| Titel: | Ueber Schwefelverbindungen im Erdöl. | 
| Autor: | H. Kast, G. Lagai | 
| Fundstelle: | Band 284, Jahrgang 1892, S. 70 | 
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                        Ueber Schwefelverbindungen im Erdöl.
                        Von H. Kast und G. Lagai.
                        Ueber Schwefelverbindungen im Erdöl.
                        
                     
                        
                           Während durch zahlreiche Untersuchungen die chemische Natur der Kohlenwasserstoffe
                              									des Erdöles im Grossen und Ganzen aufgeklärt worden ist, lässt sich ein Gleiches von
                              									den Sauerstoff-, Stickstoff- und schwefelhaltigen Bestandtheilen, trotz vielfacher
                              									dahin zielender Versuche, nicht sagen. Gerade aber die Kenntniss der
                              									Schwefelverbindungen im Erdöl beansprucht Interesse, weil der widerwärtige Geruch
                              									vieler, und insbesondere der neuerdings in bedeutender Menge Verarbeitung findenden
                              									stark schwefelhaltigen Oele, wesentlich dem Gehalte an flüchtigen organischen
                              									Schwefelverbindungen zugeschrieben wird. Es konnte erwartet werden, dass das Studium
                              									der schwefelhaltigen Bestandtheile des Erdöles Anhaltspunkte liefern werde für eine
                              									rationelle Methode zur Desodorisirung insbesondere des Brennpetroleums, und ferner
                              									war, wenn es gelang, schwefelfreies Brennöl herzustellen, jeder Befürchtung wegen
                              									eventueller Schädlichkeit der aus den Petroleumlampen entweichenden Verbrennungsgase
                              									der Boden entzogen.Vgl. Vohl, D. p. J. 1875 216 48.Nimmt man z.B. an, es würde auf einer Phare-Lampe während 5stündiger
                                    											Brenndauer 1 l Erdöl vom spec. Gew. 0,800 und einem Schwefelgehalt von 0,2
                                    											Proc. verbrannt, so würden hieraus 3,2 g = 1,116 l SO2 entwickelt.
                           Mit Ausnahme des Erdöles von TegernseeKrämer und Bötticher, Berliner Berichte, 1887
                                    											Bd. 20 S. 596. ist bis jetzt in allen genauer untersuchten
                              									Erdölsorten Schwefel in wechselnden Mengen gefunden worden, wie die Zusammenstellung
                              									auf S. 70 zeigt.
                           Es wird gewöhnlich angenommen, dass bei der Reinigung des Brennpetroleums mit
                              									Schwefelsäure die schwefelhaltigen Verbindungen ganz oder theilweise aus dem Oele
                              										entfernt
                              										werden,Vgl. Engler, Die deutschen Erdöle S. 14
                                    											Fussnote. obwohl schon in einer älteren Publication von VohlVohl, D. p. J. 1875 216 49. hervorgehoben ist, dass schwefelfreies Brennöl
                              									zu den Ausnahmen gehört. Allerdings ist auch Vohl der
                              									Meinung, es würden die ursprünglich im Erdöl
                              									enthaltenen schwefelhaltigen Substanzen durch Behandeln mit Säuren und Alkalien
                              									beseitigt; er nimmt aber an, dass sich die Schwefelsäure zum Theil mit dem im
                              									Brennöl enthaltenen schweren Paraffinöl zu einer Verbindung vereinigt, „welche in
                                 										dem übrigen Oel löslich ist und weder durch Behandeln mit Wasser noch durch
                                 										Alkalien zersetzt wird.“
                           
                              
                                 Herkunft desOeles
                                 SchwefelinProc.
                                 Literatur
                                 
                              
                                 Elsass
                                   0,136
                                 Krämer, Sitzungsberichte des Vereins    zur Beförderung des Gewerbe-    fleisses, 1885 S. 296.
                                 
                              
                                 Hannover
                                   0,123
                                 Engler, Die deutschen Erdöle S. 13.
                                 
                              
                                 Baku
                                   0,064
                                 Markownikoff und Oglobin, Berliner    Berichte, 1883 Bd. 16 S. 1874.
                                 
                              
                                 Kirgisensteppe
                                  1,87
                                 Pekham, siehe bei Höfer, Das    Erdöl und seine Verwandten,    S.
                                    											41.
                                 
                              
                                 Terra di Lavoro
                                 1,08–1,3
                                 Engler, D. p. J. 1883 250 316.
                                 
                              
                                 Egypten
                                  1,21
                                 Kast und Künkler, D. p. J. 1890    278 37.
                                 
                              
                                 Ohio
                                 0,5
                                 Mabery und Smith, Chemiker-    zeitung, Repertorium 1891 Bd. 15    S.
                                    											135, aus Amer. Chem. Journ.,    1891 Bd. 13 S. 232.
                                 
                              
                           Es existiren auch verschiedene Vorschläge, welche direct die Entschwefelung des
                              									Erdöles bezwecken. Nach Friedel und CraftsJahresbericht für Chemie, 1878 S.
                                    										1166. lässt sich der Schwefel durch Behandeln des Oeles mit
                              									Aluminiumchlorid entfernen; FaulbaumD. R. P. Nr.
                                    											36765, 1885. leitet in siedendes Oel einen Strom schwefliger
                              									Säure, wodurch sowohl Entschwefelung wie Entfärbung erzielt werden soll; KennedyD. R. P. Nr.
                                    											43145, 1887. kocht Roherdöl mit einer Lösung von Kupfervitriol,
                              									Kochsalz und Aetznatron in Wasser, destillirt und reinigt mit Schwefelsäure und
                              									Aetznatron; nach Pitt und van FleckD. R. P. Nr.
                                    											45958, 1888. wird Entschwefeln des Oeles durch Destillation
                              									desselben über Eisen oder Kupfer erzielt; das Gleiche bewirkt FraschAmerikanisches
                                    											Patent Nr. 378246, 1888. durch Destillation über Bleioxyd und
                              									Waschen des Destillates mit Schwefelsäure; GordonAmerikanisches
                                    											Patent Nr. 451724, 1891. behandelt die Erdöldestillate ebenfalls
                              									mit Bleioxyd, gibt dann Magnesiumsulfatlösung zu zwecks Fällung der schwefelhaltigen
                              									Körper (?) und des Bleioxydes und reinigt mit Schwefelsäure und Alkali; nach KendallAmerikanisches
                                    											Patent Nr. 451660, 1891. werden Mineralöle mit einer Lösung von
                              									Quecksilberchlorid gemischt, das Quecksilber durch ein geeignetes Sulfid entfernt
                              									und schliesslich das Oel über Aetzalkali destillirt.
                           Wir entbehren der Mittheilungen darüber, inwieweit das eine oder andere dieser
                              									Verfahren in der Praxis Verwendung gefunden und den beabsichtigten Zweck erfüllt
                              									hat. Immerhin bleibt zu berücksichtigen, dass diese Methoden rein empirischer Natur
                              									sind, angegeben ohne genauere Kenntniss des chemischen Charakters der zu
                              									entfernenden schwefelhaltigen Bestandtheile des Erdöles.
                           Bezüglich des letzteren war man bis vor Kurzem lediglich auf Vermuthungen
                              									angewiesen. KrämerVerhandlungen des Vereins zur Beförderung des
                                       												Gewerbefleisses, 1885 S. 296. nimmt im Erdöl das
                              									Vorhandensein thiophenartiger Stoffe an, eine Voraussetzung, welche durch die von
                              										Victor Meyer und NahnsenBerliner Berichte, 1885 Bd. 15 S.
                                    										217. beobachtete Bildung von Thiophen beim Ueberleiten der Dämpfe von
                              									Petroleumbenzin über glühenden Schwefelkies wesentlich gestützt wird. Nach HagerD. p. J. 1867 183
                                    											165. soll in zwischen 50 und 80° siedendem Petroleumäther
                              									amerikanischen Ursprungs Schwefelkohlenstoff enthalten sein; eine Beobachtung,
                              									welche immer wieder in der Literatur angeführt wird, aber trotz der zahlreichen
                              									Untersuchungen von Erdölsorten verschiedenster Herkunft seither eine Bestätigung
                              									nicht gefunden hat.
                           Durch zwei Publicationen von Mabery und SmithBerliner Berichte, 1889, Bd. 22 S. 3303 und Amer. Chem. Journ., 1891 Bd. 13 S.
                                    										232. schien endlich Klarheit darüber geschaffen zu sein, welcher
                              									Körpergruppe die im Erdöl vorhandenen Schwefelverbindungen angehören.
                           Jene Autoren theilten mit, dass es ihnen gelungen sei, eine grössere Anzahl von im
                              									Rohöl ursprünglich vorhandenen Alkylsulfiden zu
                              									isoliren (Methyl-, Aethyl-, Normalpropyl-, Normalbutyl-, Isobutyl-, Aethylpentyl-,
                              									Butylpentyl-, Pentyl- und Hexylsulfid), während die Abwesenheit von
                              									Thiophenverbindungen und Merkaptanen in den verschiedenen Oelfractionen ausdrücklich
                              									constatirt wurde.
                           Als Ausgangsmaterial benutzten Mabery und Smith
                              									Rohohio-Oele mit einem durchschnittlichen Schwefelgehalt von 0,5 Proc. Nach ihren
                              									Beobachtungen sammeln sich die Schwefelverbindungen hauptsächlich in den höher
                              									siedenden Fractionen (200 bis 300°) an und können daraus leicht mit concentrirter
                              									Schwefelsäure ausgezogen werden. Aus dieser Reinigungssäure wurde nach dem
                              									Neutralisiren ein wasserlösliches unbeständiges Blei- oder Kalksalz durch Eindampfen
                              									der wässerigen Lösung erhalten, welches sich bei der Destillation mit Wasserdampf
                              									zersetzt und dabei die Schwefelverbindungen in Form eines hellgelben Oeles
                              									abscheidet.
                           Leider machen Mabery und Smith keine näheren Angaben
                              									über Eigenschaften und Zusammensetzung der eben erwähnten Salze; so dass man bezüglich der Entstehung derselben
                              									lediglich auf Vermuthungen angewiesen ist. Indessen erscheint es ausgeschlossen,
                              									dass der Schwefelsäure lediglich eine lösende Wirkung auf die Alkylsulfide zukomme;
                              									vielmehr drängen die Mittheilungen von Mabery und Smith
                              									zu der Annahme, es seien unter dem Einflüsse der Schwefelsäure Sulfosäuren der
                              									Alkylsulfide entstanden, deren Blei- bezieh. Kalksalze bei der Destillation mit
                              									Wasserdampf unter Abspaltung schwefelsaurer Salze die Sulfide regeneriren; ein
                              									Vorgang, welcher zwar bei Sulfosäuren der aromatischen Reihe vielfach
                              										beobachtetBeilstein, Liebig's Annalen, Bd. 133 S. 43; Kelbe, Berliner Berichte, 1886 Bd. 19 S.
                                    											93., in der fetten Reihe dagegen bis jetzt ohne Analogon ist.
                           Einerseits der Wunsch, die von Mabery und Smith
                              									dargestellten, durch Wasserdampf zerlegbaren Salze bezieh. Säuren näher kennen zu
                              									lernen, andererseits aber auch Bedenken gegen einige Angaben über Eigenschaften und
                              									Zusammensetzung der aus Ohioöl gewonnenen Schwefelverbindungen, liessen uns eine
                              									Wiederholung der Versuche von Mabery und Smith
                              									wünschenswerth erscheinen.
                           
                           Zu unseren Versuchen dienten als Ausgangsmaterial zunächst 415 k Reinigungssäure
                              									von elsässischem Brennpetroleum, welche uns die Pechelbronner Oelbergwerke freundlichst zur Verfügung gestellt hatten. Wir
                              									wählten gerade dieses Product, einmal weil das elsässische Oel unter den für uns
                              									leicht zu beschaffenden deutschen Oelen das schwefelreichste ist und dann weil nach
                              									den Angaben von Mabery und Smith beim Fractioniren des
                              									Erdöles sich die Schwefelverbindungen gerade in den höheren (im Brennöl enthaltenen)
                              									Fractionen (200 bis 300°) anhäufen sollten. Die Säure wurde wie vorgeschrieben mit
                              									Wasser verdünnt, mit Kalkmilch neutralisirt und die abfiltrirte Lauge zur Vermeidung
                              									von Zersetzung im Vacuum zur Syrupconsistenz eingeengt. Bei weiterem vorsichtigen
                              									Eindampfen auf dem Wasserbade schied sich zuerst Gyps ab, welcher abfiltrirt wurde;
                              									schliesslich hinterblieb eine hygroskopische, gelb gefärbte, butterähnlich riechende
                              									Salzmasse. Wir überzeugten uns durch eine quantitative Bestimmung des in der
                              									ursprünglichen, verdünnten Lauge gelösten Gypses und durch Wägung des während des
                              									Eindampfens abgeschiedenen Gypses, dass eine Zersetzung vorhandenen Kalksalzes unter
                              									Gypsabscheidung beim Eindampfen der Lauge nicht
                              									stattgefunden hatte.
                           Die eben erwähnte Salzmasse, welche sich weder aus Wasser noch verdünntem Alkohol
                              									umkrystallisiren lässt, wurde – und zwar in verschiedenen
                              									Concentrationsverhältnissen – in Wasser gelöst und im Wasserdampfstrome destillirt.
                              									Hierbei war aber die Abscheidung von schwefelhaltigem Oele nicht zu beobachten. Wurde die Lösung des Kalksalzes während der
                              									Destillation soweit concentrirt, dass Ausscheidung des Salzes eintrat, so konnten
                              									wir Zersetzung unter Dunkelfärbung des Kolbeninhaltes beobachten, aber auch hierbei
                              									gingen keine schwefelhaltigen Producte in das Destillat. Das gleiche negative
                              									Ergebniss erhielten wir, als die mit Schwefelsäure im Ueberschuss versetzte
                              									verdünnte Lauge im Kohlensäurestrome destillirt wurde.
                           Wir waren sonach auf Grund der angeführten Versuche zur Ueberzeugung gekommen, dass
                              									sich nach dem von Mabery und Smith angegebenen
                              									Verfahren aus elsässischem Erdöl die
                              									Schwefelverbindungen nicht gewinnen liessen, schrieben dies aber zunächst dem
                              									verhältnissmässig geringen Schwefelgehalte des elsässischen Oeles zu.
                           Wir versuchten nun nach der gleichen Methode die schwefelhaltigen Bestandtheile des
                              									Erdöles zu isoliren, aber ausgehend von einem aus Ohio
                              									stammenden Rohöle. Eine grössere Probe solchen Oeles stellte uns in zuvorkommendster
                              									Weise die Petroleum-Raffinerie vorm. Aug. Korff in
                              									Bremen zur Verfügung. Das Oel war undurchsichtig, von dunkelbrauner Farbe und besass
                              									einen widerlichen Zwiebelgeruch. Es enthielt 1,00 Proc. Schwefel, also doppelt
                              									soviel wie das von Mabery und Smith zu ihren Versuchen
                              									verwendete Ohioöl. Wir behandelten das Rohöl zwecks Reinigung in üblicher Weise mit
                              									Schwefelsäure, 20proc. Sodalösung und zuletzt Wasser. Das gereinigte Oel war nun von
                              									brauner Farbe, durchsichtig, besass nur noch schwachen, nicht unangenehmen Geruch
                              									und zeigte schön blaugrüne Fluorescenz; es enthielt aber nach dem Trocknen mit
                              									Chlorcalcium noch 0,74 Proc. Schwefel. Hieraus geht mit Bestimmtheit hervor, dass
                              									durch geeignete Behandlung eines Oeles mit Schwefelsäure und darauf folgendes Laugen
                              									und Waschen zwar eine Desodorisirung des Oeles erreicht werden kann, hingegen eine
                              									Entfernung der Schwefelverbindungen nur zum kleinsten Theile zu erzielen ist.
                              									Eine grössere Anzahl gleicher Versuche an verschiedenen Oelen durchgeführt
                              									überzeugte uns, dass nur etwa ¼ des im Oele vorhandenen Schwefels durch die sogen.
                              									chemische Reinigung zu beseitigen möglich ist und zwar gleichgültig ob kalte oder
                              									warme Reinigung (40°) angewendet wird.Die grosse
                                    											Anzahl von Schwefelbestimmungen, welche wir gelegentlich dieser Versuche
                                    											durchzuführen hatten, wurden alle in der Weise vorgenommen, dass 0,5 bis 1 g
                                    											Substanz mit etwa 100 cc rauchender Salpetersäure übergössen und zum Gemisch
                                    											ungefähr 10 g Kaliumchlorat nach und nach zugefügt wurden. Nach 1- bis
                                    											2stündigem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur wird durch 12 bis 15 Stunden
                                    											vorsichtig auf dem Sandbade erhitzt, bis keine Oeltropfen mehr zu bemerken
                                    											sind. Man dampft zur Trockne, filtrirt eventuell von einer geringen Menge
                                    											schwefelfreien Harzes ab und fällt im salzsauren Filtrat mit Chlorbarium.
                                    											Schwefelbestimmungen nach Carius liefern, wegen
                                    											unvollständiger Oxydation der Oele, zu niederes Resultat.
                              									Gelegentlich der beschriebenen Versuche sind wir aber auch zu der Ansicht gekommen,
                              									dass es irrig ist, die schwefelhaltigen Körper im Erdöl als diejenigen Substanzen
                              									anzusehen, welche hauptsächlich den unangenehmen Geruch des rohen Erdöles
                              									verursachen. Dieser dürfte in erster Linie ungesättigten Kohlenwasserstoffen
                              									zuzuschreiben sein, welche bei der Behandlung des Oeles mit Schwefelsäure von dieser
                              									Säure aufgenommen werden. Gelingt es doch, Oele und Erdöldestillate mit
                              									Schwefelsäure zu desodorisiren, ohne dass eine nennenswerthe Verringerung des
                              									Schwefelgehaltes zu constatiren ist.
                           Die Schwefelsäure, welche wir zur Reinigung des Roh-Ohioerdöles verwendet hatten und
                              									welche nach Mabery und Smith das Material zur
                              									Darstellung der Alkylsulfide darstellen soll, verarbeiteten wir nun wieder genau
                              									nach Vorschrift. Aber auch hier war das Ergebniss ein gleich negatives, wie bei der
                              									Aufarbeitung der Pechelbronner Reinigungssäure: es gelang
                                 										uns nicht, trotz verschiedenster Anordnung der Versuche, ein Kalksalz zu
                                 										gewinnen, welches bei der Destillation mit Wasserdampf schwefelhaltige Producte
                                 										geliefert hätte.
                           Allerdings erhielten wir auch aus der Reinigungssäure des Ohioöles ein
                              									hygroskopisches, in Wasser leicht lösliches Kalksalz, aber dasselbe zeigte genau die
                              									gleichen Eigenschaften, wie das aus der Pechelbronner Reinigungssäure dargestellte.
                              									Diese Salzmasse, deren Reinigung uns in Ermangelung eines geeigneten Lösungsmittels
                              									bis jetzt nicht gelungen ist, besteht mindestens zum Theil aus ätherschwefelsauren
                              									Kalksalzen. Durch Zerlegen derselben mit Schwefelsäure und längeres Kochen des
                              									Filtrates mit Wasser gelingt es – allerdings nur in geringer Menge – Alkohole
                              									abzuscheiden, welche sich durch Oxydation in Säuren überführen lassen.
                           Nach diesen nichts weniger als ermuthigenden, aber gegenüber den Angaben von Mabery und Smith doch recht auffallenden
                              									Versuchsergebnissen hielten wir es für nothwendig, uns Klarheit darüber zu
                              									verschaffen, ob unter den von jenen Autoren eingehaltenen Bedingungen überhaupt eine
                              									Einwirkung der Schwefelsäure auf Alkylsulfide stattfindet, eventuell welcher Art
                              									dieselbe sei und insbesondere ob die Bildung von Sulfosäuren zu constatiren
                              									wäre.
                           Zu dem Zweck brachten wir Aethylsulfid (Mabery und Smith
                              									haben, wie oben erwähnt, dieses Sulfid ebenfalls aus Roh-Ohioöl gewonnen) bei
                              									gewöhnlicher und bei höherer Temperatur sowohl mit concentrirter Schwefelsäure, wie
                              									auch mit einer 40 Proc. Anhydrid enthaltenden Säure zusammen. Das Erhitzen
                              									wurde sowohl im Kolben am aufsteigenden Kühler, wie auch im geschlossenen Rohr
                              									vorgenommen. Das Aethylsulfid löst sich zwar sofort in der Schwefelsäure auf, allein
                              									selbst bei 4- bis 5stündigem Erhitzen auf 90 bis 100° schied sich beim Verdünnen der
                              									Probe mit Wasser fast sämmtliches Aethylsulfid unverändert ab. Selbst bei
                              									mehrtägigem Erhitzen einer Probe auf 150° zeigte sich beim Verdünnen der grösste
                              									Theil des angewendeten Aethylsulfides unverändert. Trennt man das unveränderte
                              									Aethylsulfid von der verdünnten sauren Flüssigkeit und neutralisirt mit Barythydrat,
                              									so ist weder im Filtrat noch im Niederschlage ein lösliches oder unlösliches
                              									Barytsalz einer Sulfosäure aufzufinden. Dampft man aber das wässerige Filtrat ein,
                              									so hinterbleibt eine geringe Menge eines schwach braungefärbten, zerfliesslichen
                              									Körpers, der im Exsiccator strahlig erstarrt, beim Glühen auf dem Platinblech aber
                              									keinen Rückstand hinterlässt. Da beim Erhitzen des Aethylsulfides mit Schwefelsäure
                              									deutlich der Geruch nach schwefliger Säure wahrzunehmen ist, so war es naheliegend,
                              									auf die Bildung eines Sulfons zu schliessen. Zur Identificirung des erhaltenen
                              									Productes stellten wir uns nach der Vorschrift von Al.
                                 										SaytzeffLiebig's Annalen, 1807 Bd. 144 S.
                                    										148. Diäthylsulfon (C2H5)2SO2 dar. Dieser
                              									Körper zeigte genau die gleichen Eigenschaften wie die bei der Einwirkung von
                              									Schwefelsäure auf Aethylsulfid in geringer Menge entstehende Substanz.
                           Es darf somit als erwiesen angesehen werden, dass auch bei der Behandlung eines
                              									Roherdöles mit Schwefelsäure in der Wärme oder Kälte eine Einwirkung auf
                              									Alkylsulfide, wenn solche überhaupt vorhanden sind, keinesfalls in der Art
                              									stattfindet, dass sich Sulfosäuren bilden. Wie dem gegenüber die Angabe von Mabery und Smith, wonach aus der Reinigungssäure eine
                              									Salzmasse erhalten werden soll, welche durch Wasserdampf, unter Abspaltung von
                              									Alkylsulfiden, zerlegt werden könne, zu erklären ist, vermögen wir vorerst nicht zu
                              									sagen.
                           Nach Mabery und Smith lassen sich aus dem bei der
                              									Zerlegung des Kalksalzes mit Wasserdampf erhaltenen Oele und speciell aus dessen
                              									Fractionen von niedrigem Siedepunkte mit alkoholischer Quecksilberchloridlösung
                              										„feste Krystalle“ abscheiden. Wir versuchten deshalb namentlich auch im
                              									Hinblick auf das eingangs erwähnte Kendall'sche Patent,
                              									ob etwa vorhandene Alkylsulfide sich durch alkoholische Quecksilberchloridlösung
                              									vielleicht direct aus dem Roh-Ohioöle fällen liessen. Nun entsteht zwar auf Zugabe
                              									des Quecksilberchlorids eine deutliche Trübung, doch konnten wir ein fassbares
                              									Product auf diese Weise nicht erhalten. Wir unterwarfen daher das Rohöl der
                              									fractionirten Destillation, beobachteten aber schon bei 150° das Auftreten
                              									beträchtlicher Mengen von Schwefelwasserstoff. Um Zersetzung der
                              									Schwefelverbindungen hintanzuhalten, destillirten wir daher im luftverdünnten Raume
                              									bei einem Drucke von 45 mm und wieder bis zu 150°. Das Destillat bildete ein klares,
                              									schwach gelblich gefärbtes Oel von intensivem Zwiebelgeruch. Den Rückstand bildete
                              									eine dunkelbraune, stark mit ausgeschiedenem Paraffin durchsetzte Masse.
                           Es mag nicht unerwähnt bleiben, dass wir uns nochmals der Mühe unterzogen, sowohl das
                              									Destillat bis 150°; wie auch den Rückstand mit
                              									Schwefelsäure zu behandeln und zu versuchen, das Mabery'sche Kalksalz zu erhalten: in beiden Fällen
                                 										aber mit dem gleichen negativen Erfolge wie früher.
                           Es wurden nun der Destillationsrückstand und das im Vacuum übergegangene Oel mit
                              									alkoholischer Quecksilberchloridlösung versetzt. Im ersten Falle schied sich eine
                              									braune zähe Schmiere aus, aus welcher wir ein zur Untersuchung geeignetes Product
                              									bis jetzt noch nicht isoliren konnten.
                           Dagegen entstand in dem unter 150° überdestillirten Oele beim Zusammenbringen mit
                              									Quecksilberchlorid ein weisser käsiger NiederschlagIst die
                                    											Destillation des Oeles etwas zu weit getrieben worden, so dass die
                                    											Abspaltung von Schwefelwasserstoff begann, so zeigt der Niederschlag
                                    											gelbliche Färbung, in Folge Bildung von Schwefelquecksilber.;
                              									derselbe wurde zur Entfernung anhaftenden Oeles und mitniedergerissenen
                              									Quecksilberchlorides zuerst mit Petroläther und dann mit heissem Alkohol
                              									ausgewaschen. Nach dem Trocknen stellt diese Quecksilberchlorid-Doppelverbindung ein
                              									äusserst feines, auch unter dem Mikroskop amorph erscheinendes weisses Pulver dar,
                              									welches sich stark schwefelhaltig erwies. Der Körper ist in Wasser, Aether,
                              									Petroläther, Aceton, Chloroform-Benzol und Schwefelkohlenstoff unlöslich, in Alkohol
                              									nur in ganz geringen Mengen löslich, so dass uns ein Umkrystallisiren bezieh.
                              									Umlösen desselben nicht gelang. Mit verdünnter Salzsäure erhitzt zersetzt sich die
                              									Substanz unter Schwefelwasserstoffbildung. Suspendirt man den Körper in Wasser, so
                              									wird er durch Schwefelwasserstoff zerlegt. Mit Wasserdämpfen lässt sich alsdann ein
                              									schwach gelbgefärbtes, schwefelhaltiges Oel von äusserst unangenehmem Geruch
                              									übertreiben.
                           Die beschriebene Quecksilberchlorid-Doppelverbindung hat gar keine Aehnlichkeit mit
                              									den entsprechenden Verbindungen des Aethylsulfides und auch des Merkaptans, wie wir
                              									uns durch directen Vergleich überzeugten.
                           Eine vollständige Entschwefelung des Oeles ist uns durch Behandlung mit alkoholischer
                              									Sublimatlösung auch nicht gelungen. Das im Vacuum überdestillirte Oel enthielt 0,53
                              									Proc. Schwefel, nach der Fällung mit Quecksilberchlorid noch 0,25 Proc. In demselben
                              									Destillate fanden wir nach der Reinigung mit Schwefelsäure noch 0,38 Proc.
                              									Schwefel.
                           Bei dieser Gelegenheit sei übrigens noch eine Angabe von Mabery und Smith berichtigt. Dieselben geben an, die
                              									Quecksilberchlorid-Doppelverbindung des Aethylsulfides (C2H5).2S.
                              										HgCl2 zersetze sich ohne zu schmelzen bei
                              										140°Berliner Berichte, 1889 S. 3304..
                              									Das von uns dargestellte Quecksilberchlorid-Additionsproduct des Aethylsulfides
                              									schmolz, ohne sich zu zersetzen, glatt bei 90°, wie dies auch schon vor langer Zeit
                              									von LoirLiebig's Annalen, Bd. 106 S. 234.
                              									beobachtet worden ist.
                           Die Untersuchung der aus dem Ohioöl erhaltenen Quecksilberchlorid-Doppelverbindung
                              									wird fortgesetzt.
                           Karlsruhe, Chemisch-technisches Laboratorium der technischen
                              									Hochschule, Februar 1892.