| Titel: | Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen. | 
| Fundstelle: | Band 285, Jahrgang 1892, S. 49 | 
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                        Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 25 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen.
                        
                     
                        
                           III. Schiffs-, Küsten-, Festungs- und
                              									Belagerungsgeschütze.
                           Aus den Verhandlungen der französischen Kammer im Frühjahr und im December 1891 ging
                              									die überraschende Thatsache hervor, dass gewisse neue Geschütze zu jener Zeit den
                              									englischen und italienischen Kriegsschiffen eine bedeutende Ueberlegenheit über die
                              									französischen verschafften. Es hatte sich also das Marineministerium eines Landes,
                              									welches die grössten Opfer für seine Kriegsbereitschaft bringt, eine recht starke
                              									Blösse gegeben und zwar in einer rein artilleristischen Sache, welche ganz allein
                              									durch die Privatindustrie und zwar in erster Linie durch die des eigenen Landes zu
                              									einer hohen Vollendung gebracht worden war.
                           Schwere Schnellfeuerkanonen (canons à tir rapide de gros calibre), d.h. solche von 10
                              									bis 15 cm Bohrungsdurchmesser hatten diese Lage herbeigeführt. Zum Beschiessen von
                              									Torpedobooten und Schiffsdecks waren schon lange vordem kleine Schnellfeuerkanonen
                              									im Gebrauch gewesen, deren Feuergeschwindigkeit durch Einführung von Metallhülsen
                              									mit Zündhütchen für die Pulverladung, also durch den Wegfall einer zeitraubenden
                              									Zündungsweise, durch rasch arbeitende Verschlüsse, und zum Theil durch
                              									revolverartige Einrichtungen herbeigeführt worden war; ihr Rücklauf wurde einfach
                              									durch die Festigkeit des Lagers aufgehoben. Bei den Versuchen, die Wirkungen durch
                              									Einführung grösserer Rohre zu steigern, konnte das feste Lager nicht beibehalten
                              									werden; man ging dazu über, die bedeutende Kraft des Rückstosses, die eine schwere
                              									Ladung erzeugen muss, dadurch zu schwächen, dass man eine hydraulische Bremse
                              									zwischen Rohr und Laffete legte, welche die heftige Stosswirkung in eine kleine,
                              									gleichmassigere Rücklaufbewegung umsetzen sollte. Um das Rohr nach beendigtem
                              									Rücklauf wieder in die alte Lage zu bringen, behielt man dabei zunächst das früher
                              									schon gebrauchte Mittel einer schiefen Ebene bei, welche die vom Rückstoss hinauf
                              									bewegte Rohrlast zwingt, von selber wieder herunter zu gleiten. Mit dieser
                              									Einrichtung, den Rück- und Vorlauf eines Rohres in einer beim Schusse stehen
                              									bleibenden Laffete zu ermöglichen, beginnt die Geschichte der schweren
                              									Schnellfeuerkanonen; deren Weiterentwickelung auch bis jetzt wesentlich eine
                              									Geschichte der Maassnahmen zur Regelung der Rücklaufsbewegung geblieben ist. Diese
                              									Einrichtungen sind aber nicht nur für die Schiffsartillerie wichtig, sondern auch
                              									für die Landartillerie, besonders für die Festungs- und Belagerungsartillerie,
                              									welche bis zum letzten Kriege gerade dieselben Kaliber umfasste. Das schnelle
                              									Schiessen ist hier vielleicht weniger von Wichtigkeit, als die Steigerung der
                              									Wirkung, welche die neue Lagerung des Rohres in seinem Schiessgerüst herbeiführen
                              									könnte.
                           
                        
                           
                              Einrichtungen für den Rück- und Vorlauf des Rohres in seiner
                                 										Laffete bei den schweren Schnellfeuergeschützen.
                              
                           Da das Wesen der Schiffsgeschütze dem Nicht-Seemann weniger bekannt sein dürfte, so
                              									sind des schnelleren Verständnisses wegen die Ansichten von drei Typen
                              									wiedergegeben, welche gewissermaassen den Gang der Entwickelung erkennen lassen (von
                              									der genauen Herzählung vieler Einzelheiten wird an dieser Stelle Abstand genommen
                              									werden).
                           Textabbildung Bd. 285, S. 49Fig. 5.Hotchkiss' 10 cm-Schnellfeuergeschütz mit Schlitten auf
                                    											schiefer Ebene. Die Ansicht eines älteren 10 cm-Hotchkiss-Schnellfeuergeschützes zeigt (Fig.
                                 									5), wie das Rohr mit seiner Querachse in einem Schildzapfenlager liegt, das
                              									den oberen Theil des pumpenstiefelartigen Theiles eines Schlittens zu bilden
                              									scheint. Aus diesem als hydraulische Bremse dienenden Pumpenstiefel führt ein Kolben
                              									nach vorn in einen festen Aufsatz auf einem „Laffete“ genannten Untersatz.
                              									Innerhalb des Schlittens ruht das Hintertheil des Rohres auf einem auf- und abwärts
                              									stellbaren Theile. Die Rückwärtsbewegung des Schlittens bei einem Schusse auf den
                              									nach hinten ansteigenden Oberkanten der Laffete wird durch die entstehende Reibung
                              									in den Bremsen und durch die Einwirkung der Schwere gegen das Steigen verlangsamt
                              									und dann vollständig durch eine pufferartige Einrichtung aufgehoben; das hierbei
                              									stattfindende Abprallen bildet gleichzeitig den Anfang der durch die Schwere
                              									beschleunigten Bewegung nach vorn in die alte Lage. Die Laffete selber steht mit den
                              									Enden auf Rollen, welche sich auf einer kreisförmigen, mit dem Schiffsdeck
                              									verschraubten Platte bewegen; mit der Mitte dreht sie sich um einen festen Drehpunkt
                              									(Mittelpivot); indem sie mit klauenartigen Winkeleisen um eine vorspringende Leiste
                              									der Fussplatte greift, wird ihre Lage in wagerechter und senkrechter 
                              									Richtung gegen die Einwirkung des gemilderten Rückstosses gesichert, welchen
                              									die Kolben der hydraulischen Bremsen auf die vorderen Ecken der Oberkanten der
                              									Laffete übertragen.
                           Im Grunde genommen bietet dieses Schnellfeuergeschütz gegen die früher schon im
                              									Gebrauch befindlichen Küsten- und „Hohe-Rahm“-Geschütze wenig Neues. Die dort
                              									vorkommende Laffete ist kleiner geworden und heisst jetzt nur „Schlitten“,
                              									der dort vorhandene Untersatz jetzt „Laffete“. Das Rohr hat natürlich seine
                              									alte Lagerungsweise mit Hilfe von Schildzapfen beibehalten. Neu ist nur die Drehung
                              									der Laffete um den Mittelpunkt; sie fand früher meist um einen vorwärts gelegenen
                              									Punkt (ein „Vorderpivot“) statt.
                           Die eben beschriebene, auf der Bewegung eines Schlittens auf einer schiefen Ebene
                              									gegründete Form schwerer Schnellfeuergeschütze wurde noch bis in die neueste Zeit
                              									von den Firmen Whitworth, Schneider (Creusot) und Krupp beibehalten. Sie hat den Nachtheil, dass während
                              									des Rücklaufs nicht gerichtet werden kann; denn die Visirlinie macht die Bewegung
                              									des Schlittens mit. Dann übt das schräge nach oben schnellende Rohr einen Einfluss
                              									auf den Boden des herausfliegenden Geschosses aus, welcher in dem Falle auf die
                              									Treffähigkeit nachtheilig wirken wird, wenn das Gleiten bei mehreren Schüssen
                              									ungleichmässig stattfindet. Die Verschiedenheit der Richtung von Rohr und Geschoss
                              									nimmt auch den Widerstand des ersteren gegen Verbiegen in Anspruch. Endlich könnte
                              									möglicher Weise die Feuergeschwindigkeit eine etwas geringere, als bei neueren
                              									Geschützeinrichtungen sein; ein einzelner Versuch der Krupp'schen Fabrik hat dies im vorigen Frühjahr gezeigt, derselbe kann
                              									indess zunächst nur eine Vermuthung, noch keine Gewissheit ergeben.
                           Die Fabrik Hotchkiss hatte eine zweite Art von
                              									Schnellfeuergeschützen angefertigt, bei welchen „der Schlitten auf schiefer
                                 										Ebene“ wegfiel und durch eine Federeinrichtung ersetzt wurde. Schon 1891 281 151 wurde diese Bauweise berührt.
                           Textabbildung Bd. 285, S. 50Fig. 6.Hotchkiss-Sclmellfeuergeschütz mit Bremsen und Federn neben
                                    											dem Rohre. Der Schlitten ist in eine „Wiege“ (oder „Schale“, engl.
                              										„cradle“) umgewandelt, welche aussen an ihren Seiten wänden Zapfen
                              										trägt, mit denen sie sich in den
                              										„Schildzapfenlagern“ zweier Laffetenwände bewegt; letztere sitzen auf
                              									einer Scheibe, welche sich auf dem Sattel eines Untersatzes um einen Zapfen
                              									desselben dreht. Ein besonderer Rand greift klauenartig um vorspringende
                              									Leisten von Scheibe und Sattel, um eine Bewegung der gabelförmigen Laffete nach oben
                              									oder unten zu verhindern. Der Untersatz ist mit dem Schiffsdeck verschraubt. In der
                              									Wiege selbst (in Fig. 7 von oben dargestellt) bewegt
                              									sich das Rohr, auf dessen Schildzapfen Kapseln gesteckt sind, welche mit nach unten
                              									gerichteten klauenartigen Ansätzen in Nuthen mit Leitschienen gleiten. Für das
                              									Hintertheil des Rohres ist ein besonderer Ausschnitt angebracht. Auf jeder Seite ist
                              									neben dem Rohre in der Wiege eine hydraulische Bremse und ein teleskopartiges
                              									Gehäuse mit starker Spiralfeder befestigt. Beim Beginn des Rückstosses ziehen die
                              									Schildzapfenkapseln die Bremskolbenstange nach hinten und drücken dabei die Federn
                              									zusammen. Nach beendigtem Rücklauf schieben die Federn durch ihre Spannkraft das
                              									Rohr wieder in die alte, vor dem Schusse eingenommene Lage zurück.
                           Textabbildung Bd. 285, S. 50Fig. 7.10 cm-Hotchkiss-Schnellfeuergeschütz nach dem Rücklauf, vor
                                    											dem Vorlauf. Ansieht von oben, Wiege und Laffete durchschnitten. Durch diese Einrichtung wird das Rohr gezwungen, während des Rücklaufes
                              									genau die ihm ertheilte Richtung beizubehalten. Eine besondere, nach oben oder unten
                              									gerichtete Mündungsbewegung stört hier die Bahn des Geschosses nicht. – Ein
                              										„Richten während des Schusses“ kann indessen auch hier nicht stattfinden,
                              									weil Visir und Korn auf dem Rohre befestigt sind. – Bei dieser Bauweise wird die
                              									Lage des Rohres wahrscheinlich nicht sehr sicher sein. Die „Wiege“ hat
                              									Aehnlichkeit mit einer flachen, offenen Kiste, welche an den äusseren Vorsprüngen
                              									zweier gegenüberliegender Seiten festgelegt worden ist. Recht weit von diesen Zapfen
                              									entfernt liegend, arbeitet die Rohrlast mit grosser Kraft senkrecht zu ihnen nach
                              									rückwärts. Hierbei muss entweder eine schlotterige, wackelige Bewegung oder Lage
                              									entstehen, oder aber es müssen alle Abmessungen ausserordentlich stark genommen
                              									werden. Die beschriebene Bauart ist vielleicht aus diesen Gründen nur noch bei den
                              									10 cm-Geschützen angewandt worden, bei schwereren nicht (die Ansicht Fig. 6 ist sogar nur die eines 6,5 cm-Geschützes; die
                              									des 10 cm-Geschützes wird aber keine wesentliche Verschiedenheit zeigen). Es
                              									erschien nothwendig, diese Sorte von Schnellfeuergeschützen zu besprechen, einmal,
                              									weil sie sehr bezeichnend für deren Entwickelungsgeschichte ist, und zum anderen,
                              									weil diese Rücklaufsvorrichtungen auch bei den Panzerbefestigungen auf dem Lande
                              									sehr grosse Anwendung gefunden haben (wie dies weiter unten dargelegt werden
                              									wird).
                           
                           Die Beibehaltung der Schildzapfen bei den Geschützrohren scheint zu dieser
                              									Bauweise verleitet zu haben. Eine Nothwendigkeit hierzu lag gar nicht vor, da die
                              									Rohre in dieser Laffete sich niemals um ihre Schildzapfen drehen. Bei den neuesten
                              									Bauweisen der Schnellfeuergeschütze sind deshalb die letzteren vollständig
                              									weggefallen.
                           Die Firma W. G. Armstrong, Mitchell und Co. in Elswick,
                              									welche auch bei Verbesserungen der eben beschriebenen Formen hervorragend betheiligt
                              									war, hat die kistenförmige Wiege für das Geschützrohr durch eine Muffe mit
                              									Schildzapfen (manchon oscillant) ersetzt. Bei 12 cm-Kanonen befinden sich unter
                              									derselben zwei Hohlcylinder; der vordere nimmt eine Spiralfeder, der hintere eine
                              									hydraulische Bremse auf. Ueber dem vorderen Ende der ersteren liegt eine Kappe, von
                              									welcher aus zwei Stangen nach rückwärts führen. Diese Stangen, sowie das hintere
                              									Ende der Bremskolbenstange sind in einem nach unten reichenden Ansätze des hinteren
                              									Endes des Geschützrohres befestigt. Da die Feder im Ruhezustande etwas Spannung
                              									besitzt (Initialspannung hat), so drückt sie das Geschützrohr so nach vorwärts, dass
                              									sein letzter vorspringender Ring gegen das hintere Muffenende stösst. Um dem
                              									Drehungsbestreben des Geschützrohres zu begegnen, welches beim Schusse durch die
                              									Einwirkungen der Zugwindungen auf das vorwärts getriebene Geschoss hervorgerufen
                              									wird, ist an der unteren Seite eine Leiste angebracht, welche sich in einer
                              									besonderen Nuth der Muffe bewegt. Um die Spiralfeder von der Bewegung des
                              									Geschützrohres bei Seegang zu entlasten, ist an einer Stelle Leiste und Nuth
                              									durchschnitten; ein Riegel in diesem Ausschnitt vermag Rohr und Muffe fest zu
                              									verbinden.
                           Das Bezeichnende dieser Einrichtung für den Rücklauf ist die unmittelbare Benutzung
                              									des äusseren Rohrmantels als Führungsmittel bei der Rück- und Vorwärtsbewegung und
                              									dann die Verlegung von hydraulischer Bremse und Spiralfeder unter das Rohr.
                              									Theoretisch ist vielleicht eine senkrechte Bewegung der Mündung beim Schusse bei
                              									dieser Bauweise nicht so abgestellt, wie bei der vorigen, ein gewisser Spielraum ist
                              									zwischen den beiden verhältnissmässig grossen Körpern (Geschützrohr und Muffe)
                              									immerhin vorhanden; von grossem Belang ist das vielleicht aber in Wirklichkeit
                              									nicht. Die Geschützbedienung wird indess dadurch, dass das mit Schmierrinnen
                              									versehene Innere der Muffe eingefettet und auch vor dem Eindringen von Schmutz und
                              									Russ bewahrt werden muss, nicht gerade verbessert. – Von ganz besonderem Werthe ist
                              									es, dass Visir und Korn auf der festen Muffe sitzen, also stets, auch während der
                              									Rohrbewegung zu benutzen sind.
                           Textabbildung Bd. 285, S. 51Fig. 8.Armstrong's 12 cm-Rohr in einer Muffe mit Schildzapfen
                                    											(manchon oscillant). Schnellfeuergeschütze mit der eben beschriebenen Rücklaufseinrichtung
                              									waren auf der vorjährigen Naval Exhibition in London ausgestellt; sie bilden einen
                              									Theil der Armirung englischer Kriegsschiffe, besonders der Kreuzer und
                              									kleinerer Schiffe (The Engineer vom 1. Mai 1891 gibt
                              									die Aufstellung dieses Geschützes auf dem „Teutonic“ wieder). Die 15
                              									cm-Schnellfeuerkanonen von Armstrong zeigen eine kleine
                              									Abweichung, die darin besteht, dass unter dem Rohre statt einer Bremse und einer
                              									Feder zwei Bremsen und über demselben zwei Spiralfedern angebracht sind; ferner ist
                              									nicht nur unten, sondern auch oben am Rohre eine Leiste angebracht, um seine Drehung
                              									zu verhindern. (Eine Beschreibung der Laffete und ihrer Aufstellung würde hier zu
                              									weit führen, sie ist ähnlich der weiter unten bei Fig.
                                 										10 gegebenen.)
                           Textabbildung Bd. 285, S. 51Fig. 9.Maxim's 12 cm-Schnellfeuergeschütz. Auf der genannten Ausstellung war noch eine Laffete von Maxim deshalb bemerkenswerth, weil sie eine bessere
                              									Führung des Rohres beim Rücklauf zuliess. Eine vorn und hinten offene Schale hat
                              									Schildzapfen an ihren beiden Seitenwänden, mit welchen sie in die Lager einer
                              									gabelförmigen Laffete gelegt wird. Vorn in der Schale befinden sich Nuthen, in
                              									welche Leisten passen, die an einem Mantelringe des Rohres sitzen. Letzteres hat
                              									hinten unten einen Ansatz zum Befestigen des Kolbens einer aus hydraulischer Bremse
                              									und Spiralfeder bestehenden Rücklaufsvorrichtung, deren übrige Theile fest mit dem
                              									Boden der Schale verbunden sind.
                           Das Rohr bewegt sich in der Schale sicher und geschützt; sein Abstand von dem
                              									stützenden Lager in der Laffete ist sehr klein und die ganze Rücklaufeinrichtung
                              									beansprucht einen kleinen Raum.
                           Eine recht vollkommene Führung des Rohres beim Rücklauf in der Laffete zeigt das
                              									Schnellfeuergeschütz von Canet, welches von der Société des forges et chantiers de la Méditerranée für
                              									die russische Flotte zufolge Bestellung vom 22. Juli 1891 geliefert wird. Eine
                              									ähnliche Construction scheint auch bei der französischen Marine eingeführt zu
                              									sein.
                           Nach der Ansichtszeichnung besteht das Geschütz aus dem Untersatz, welcher auf einer
                              									das Schiffsdeck ersetzenden Fläche befestigt ist, der Laffete und einem Rahmen, in
                              									welchem anscheinend das Rohr selber liegt. Dies ist indess nur scheinbar der Fall.
                              									Nach Fig. 11 ist ein Mantel (Muffe, Hülse) so fest um
                              									das Rohr gelegt, dass er beim ersten Anblick schwer zu unterscheiden ist.
                           Mit seiner Vorderkante lehnt sich dieser Mantel gegen einen reifenartigen Vorsprung
                              									auf dem Rohre. An vier gleichmässig vertheilten Stellen sind Einsatzstücke in
                              									besondere Ausschnitte des Mantels und des reifenartigen Vorsprunges eingelegt,
                              									welche jede Drehung des Rohres verhindern. Auf dem Hintertheil des letzteren ist
                              									eine umlaufende Nuth eingeschnitten, in welche ein aus zwei Stücken bestehender Ring
                              									eingelegt wird; die nach aussen vorspringende Kante desselben hält den Mantel gegen
                              									eine Verschiebung nach hinten fest.
                           
                           Unter dem Mantel liegt, mit demselben ein Stück bildend, der Cylinder für die
                              									Bremse; auf den Seiten springen Leisten vor, welche Nuthen parallel der Rohrseele
                              									bilden.
                           In diese seitlichen Nuthen passen zwei Gleitschienen, welche zu einem Rahmen
                              									vereinigt sind; letzterer greift gewissermaassen um Mantel nebst Rohr herum. An der
                              									Aussenseite dieses Rahmens sitzen vorn Schildzapfen, welche in entsprechende Lager
                              									der Laffete eingelegt sind. Am hinteren Rahmenende ist unten der Kolben angebracht,
                              									der sich in dem Bremscylinder des Rohrmantels bewegen soll.
                           Die Bremse (Fig. 12) ist von allen bisher
                              									beschriebenen recht abweichend.
                           In der Bodenmitte des Bremscylinders ist ein schwach kegelförmiger Stempel befestigt,
                              									dessen Kopf einige kleine Rillen zum Vorbeifliessen einer Flüssigkeit hat und beim
                              									Schusse in das hohle Innere des eigentlichen Bremskolbens R vorgeschoben wird. Die auf dem letzteren sitzende Scheibe hat
                              									rillenartige Durchbrechungen, welche durch Ventile geschlossen sind, wenn keine
                              									grosse Druckspannung in der Cylinderflüssigkeit ist. Wird diese dadurch
                              									hervorgerufen, dass der Rückstoss den Cylinder gegen den Kolben treibt, so öffnen
                              									sich die durch Spiralfedern gehaltenen Ventile, die Flüssigkeit tritt durch (und um)
                              									die Scheibe und drückt gegen einen verschiebbaren Cylindereinsatz, der sich zwischen
                              									Cylinder und Kolben der Bremse befindet. Da die um den Stempelkopf sich pressende
                              									Bremskolbenflüssigkeit auch in den Bremscylinder tritt, so muss der bewegliche
                              									Einsatz einen grösseren Weg, wie der Cylinder selbst machen.
                           Textabbildung Bd. 285, S. 52Fig. 10.Canet's 12 cm-Schnellfeuergeschütz mit Gleitrahmen (châssis
                                    											oscillant), Bremse und Belleville-Federn unter dem Rohre.Textabbildung Bd. 285, S. 52Fig. 11.Canet's 12 cm-Schnellfeuergeschütz (Querschnitt und Ansicht
                                    											von hinten). Der Bremscylinder ist an jeder Seite aussen mit zwei, der Einsatz mit
                              									einem Ansatz zur Führung zweier Stangen versehen, auf welche Säulen von
                              									Bellevillefedern aufgeschoben sind. Die Säulen neben dem ersteren sind durch eine
                              									Verstärkung des Stangenendes und durch den nach rückwärts gelegenen festen Ansatz
                              									eingeschlossen; die übrigen Säulen liegen zwischen dem beweglichen Einsatz und einer
                              									durch Schrauben festgehaltenen Scheibe. Arbeitet nun dieser verschiebbare
                              									Cylindereinsatz gegen seine Säule, so zieht die Scheibe die Stange mit sich, auf
                              									welcher die andere Bellevillefedersäule sitzt, welche sich gegen den Ansatz des
                              									(festen) Bremscylinders lehnt. Es wird also durch den Flüssigkeitsdruck in der
                              									Bremse eine Spannung in vier Säulen von Bellevillefedern erzeugt. Das
                              									Schadhaftwerden einer Federplatte würde wahrscheinlich
                              									das Geschütz nicht unfähig zum Schiessen machen. Ein schwacher Punkt ist es aber,
                              									dass die Bremse zwei Dichtungen hat, von welchen die äussere nur beim Rückstoss
                              									unter Flüssigkeitsdruck kommt, sonst aber leicht „trocken“ liegen wird. Als
                              									eigenthümlich verdient noch hervorgehoben zu werden, dass die hydraulische Bremse
                              									auch zur Verlangsamung des Vorlaufes dient. Der verschiebbare Einsatzcylinder,
                              									welcher durch die Spannkraft der Federn in den Bremscylinder zurückgeschoben werden
                              									soll, findet neuen Widerstand; indem sich die Ventile in der Kolbenscheibe
                              									schliessen, kann die beim Rücklauf durchgeströmte Flüssigkeit nur durch kleine in
                              									denselben angebrachte Rillen wieder in den Bremscylinder zurück gelangen; ausserdem
                              									presst sich die Flüssigkeit, welche in die Kolbenhöhlung zurück dringen will, nur
                              									langsam durch die Rillen des herausgezogenen Stempelkopfes.
                           Um den letzten Anstoss der in die Ruhelage vorlaufenden Rohrmasse zu mildern, sind in
                              									den Einsatzstücken zwischen dem reifen artigen Vorsprung auf dem Rohre und dem
                              									aufgeschobenen Mantel Puffer angebracht, welche gegen Ansätze des Gleitrahmens
                              									stossen (in Fig. 10 ist einer angedeutet).
                           Die Bewegung des Gleitrahmens um seine Schildzapfen (zum Heben und Senken) wird durch
                              									eine hinten seitwärts angebrachte Zahnstange erreicht, in welche ein Zahnrad der
                              									Laffete eingreift.
                           Die letztere ruht mit ihren Enden auf Kugeln, welche sich in einer Auskehlung des
                              									Untersatzes bewegen, der mit dem Schiffsdeck verschraubt ist. Winkeleisen greifen
                              										
                              									klauenartig um eine nach aussen vorspringende Leiste desselben, um ein
                              									Hochschnellen zu verhindern. Zur Sicherung der Lage in wagerechter Richtung hat der
                              									(in Fig. 11 dunkel angelegte) Untersatz einen
                              									cylindrischen Aufsatz, auf welchen eine entsprechende Höhlung in der unteren Seite
                              									der Laffete passt. Indess nur während des Schusses liegt dieselbe fest auf, sonst
                              									ruht ihre Mitte auf Bellevillefedern; indem diese durch den Rückstoss
                              									zusammengepresst werden müssen, tragen sie zu einer kleinen Schwächung desselben
                              									bei.
                           In Bezug auf Einrichtungen für den Rücklauf des Rohres in der Laffete wird wohl zur
                              									Zeit das eben berührte Canet-Geschütz zu den vollkommensten zu zählen sein, wenn
                              									auch nicht vorauszusehen ist, ob diese Bauart lange unverändert beibehalten werden
                              									wird. Die wesentlichsten Vorzüge würden sein: eine feste Visirlinie, welche ein
                              									Zielen während der Rücklaufsbewegung des Rohres erlaubt, der wahrscheinliche Wegfall
                              									einer die Geschossbahn störenden Mündungsbewegung, das rasche Zurückgehen des Rohres
                              									in seine vor dem Schusse innegehabte Lage, welche ein Richten auf ein bestimmtes
                              									Ziel nur für den ersten Schuss nothwendig, für die folgenden Schüsse fast
                              									überflüssig macht, und endlich (möglicher Weise) eine Gewichtsverminderung des
                              									ganzen Geschützes.
                           Textabbildung Bd. 285, S. 53Fig. 12.Bremse und Federn eines Schnellfeuergeschützes von Canet.
                                    											Ansicht von oben. Bezeichnend ist es wohl, dass die Firma Krupp, welche früher nur Schnellfeuergeschütze nach Art der in Fig. 5 angegebenen, d.h. solche anfertigte, bei
                              									welchen das Rohr in einem Schlitten lag, der sich auf der Laffetenoberkante bewegte,
                              									im vorigen Frühjahre Schiessversuche mit einer sogen. „Wiegenlaffete“
                              									angestellt und veröffentlicht hat. Bei derselben findet der Rücklauf in der (durch
                              										Fig. 8 angedeuteten) Weise dadurch statt, dass
                              									das Rohr verschiebbar in einer Muffe mit Schildzapfen liegt: eine hydraulische
                              									Bremse und eine Spiralfeder befinden sich unten, die Feder ist indess nicht wie bei
                              									Armstrong vor der Bremse, sondern dahinter angebracht.
                           Es würde zu weit führen, eine Beschreibung aller heutigen schweren
                              									Schnellfeuerlaffeten zu geben oder auch nur eine Andeutung aller der Patente zu
                              									machen, welche sich auf den Rücklauf des Rohres in der Laffete beziehen. Es mag
                              									hervorgehoben werden, dass die Firma Hotchkiss in
                              									neuerer Zeit die Rohre in Muffen mit Schildzapfen legt und dass die Firma Rogerson auf der Londoner Naval Exhibition im vorigen
                              									Jahre eine recht bemerkenswerthe Bauart vorführte.
                           Bei dem Misstrauen, welches Neuerungen entgegengebracht zu werden pflegt, würde es
                              									vielleicht gewagt erscheinen, von den Vortheilen des Rücklaufes von Geschützrohren
                              									in Laffeten zu sprechen, welche Landmärsche machen müssen, wenn nicht 12
                              									cm-Mörser dieser Einrichtung bei den vorigjährigen Feldmanövern in Frankreich
                              									gebraucht worden wären. Aus Zeitungsnachrichten scheint hervorzugehen, dass diese
                              									Mörserrohre „verschiebbar in Muffen mit Schildzapfen“ liegen, unter welchen
                              									ein Rohr mit einer hydraulischen Bremse und einer Feder angebracht ist. – Für die
                              									Belagerungsartillerien, welche schon heute Rücklaufsbremsen führen, d.h. Bremsen,
                              									welche zwischen Laffete und Bettung arbeiten, würde eine entsprechende Neuerung von
                              									unmittelbarem Nutzen sein. So lange das Rohr starr mit der Laffete verbunden ist,
                              									hat diese den das Material stark angreifenden Rückstoss auszuhalten; liegt die
                              									Bremse zwischen ihr und dem Rohre, so wird ihre Festigkeit viel weniger in Anspruch
                              									genommen, ihr Gewicht wird also verringert werden können. Eine derartige Verlegung
                              									der Bremse (wenn man so sagen darf) unter Hinzufügung einer Federvorrichtung für den
                              									Vorlauf des Rohres würde also hier wahrscheinlich eine Steigerung der
                              									Leistungsfähigkeit hervorbringen, wenn man die Arbeitsleistung der Geschosse zu 1 k
                              									des ganzen Geschützgewichtes in Beziehung setzen würde. Die Verminderung des
                              									Bettungsmaterials und seines Gewichtes, die Verkleinerung des Aufstellungsraumes und
                              									die Vergrösserung der Treffähigkeit durch den Rücklauf des Rohres in der ihm
                              									gegebenen Richtung würden weitere Folgen sein. Die in Fig.
                                 										9 von Maxim gebrachte Form, bei welcher das
                              									Rohr in den Nuthen einer mit Schildzapfen versehenen Schale gleitet, erscheint für
                              									diese Geschützarten sehr empfehlenswerth zu sein. Ob bei Geschützen der heutigen
                              									Feldartillerie der Rücklauf des Rohres in der Laffete schon erreichbar ist, dürfte
                              									eine Frage sein, die wohl demnächst zur Entscheidung kommen wird.
                           Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass allerwärts Bestrebungen sich zeigen, allen
                              									Mörserrohren Einrichtungen zum Rücklauf in der Laffete zu geben. Ein Theil dieser
                              									Vorschläge (Beschreibungen, Modelle und Patente) wendet aber nicht eine hydraulische
                              									Bremse und Federn, sondern die Zusammendrückbarkeit der Luft an, um den Rückstoss in
                              									einen gleichmässigeren Rücklauf zu verwandeln und das Rohr wieder in die vor dem
                              									Schusse innegehabte Lage zu drücken.
                           Die Vermeidung plötzlicher, stossartiger Kraftäusserungen scheint der grosse
                              									Grundgedanke zu sein, welcher in der heutigen Waffentechnik herrscht. Die Aufhebung
                              									des Stossartigen der Rückwirkung des Rohres auf die Laffete durch Einführung von
                              									Bremsen, Federn oder einer Luftzusammenpressung ist eigentlich nur eine fortgesetzte
                              									Form des Bestrebens, durch Verlangsamung der Verbrennung des Pulvers die
                              									Leistungsfähigkeit der Waffen zu erhöhen. Die Abschwächung der (senkrechten)
                              									Rückstosswirkung zwischen Laffete und Untersatz, welche Canet (und auch Armstrong) durch
                              									Zwischenlegen von Bellevillefedern vornahm, scheint einen Fingerzeig zu geben, dass
                              									Federn in weit ausgedehnterem Maasse als bisher zur Milderung von Stössen bei
                              									Schiessgerüsten gebraucht werden dürfen. Wenn eine solche Feder bis zum Schusse in Thätigkeit sein kann und doch während desselben eine durchaus standfeste Lage ohne
                              									Beeinträchtigung der Trefffähigkeit ermöglicht; dann wird ihre Verwendung zwischen
                              									Achse und Wänden einer Belagerungslaffete vielleicht in einer nicht zu weit
                              									liegenden Zukunft denkbar sein.
                           Die Vorrichtungen für das Richten der Schnellfeuergeschütze 
                              									verdienen vielleicht auch einige Beachtung für Geschütze der
                              									Belagerungsartillerie.
                           Die Einrichtungen zum Nehmen der Höhenrichtung sind fast überall dieselben, sie
                              									beruhen auf Zahnradübertragung; hierbei kann ein Stirnrad an einer langen Stange
                              									sitzen, welche mit einer Kurbel versehen ist (Fig.
                                 									5). Das Drehen der Laffete (die Seitenrichtung des Rohres) wird meist dadurch
                              									bewirkt, dass auf dem Untersatz ein gezahnter Rand vorhanden ist, in welchen ein
                              									Zahnrad oder eine Schneckenwelle (Fig. 6) eingreifen,
                              									deren Bewegung mit Hilfe von Kurbelstangen erzeugt wird. (Bei dem Canet-Geschütz
                              										(Fig. 10) muss besonders hervorgehoben werden,
                              									dass nur eine Stange mit Kurbel nöthig ist, um sowohl
                              									Höhen-, wie Seitenrichtung zu geben; der Richtende kann durch einen Schieber die
                              									Kurbelachse so stellen, dass sie die Laffete dreht oder den Gleitrahmen hebt und
                              									senkt.) – Von diesen Einrichtungen ist besonders das Nehmen der Seitenrichtung für
                              									Landgeschütze wichtig. Bei letzteren ist noch immer das bei Erfindung der
                              									Pulvergeschütze angenommene Verfahren in Gebrauch, den Laffetenschwanz durch
                              									besonders angestellte Leute mit Hebebäumen seitwärts schieben zu lassen; dazu ist
                              									eine grosse Bedienungsmannschaft und sehr viel Zeit erforderlich, wenn man
                              									Genauigkeit haben will. Ein patentirter Vorschlag, den oberen Theil der Laffete auf
                              									dem unteren drehbar zu machen, ist wohl schwer ausführbar, weil er zu hohe
                              									Anforderungen an die Festigkeit der Räder stellt, wenn das Rohr beim Schusse nicht
                              									senkrecht zur Achse gerichtet ist. Es würde aber wohl denkbar sein, den
                              									Laffetenschwanz in ein Gehäuse zu legen, welches den Vor- und Rücklauf des ganzen
                              									Geschützes mitmacht; mit einer rauhen Unterseite versehen ist und auf der Oberseite
                              									eine gezahnte Stange trägt. In diese Zahnstange könnte das Stirnrad einer über einer
                              									Laffetenwand befestigten Kurbelstange von passend gewählter Länge eingreifen und
                              									eine kurze, genaue Seitwärtsbewegung des Schwanzes im Gehäuse rasch erzeugen. Bei
                              									Belagerungsgeschützen würde diese Einrichtung wohl sofort eingeführt werden können,
                              									weil der Laffetenschwanz mit einem so grossen Gewicht auf eine ebene Unterlage
                              									drückt, dass die dadurch verursachte Bodenreibung gegen das umgelegte Gehäuse
                              									genügend sein würde, um es bei einer Seitwärtsbewegung des ganzen Geschützes
                              									unbewegt festzuhalten.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)