| Titel: | Ueber Fortschritte in der Aluminiumindustrie. | 
| Autor: | H. W. | 
| Fundstelle: | Band 284, Jahrgang 1892, S. 253 | 
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                        Ueber Fortschritte in der
                           								Aluminiumindustrie.
                        Ueber Fortschritte in der Aluminiumindustrie.
                        
                     
                        
                           Der starke Preisrückgang, welchen das Aluminium Ende des letzten Jahres erfuhr1891 280 240. 281 216. 1892
                                    												283 44., und dem zufolge dasselbe
                              									heute in Bezug auf gleiche Volumina nur mehr um etwa 20 Proc. theurer ist als Kupfer
                              									und bereits etwas billiger als Zinn, lenkte die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf
                              									dieses Metall und bewirkte, dass es für eine Reihe von Zwecken in Verwendung kam,
                              									bei welchen Leichtigkeit oder Widerstandsfähigkeit gegen Oxydation von Vortheil
                              									sind. In Folgendem sind die wichtigeren, neuen, industriellen und gewerblichen
                              									Verwendungen aufgeführt.
                           Die Aluminium-Industrie-Actiengesellschaft in Neuhausen am Rheinfall führte bekanntlich auf der vorjährigen elektrotechnischen Ausstellung
                              									in Frankfurt a. M. ein von der Firma Escher, Wyss und
                                 										Co. in Zürich gebautes Naphtaboot vor, bei welchem Aluminium in ausgiebiger
                              									Weise zur Verwendung gekommen war. Dasselbe erregte durch sein gefälliges
                              									Aussehen und seine, gewöhnlichen Naphtabooten überlegene, Geschwindigkeit Aufsehen
                              									und hatte zur Folge, dass der Erbauerin binnen kurzem Aufträge auf beträchtlich
                              									grössere Aluminiumboote zugingen und dass man sich nun auch mit der Verwendung des
                              									Aluminiums für den Bau von Rettungs- und Sportbooten zu beschäftigen beginnt. Ein
                              									Franzose geht noch einen Schritt weiter, indem er Aluminium für die Segeljotten
                              									(Segelyachten) vorschlägt und die Vorzüge desselben für diesen Zweck eingehend
                              									erörtert (Le Yacht, 1892 S. 59. 67. 74). Er vergleicht
                              									zu diesem Behufe drei Schiffe von je 10 t Deplacement, wovon das erste ganz aus
                              									Holz, das zweite aus Stahl, das dritte aus Aluminium gebaut ist. Für das Holzschiff
                              									eine Stärke der Verkleidung von 25 mm angenommen; ergibt sich für dieselbe ein
                              									Gewicht von 25k/qm, bei dem Stahlschiff würde eine Wandstärke von 3 mm ein Gewicht von 23,4k/qm bedingen, was
                              									bei dem Aluminiumschiff einer Wandstärke von 9,4 mm entsprechen würde. Da eine
                              									solche von höchstens 4 mm genügt, könnte somit mehr als die Hälfte an Gewicht
                              									gespart werden. Aus dieser Gewichtsverminderung ergibt sich, dass, um die Gleichheit
                              									des Deplacements wieder herzustellen, das Aluminiumschiff einen viel schwereren
                              									Ballast erhalten muss, welcher bei derartigen Schiffen immer aus Blei besteht. Dies
                              									bedingt ein Tieferlegen des Schwerpunktes und damit eine grössere Stabilität, welch
                              									letztere dann eine Vergrösserung des Segelwerks und damit der Geschwindigkeit
                              									gestattet. Auf Grund ausführlicher Berechnungen, deren Wiedergabe hier zu weit
                              									führen würde, kommt Verfasser zu dem Schluss, dass
                           
                              
                                 beim
                                 Holzschiff
                                 der
                                 Schwerpunkt
                                 0,43 m
                                 
                              
                                 „
                                 Stahlschiff
                                 „
                                 „
                                 0,47 m
                                 
                              
                                 „
                                 Aluminiumschiff
                                 „
                                 „
                                 0,65 m
                                 
                              
                           unter der Wasserlinie liegt und dass sich die Stabilitäten und
                              									die verwendbaren Segeloberflächen der drei Schiffe verhalten wie
                           63 : 67 : 85 oder wie 1 : 1,06 : 1,35.
                           Da die treibenden Kräfte proportional sind den Segeloberflächen und die
                              									Geschwindigkeiten sich verhalten wie die Quadratwurzeln der treibenden Kräfte, so
                              									stehen also die Geschwindigkeiten der drei Schiffe im Verhältniss von 1 : 1,03 :
                              									1,16.
                           Die Verwendung des Aluminiums gestattet also Jotten (Yachten) herzustellen, welche
                              									schneller gehen als alle bis jetzt vorhandenen oder, wenn man den Ballast nicht
                              									vermehrt, solche mit geringerem Tiefgang.
                           Verfasser schätzt die Kosten des Holz- und Stahlschiffes auf 10000 Fr. Bei der
                              									Aluminiumjotte, bei welcher etwa 1 t Metall in Verwendung kommt, stellt sich
                              									letzteres nach dem Verfasser, welcher irrthümlich einen Preis von 15 Fr. für 1 k
                              									annimmt, auf etwa 15000 Fr. (richtiger 8000 Fr.), wozu 2700 Fr. für den Bleiballast,
                              									4000 Fr. für die Bemastung, Segel u.s.w. und 2000 Fr. für Arbeitslöhne kommen, in
                              									Summa rund 25000 Fr. (richtiger 18000 Fr.). Der Preisunterschied ist also gar nicht
                              									so hoch, wobei noch zu Gunsten des Aluminiumschiffs der Umstand spricht, dass
                              									dasselbe, wenn ausser Dienst gesetzt, noch einen beträchtlichen Metallwerth hat,
                              									während vom Holz- und Stahlschiff nur der Ballast seinen Werth behält.
                           Auch im Eisenbahnwesen hat man die Vorzüge des Aluminiums auszunutzen versucht. Die
                              										Schweizerische Industriegesellschaft
                              									in Neuhausen
                              									verwendet nämlich für eine neue Construction von Waggonfensterrahmen Aluminium
                              									theils in Form von gewalzten Profilstäben, theils von gepresstem Aluminiumguss. Die
                              									ganze Fensterconstruction einschliesslich der Gewichtsausgleichung wiegt nur 11 k
                              									gegenüber 19 k der bisher gebräuchlichen Fenster gleicher Grösse (865 × 570 mm
                              									Oeffnung im Lichten), der Rahmen selbst nur 1,17 k.
                           Für den Maschinenbau sind aus einer Legirung von Aluminium mit 17 Proc. Kupfer grosse
                              									Dampfmaschinenschieber gegossen worden, welche in Bezug auf Abnutzung den gestellten
                              									Anforderungen vollkommen entsprachen. Ferner wurde Aluminium für Theile von
                              									Stickereimaschinen verwendet, welche in Eisenguss zu schwer sind oder in Holz wegen
                              									dessen Veränderungen durch Schwinden und Werfen Veranlassung zu Störungen geben.
                           Auch zum Bau einiger Apparate der chemischen Industrie hat man in letzter Zeit
                              									Aluminium benutzt, so namentlich für Kessel zum Kochen von Leim und Gelatine, auch
                              									zum Schmelzen von Wachs. Das von den betreffenden Fabrikanten gerühmte bessere
                              									Aussehen des Products gegenüber dem mit anderen Kesseln erhaltenen rührt
                              									wahrscheinlich davon her, dass sich bei Verwendung von Kupfer- oder Eisenkesseln in
                              									Folge des Schwefelgehaltes des Leims dunkel gefärbte Verbindungen bilden, während
                              									dies bei Aluminium nicht der Fall ist.
                           In der schweizerischen Uhrenindustrie machte man viele Versuche, das Aluminium für
                              									Uhrgehäuse zu verwenden, welche jedoch bis vor kurzem ohne Erfolg blieben, da man
                              									die Schwierigkeiten des Löthens nicht zu überwinden wusste. In letzter Zeit hat man
                              									Gehäuse vollständig ohne Löthung angefertigt, welche ebenso solide und billiger als
                              									Neusilbergehäuse sind, aber den billigen Silbergehäusen vorzuziehen sind. Man
                              									verwendet dazu eine Legirung von Aluminium mit 6 Proc. Kupfer.
                           Eine vielversprechende, neue Anwendung des Aluminiums ist die als Ersatz der
                              									Lithographiesteine; bereits von zwei Seiten sind bezügliche Druckverfahren zum
                              									Patent angemeldet. Eine weitere Verwendung im Druckereigewerbe ist die für
                              									Winkelhaken.
                           Die Deutsch-Oesterreichischen Mannesmannröhrenwerke,
                              									welche bereits voriges Jahr zahlreiche Federhalter aus nach ihrem Verfahren
                              									hergestellten Aluminiumröhren in den Handel brachten, fertigen nun eine grosse Zahl
                              									von Gegenständen aus solchen Röhren und haben kürzlich für 21 derartige Artikel
                              									Gebrauchsmusterschutz erhalten. Wir nennen von denselben: Griffe und Stiele für
                              									Pinsel, Bürsten u.s.w., Schirm-, Spazier- und Billardstöcke, Stühle und Sessel,
                              									Ständer für Photographierahmen, Zeitungs-, Handtuch- und Schlüsselhalter.
                           Auf dem Gebiete des Kunstgewerbes hat besonders die Wiener Industrie in letzter Zeit
                              									wahre Prachtstücke geliefert, während die Offenbacher Portefeuillefabrikanten das
                              									Metall für ihre Zwecke in hervorragender Weise nutzbar zu machen verstanden
                              									haben.
                           Von weiteren Verwendungen, welche das Aluminium theils im reinen Zustande, theils mit
                              									geringen Zusätzen von Kupfer gefunden hat, seien noch erwähnt: Hufbeschläge,
                              									Ofenröhren für Luxusöfen, Trompetenmundstücke, Zeltbeschläge, orthopädische
                              									Apparate, Indicatoren für Dampfmaschinen, Voltmeter, Photographenapparate u.s.w.
                           Die Aluminiumbronze hat im gegossenen Zustande in
                              									Folge der grossen Schwierigkeiten; sie im Guss gegen Druck dicht zu erhalten,
                              									die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht ganz erfüllt, im gewalzten und geschmiedeten
                              									Zustande erfreut sie sich jedoch einer immer steigenden Verwendung namentlich im
                              									Marine- und Torpedowesen wegen ihrer hohen Festigkeit und ihres, anderen nicht
                              									rostenden Metallen gegenüber, geringeren specifischen Gewichtes (7,7 gegen 8,9 der
                              									Phosphorbronze).
                           Eine bedeutende Verwendung fand sie in letzter Zeit zur Herstellung des sogen.
                              									Doppelbronzedrahtes für Telephonleitungen, welcher von den Firmen Carl Berg in Eveking und Felten
                                 										und Guilleaume in Mülheim a. Rh. fabricirt wird und der aus einer
                              									Aluminiumbronzeseele mit Kupferumhüllung besteht. Derselbe besitzt eine Festigkeit
                              									von 76k/mm und
                              									eine Leitungsfähigkeit von 69 Proc. von der des Kupfers, leitet also bedeutend
                              									besser als Siliciumbronzedraht von gleicher Festigkeit. Dem Vernehmen nach führt die
                              										k. bayerische Telegraphenverwaltung den Draht ein
                              									und sollen bereits für das laufende Jahr 280000 k desselben in Verwendung
                              									kommen.
                           Die 5procentige Bronze hat sich in Folge ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Oxydation
                              									bei Rothglut für Gasmotorenzündröhrchen seit längerer Zeit bestens bewährt; kürzlich
                              									von Prof. H. Schiff angestellten Versuchen zufolge wird
                              									sie selbst beim Erhitzen im Sauerstoffstrom 17,6mal weniger oxydirt als Kupfer,
                              									wobei die sich bildende Oxydschicht nicht, wie bei Kupfer oder Eisen, abspringt,
                              									sondern das darunter liegende Metall vor weiterer Oxydation schützt.
                           In der Feuerwaffentechnik findet die 12procentige Bronze seit längerer Zeit Anwendung
                              									zur Herstellung von Zündnadeln für Percussions- und Zeitzünder, für welchen Zweck
                              									sie vor dem Stahl den Vorzug des Nichtrostens besitzt und dadurch ein stets sicheres
                              									Functioniren des Zündmechanismus gewährleistet. Gegenüber dem ebenfalls für
                              									Zündnadeln verwendeten Neusilber und Messing aber besitzt sie den Vorzug einer
                              									ungleich grösseren Härte.
                           Ueber die Verwendung des Aluminiums als Raffinationsmittel in
                                 										der Eisen- und Stahlindustrie wird trotz der bedeutenden Verwendung für
                              									diesen Zweck aus der Praxis wenig bekannt, obwohl gerade hierüber Mittheilungen sehr
                              									nothwendig wären, da die Wirkung des Aluminiums sehr von der Art der verwendeten
                              									Stahl- bezieh. Eisensorte und dem Verfahren beim Zusätze abzuhängen scheint. In
                              									letzterer Beziehung mag erwähnt sein, dass bei Versuchen in der Friedenshütte in
                              									Oberschlesien das Aluminium, wenn es bei Herstellung von Walzblöcken in der Coquille
                              									zugesetzt wurde, ausgezeichnet wirkte und zwar schon in der geringen Menge von 0,004
                              									Proc. und bei Chargen, welche trotz erfolgten Ferromanganzusatzes unruhig blieben,
                              									dagegen war die Wirkung keine so günstige, wenn der Zusatz in der Pfanne erfolgte,
                              									in welchem Falle an der Oberfläche der Ingots häufig Bläschen zu beobachten
                              									waren.
                           Einen bemerkenswerthen Vortrag über die Wirkung des Aluminiums auf Stahlgüsse hielt
                              									Prof. I. O. Arnold bei der Eröffnungsfeier der Sheffield Technical School Metallurgical Society.
                              									Derselbe widerlegte zunächst die Behauptung einer Temperaturerhöhung um mehrere 100°
                              									in Folge des Aluminiumzusatzes und wies dann durch sinnreiche Versuche nach, dass
                              									die Ursache der Wirkung des Aluminiums in Bezug auf Befreiung der Güsse von Blasenräumen, wenigstens
                              									was das Kohlenoxyd betrifft, darin zu suchen sei, dass dieses von Aluminium zu
                              									Kohlenstoff reducirt werde. Er wies diese Reduction sowohl dadurch nach, dass er
                              									reines Kohlenoxyd über glühendes Aluminium leitete, wobei dieses in ein Gemisch von
                              									Aluminiumoxyd und Kohle verwandelt wurde, als auch in der Weise, dass er in ein
                              									aluminiumhaltiges Stahlbad Kohlenoxyd leitete, wobei eine beträchtliche Zunahme des
                              									Kohlenstoffgehaltes eintrat, bei einem Versuche von 0,30 auf 0,51 Proc. Er
                              									schilderte dann, wie man in Sheffielder Werken das durch den Aluminiumzusatz
                              									bewirkte stärkere Saugen bekämpft, indem man auf den eben gegossenen Ingot eine Art
                              									Trichter aus Thon aufsetzt und durch diesen Stahl nachgiesst; auch machte er darauf
                              									aufmerksam, dass der aluminiumhaltige Stahl in Folge seiner Blasenfreiheit viel
                              									empfindlicher ist gegen das Schwinden beim Abkühlen, was bei Herstellung von
                              									Façongüssen zu beachten ist, um das Entstehen feiner Risse zu vermeiden.
                           Ueber die Verwendung des Aluminiums beim Eisengusse bringt der Metallarbeiter eine, wie es scheint, aus der Praxis
                              									hervorgegangene Mittheilung. Es wird in derselben der Zusatz des Aluminiums
                              									hauptsächlich für Dampf- und Pumpencylinder und überhaupt alle Güsse empfohlen,
                              									welche gegen hohen Druck dicht sein müssen. Der Zusatz des Aluminiums soll in der
                              									Weise erfolgen, dass man sich zunächst eine Mischung von Aluminium und Eisen
                              									herstellt, indem man in eine kleine Giesspfanne auf den Boden das angewärmte
                              									Aluminium legt, dann etwas flüssiges Eisen aus dem Ofen darauf laufen lässt und nun
                              									wartet, bis die Mischung steif zu werden beginnt. Hierauf lässt man die Hauptmasse
                              									des Eisens in die eigentliche Giesspfanne laufen, giesst die Aluminiumeisenmischung
                              									hinzu, worauf nun innige Mischung eintritt. Für 100 k Eisen nehme man 200 g
                              									Aluminium. Man vergiesst nun nicht sofort, sondern wartet, bis das Eisen orangegelb
                              									geworden und sich eben eine dünne Haut auf dem Spiegel zu bilden beginnt. Sobald
                              									dieser Moment eingetreten, entfernt man die Haut und vergiesst, wobei man beachtet,
                              									dass der Einguss stets voll gehalten wird. Es ist für diese Vorsichtsmaassregeln
                              									zwar kein Grund angegeben, doch scheint auch hieraus hervorzugehen, dass das mit
                              									Aluminium versetzte Eisen stärker saugt und dass der üblen Wirkung dieses Saugens
                              									durch möglichst kaltes Vergiessen vorgebeugt werden muss.
                           
                              
                                 H. W.