| Titel: | Zur Werthbestimmung der Kohle. | 
| Fundstelle: | Band 285, Jahrgang 1892, S. 47 | 
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                        Zur Werthbestimmung der Kohle.
                        Zur Werthbestimmung der Kohle.
                        
                     
                        
                           Mit Bezug auf die in diesem Journal 1891 280 * 63. 89. 136
                              									erschienene Abhandlung von Prof. Bunte erhalten wir die
                              									unter I abgedruckte Zuschrift des Herrn Scheurer-Kestner in Thann.
                           Wir haben von dem Inhalt derselben Herrn Bunte Kenntniss
                              									gegeben und lassen dessen Erwiderung unter II folgen.
                           
                        
                           I.
                           In einer Abhandlung von Prof. Bunte,
                              									die in D. p. J. 1891 280 63.
                              									89. 136 erschienen ist, schliesst der Verfasser, dass die Verbrennungswärme der
                              									Steinkohle durch Berechnung mittels der Dulong'schen
                              									Formel festgestellt werden kann, oder mindestens, dass „man mit einer für die
                                 										Praxis ausreichenden Genauigkeit die Verbrennungswärme der Kohle aus der genauen
                                 										chemischen Analyse einer Durchschnittsprobe berechnen kann.“
                           Diese Behauptung, gegen die ich schon seit langen Jahren gekämpft
                              									habe, ist durch die Bunte'sche Abhandlung selbst nicht
                              									bewiesen. Im Gegentheil: die Tabelle der Saarkohlen zeigt mit der Dulong'schen Formel einen Unterschied von – 4,2 und +
                              									2,8, also einen Unterschied von ± 7 Proc. zwischen zwei der untersuchten Kohlen
                              									(vgl. Ziehwald H und Griesborn).
                           Die andere Tabelle verschiedener Kohlen zeigt entsprechend noch
                              									einen Unterschied von – 3,7 und + 2,0, also ± 5,7 Proc.
                           Solcher Unterschied scheint mir zur Verwerfung der Dulong'schen Formel hinreichend, unbeachtet dass
                              									zwischen anderen Kohlen der Unterschied noch grösser ist.
                           Schwackhöfer hat für eine Kohle im
                              									Calorimeter einen Ueberschuss von 6 Proc. auf die nach Dulong'scher Formel berechnete VerbrennungswärmeZeitschrift für analytische Chemie, 1884 S.
                                    											453. gefunden; Fischer gleichfalls
                              									5,4 Proc.D. p. J. 1885 258 *
                                    											330.
                              									Bunte selbst hat in seinen Münchener Versuchen einen
                              									Ueberschuss von 6,5 Proc. für die Ruhrkohle General-Erbstollen bestätigt.Bericht über die Heizversuchsstation München, Tabelle I Nr. 34, aber nach den
                                    											nöthigen Correcturen, die ich im J. 1883 in dem Bulletin de la Société Industrielle de Mulhouse festgesetzt
                                    											habe.
                           Um solche Erörterungen zwischen Vertheidigern der Dulong'schen Formel und seinen Gegnern zu Ende zu
                              									bringen, habe ich mich entschlossen, ein widersprechendes
                              									Verfahren anzuwenden, indem dasselbe Kohlenmuster der calorimetrischen Untersuchung
                              									von einem anderen Experimentator und von mir unterworfen wurde. Ich wandte mich an
                              										Mahler, der kürzlich mittels der Berthelot'schen BombeComptes rendus, Académie des sciences
                                    										1892. die Verbrennungswärme von fünf verschiedenen Kohlen bestimmt
                              									hat.
                           Die von mir ausgewählte Kohlensorte rührt von Bascoup
                              									(Nordfrankreich) her. Sie hat mir vor 4 Jahren sehr niedrige Ergebnisse
                              										geliefert.Comptes rendus, Académie des sciences
                                    										1888. Deshalb habe ich sie gewählt, um einen entscheidenden Versuch
                              									zu führen.
                           Zuerst wurde sie in dem Laboratorium der Faculté des sciences von
                              									Lille der Analyse unterworfen und die Analyse von mir wiederholt. Dann wurde die
                              									calorimetrische Prüfung von mir in der Berthelot'schen
                              									Bombe vom Collège de France und von Mahler in der Ecole
                              									des mines mit seiner Berthelot-Mahler'schen Bombe
                              									ausgeführt.
                           
                           
                              
                                 
                                 Analyse Lille
                                 
                                    Scheurer-Kestner
                                    
                                 
                              
                                 C
                                   92,08
                                   92,00
                                 
                              
                                 H
                                     6,04
                                     5,85
                                 
                              
                                 O + N + S
                                     1,88
                                     2,15
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                           Verbrennungswärme.
                           
                              
                                 
                                    Mahler
                                    
                                 8813
                                 
                              
                                 
                                    Scheurer-Kestner
                                    
                                 8828
                                 
                              
                                 nach Dulong
                                 9368
                                 
                              
                           Unterschied zwischenDulong und Beobachter.
                           
                              
                                 Mahler hat mithin ein Minus 
                                 555
                                 W.-E.
                                 = 5,9
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Scheurer-Kestner desgleichen
                                 540
                                 „
                                 = 5,9
                                 „
                                 
                              
                           Mahler hat ferner, ohne Aufforderung
                              									meinerseits, eine andere Kohle calorimetrirt, wovon er die Ergebnisse mir
                              									freundlichst mittheilte. Die Kohle war eine englische Nixonkohle, die ich vor etlichen Jahren schon analysirt und in der Bombe
                              									geprüft habe.Bulletin de la Société Industrielle de Mulhouse,
                                    											1888, Verbrennungswärme 8864 etwas zu hoch.
                           Analyse.
                           
                              
                                 C
                                 90,27
                                 
                              
                                 H
                                 4,39
                                 
                              
                                 O + N + S
                                 5,34
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Verbrennungswärme.
                           
                              
                                 
                                    Mahler
                                    
                                 8759
                                 
                              
                                 Scheurer-Kestner 1888
                                 8864
                                 
                              
                                            ibid.          1892
                                 8700
                                 
                              
                                 nach Dulong
                                 8579
                                 
                              
                                 aus der Analyse berechnet ohne Rücksicht    auf
                                    											Sauerstoff
                                 8807
                                 
                              
                           Unterschied zwischen Beobachtung undDulong'scher Formel.
                           
                              
                                 
                                    Mahler
                                    
                                 
                                 + 180
                                 W.-E.
                                 =
                                 2,0
                                 Proc.
                                 
                              
                                 
                                    Scheurer-Kestner
                                    
                                 1888
                                 + 285
                                 „
                                 =
                                 3,3
                                 „
                                 
                              
                                 ibid.
                                 1892
                                 + 121
                                 „
                                 =
                                 1,4
                                 „
                                 
                              
                           Unterschied zwischen Beobachtung und der
                                 										Formel C 8080 + H 34500.
                           
                              
                                 
                                    Mahler
                                    
                                 
                                 –   48
                                 W.-E.
                                 =
                                 0,5
                                 Proc.
                                 
                              
                                 
                                    Scheurer-Kestner
                                    
                                 1892
                                 – 107
                                 „
                                 =
                                 1,2
                                 „
                                 
                              
                           Es liegen also hier zwei Kohlen vor, deren Verbrennungswärme
                              									unzweifelhaft festgestellt ist und deren Analysen für sicher zu halten sind; dagegen
                              									ist der Unterschied nach der Dulong'schen Formel
                              									bedeutend und das Resultat ganz anders: im ersten Falle – 5,9 Proc. im zweiten + 2,0
                              									oder +1,4 Proc. Noch ist zu bemerken, dass die Verbrennungswärme der Nixonkohle mehr
                              									von der Dulong'schen Berechnung abweicht als von der
                              									einfachen Zusammenrechnung der Verbrennungswärmen C + H.
                           Es kann nach diesen zwei Beispielen nicht mehr die Rede davon
                              									sein, die Dulong'sche Formel für die Verbrennungswärme
                              									anzuwenden. Es gibt heute keine Formel, die zu diesem Zweck dienen kann. Nur allein
                              									calorimetrische Versuche, wie ich es seit mehr als 20 Jahren behauptet habe, führen
                              									zu sicheren Ergebnissen. Der Gebrauch der Dulong'schen
                              									Formel führt die Gefahr einer Täuschung von mehr oder weniger als 7 Proc. mit sich,
                              									soweit wir bis jetzt wissen. Es ist möglich, es ist sogar wahrscheinlich, dass die
                              									Schwankungen noch grösser sein können für Kohlensorten, die noch nicht mit dem
                              									Calorimeter geprüft sind.
                           Dass von der Dulong'schen Formel kein
                              									Gebrauch gemacht werden kann, ohne dass man eine Unsicherheit von wenigstens 7 Proc.
                              									zu erwarten hat, ist durch diese Untersuchungen bewiesen. Es geht mit den
                              									Steinkohlen wie im allgemeinen Falle. Die Dulong'sche
                              									Formel ist nur auf die Elementaranalyse gegründet, aber die Kohlensorten
                              									unterscheiden sich auch durch ihre Immediatzusammensetzung. Die
                              									Immediatzusammensetzung ist von der molecularen Structur wie von der
                              									Elementarzusammensetzung abhängig.
                           Als Beispiel betrachten wir zwei Kohlensorten aus dem Pas de
                              									Calais (Nordfrankreich), welche ähnliche Elementarzusammensetzung haben: die erste
                              									84,95 und die zweite 84,90 Proc. Kohlenstoff – nur ist die eine eine fette und die
                              									andere eine magere Kohle –, die eine gibt beim Destilliren 18 Proc. ihrer
                              									Kohlenstoffe als Kohlenwasserstoffe und Oxyde ab, die andere nur 9,9 Proc. Bei der
                              									Anwendung der Dulong'schen Formel wird trotzdem für die
                              									Verbrennungswärme dieser beiden Kohlenstoffmengen derselbe Coefficient verwendet,
                              									was unzulässig ist. Man weiss ja schon lange, dass Körper, deren Zusammensetzung
                              									dieselbe ist, wie z.B. Essigsäure und Ameisensäure-Methylester, doch durch ihre
                              									Verbrennungswärme sehr verschieden sind und sich noch mehr von der Dulong'schen Formel entfernen. Die letzte übertrifft
                              									sie um 30,8 Proc. Wenn solche 
                              									Schwankungen bei Substanzen von gleichen Zusammensetzungen beobachtet werden
                              									können, um wie viel mehr ist es wahrscheinlich, dass es unmöglich ist, mit irgend
                              									einer Sicherheit eine Formel für die Verbrennungswärme von Körpern, die so
                              									verschieden wie die Steinkohlen in ihrer Structur sind, anzuwenden.
                           
                        
                           II.
                           Wie ich aus den vorstehenden Mittheilungen ersehe, lässt Herr Scheurer-Kestner seine älteren calorimetrischen
                              									Versuche, welche bis zu 15 Proc. höhere Werthe ergeben hatten, als die Dulong'sche Regel, stillschweigend fallen und sucht,
                              									unter Berufung auf die früheren Arbeiten von Schwackhöfer, von mir u.a. seinen Widerspruch gegen die Dulong'sche Formel durch neue Versuche aufrecht zu
                              									erhalten. Zu dem Ende theilt Herr Scheurer-Kestner
                              									Versuche über eine Kohle von Bascoup mit, welche um etwa 6 Proc. weniger Wärme im Calorimeter ergeben haben soll, als
                              									die Berechnung aus der Elementarzusammensetzung.
                           Wären die vorstehend mitgetheilten Versuchsergebnisse einwandfrei,
                              									so würde gegenüber der ausserordentlich grossen Zahl von Steinkohlen, bei denen der
                              									berechnete Werth mit dem gefundenen sehr nahe übereinstimmt, die Kohle von Bascoup
                              									eine Ausnahme von der Regel darstellen, deren Möglichkeit ich niemals in Abrede
                              									gestellt habe und zwar wäre dies, wie ich hinzufügen darf, die einzige Ausnahme in
                              									ihrer Art. Zunächst habe ich aber begründeten Anlass anzunehmen, dass die von Herrn
                              										Scheurer-Kestner angegebene Elementarzusammensetzung der
                                 										Kohle von Bascoup und also auch der daraus berechnete Dulong-Werth unrichtig
                                 										sind. Die ganz ungewöhnliche Zusammensetzung dieser „Magerkohle“,
                              									welche nach Scheurer-Kestner 5,8 bis 6 Proc.
                              									Wasserstoff und 1,04 bis 1,31 Proc. Sauerstoff neben 0,84 Proc. StickstoffVgl. Comptes rendus 1892. Schwefel ist nicht
                                    											bestimmt. enthalten soll, hat mich veranlasst Herrn Scheurer-Kestner um Ueberlassung einer Probe dieser
                              									Kohle zu bitten. Diese Probe, für deren Uebersendung ich Herrn Scheurer-Kestner dankbar bin, hat bei der
                              									Elementaranalyse ein von dem obigen völlig abweichendes
                                 										Ergebniss geliefert, nämlich 90,7 Proc. C, 3,9 Proc. H (statt 6), 5,4 Proc.
                              									O + N + S. Da die Möglichkeit einer Verwechselung seitens des Absenders nicht
                              									ausgeschlossen ist, so muss die definitive Entscheidung darüber, ob die Kohle von
                              									Bascoup eine Ausnahme von der Regel darstellt, vorläufig noch ausgesetzt bleiben.
                              									Ich habe Schritte gethan, um in den Besitz völlig authentischer Proben der
                              									fraglichen Kohle zu kommen und behalte mir vor baldigst über das Ergebniss der
                              									Untersuchung zu berichten.
                           Was die Frage anlangt, ob die Dulong'sche Regel praktisch brauchbare
                              									Anhaltspunkte für die Beurtheilung des Heizwerthes der Steinkohle liefert, so haben
                              										alle neueren calorimetrischen Versuche, mit
                              									alleiniger Ausnahme derjenigen des Herrn Scheurer-Kestner und des einzigen Versuches von Herrn F. Fischer, zu einer bestimmten Bejahung derselben
                              									geführt. Ich verweise in dieser Beziehung auf meine vor kurzem gemachte Mittheilung
                              									in diesem Journal, 1892 283 256. Voraussetzung für die
                              									Brauchbarkeit der Dulong'schen Regel ist
                              									selbstverständlich eine richtige Elementaranalyse. Wo
                              									diese Voraussetzung nicht zutrifft, da wird man, trotz der besten calorimetrischen
                              									Methoden, vergeblich nach einem einfachen Zusammenhang zwischen Verbrennungswärme
                              									und chemischer Zusammensetzung der Steinkohle suchen.
                           Karlsruhe, chemisch-technisches Laboratorium der technischen
                                 									Hochschule, Juni 1892.
                           
                              H. Bunte.