| Titel: | Die Gefahren bei der Erzeugung der Explosivstoffe. | 
| Autor: | Oscar Guttmann | 
| Fundstelle: | Band 284, Jahrgang 1892, S. 80 | 
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                        Die Gefahren bei der Erzeugung der
                           								Explosivstoffe.
                        Von Oscar Guttmann.
                        (Vortrag, gehalten am 7. März 1892 in der Society of Chemical Industry in London.)
                        Die Gefahren bei der Erzeugung der Explosivstoffe.
                        
                     
                        
                           Die Gefahren, welche mit Explosivstoffen verbunden sind, können naturgemäss in ein
                              									Wort zusammengefasst werden, allerdings ein schreckliches: Explosion. Wer jemals das
                              									traurige Geschick hatte, eine grosse Conflagration von Explosivstoffen mit
                              									anzusehen, wird den Eindruck dieses Schauspieles sein ganzes Leben hindurch wohl
                              									schwerlich vergessen. Ein kurzer heftiger Schlag in der Luft, riesige rothe Flammen
                              									zum Horizonte schiessend, gefolgt von undeutlichen dunklen Massen, dann ein dumpfer
                              									Schauer von fallendem Schutt, und dann – tödtliche Stille. Wo noch vor einer Secunde
                              									ein nettes, reinliches Gebäude stand, und geschäftige Hände arbeiteten, da ist jetzt
                              									kaum eine Spur geblieben; eine tiefe Grube ist im Boden ausgehöhlt, und rundherum
                              									auf grosse Entfernungen liegen zerstreut die Fragmente des Hauses, der Maschinen und
                              									– der Arbeiter. Es ist sogar schwierig, dieselben zu identificiren. Ihre Kleider,
                              									sofern sie nicht aus Schafwolle gemacht sind, sind verbrannt, ihre Gesichtszüge sind
                              									nicht wieder zu erkennen, und nur manchmal dient ein Schuh oder einzelne
                              									Gliedmaassen als das einzige Kennzeichen in dieser grausigen Arbeit.
                           Die Ursache der Explosion kann selten mit vollständiger Genauigkeit gefunden werden.
                              									Wenn man die Berichte der englischen Explosivstoffinspectoren liest, so wird man
                              									fast immer mehr als eine mögliche Ursache angegeben finden, zugleich aber auch
                              									verwundert sein über die Summe der darin entwickelten Genialität, welche noch
                              									jedesmal eine nützliche Lehre für die daran Interessirten lieferte. Unglücklicher
                              									Weise werden solche Berichte nur in England veröffentlicht, und die wenigen kurzen
                              									Notizen, welche von anderen Ländern kommen, sind ganz ungenügend, um den Fabrikanten
                              									hinreichende Anhaltspunkte zur Vorsorge für ihre Arbeiter und ihr Eigenthum zu
                              									liefern. Ich finde, es sei Jedermanns Pflicht, seine Erfahrungen in dieser Hinsicht
                              									preiszugeben, und dies veranlasst mich, eine zusammenfassende Skizze über die
                              									Ursachen der Gefahren im Zusammenhange mit der Erzeugung von Explosivstoffen zu
                              									geben.
                           Constatiren wir zuerst, was eine Explosion ist.
                           Man ist allgemein einig darüber, dass sie der plötzliche
                              									Zerfall einer mechanischen Mischung oder chemischen Verbindung in ihre Componenten
                              									ist, wobei in einem kurzen Zeiträume grosser Druck entwickelt wird. Eine solche
                              									Explosion kann durch verschiedene Mittel verursacht werden, welche nicht in allen
                              									Fällen die gleichen sind. Manchmal bringt Entzündung den Zerfall hervor, häufig ein
                              									Schlag, Reibung, ein elektrischer Funke, Schwingungen, plötzliche Erhitzung u.s.w.,
                              									stets aber ist es nothwendig – wie Sir Frederick Abel
                              									zuerst hervorhob, dass eine gewisse Anzahl von Schwingungen, und Schwingungen
                              									besonderer Art als Folge einer der oberwähnten Ursachen auftreten, um Explosion
                              									hervorzurufen.
                           Chlorstickstoff explodirt, wenn er in siedendes Wasser geworfen wird. Bestreicht man
                              									ein winziges Papierstückchen mit Jodstickstoff, dessen Explosionstemperatur 100°
                              									ist, und lässt es von etwa 1 m Höhe aus frei zur Erde flattern, so explodirt es beim
                              									Berühren der Erde. Legt man ein solches Papierstückchen auf eine Bassgeige und
                              									streicht die H-Saite, so bleibt es unbeeinflusst, es explodirt aber, wenn man die
                              									G-Saite streicht, welche eine grössere Schwingungszahl als 60 in der Secunde
                              									hervorruft. Wird eine Pulverladung im verdämmten Bohrloche entzündet, so brennt sie
                              									schichtenweise so lange ab, bis der Gasdruck und die Wärme Explosion bewirken.
                           Entzündet man solcherart Dynamit, so wird es bloss verbrennen, ohne zu detoniren.
                              									Legt man sie auf einen Amboss und führt einen scharfen Schlag in einem Winkel
                              									(glancing blow), so werden alle Sprengstoffe der Praxis detoniren. Dynamit explodirt
                              									zwischen Stahl und Stahl bei einer Schlagarbeit von 0,75 mk, Pulver bei einer
                              									solchen von 7,75 mk; während jedoch die Explosion durch das ganze Pulver sich
                              									fortpflanzt, detonirt Dynamit gewöhnlich nur an der vom Schlage getroffenen Stelle.
                              									Lässt man über einer Schiessbaumwolladung eine Dynamitpatrone detoniren, so wird
                              									erstere bloss ausbrennen; umgekehrt wird Schiesswolle das Dynamit sicher zur
                              									Explosion bringen. Jeder Explosivstoff hat eine bestimmte Temperatur, über welche
                              									hinaus er nicht plötzlich erwärmt werden kann, ohne dass er detonirt; diese
                              									Temperatur ist z.B. für Jodstickstoff 100°, für Nitropräparate durchschnittlich 180
                              									bis 184°, für Pulver zwischen 270 und 320° u.s.w.
                           Es folgt aus dem oben Gesagten, dass eine Explosion nicht lediglich dem Umstände
                              									zuzuschreiben ist, dass der Explosivstoff auf eine gewisse Temperatur erhitzt wurde,
                              									ja der Schlag oder die Reibung, welche eine grosse Anzahl von Explosivstoffen
                              									detoniren machen, können ganz ungenügend sein, um die Temperatur irgendwie von
                              									Bedeutung zu erhöhen, selbst wenn der Schlag auf einen einzigen Punkt concentrirt
                              									wird, wie mit dem „glancing blow“ (Streifschlag).
                           Andererseits soll man sich vor allem hüten, was Schwingungen von genügender Menge und
                              									Häufigkeit in dem Explosivstoffe hervorrufen könnte. So ist es z.B. wohlbekannt,
                              									dass eine Stimmgabel eine grössere Anzahl von Schwingungen hervorbringt, wenn sie
                              									gegen einen Stahlgegenstand geschlagen wird, als wenn dies gegen Bronze, Stein oder Holz geschieht, und dasselbe ist der Fall bei
                              									einem Explosivstoffe, welcher auf oder zwischen verschiedenen Körpern sich befindet.
                              									Stahl gegen Stahl ist am gefährlichsten, Holz gegen Holz am unschädlichsten. Dennoch
                              									hat Dr. Dupré gezeigt, dass ein Streifschlag, geführt
                              									mit einem Besenstiele gegen einen hölzernen Fussboden, die meisten Explosivstoffe
                              									detoniren macht. Natürlich hängt viel davon ab, in welchem Zustande der
                              									Explosivstoff selbst sich befindet. Ein Schlag auf eine ganze Patrone Sprenggelatine
                              									kann ganz harmlos sein, wenn aber genügend Kraft ins Spiel kommt, um die Patrone
                              									platt zu schlagen, und eine dünne Schichte einem hinreichend starken Schlage
                              									auszusetzen, dann kann dies eine Explosion der ganzen Patrone zur Folge haben. Es
                              									macht auch einen grossen Unterschied, ob der Explosivstoff warm oder kalt ist. Im
                              										warmen Zustande
                              									ist jeder Explosivstoff empfindlicher sowohl gegen Zersetzung, wie gegen Schlag oder
                              									Reibung.
                           Die Ursachen einer Explosion können in zwei Klassen getheilt werden: mechanische oder
                              									chemische. Mechanische Ursachen sind hauptsächlich Schlag, Reibung oder Entzündung
                              									irgend einer Art. Die chemischen Ursachen wechseln mit der Natur des
                              									Explosivstoffes. Mechanische Mischungen, wie Schiesspulver, Roburit u. dgl., sind
                              									unter gewöhnlichen Verhältnissen chemischen Veränderungen nicht unterworfen, aber
                              									chemisch verbundene Körper haben stets einen gewissen Mangel an Beständigkeit,
                              									welcher nur durch sorgfältige Erzeugung vermieden werden kann. Natürlich gibt es
                              									auch mechanische Mischungen, welche der Zersetzung ausgesetzt sind, und ich habe da
                              									nur nöthig auf die Chloratmischungen hinzuweisen, welche, besonders bei Feuerwerken,
                              									manche Unglücksfälle verursacht haben.
                           Im Nachfolgenden beabsichtige ich jeden Explosivstoff für sich zu behandeln, und die
                              									in jedem Stadium der Erzeugung vorkommenden Gefahren anzudeuten. Natürlich werde ich
                              									nur von solchen Stoffen sprechen, welche thatsächlich erzeugt und verwendet werden,
                              									dabei es Ihnen überlassend, Ihre eigenen Schlüsse an der Hand der Aehnlichkeit der
                              									Fälle zu ziehen, wenn Ihnen ein anderer Explosivstoff vorliegt.
                           In erster Linie, sowohl dem Alter nach, wie nach der Anzahl der es erzeugenden
                              									Fabriken, kommt das Schiesspulver und seine
                              									Nachahmungen.
                           Hier wie bei jedem anderen Explosivstoffe, ist es Grundbedingung, dass die
                              									Rohmaterialien so rein als möglich seien, sowohl in chemischer Hinsicht, wie in
                              									Bezug auf Abwesenheit mechanischer Beimengungen.
                           Bei Salpeter (Kalisalpeter, Natronsalpeter u.s.w.) ist Chlor die unwillkommenste
                              									Verunreinigung. Obzwar zu Schiesspulver jetzt kein Salpeter mehr verwendet wird,
                              									welcher mehr als 1/10000 Chlor enthält, so ist dies doch nicht immer der Fall mit
                              									Schiesspulvernachahmungen, besonders bei jenen, für welche Natriumnitrat verwendet
                              									wird. Einer meiner Assistenten machte einmal eine Pulvermischung, extrahirte den
                              									Salpeter, welcher viel Chlor enthielt, dampfte ihn zur Trockne in einer
                              									Porzellanschale und liess ihn nach dem Schmelzen abkühlen. Nach längerer Zeit begann
                              									er den Salpeterkuchen mit einem Glasstabe abzukratzen, als plötzlich das Ganze
                              									verpuffte. Es ist klar, dass in diesem Falle Chlorstickstoff gebildet war, dessen
                              									Empfindlichkeit gegen die geringste Erschütterung ja wohlbekannt ist.
                           Man muss auch Acht geben, dass Salpeter oder Pulver nicht in Berührung mit
                              									Lothstellen kommen. Weber fand in einem besonderen
                              									Falle, dass salpetersaures Zinn gebildet wurde, wovon es eine explosive Abart gibt,
                              									die häufige Unglücksfälle veranlasste.
                           Die Holzkohle bietet keine andere Gefahr, als die der Selbstentzündung. Es ist gut,
                              									die Kohle vorerst in besonderen Maschinen zu mahlen. Selbstentzündung ist die Folge
                              									der Eigenthümlichkeit der Holzkohle, dass sie die Luft absorbirt und condensirt,
                              									wodurch Wärme entsteht. Dies kann manchmal plötzlich erfolgen, wie z.B. wenn ein
                              									Stück Holzkohle gebrochen wird, und der Kern, welcher sein Absorptionsvermögen
                              									bewahrt hat, mit feuchter Luft in Berührung kommt.
                           Schwefel wird jetzt allgemein gemahlen, bevor er mit den anderen Bestandtheilen
                              									gemengt wird. Obzwar durch schnelles Mahlen eine grosse Menge Wärme entwickelt
                              									werden kann, ist dies doch kaum jemals genügend, um den Schwefel zu entzünden.
                              									Dennoch finden Brände in Schwefelmühlen statt, und dies ist hauptsächlich der
                              									bekannten elektrischen Eigenschaft des Schwefels zuzuschreiben, welche durch die
                              									Reibung und Wärme beim Mahlen hervorgerufen wird. Einer meiner Freunde verband seine
                              									Schwefelmühlen durch Kupferdrähte mit der Erde, um die elektrische Ladung nach
                              									Maassgabe ihrer Bildung abzuleiten, und er hat seit dieser Zeit keinen Brand in
                              									einer Schwefelmühle zu beklagen gehabt.
                           Falls ein Ventilator zur Abfuhr des Schwefelstaubes vorhanden ist, so sollte sein
                              									Ausströmungsrohr in eine Staubkammer münden, da Schwefelstaub gefährlich ist.
                           Stampfmühlen werden hier zu Lande nicht mehr zur Mengung des Schiesspulvers benutzt,
                              									doch anderswo bestehen sie noch. Dieselben haben gewöhnlich hölzerne Tröge und
                              									Bronzeschuhe, und sie wären sicher genug, vorausgesetzt, dass der Kuchen häufig mit
                              									Wasser besprengt wird, würden nicht manchmal Schmutz oder gebrochene
                              									Metallbestandtheile hineinfallen. Dennoch entstehen die meisten Unglücksfälle bei
                              									diesen, weil diese zwei Bedingungen für die Sicherheit häufig abgehen, und die
                              									grosse Menge von Staub, welche durch die heftigen Schläge der Stampfen in die Luft
                              									gewirbelt werden, durch einen Funken, oder die Reibung eines Stampfschuhes leicht
                              									Feuer fängt.
                           Mengtrommeln waren früher stark in Gebrauch und scheinen hier zu Lande für gewisse
                              									Pulvergattungen wieder beliebt zu werden. Da dieselben aus Sohlenleder oder Holz,
                              									mit darin sich bewegenden Bronze- oder Holzkugeln gemacht werden, so sollten
                              									dieselben keine andere Gefahr bieten, als die durch Ueberhitzen in Folge der raschen
                              									Drehung entstehen kann. Doch gibt es da eine andere Quelle der Gefahr, mit welcher
                              									wir uns alsbald beschäftigen werden.
                           Die zur Mengung der Bestandtheile des Pulvers hauptsächlich verwendeten Maschinen
                              									sind die Kollermühlen, welche gewöhnlich sowohl das Bett, wie den Läufer aus
                              									Gusseisen, manchmal aber auch Betten aus Stirnholz haben. Es ist bekannt, dass von
                              									Zeit zu Zeit Kollermühlen in die Luft fliegen, und früher wurde die oft gehörte
                              									Ausrede von einem Zündhölzchen, einem Nagel, oder einem ähnlichen Gegenstande, der
                              									zufällig hineingefallen sein sollte, – ich will nicht sagen: gerne – als Erklärung
                              									für den Unfall angenommen. Natürlich ist ein solcher Zufall möglich, aber
                              									entschieden selten. Die Hauptursache ist fehlerhafte Construction der Mühlen. Die
                              									Läufer wiegen 4 bis 5 t, und sobald während des Mengens der Kuchen härter und
                              									trockener wird, dann wird sich der Läufer heben, wenn er über ein dickeres Stück
                              									geht, und auf das nächste dünne niederfallen. Gute Kollermühlen werden nun so
                              									construirt, dass der Läufer stets etwa 1 mm von Bette absteht, so dass Eisen niemals
                              									mit Eisen in Berührung kommen kann.
                           Eine andere Ursache, welche ebenso bei Mengtrommeln, wie bei allen Maschinen für die
                              									Pulverfabrikation vorkommt, ist die Elektricität, welche durch die Reibung des
                              									Schwefels angesammelt wird. Vor einigen Jahren habe ich gerathen, die Kollermühlen
                              									mit der Erde leitend zu verbinden, und ich glaube, dass die Anzahl der Unfälle sich
                              									wesentlich verminderte, wo dieser Vorschlag angenommen wurde.
                           
                           Es ist bekannt, dass viele Explosionen in Kollermühlen vorkommen, wenn dieselben
                              									plötzlich abgestellt, oder nach einem Stillstande in Gang gesetzt werden, wodurch
                              									selbstverständlich eine grosse Menge von Schwingungen in einem Augenblicke erregt
                              									werden. Viele Unfälle erfolgen auch, wenn der Kuchen herausgenommen, oder
                              									Reparaturen ausgeführt werden. Es ist wichtig, und mit Recht von den Inspectoren
                              									verlangt, dass der Kuchen nur im nassen Zustande abgehoben werde, und dass keine
                              									Reparatur vorzunehmen sei, ehe vorher das ganze Gebäude gründlich gewaschen und
                              									gereinigt wurde. Die Verwendung von Bronzewerkzeugen ist in einem solchen Falle nur
                              									eine Verminderung der Gefahr, und keineswegs mehr als ein Palliativmittel gegen
                              									Unfälle, ja selbst hölzerne Werkzeuge sollen nur benutzt werden, nachdem die
                              									Beschickung gut befeuchtet wurde. Um Uebertragung der Explosion von einer Mühle zur
                              									anderen zu verhindern, welche häufig paarweise von einem Wasserrade oder einer
                              									Transmissionswelle getrieben werden, hat sich der Kippapparat (drenching apparatus)
                              									recht bewährt. Dieser ist in kurzen Worten ein Wassergefäss über der Mühle, welches
                              									mittels eines flachen Bretthebels so im Gleichgewichte gehalten ist, dass die
                              									geringste Hebung es umkippt. Alle diese Bretthebel sind durch eine gemeinsame Welle
                              									verbunden, wodurch im Falle einer Explosion in einer Mühle sofort alle anderen
                              									Beschickungen ersäuft werden.
                           Wenn eine Kollermühle explodirt, so wird gewöhnlich nur das Gebäude, und auch dieses
                              									nicht immer in bedeutendem Maasse beschädigt. Einer meiner Freunde hat die
                              									vorzügliche Idee ausgeführt, alle seine Dächer ganz leicht herzustellen und das
                              									ganze Dach nur mit zwei losen Holzbolzen festzustecken, so dass im Falle einer
                              									Explosion das Dach einfach gehoben wird und den Gasen hinreichenden Ausweg bietet,
                              									bevor genügend Druck zur Zerstörung des Gebäudes sich entwickeln kann.
                           Der Mühlenkuchen wird sodann in einer Vorbrechmaschine zerbrochen, welche im
                              									Wesentlichen eine Walzenmühle mit einem Paar geriffelten und einem Paar glatten
                              									Walzen ist. Diese Maschine bedarf nicht mehr Aufmerksamkeit, als andere
                              									Pulvermaschinen, ausgenommen dass sie so construirt sein soll, dass der Druck auf
                              									die Walzen nicht über eine gewisse Grenze steigen kann, was gewöhnlich
                              									geschieht.
                           Hiernach folgt das Kuchenpressen, welches gewöhnlich mit hydraulischen Pressen
                              									gemacht wird. Walzenpressen werden sehr selten verwendet. Früher presste man, indem
                              									man in einen viereckigen hölzernen Kasten mit aufklappbaren Seitenwänden abwechselnd
                              									eine Schichte Pulver und eine Bronzeplatte einlegte und dann einen Stempel aus
                              									hartem Holz hineinpresste. Dies bewirkte, dass das Pulver an den Kasten wänden so
                              									fest haftete, dass es grosser Kraft bedurfte, um sie zu öffnen, und manchmal
                              									Unglücksfälle verursachte. Heutzutage legt man gewöhnlich das feuchte Pulvermehl auf
                              									eine Ebonitplatte, streicht es flach mit einer Schaufel, legt eine zweite
                              									Ebonitplatte darauf, und so fort abwechselnd Schichten von Pulver und Ebonit bis zur
                              									gewünschten Höhe. Diese Art des Pressens ist verhältnissmässig sicher,
                              									vorausgesetzt, dass die Pressen sorgfältig rein gehalten werden und der Pressblock
                              									nicht zu rasch herabfallen gelassen wird. Dagegen ist da wieder die Gefahr der
                              									Elektricität, welche besonders in diesem Falle nicht zu unterschätzen ist. Die
                              									Ladung einer Kuchenpresse mit Ebonitplatten kann füglich wie ein Condensator
                              									aufgefasst werden, und grössere Reibung, sowie elektrische Influenz von aussen
                              									können eine zur Funkengebung genügende elektrische Ladung hervorrufen. Es sind
                              									mehrere solcher Fälle bekannt geworden, und als ein Beispiel sei der einer grossen
                              									continentalen Fabrik angeführt. Der Arbeiter hatte eben das Beschicken der Presse
                              									vollendet und öffnete das Druckventil, als er bemerkte, dass ein Gewitter im Anzüge
                              									sei. Seiner Instruction gemäss verliess er das Gebäude und kehrte zurück, nachdem
                              									das Gewitter sich gelegt hatte; doch als er die Presse zu entladen begann,
                              									explodirte sie. Der Mann starb, doch vor seinem Tode gab er noch an, er habe einen
                              									10 cm langen Funken in seinen Finger bekommen, als er die Kuchen aus einander nehmen
                              									wollte.
                           Es ist deshalb rathsam, Ebonit mit Vorsicht zu benutzen. Es ist ein sehr bequemes
                              									Material, da es sehr zähe ist, eine glatte Oberfläche hat, hart und nicht viel
                              									abnutzbar, dabei aber doch genügend elastisch ist. Es wird deshalb viel benutzt zu
                              									Platten in Kuchenpressen, zur Bekleidung von Einlaufgossen bei Körn- und
                              									Siebmaschinen u.s.w., aber man muss Acht geben, dass Elektricität sich selbst unter
                              									ungünstigen Umständen nicht ansammeln kann.
                           Das Körnen des Presskuchens erfolgt durch eine der zum Vorbrechen verwendeten
                              									ähnlichen Maschine, die gebildeten Körner werden nach Maassgabe ihrer Entstehung
                              									durch unterhalb der Walzen angebrachte Siebe classirt. Bei dieser Operation entsteht
                              									eine grosse Menge Staub, und ich habe noch keine Körnmaschine gesehen, bei welcher
                              									das Herumfliegen von Staub vollkommen verhindert war; dagegen sah ich manche Häuser,
                              									wo die Luft undurchsichtiger war als ein Londoner Nebel, und wo man bei offenen
                              									Thüren den Pulverstaub auf mehr als 3 m Entfernung herauskommen sah.
                              									Selbstverständlich sind Antriebswellen in dem Hause, die Körnmaschinen enthalten
                              									eine Anzahl von Zahnrädern, Lagern u.s.w., und manchmal wird die Hauptwelle selbst
                              									durch ein Zahnrad von einer anderen Welle aus bewegt. Dies erzeugt viel Lärm,
                              									welcher in Gemeinschaft mit der Verfinsterung durch den Pulverstaub ein unheimliches
                              									Gefühl erzeugt.
                           In vielen Fabriken erfolgt das Körnen noch nach dem Lefèbvre'schen Systeme, welches in kurzem aus einem oder mehreren, der
                              									Länge nach oder im Kreise schwingenden Sieben besteht, in denen eine beschwerte,
                              									mühlsteinartig behauene Scheibe aus Buchsholz sich bewegt und den Kuchen zerbricht.
                              									Diese Art zu körnen erzeugt natürlich noch mehr Staub.
                           An manchen Orten findet man einen Ventilator, welcher den Pulverstaub durch eine
                              									Oeffnung in der Wand ansaugt und auf ausgespannte Leinwand absetzt, aber dies ist
                              									niemals genügend. Ich glaube, dass eine entsprechende Verkleidung um die
                              									Körnmaschine herum und ein Hut über derselben in Verbindung mit einem Ventilator,
                              									der nach einer Staubkammer hinsaugt, viel entsprechender wäre. Zahnräder sollten an
                              									den Antriebswellen innerhalb des Gebäudes nicht gestattet sein, da sie nicht immer
                              									genau zusammen passen und allmählich sich abnutzen, was zu gefährlichen Stössen
                              									Veranlassung gibt. Es wird sich wahrscheinlich sogar empfehlen, die Antriebswellen
                              									ganz ausserhalb zu verlegen, ausser sie laufen mit geringer Geschwindigkeit. Die
                              									Lager der Körnmaschine sollten mit continuirlichen Schmierapparaten versehen
                              									sein.
                           
                           Während des Polirens, Abrundens und Siebens ist das Pulver einer fortwährenden
                              									Reibung seiner einzelnen Theile gegen einander ausgesetzt, und besonders beim
                              									Poliren, wo noch eine grössere Menge von Feuchtigkeit vorhanden ist, wird viel Wärme
                              									entwickelt. Die Pflöcke in den Polirtrommeln müssen deshalb in regelmässigen
                              									Zwischenzeiten geöffnet werden, um den gebildeten Dunst entweichen zu lassen, und
                              									bei allen diesen drehenden Maschinen muss darauf gesehen werden, dass etwa
                              									angesammelte Elektricität abgeleitet werde.
                           Das Trocknen des Pulvers erfolgt nicht mehr an freier Luft, wie bequem das auch
                              									manchmal sein mag. Es war dabei stets die Gefahr vorhanden, dass das Pulver
                              									verunreinigt und die Sonnenstrahlen darauf concentrirt wurden. Man bedient sich
                              									jetzt allgemein der künstlichen Wärme, und nur in sehr seltenen Fällen werden die
                              									Rauchgase der Heizung durch Röhren in das Trockenhaus geleitet. Dampf, Heiss- oder
                              									Warmwasser werden jetzt ganz allgemein benutzt. Die Einleitung von Dampf- oder
                              									Heisswasserröhren unmittelbar in das Gebäude ist verwerflich, da beim Beschicken und
                              									Abräumen der Hürden stets eine Menge Staub verursacht wird, welche auf den heissen
                              									Röhren sich ablagert. Warm wasserröhren verlängern die Trockenzeit ein wenig, sind
                              									aber frei von diesem Einwände. Das beste Mittel ist jedenfalls ein Dampf- oder
                              									Heisswasserofen ausserhalb des Gebäudes, über welchen mittels eines Gebläses ein
                              									Luftstrom in die Trockenkammer geleitet wird. Dies gestattet die Temperatur ganz
                              									gleichmässig zu erhalten und vermeidet alle Gefahr, vorausgesetzt dass die
                              									Luftöffnung so angelegt ist, dass der heisse Luftstrom nicht unmittelbar über eine
                              									Schicht Pulver geführt wird.
                           Manchmal wird der Presskuchen in grosse Würfel für das sogen. Kiesel- oder
                              									Würfelpulver geschnitten. Diese Maschinen, wie immer deren Construction sei,
                              									bedürfen keiner besonderen Erwähnung, da die Nothwendigkeit, starke Schläge
                              									auszuschliessen, die Aufmerksamkeit auf Messer, Lager u.s.w. dieselbe ist, wie bei
                              									allen anderen Pulvermaschinen.
                           Die Arbeit des Pressens in Prismen, Cylinder, Pillen u. dgl. erfordert die meiste
                              									Aufmerksamkeit und ist nicht immer in erfahrenen Händen. Man verwendet hauptsächlich
                              									zwei Arten, Hebel- und hydraulische Pressen. Bei Hebelpressen wird das Pulver
                              									gewöhnlich in eine Form geladen, welche am unteren Ende durch einen Stempel
                              									abgeschlossen ist und in welche ein anderer Stempel herabgeht, der durch einen von
                              									einem Excenter bewegten Hebel angetrieben wird. Es gibt natürlich verschiedene Arten
                              									solcher Pressen. Manche haben einen Pressblock mit vielen Löchern, in welche eine
                              									Scheibe auf den Boden kommt, dann die Pulverladung, dann ein Stempel, und das Ganze
                              									geht unter die Presse. Bei manchen Pressen dreht sich die Form auf einem Tische, und
                              									ihre Löcher sind abwechselnd einem vollen und einem durchbohrten Theile des Tisches
                              									gegenüber gebracht und gleichzeitig einem Stempel unterworfen, welcher die Ladung
                              									presst, und einem längeren Stempel, welcher die vorher gepresste Patrone durch die
                              									Bohrung des Tisches drückt, von wo sie in einen Behälter fällt. Manchmal gleitet ein
                              									Trichter über die Form, füllt sie, gleitet hinweg, die Ladung wird gepresst, der
                              									Boden der Form gleitet hinweg, und die Ladung wird herausgedrückt. Manchmal ist die
                              									Form feststehend, manchmal ist sie schwebend erhalten, während je ein Stempel
                              									von unten und oben eintritt.
                           Diese letztere Art von Pressen ist wohl die beste Gattung von Hebelpressen,
                              									vorausgesetzt dass die Form senkrecht geführt ist, und einer der beiden Stempel eine
                              									Sicherheitsvorrichtung hat, um Ueberdruck zu vermeiden. Hebelpressen, bei welchen
                              									mehr als eine Patrone auf einmal gepresst wird, sind bedenklich, weil dieselben
                              									selten eine Sicherheitsvorrichtung haben und weil, um eine solche verlässlich zu
                              									machen, die Kosten der Presse genau so hoch sind, wie die einer entsprechenden
                              									hydraulischen Presse.
                           Es ist Jedermann, der mit dem Pressen staubförmiger Substanzen zu thun hatte,
                              									wohlbekannt, dass es sehr schwierig ist, eine Anzahl von Formen mit genau derselben
                              									Menge in jeder zu füllen. Selbst kleine Trichter, deren Boden bei Ueberschreiten
                              									eines bestimmten Gewichtes sich öffnet, geben nicht mehr als ungefähre
                              									Gleichmässigkeit. Auch der Zustand der Atmosphäre, die Gestalt und der Durchmesser
                              									der Form, sowie die Korngrösse bei Schiesspulver beeinflussen die Füllung.
                           Obzwar Schiesspulver einen bedeutenden Druck unbedenklich aushält, ist es doch nicht
                              									räthlich, zu viel in dieser Hinsicht zu thun, weil es sehr leicht ist, durch die
                              									Anwesenheit eines fremden Körpers oder eines harten Kornes Ueberhitzung an einem
                              									Punkte zu erhalten. Ferner legt sich das Pulver um so mehr an die Form, je mehr es
                              									gepresst wird, und beim Herausdrücken der Patrone wird mehr Druck erforderlich sein.
                              									Die dadurch bewirkte Reibung erzeugt die grösste Hitze und ruft die meiste Gefahr
                              									hervor. Wenn demnach eine Anzahl von Formen nicht gleichmässig gefüllt ist, und sie
                              									sämmtlich durch an einem gemeinsamen Kopfe befestigte Stempel gepresst werden, so
                              									kann unter Umständen die Patrone, welche am meisten Pulver enthält, den für die
                              									Gesammtheit bestimmten Druck aushalten müssen und wird jedenfalls mehr als ihr Theil
                              									erhalten. Daher entsteht die Nothwendigkeit einer Vorrichtung, um Ueberdruck zu
                              									vermeiden. Dies kann entweder durch belastete Hebel an den Bodenstempeln, oder
                              									besser und einfacher dadurch erfolgen, dass jede Form unabhängig und beweglich
                              									gehalten ist.
                           Das Gleiche gilt für hydraulische Pressen. Meistens haben dieselben nur einen Kolben,
                              									so dass die Patrone, deren Länge zwischen 40 und 75 mm wechselt, am unteren Theile
                              									viel stärker gepresst ist, als am oberen. Die Pressen, welche je einen Kolben oben
                              									und unten haben, geben bessere Pressung und benöthigen beiderseits weniger Druck,
                              									aber sie sind theuer und complicirt. In keiner dieser Arten ist gewöhnlich eine
                              									Vorrichtung zur Verhinderung von Ueberdruck vorhanden, und das beste Mittel hierzu
                              									bleibt die bewegliche Form.
                           Pressen für prismatisches Pulver, wo Nadeln von Phosphorbronze in das Pulver reichen,
                              									bedürfen sorgfältiger Aufsicht, da das geringste Verbiegen einer Nadel zu Brüchen
                              									führen kann.
                           Eine andere Art der Pulvererzeugung soll nur kurz erwähnt werden. Sie war schon den
                              									Tartaren bekannt und vor etwa 9 Jahren auch in diesem Lande verwendet, nämlich den
                              									Salpeter in heissem Wasser zu lösen, die anderen Bestandtheile zuzufügen und das
                              									Ganze unter fortwährendem Umrühren abzudampfen. Selbstverständlich würde die
                              									englische Inspection verhindert haben, dass, wie dies eine Zeitlang auf dem
                              									Continente erfolgte, das Abdampfen in einer Art Waschkessel über einem Kohlenfeuer erfolgte, und wo
                              									der Inhalt des Kessels manchmal verpuffte, weil ein Theil des Pulvers am Boden anbuk
                              									und übermässig erhitzt wurde.
                           Die Erzeugung des braunen Pulvers unterscheidet sich von der des Schiesspulvers nur
                              									in der Herstellung der Kohle, welche nicht gefährlicher ist, als die Arbeit mit
                              									einem Hadernkocher.
                           In Verbindung mit dem Schiesspulver mag auch die Erzeugung von
                              									Sicherheitszündschnüren erwähnt werden. Dieselbe bietet keine besondere Gefahr,
                              									ausgenommen beim Spinnen der ersten Lagen der Zündschnur, wo ein feiner Strahl von
                              									Pulver einfällt in dem Maasse, als die Schnur gebildet wird; der Ueberschuss an
                              									Pulver fällt auf den Boden, wo er eine grosse Fläche bedeckt und
                              									Vorsichtsmaassregeln bedarf gegen Reibung oder den Fall des Gewichtes, welches die
                              									Zündschnur gespannt erhält.
                           Die nächste zu behandelnde Gruppe sind die sogen. Nitrokörper oder chemischen
                              									Explosivstoffe. Dieselben werden im grossen Maasstabe erzeugt und gewinnen täglich
                              									an Wichtigkeit, aber ihre Herstellung bedingt gewöhnlich eine Menge von Maschinen
                              									und Apparaten, und die Kenntniss aller Nebenumstände ist noch lange nicht
                              									vollkommen, abgesehen davon, dass sie manchmal sehr complicirter chemischer Natur
                              									sind.
                           Die Nitrokörper explodiren bei einer geringeren Temperatur und sind empfindlicher
                              									gegen Schlag und Reibung als Schiesspulver, und, als Producte chemischer Reaction,
                              									sind sie ausserdem unter Umständen chemischen Veränderungen ausgesetzt, welche
                              									dieselben unbeständig machen kann.
                           Nitrokörper werden gewöhnlich durch die Einwirkung von Salpetersäure auf einen
                              									Kohlenwasserstoff gebildet; man gibt Schwefelsäure hinzu, um das während der
                              									Reaction gebildete Wasser aufzunehmen und die Salpetersäure so viel als möglich in
                              									ihrer ursprünglichen Stärke zu erhalten, damit die Bildung niedrigerer Nitrokörper
                              									vermieden werde, welche entweder die Kraft des Explosivstoffes vermindern, oder ihn
                              									selbst unbeständig machen würden.
                           Verhältnissmässig am wenigsten gefährlich ist die Erzeugung von Schiessbaumwolle und
                              									Collodiumwolle. Mit Ausnahme der Nitrirung und des Pressens zu Patronen wird die
                              									ganze Arbeit bei einem grossen Ueberschusse von Wasser ausgeführt, und obzwar es
                              									vollkommen denkbar ist, dass ein Schiesswolltheilchen durch den Fall eines schweren
                              									Gewichtes explodire, selbst wenn es in einer grossen Menge von Wasser sich befindet,
                              									so ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass ein solcher Fall jemals eintrete.
                           Die Baumwolle muss sorgsam von Harz und sonstigen löslichen Bestandtheilen gereinigt
                              									werden, weil dieselben unbeständige Nebenproducte bilden würden. Dies geschieht
                              									gewöhnlich durch Kochen mit Sodalösung. Das Nitriren erfolgt in England durch
                              									Eintauchen der Wolle in das in einem gusseisernen Gefässe enthaltene Säuregemisch,
                              									oberflächliches Auspressen auf einem Roste und Einbringen in irdene Töpfe, welche in
                              									fliessendem Wasser stehen, um die Nitrirung zu beendigen. Auf dem Continente
                              									verwendet man Nitrirmaschinen, bestehend aus einem gusseisernen Gefässe mit
                              									aufgeschraubtem Deckel und einem falschen Boden, welcher mittels einer durch den
                              									Deckel hindurch gehenden Schraube bewegt werden kann. Die Baumwolle verbleibt
                              									zwei Stunden lang in der Maschine, und dann wird der falsche Boden nach dem Deckel
                              									hin gehoben, wodurch die Wolle ausgepresst wird. In einer anderen Fabrik erzeugt man
                              									ein Vacuum unter dem falschen Boden, um die Wolle auszupressen.
                           Die nitrirte Wolle wird dann von dem grössten Theile der Säure durch Behandeln in
                              									einer Centrifuge befreit, von wo sie so rasch als möglich in eine Waschmaschine
                              									gelangt. Man muss Acht haben, dass die saure Wolle stets unter Säure oder Wasser
                              									sich befindet, oder mindestens gut bedeckt ist, sonst nimmt sie rasch Feuchtigkeit
                              									auf und zersetzt sich, und wenn einmal eine Zersetzung begonnen hat, so ist es fast
                              									unmöglich, sie aufzuhalten. Bei dieser Zersetzung entwickeln sich grosse Massen
                              									rother Dämpfe, und es müssen deshalb entsprechende Vorkehrungen für Ventilation und
                              									Rettung vom Hause aus getroffen sein. Je wärmer die Mischung und je weniger flüssige
                              									Säure sie enthält, desto leichter zersetzlich ist sie; deshalb fangen Centrifugen am
                              									leichtesten Feuer an warmen und feuchten Tagen und seltener im Winter, ausgenommen
                              									Wasser, Gel oder andere fremde Substanzen fallen hinein.
                           Nachdem die Schiesswolle in die Waschmaschine gebracht ist, ist sie nicht mehr plötzlichen Zersetzungen unterworfen während der
                              									späteren Behandlung, aber die noch in ihr enthaltene Säure muss mit der grössten
                              									Sorgfalt entfernt werden, sonst findet allmähliche
                              									Zersetzung statt. Ich will diese Fabrikation hier nicht detailliren, da sie wohl
                              									bekannt ist, es genüge zu sagen, dass Schiesswolle, welche die Wärmeprobe der
                              									englischen Regierung besteht, unter gewöhnlichen Umständen ganz sicher ist.
                           Das Pressen von Schiesswolle in Patronen erfordert weit mehr Sorgfalt als das von
                              									Schiesspulver, weil es in der Wärme erfolgt und Schiesswolle selbst im kalten
                              									Zustande empfindlicher ist als Schiesspulver. Wenn die Schiesswolle aus den
                              									Wassercentrifugen kommt, soll sie stets zuerst ein Sieb passiren, damit Nägel,
                              									Zündhölzchen u. dgl. aufgefangen werden, welche zufällig hineingekommen sein mögen.
                              									Was von Pressen für Schiesspulver gesagt wurde; gilt
                              									noch mehr für Schiesswollpressen, obzwar dieselben immer hydraulische sind.
                              									Gewöhnlich passen die Stempel genau in die Formen, d.h. sie saugen wie ein
                              									Pumpenkolben. Es ist aber noch kein Metall bekannt, welches die während des Pressens
                              									vorkommende fortwährende Reibung auf längere Zeit aushielte, und alsbald wird die
                              									Form in jenem Theile weiter sein, wo die stärkste Pressung stattfindet. Das beste
                              									Metall für diesen Zweck ist ein besonderer, von Krupp
                              									erzeugter Stahl, doch ist auch dieser nur relativ am besten; für Stempelobertheile
                              									ziehe ich Hartguss vor. Wenn die Lage der Formen und Stempel zu einander nicht stets
                              									genau dieselbe ist, so findet, was man im Deutschen „Ecken“ nennt, statt,
                              									nämlich die Form steht diagonal zum Stempel und eine gefährliche Reibung ist die
                              									Folge.
                           Für gewisse Zwecke, wie Torpedos, Ingenieurpatronen u. dgl., muss die gepresste
                              									Schiesswolle gedreht, gebohrt und gehobelt werden. Dies soll immer unter einem
                              									Wasserstrahle stattfinden, um das Werkzeug sowohl, wie die davon berührte Schiess
                              									wolle abzukühlen.
                           Es ist selbstverständlich nöthig, während der Pressung den die Ventile bedienenden
                              									Mann zu schützen. In Waltham-Abbey hat man einen Vorhang aus Schiffstauen, welcher
                              									zugleich elastisch und widerstandsfähig ist. Ich habe durch Erfahrung gefunden,
                              									dass eine 30 cm dicke hölzerne Zwischenwand aus 5 cm dicken Brettern und mit
                              									gemahlener Kohlenschlacke gefüllt einen sehr wirksamen Schutz bietet. Es sind selten
                              									mehr als 5 Pfund Schiesswolle auf einmal unter Druck, so dass im Falle einer
                              									Explosion die geschleuderten Stücke sich bloss in der Schlacke einbetten. Die
                              									Zwischenwand hat eine Thür, um zur Presse zu gelangen, und eine konische Röhre geht
                              									durch sie hindurch, welche dem Manne gestattet, die Arbeit von einem gesicherten
                              									Standpunkte aus zu beobachten. Das Dach oder eine Seite des Gebäudes sollte aus Glas
                              									gemacht sein, um der Explosion eine Richtung zu geben, und sie wird dann
                              									thatsächlich die Mauern des Gebäudes nicht beschädigen, auch wenn sie nur einen
                              									Ziegel stark sind.
                           Das Trocknen von Schiesswolle ist nicht weniger riskant, wenn es mit unzweckmässigen
                              									Mitteln ausgeführt wird. Es wird allgemein angenommen, dass das Trocknen bei keiner
                              									höheren Temperatur als 40° C. stattfinde. Wenn ein Strom warmer Luft über eine
                              									Schiesswollschicht streicht, so wird diese elektrisch, und die meisten, wenn nicht
                              									alle Brände in Schiesswolltrockenhäusern sind wahrscheinlich dem zuzuschreiben, dass
                              									man es unterlässt die Elektricität abzuführen. Ich verdanke Herrn Walter F. Reid manche Mittheilung in dieser Hinsicht.
                              									Er war meines Wissens der Erste, welcher metallene Rahmen, Ständer und Gitter zur
                              									Aufnahme der Trockentücher aufstellte und sie mit der Erde leitend verband.
                           In Trockenhäusern entsteht eine grosse Menge Schiesswollstaub, welcher an den Wänden,
                              									Fussböden, kurz überall sich anlegt. Da dieser Staub warm ist, ist er gegen Reibung
                              									sehr empfindlich, ja Oberst Cundill sagte mir sogar,
                              									dass selbst die starke Reibung mit einem Filzschuhe ihn schon entzündet hat. Die
                              									Arbeiter in diesen Räumen sollen deshalb stets Filzschuhe tragen oder barfuss
                              									herumgehen, alle unnöthige Reibung vermeiden und die Fussböden und Wände häufig
                              									waschen. Der Fussböden soll entweder mit Gummi oder mit Linoleum bedeckt sein.
                           Unter keinen Umständen soll ein nacktes Metallrohr für die Wärmezufuhr im
                              									Trockenhause gestattet werden. Obzwar die Wärme 40° C. nicht übersteigen und die
                              									Ausstrahlung der Röhre genügend gross sein mag, so kann es denn doch eine
                              									geschütztere Stelle, wie etwa ein Knie, eine Ecke neben einer Mauer u. dgl. geben,
                              									in welcher Wärmemenge sich ansammelt und eine weit
                              									höhere Temperatur erzielt wird, als die der eintretenden Luft, und gerade solche
                              									Stellen werden mit Schiesswollstaub erfüllt, der an und für sich als Wärmespeicher
                              									dient. Ein zufälliger Schlag auf die Röhre kann auch vorkommen, so dass es am besten
                              									ist, dieselben ganz aus dem Raume zu verbannen.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)