| Titel: | Elektrischer Drehkrahn der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 286, Jahrgang 1892, S. 34 | 
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                        Elektrischer Drehkrahn der Allgemeinen
                              									Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin.
                        Mit Abbildung.
                        Elektrischer Drehkrahn der Allgemeinen
                           								Elektricitäts-Gesellschaft.
                        
                     
                        
                           Die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin hat
                              									einen elektrisch betriebenen Hafenkrahn für die Quai-Anlagen der Stadt Hamburg
                              									eingerichtet, der zum Löschen und Beladen grosser Seeschiffe bestimmt ist. Der Krahn
                              									steht auf einem portalähnlichen fahrbaren Eisengerüst, welches gross genug ist, um
                              									auf zwei Gleisen bei Eisenbahnwagen und zugleich bei einem Lagerschuppen das Ab- und
                              									Anfahren der Güter zu ermöglichen. Die äussere Form des Eisengerüstes ist die eines
                              									Winkels, dessen Schenkel a auf einer in der Flurhöhe
                              									befindlichen Eisenbahnschiene läuft, während der Schenkel c auf einer am Gebäude befestigten Schiene rollt. Die Hebevorrichtung ist
                              									bei b auf dem Schenkel bc
                              									drehbar angeordnet. Die zu Grunde liegenden Grössen sind folgende:
                           Textabbildung Bd. 286, S. 34 Tragkraft des Krahnes 2500 k, ganze Hubhöhe der Last 13,75 m, Ausladung
                              									des Auslegers, d. i. Entfernung von Krahnmitte bis Mitte des Lasthakens 10,75 m,
                              									Hebungs- bezieh. Senkungsgeschwindigkeit 1 m in der Secunde, Drehungsgeschwindigkeit
                              									der Last 2 m in der Secunde.
                           Bei dem Entwürfe des Krahnes wurde die Aufgabe gestellt, dass an Stelle von Ketten
                              									womöglich Drahtseile verwendet und in der Hebewinde die Anwendung von Stirn- oder
                              									konischen Rädern zu Gunsten eines ruhigen Ganges vermieden werden sollten. Die
                              									Bedienung des Krahnes sollte möglichst mit der bisher bei den hydraulischen und
                              									Dampfkrähnen üblichen übereinstimmen und die Möglichkeit gegeben sein, die Hebung
                              									und Senkung der Last gleichzeitig mit der Drehung des Krahnes auszuführen.
                           Die Zuleitung des elektrischen Stromes, welcher in einer in der Nähe befindlichen und
                              									die Hafenbeleuchtung versorgenden Maschinenanlage, die vor längerer Zeit ebenfalls
                              									von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft
                              									ausgeführt wurde, erzeugt wird, besteht aus zwei längs der Aussenseite des Schuppens
                              									sich hinziehenden Kupferschienen, von welchen er durch Schleifcontacte abgenommen
                              									und durch die hohlen Drehzapfen des Krahnes nach dem Steuerapparate geleitet
                              									wird.
                           Um den Drehzapfen dreht sich die ganze auf einer eisernen Plattform stehende, von
                              									einem eisernen Schutzhause umschlossene Winde- und Drehvorrichtung des Krahnes, die
                              									vollständig von einander getrennt sind; beide haben ihren eigenen Elektromotor und
                              									jeder wird durch eine besondere Steuerung beherrscht.
                           Zum Zwecke der Drehung des Krahnes wird eines der drei Laufräder der Drehscheibe von
                              									einem Elektromotor mittels Schneckenrades und Schnecke angetrieben. Die
                              									Schneckenwelle kann vom Steuerhebel aus, wenn dieser in seine Mittelstellung
                              									gelangt, mit einer kräftigen Bremse sofort festgehalten und dadurch die Drehbewegung
                              									genau begrenzt werden. Damit in einem solchen Augenblicke von Seiten des
                              									angekuppelten, mit grosser, lebendiger Kraft rotirenden Ankers keine
                              									Beschädigungen der Wellen eintreten, ist zwischen Schnecken welle und Anker eine
                              									elastische Kuppelung (Bürstenkuppelung) eingeschaltet, welche den Anker nach nur ein
                              									paar Umdrehungen sanft zur Ruhe kommen lässt. Aus gleichem Grunde wurde zum Antriebe
                              									der Drehscheibe das oben erwähnte auf glatter Bahn rollende Laufrad und nicht ein
                              									Zahnkranz mit Stirngetriebe gewählt; denn auch bei letzterem würden Brüche in Folge
                              									der durch die rasche Drehung des langen Auslegers entstehenden lebendigen Kräfte zu
                              									befürchten gewesen sein. Immerhin aber ist durch die Serienwickelung des Motors dem
                              									Steuermann doch noch ein Mittel in die Hand gegeben; die Geschwindigkeit des Krahnes
                              									abzuändern. Hierzu und überhaupt zum Vor- und Rückwärtssteuern ist eine zum Patent
                              									angemeldete Steuereinrichtung angewendet und mit dem Steuerhebel verbunden, wie sie
                              									bei den Strassenbahnmotoren des A. E.-G.-Systems in Verwendung kommt.
                           Der etwa 40pferdige Elektromotor des Windewerkes hat Nebenschlusswickelung und ist,
                              									wie der vorige, durch eine Bürstenkuppelung mit einer Schnecken welle verbunden,
                              									welche wiederum eine kräftige Bremse besitzt, die mit dem zugehörigen Steuerhebel in
                              									Verbindung steht. Auch hier ist die Umkehrung der Bewegungsrichtung durch Umkehrung
                              									des Ankerstromes bewirkt mittels Umschaltung des Contactfeldes des
                              									Anlasswiderstandes, und geschieht diese Umschaltung gleichzeitig mit der Bewegung
                              									des Steuerhebels. Dieser macht in seiner Mittelstellung den Motor stromlos. Durch
                              									ein Ziehen desselben aus dieser Stellung nach rückwärts erhalten zuerst die
                              									Elektromagnete Strom und hierauf in wachsender Menge der Anker, während gleichzeitig
                              									die Bremse der Schneckenwelle gelöst wird, so dass ein Heben der Last beginnt. Wird
                              									dagegen der Hebel aus seiner Mittelstellung nach vorwärts geschoben, so vollziehen
                              									sich die Vorgänge der Reihe nach in gleicher Weise, nur läuft der ganze Windeapparat
                              									jetzt umgekehrt und senkt die Last. Die hochgängige Schnecke wirkt nun auf den Anker
                              									ebenfalls treibend, die Eigenschaft des Nebenschlussmotors gestattet diesem jedoch
                              									nicht, seine Normalgeschwindigkeit zu überschreiten; der Anker wirkt dann als
                              									elektrische Bremse und sendet Strom in die Leitung zurück, anstatt solchen zu
                              									verbrauchen. So vortreffliche Dienste diese elektrische Bremsung auch leistet und
                              									Ersparnisse ergibt, so könnte bei einer unvorhergesehenen Stromunterbrechung durch
                              									Versagen dieser Bremsung ein gefährliches Ablaufen der Last eintreten. Ein solcher
                              									Unfall wird durch eine zweite elektrische Bremse verhütet. Neben der Windetrommel,
                              									welche das Lastdrahtseil aufwindet, ist, mit dieser verbunden, ein grosses
                              									Keilbremsrad angebracht, dessen Bremsbacken so belastet ist, dass es dadurch stets
                              									an die Bremsscheibe angedrückt würde, wenn er nicht durch einen auf der
                              									entgegengesetzten Seite angebrachten kräftigen Elektromagnet davon zurückgezogen
                              									würde, solange dessen Wirkung vom Hauptstrome durchflössen wird. Eine Unterbrechung
                              									des Hauptstromes macht diesen Elektromagnet sofort wirkungslos, gestattet dadurch
                              									das Einfallen des Bremsklotzes gegen die Bremsscheibe und hält den ganzen
                              									Windeapparat sofort fest.
                           Nachdem eine bereits drei der ungünstigsten Monate des Jahres überdauernde
                              									Betriebszeit des Krahnes ohne Störung vorübergegangen ist, so dürfte die
                              									Lebensfähigkeit des elektrischen Betriebes von Hafenkrähnen als bewiesen
                              									erscheinen.