\,1,42\,\times\,2,2}{1000}=0,9988
                           Dies heisst also, dass 1 g des untersuchten Farbstoffes 0,9988
                              									g = 99,88 Proc. Tannin zur vollständigen Umwandlung des Farbstoffes in den
                              									Tanninlack erfordert. Hieraus lässt sich dann ohne weiteres der Tanninbedarf des
                              									Moleküles des Farbstoffes berechnen, eine Zahl, die im Allgemeinen für praktische
                              									Zwecke von wenig Werth ist, da die meisten basischen Farbstoffe von dem Zustande
                              									chemischer Reinheit sehr weit entfernt sind, in Folge der häufig sehr bedeutenden
                              									Mengen von Dextrin oder Zucker, die dieselben enthalten. (Folgt Tabelle von S.
                              									184.)
                           Aus dieser Tabelle geht zunächst hervor, dass alle bis jetzt bekannten basischen
                              									Farbstoffe, mit Ausnahme des Chrysoidins, für das Molekül Farbstoff mehr als 1 Mol.
                              									Tannin zur Lackbildung erfordern. Bei solchen mehrsäurigen Farbbasen, die als
                              									Farbstoffe zwei oder mehr einwerthige Säureradicale enthalten (Malachitgrün,
                              									Bismarckbraun, Vesuvin, Indazin M), ist dies weiter nicht auffallend. Diese
                              									Thatsache kommt aber etwas unerwartet bei denjenigen Farbstoffen, die, obgleich
                              									mehrbasisch, als Farbstoffe nur in der Form einsäuriger Salze vorkommen, wie dies
                              									von der grossen Mehrheit der basischen Farbstoffe gilt. Wir können auf Grund der in
                              									obiger Tabelle enthaltenen Resultate sagen, dass mit zwei Ausnahmen alle basischen
                              									Farbstoffe für 1 Mol. Farbstoff 2 Mol. Tannin erfordern. Die beiden nicht dieser
                              									Regel sich fügenden Farbstoffe sind: Chrysoidin, das nur 1 Mol., und Auramin, das
                              									1,5 Mol. Tannin für das Farbstoffmolekül erfordert.
                           
                           
                              
                                 Farbstoff
                                 Molekulargewichtdes
                                    											reinenFarbstoffes
                                 Tanninbedarf
                                 Fabrikant
                                 
                              
                                 für 1 Mol. Farbstoff
                                 in Procenten
                                 
                              
                                 Magenta krist.
                                    395,5
                                   622 = 2 Mol.
                                 157
                                 Dan. Dawson Bros. Lim., Huddersfield.
                                 
                              
                                 Fuchsin, kleine krist.
                                    395,5
                                   648 = 2    „
                                 164
                                 Meister, Lucius und Brüning, Höchst.
                                 
                              
                                 Fuchsin, mittlere krist.
                                    395,5
                                   636 = 2    „
                                 161
                                 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
                                 
                              
                                 Fuchsin, kleine krist.
                                    895,5
                                   641 = 2    „
                                 162
                                 Dan. Dawson Bros. Lim., Huddersfield.
                                 
                              
                                 Methylviolett BO.
                                    393,5
                                   510 = 2    „   4
                                 130
                                 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
                                 
                              
                                 Krystallviolett.
                                    551,5
                                   651 = 2    „
                                 118
                                 
                                    Bad. Anilin- und Sodafabrik.
                                    
                                 
                              
                                 Malachitgrün krist.1
                                    92613
                                 1324 = 4    „   3
                                 143
                                 Küchler und Buff, Crefeld.
                                 
                              
                                 Brillantgrün krist.2
                                 482
                                   650 = 2    „
                                 135
                                      „       „      „           „
                                 
                              
                                 Victoriablau B
                                 496
                                   312 = 1    „   5
                                    63
                                 
                                    Bad. Anilin- und Sodafabrik.
                                    
                                 
                              
                                 Auramine O
                                    321,5
                                   480 = 1,5 „
                                 149
                                    „        „        „          „
                                 
                              
                                 Rhodamine B
                                    478,5
                                   196 =    ?     6
                                    41
                                    „        „        „          „
                                 
                              
                                 Pyronin B
                                    330,5
                                   118 =    ?     6
                                    36
                                 A. Leonhardt und Co., Mülheim i. H.
                                 
                              
                                 Pyronin G
                                    302,5
                                   136 =    ?     6
                                    45
                                            „          „      „         „         „
                                 
                              
                                 Safranine GO
                                    350,5
                                   287 =    ?     7
                                   82
                                 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
                                 
                              
                                 Safranine GGS
                                    350,5
                                   603 = 2 Mol.8
                                 172
                                           „         „     „          „          „
                                 
                              
                                 Nachtblau
                                    575,5
                                   414
                                    72
                                 
                                    Bad. Anilin- und Sodafabrik.
                                    
                                 
                              
                                 Nilblau
                                    676,0
                                   824
                                 122
                                    „        „        „          „
                                 
                              
                                 Methylenblau B conc.
                                    79313
                                 1237 = 4    „
                                 156
                                 Meister, Lucius und Brüning, Höchst.
                                 
                              
                                 Muscarine J
                                    326,5
                                   295 9
                                    83
                                 Durand und Huguenta, Basel.
                                 
                              
                                 Muscarine JR
                                 ?
                                 ?
                                 163
                                      „        „           „           „
                                 
                              
                                 Basler Blau BB
                                    504,5
                                   297 9
                                    59
                                      „        „           „           „
                                 
                              
                                 Basler Blau R
                                 ?
                                 ?
                                 131
                                      „        „           „           „
                                 
                              
                                 Acridinorange
                                    434,5
                                   452
                                 104
                                 A. Leonhardt und Co., Mülheim i. H.
                                 
                              
                                 Azingrün BTO
                                    476,5
                                   322 7
                                    68
                                            „          „      „          „       „
                                 
                              
                                 Vesuvin OOO extra
                                 496
                                   823 10
                                 166
                                 
                                    Bad. Anilin- und Sodafabrik.
                                    
                                 
                              
                                 Bismarckbraun G
                                 496
                                   664 = 2 Mol.
                                 134
                                 Hampson Bros., Manchester.
                                 
                              
                                 Chrysoidine FF
                                    248,5
                                   350 = 1   „   11
                                 141
                                 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M.
                                 
                              
                                 Indazin M
                                 593
                                   243 = 1   „   12
                                    41
                                           „         „      „           „        „
                                 
                              
                           1 Oxalat. 2 Sulfat. 3 Es
                              									ist dies für 1 Mol. der Farbbase: 662 = 2,0 Mol. Tannin. 4 Unter der Annahme, dass der Farbstoff 75 Proc.
                              									stark ist. 5 Der Farbstoff erscheint danach 50
                              									Proc. stark. 6 Sehr stark verdünnter Farbstoff.
                              										7 Ist ungefähr 50 procentige Waare. 8 Sehr starkes Safranin. 9 Diese Farbstoffe scheinen etwa 50 Proc. stark zu
                              									sein, die rothen Marken Muscarin JR und Basler Blau R sind aber offenbar weit
                              									stärkere Farbstoffe. 10 Diese Zahl für Vesuvin ist
                              									auffallend hoch. 11 Das Chrysoidin ist fast
                              									chemisch reine Waare, es scheint daher, soweit sich dies vorläufig feststellen
                              									lässt, dass Chrysoidin der einzige basische Farbstoff ist, der nur 1 Mol. Tannin zur
                              									Lackbildung erfordert. 12 Der Farbstoff scheint
                              									ungefähr 50 Proc. stark zu sein. 13 Enthält ein
                              									Doppelmolekül Farbbase.
                           Aus den Constitutionsformeln dieser Farbstoffe lässt sich nichts ableiten, was
                              									zum Verständniss dieses Verhaltens beitragen könnte. Chrysoidin besitzt die
                              									Constitutionsformel:
                           
                              {\mbox{C}_6\mbox{H}_5\mbox{N}}=\mbox{N}-\mbox{C}_6\mbox{H}_3}\left\{{{\mbox{NH}_2\
                                 										\ \ \ \ \ }\atop{\mbox{NH}_2.\mbox{HCl}}}\right
                              
                           ist also danach eine zweisäurige Base, dasselbe gilt für
                              									Auramin, dessen Constitution der Formel:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 283, S. 184
                              
                           entspricht. Besonders auffallend ist in Anbetracht der
                              									einbasischen Natur des Tannins, dass das Auramin 1,5 Mol. Tannin erfordert. Unter
                              									einem halben Molekül Tannin können wir uns nichts vorstellen und ist diese
                              									Bezeichnung nur zulässig als ein Ausdruck der quantitativen Verhältnisse. Richtiger
                              									sagen wir jedenfalls, dass 2 Mol. Auramin 3 Mol. Tannin erfordern. Die Reaction
                              									zwischen diesen 5 Mol. wird dadurch aber nicht klarer, obgleich die Idee einer
                              									Betheiligung der Phenolhydroxyle des Tannins nahe liegt, eine hypothetische Frage,
                              									die uns hier wenig interessirt.
                           Aus den in den beiden Tabellen über die directe und indirecte Bestimmung der zur
                              									Fixirung der basischen Farbstoffe erforderlichen Tanninmengen geht nun unmittelbar
                              									hervor, dass im Allgemeinen ¼ der zur vollständigen chemischen Fällung der basischen
                              									Farbstoffe erforderlichen Tanninmenge zur vollständigen physikalischen oder besser
                              									empirischen Fällung genügt. Die totale Vernachlässigung der chemischen
                              									Mengenverhältnisse in der Darstellung der Tanninlacke sowohl an und für sich, als
                              									auch auf der Faser in der Baumwollfärberei hat zur Folge, dass der grössere Theil
                              									des Farbstoffes nicht als Tanninlack, sondern, wie früher gezeigt, in Form
                              									eines mehr oder minder basischen Salzes im Lack oder auf der Faser existirt. Dass
                              									die unfixirten basischen Farbstoffe in ausserordentlichem Grade unecht sind, ist so
                              									wohl bekannt, dass wir uns dabei nicht weiter aufzuhalten brauchen, und es folgt
                              									daher, dass bei der heute üblichen Methode der Darstellung der Tanninlacke und der
                              									Färbung der basischen Farbstoffe auf Baumwolle Resultate erhalten werden, die in
                              									Bezug auf Licht- und Luftechtheit in vielen Fällen mangelhaft sind und erheblich
                              									hinter dem Erreichbaren zurückbleiben.
                           In der Fabrikation von Farblacken hat dies dahin geführt, dass die Darstellung der
                              									Tanninlacke der basischen Farbstoffe fast gänzlich aufgegeben worden ist und sie nur
                              									noch da angewendet werden, wo es auf höchste Brillanz des Tones mehr als auf
                              									Lichtechtheit ankommt. Selbst in diesen Fällen wird die Fixirung lieber durch
                              									Arsenite. Phosphate oder Stearate und Palmitate (Seifen) bewirkt, die dem
                              									Fabrikanten bessere Resultate geben als Tannin, aus dem einfachen Grunde, weil diese
                              									in solchen Mengen gegenüber dem Farbstoffe zur Anwendung kommen, dass derselbe stets
                              									vollständig chemisch fixirt ist, was bei der üblichen Methode der Tanninfixirung nie
                              									der Fall ist.
                           In der Baumwollfärberei ist dagegen die Tanninfixirung von allergrösster Bedeutung,
                              									und obgleich noch andere Methoden zur Färbung der basischen Farbstoffe auf Baumwolle
                              									existiren, so sind dieselben doch nur von sehr untergeordneter Wichtigkeit. Dem
                              									Färber ist es wohl bekannt, dass tiefere Schattirungen der verschiedenen Farbstoffe
                              									stärkere Mordantirung erfordern, aber hierbei wird den chemischen
                              									Molekularverhältnissen nur im gröbsten Sinne des Wortes Rechnung getragen und die
                              									Thatsache, dass die Menge Tannin, die auf der Faser befestigt wird, in einem absolut festen
                              									Verhältnisse zur Zusammensetzung und aufzufärbenden Menge eines bestimmten
                              									Farbstoffes stehen muss, wird vom Färber so gut wie gänzlich ausser Acht gelassen.
                              									Die natürliche Folge hiervon ist, dass fast ausnahmslos viel mehr Farbstoff auf
                              									einem Tanninmordant fixirt wird, als derselbe chemisch zu binden vermag, und das
                              									Resultat ist eine in directem Verhältniss zu der Menge des nicht an Tannin
                              									gebundenen Farbstoffes stehende Unechtheit der Färbung, nicht nur gegen Luft und
                              									Licht, sondern auch gegen Seife.
                           Obige Tabelle nun oder vielmehr die zugehörige analytische Methode gibt dem Färber
                              									ein Mittel an die Hand zur rationellen Bemessung der Färbstoffmengen, die auf eine
                              									bestimmte Menge Tannin gefärbt werden können. Es darf hierbei freilich nicht
                              									vergessen werden, dass der Färber ausser Tannin eine ganze Anzahl anderer
                              									Gerbstoffmaterialien verwendet: Myrabolanen, Sumach, Divi-Divi, Granatapfelrinde,
                              									Eichenextract, Kastanienextract, Kino, Catechu und viele andere. Es wird also
                              									erforderlich sein, dass der Färber den Wirkungswerth dieser Gerbstoffmaterialien in
                              									Bezug auf reines Tannin oder direct auf die von ihm verwendeten basischen Farbstoffe
                              									feststellt, um den wahrscheinlich für jeden Gerbstoff verschiedenen
                              									Verbindungsverhältnissen Rechnung zu tragen. Ebenso aber wird es nöthig sein, die
                              									Quantitäten der verschiedenen Gerbstoffe zu ermitteln, die aus Bädern von bestimmter
                              									Stärke auf der Baumwolle fixirt werden, eine Arbeit, die sich ohne nennenswerthe
                              									Schwierigkeiten bewerkstelligen lassen wird.
                           In der Färberei wird nur in sehr seltenen Fällen, wenn überhaupt je, direct auf die
                              									tannirten Garne gefärbt, da so gefärbte Garne stets stark abrussen. Dies rührt davon
                              									her, dass das auf der Baumwolle fixirte Tannin in der Farbflotte langsam wieder in
                              									Lösung geht und zur Fixirung einer erheblichen Menge von Tanninlack unmittelbar auf
                              									der Oberfläche der Faser Veranlassung gibt. Es wird deshalb das in der Faser fixirte
                              									Tannin gewöhnlich durch ein Metallsalz in ein unlösliches Metalltannat übergeführt.
                              									Als solche Metallsalze dienen Antimon-, Zinn- und Eisensalze, doch sind auch Zink-
                              									und Bleisalze vorgeschlagen worden. Diese Metalltannate besitzen sehr grosse
                              									Vortheile vor dem freien Tannin. Ich habe früher darauf hingewiesen, dass ein
                              									Tanninüberschuss im Stande ist, ebenso unvortheilhaft zu wirken, als eine
                              									ungenügende Menge Tannin, indem viele Tanninlacke in überschüssigem freiem Tannin
                              									löslich sind. Ist dagegen das Tannin in Gegenwart eines Metalltannats vorhanden, so
                              									ist diese Wirkung vollständig ausgeschlossen. Ferner aber sind die Doppellacke der
                              									basischen Farbstoffe mit Metalltannaten bedeutend feuriger und unvergleichlich viel
                              									echter als die einfachen Tanninlacke.
                           Von den erwähnten Metallsalzen hat sich keines in solchem Grade bewährt als der von
                              										Th. Brooks vorgeschlagene Brechweinstein.
                              									Zahlreiche andere Antimonsalze sind in den letzten Jahren als Ersatz des theuren
                              									Brechweinsteines empfohlen worden, aber keines hat sich unter allen Bedingungen so
                              									vortheilhaft erwiesen als letzterer. Für die Färberei und den Cattundruck bedarf die
                              									Anwendung der Antimonsalze keiner Empfehlung und die oben angegebenen Vorzüge der
                              									Antimontanninlacke sollten auch in der Fabrikation der Farblacke an und für sich
                              									genügend Veranlassung sein, die basischen Farbstoffe nicht als reine
                              									Tanninlacke, sondern als Antimondoppellacke zu fällen. Das Verfahren der
                              									Lackfällung wird dabei zweckmässig in der Weise abgeändert, dass das Tannin zu der
                              									in Wasser aufgeschlämmten Grundlage gefügt wird, sodann wird das Tannin mit
                              									Brechweinstein auf der Grundlage fixirt, ausgewaschen und sodann die der angewandten
                              									Menge Tannin entsprechende Farbstoffmenge langsam hinzugefügt; die Bildung des
                              									Farblackes findet hierbei genau wie beim Färben der Baumwolle statt. Auf solche
                              									Weise hergestellte Lacke sind unvergleichlich viel echter, als die auf die früher
                              									beschriebene rohe empirische Weise hergestellten Producte.
                           In der Färberei und im Cattundruck werden die tannirten Garne stets in Gegenwart
                              									überschüssigen Antimonsalzes fixirt, da die betreffenden Bäder immer wieder benutzt
                              									werden. Bei der Darstellung von Lacken ist es aber aus ökonomischen Gründen
                              									erforderlich, keinen oder wenigstens einen sehr geringen Ueberschuss von
                              									Brechweinstein oder eines anderen Antimonsalzes anzuwenden. Die Anhäufung von freier
                              									Säure oder sauren Salzen in den für eine lange Zeit in der Färberei oder
                              									Cattundruckerei benutzten Bädern ist ein erheblicher Uebelstand, der wesentlich dazu
                              									beigetragen hat, die Verwendung billigerer Antimonsalze als des Brechweinsteins
                              									nachtheilig zu beeinflussen. Bei der Darstellung von Lackfarben kommt aber dieser
                              									Gegenstand nicht in Betracht und wird man daher für diesen Zweck mit Vortheil eines
                              									der erwähnten Brechweinsteinsurrogate verwenden. Die Reaction zwischen Tannin und
                              									Brechweinstein scheint im Sinne der Gleichung
                           C14H10O9 + C4H4O6R
                              									(SbO) = C14H9O9 (SbO) + C4H4O6RH
                           zu erfolgen, so dass für ein Molekül Tannin (322) ein Molekül
                              									Brechweinstein (334) erforderlich wäre. Titrirt man indessen eine Lösung von Tannin
                              									mit einer Lösung von Brechweinstein nach Galand's
                              									Methode, so findet man, dass für jedes Molekül Tannin nur ein halbes Molekül
                              									Brechweinstein erforderlich ist. Dieses Verhältniss zwischen Tannin und
                              									Brechweinstein ist also bei der Darstellung der Farblacke nicht zu überschreiten.
                              									Ein erheblicher Ueberschuss von Brechweinstein oder einem der Substitute desselben
                              									hat bei Gegenwart von ThonerdehydratMan kann
                                    											sagen, dass alle aus basischen Farbstoffen dargestellten Lacke auf ein
                                    											Thonerdesubstrat oder ein Thonerdehydrat haltendes Substrat gefällt
                                    											werden. die unangenehme Wirkung, den gefällten Lack zum grossen
                              									Theil in Suspension zu erhalten, was natürlich das unumgängliche Auswaschen der
                              									Lacke sehr erschwert, ja geradezu unmöglich machen kann.
                           Die Function der Antimonsalze in der Bildung der basischen Farblacke kann auch von
                              									anderen Metallsalzen übernommen werden und thatsächlich wurden vor Einführung der
                              									Brechweinsteinbeize Blei- und Zinksalze zu diesem Zwecke angewandt; deren Verwendung
                              									ist aber heute so gut wie vollständig aufgegeben, da die damit erzielten Resultate
                              									an Schönheit mit der Antimonfixage nicht concurriren können. Dagegen wird
                              									gegenwärtig in gewissen Fällen die Eisenfixage mit Eisenvitriol oder Eisenoxydsalzen
                              									und die Zinnbeize mit Zinnchlorür oder Zinnchlorid benutzt. Die Eisenfixage wird nur
                              									zur Herstellung sehr dunkler blauer Töne benutzt, die Zinnfixage besonders für zarte
                              									Schattirungen von Roth, Rosa und Gelb. Doch muss mit Bezug auf die Zinnfixage gesagt
                              									werden, dass die erhaltenen Resultate zwar schöner sind als sie sich mit
                              									Antimonsalzen unter sonst gleichen Umständen erreichen lassen, dagegen ist die
                              									Echtheit der Tanninzinnlacke viel geringer als die der Antimontanninlacke.
                           Für die Lackfarbenfabrikation ist die Eisenfixage unbrauchbar, dagegen lässt sich die
                              									Zinnfixirung häufig zur Erzeugung feuriger Rosatöne mit Vortheil verwenden. Hierbei
                              									ist aber stets der Lack auf einem Substrat zu fällen, das im Stande ist, das
                              									Zinnsalz völlig zu zersetzen. Calcium- oder Bariumcarbonat wirken für diesen Zweck
                              									sehr kräftig, doch ist es unter praktischen Verhältnissen stets erforderlich,
                              									dieselben im Ueberschusse zu verwenden, der bei der Verwendung sehr
                              									alkaliempfindlicher Farbstoffe häufig nachtheilig wirkt. In solchen Fällen empfiehlt
                              									sich an Stelle jener Carbonate die Anwendung von Thonerdehydrat. Die Fixirung
                              									geschieht in der Kälte. Sobald eine Probe zeigt, dass das Zinn auf der Grundlage
                              									fixirt ist, wird ausgewaschen, zur Entfernung des sehr nachtheilig wirkenden
                              									Calcium- oder Bariumchlorids, sodann wird die Lösung des Farbstoffes und
                              									schliesslich die Lösung des Tannins und Natriumacetats zugefügt.
                           Ausser Tannin gibt es aber noch eine grosse Anzahl organischer und anorganischer
                              									Säuren, die mit basischen Farbstoffen Lacke zu bilden vermögen. In dieser Beziehung
                              									sind besonders zu erwähnen: fast alle aromatischen Säuren, die wasserunlöslichen
                              									festen Fettsäuren, Phosphorsäure, und die Säuren des Arsens und Antimons. Um
                              									genügend vollständige Fällungen zu erhalten und auch um die Säuren in wässerige
                              									Lösung zu bringen, müssen dieselben stets in Form ihrer neutralen Alkalisalze
                              									angewandt werden. Die Verhältnisse, unter denen die Lacke aus diesen Säuren bezieh.
                              									Salzen entstehen, sind viel einfacher als beim Tannin und verläuft die Reaction
                              									stets in derselben Weise wie die doppelte Umsetzung zwischen unorganischen Salzen.
                              									Für die Darstellung von Lackfarben sind viele der erwähnten Säuren brauchbar.
                              									Besonders Phosphorsäure, Arsenigsäure, Arsensäure. Metaantimonsäure oder vielmehr
                              									deren Salze geben brauchbare Resultate und zwar Phosphate und Antimoniate besonders
                              									bei Lacken, die auf eine Grundlage von Stärke gearbeitet werden; Arsenigsäure und
                              									Arsensäure dagegen geben bessere Resultate auf Thonerdehydrat. Das Verfahren wird
                              									fast stets in der Weise benutzt, dass direct Arsenigsäure Thonerde hergestellt wird.
                              									Beim Zusammentreffen dieser Grundlage entsteht sodann ein Doppellack von äusserst
                              									feuriger Nuance. Der Verwendung dieses Lackes steht aber dessen Arsengehalt in den
                              									meisten Fällen im Wege. Aehnlich verhält sich phosphorsaure Thonerde, doch sind die
                              									damit erzielten Lacke den vorigen an Schönheit durchaus nicht ebenbürtig. Beide
                              									Lacke, so schön sie auch sind, besitzen eine höchst fatale Lichtempfindlichkeit. Die
                              									Ursache dieser Unechtheit ist unzweifelhaft der schwachen Natur der Bindung zwischen
                              									Farbstoff und Mordant zuzuschreiben. Die Arsenigsäure Thonerde und phosphorsaure
                              									Thonerde, die in obigen Lacken den Mordant darstellen, müssen in ihrer
                              									Zusammensetzung den entsprechenden Alkalisalzen Na2HAsO3 und Na2HPO4 gleichen, besitzen also demgemäss
                              									die Constitutionsformeln
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 283, S. 186
                              
                           Werden dagegen die entsprechenden neutralen Salze von den
                              									Formeln
                           
                              
                                 Al|Al
                                 AsO3AsO3
                                 und
                                 Al|Al
                                 PO4PO4
                                 
                              
                           verwendet, so fällt bei noch geringerer Lichtbeständigkeit die
                              									Nuance viel weniger schön aus. Dies ist offenbar dem Umstände zuzuschreiben, dass
                              									die beiden letzteren Aluminiumverbindungen neutrale Körper sind, die wahrscheinlich
                              									die basischen Farbstoffe nicht unter Lackbildung zu zersetzen vermögen, während die
                              									beiden ersteren Salze im Molekül je drei durch Basen ersetzbare Wasserstoffatome
                              									enthalten. Dieselben sind aber von so schwach saurer Natur, dass schon auf
                              									Tanninzusatz dafür substituirte Farbbasen unter Bildung der Tanninlacke abgespalten
                              									werden, worauf ohne Zweifel die geringe Beständigkeit dieser Lacke zurückzuführen
                              									ist.
                           Von organischen Säuren sind zur Fixirung der Theerfarbstoffe eine grosse Zahl von
                              									Säuren der aromatischen Gruppe mehr oder weniger verwendbar. Doch ist deren
                              									Anwendbarkeit auf die Herstellung von freien Farblacken beschränkt und habe ich bis
                              									jetzt keine Säure auffinden können, die sich in der Färberei und Druckerei in
                              									ähnlicher Weise wie Tannin verwenden liesse, da soweit meine bisherige Erfahrung
                              									reicht, nur die Tanninlacke bezieh. die Antimontanninlacke dem Seifen genügenden
                              									Widerstand zu leisten vermögen. Immerhin dürfte die Anwendung von Benzoësäure und
                              									Phtalsäure oder vielmehr deren Alkalisalzen empfehlenswerth sein für die Darstellung
                              									von Lacken auf Stärkegrundlage. Die mit den genannten Säuren erzielten Lacke
                              									zeichnen sich durch grosse Schönheit aus und besitzen Nuancen, die mit Hilfe von
                              									Tannin sich nicht erzielen lassen. Dabei ist die Lichtechtheit über Erwarten gut,
                              									obgleich geringer als die der Tanninlacke.
                           Eine nicht unwichtige Rolle spielen die fettsauren Lacke sowohl in der Fabrikation
                              									freier Lacke, als auch in der Färberei, während dieselben im Cattundruck nicht
                              									verwendbar sind. Da die festen Fettsäuren in Wasser völlig unlöslich sind, so werden
                              									dieselben stets in der Form ihrer neutralen Alkalisalze, d.h. als neutrale Seifen
                              									angewendet. Für sich allein ist eine neutrale Seifenlösung nur wenige basische
                              									Farbstoffe zu fällen im Stande, aber in Gegenwart von Thonerdehydrat, arsenigsaurer
                              									oder phosphorsaurer Thonerde tritt sofort Lackbildung ein und die so hergestellten
                              									Lacke sind in Bezug auf den Farbenton von ausserordentlicher Schönheit, besonders
                              									wenn auf eine Grundlage von phosphorsaurer oder arsenigsaurer Thonerde gefällt
                              									wurde. Bei der offenbar sehr schwachen Affinität zwischen Farbbase und Fettsäuren
                              									ist eine grosse Echtheit dieser Lacke nicht zu erwarten und thatsächlich stehen sie
                              									in dieser Beziehung hinter den Tanninlacken erheblich zurück.
                           Diese Lacke lassen sich auch in der Art auf andere Grundlagen herstellen, dass man
                              									den in der Seifenlösung gelösten Farbstoff mit einer beliebigen Grundlage
                              									zusammenbringt und sodann mit einer verdünnten Lösung von Zinnsalz, Chlorbarium oder
                              									Chlorcalcium fällt. Die so erhaltenen Lacke sind gleichfalls sehr schön, obgleich
                              									deren Nuance wesentlich verschieden ist von der der auf die ersterwähnte Weise
                              									dargestellten Lacke. Diese letztere Methode findet auch in der Färberei besonders
                              									für Rosas aus
                              									Fuchsin und Safranin, ebenso für Methylviolett Anwendung. Hierbei wird das Garn erst
                              									wiederholt durch Seifenlösung, sodann für Rosa durch Zinnsalz, für Violetts
                              									gewöhnlich durch Chlorcalcium genommen, dann wird gespült. Häufig wird nun direct im
                              									lauwarmen Bade gefärbt, grössere Echtheit wird aber erzielt, wenn die Garne nach dem
                              									Spülen und vor dem Färben noch durch ein schwaches Tanninbad passirt werden. Die
                              									Schönheit dieser Färbungen ist unstreitig, deren Echtheit aber sehr mittelmässig, da
                              									die Färbung weder seifen echt, noch lichtecht ist, und ausserdem zeigen die so
                              									gefärbten Garne die Eigenschaft des Abrussens in unangenehmem Maasse.
                           Es bleibt nun noch übrig, eine Klasse von Säuren zu erwähnen, die zwar meist in hohem
                              									Grade die Fähigkeit besitzen, Farblacke zu bilden, die aber bis jetzt noch kaum zu
                              									diesem Zwecke benutzt werden. Ich meine die Farbstoffsäuren selbst in Form ihrer
                              									Alkalisalze der sogen. sauren Farbstoffe. Es ist bekannt, dass saure Farbstoffe mit
                              									basischen Farbstoffen wasserunlösliche Salze d.h. Lacke zu bilden vermögen, und
                              									thatsächlich ist mit Bezug auf dieses Verhalten von Rawson vorgeschlagen worden, die Farbstärke von Naphtolgelb (Natronsalz
                              									der Dinitronaphtol-α-Sulfosäure) durch Titration
                              									desselben mit einer Normallösung von Nachtblau (basischer
                              									Diphenyl-Naphtylmethan-Farbstoff) analytisch zu bestimmen. Die Fällung ist absolut
                              									vollständig, der Endpunkt der Reaction daher mit Leichtigkeit zu erkennen und das
                              									Verfahren gibt sehr verlässliche Resultate. Ganz allgemein aber ist jeder saure
                              									Farbstoff im Stande jeden basischen Farbstoff unter geeigneten Verhältnissen
                              									vollständig zu fällen, und lassen meine bisherigen Erfahrungen keinen Zweifel
                              									darüber aufkommen, dass manche der möglichen, allerdings fast unzähligen
                              									Combinationen werthvoller Anwendung in der Fabrikation von Farblacken fähig
                              									sind.