| Titel: | Beiträge zur Kenntniss der chemischen Vorgänge beim Sulfitverfahren. | 
| Autor: | Aug. Harpf | 
| Fundstelle: | Band 286, Jahrgang 1892, S. 112 | 
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                        Beiträge zur Kenntniss der chemischen
                           								Vorgänge beim Sulfitverfahren.
                        Von Aug. Harpf, Chemiker.
                        (Schluss des Berichtes S. 84 d. Bd.)
                        Mit Abbildung.
                        Beiträge zur Kenntniss der chemischen Vorgänge beim
                           								Sulfitverfahren.
                        
                     
                        
                           B) Die Kochung.
                           Dieselbe wird in grossen, innen mit Blei und Mauerwerk ausgekleideten Kochern von
                              									etwa 120 cbm Inhalt vorgenommen.
                           Ueber die Kochungen im Grossbetriebe und die dabei von mir bis jetzt beobachteten
                              									chemischen Vorgänge habe ich in den Nummern 66, 68, 70,
                              									72 und 74 der Papierzeitung vom Jahre 1891 eine
                              									grössere Abhandlung unter dem Titel „Chemie des Sulfit Verfahrens“
                              									veröffentlicht. Diese Arbeit erfuhr dann später noch einige Nachträge, Zusätze und
                              									Erweiterungen, welche in Nr. 80 vom Jahrgang 1891, Nr. 28 vom Jahrgang 1892, sowie
                              									endlich in den Nummern 38 und 39 vom Jahre 1892 der genannten fachtechnischen
                              									Zeitschrift veröffentlicht sind.
                           Der wesentliche Inhalt der citirten Arbeiten ist folgender:
                           Alle älteren Veröffentlichungen, so besonders die Patentschriften von Benjamin Chew Tilghman (Englisches Patent Nr. 2924 vom
                              									Jahre 1866) und von Prof. Dr. Alexander Mitscherlich
                              									(D. R. P. Nr. 4178), sowie auch die Arbeiten anderer Autoren, die sich mit
                              									derartigen Fragen beschäftigt haben, gehen von der Anschauung aus, dass während der
                              									Kochung als hauptsächlichster und wichtigster Vorgang eine Oxydation der schwefligen
                              									Säure zu Schwefelsäure, und zwar dadurch stattfindet,
                              									dass die schweflige Säure aus dem Holze Sauerstoff aufnimmt. Die sich dabei bildende
                              									Schwefelsäure werde sodann durch die vorhandene Base, meistens Kalk, gebunden und so
                              									für den weiteren Kochprocess unschädlich gemacht. Hieraus ergibt sich, dass, wenn
                              									diese Anschauung richtig ist, der Procentsatz an Schwefelsäure in der Kochlauge
                              									durch die Kochung sehr bedeutend vermehrt werden müsste, und die Kochlauge müsste,
                              									falls die Schwefelsäure in Lösung bleibt, nach der Kochung bedeutend mehr davon
                              									enthalten, als vor derselben – oder, da die Kochlauge
                              									sehr kalkreich und der durch die Bindung von Schwefelsäure durch den Kalk
                              									entstehende Gyps schwer löslich ist, so müssten auch bei regelmässigem Betriebe ganz
                              									enorme Massen von Gyps auf der Faser abgesetzt werden, eine Folgerung; welche aber
                              									den allgemein bekannten Betriebsergebnissen widerspricht.
                           Um diese Frage nun zu studiren, sowie um überhaupt die Vorgänge bei der Kochung
                              									wenigstens in Bezug auf die anorganischen Bestandtheile der Kochlauge zu verfolgen,
                              									stellte ich eine Reihe von Untersuchungen an, welche in den oben angegebenen
                              									Veröffentlichungen ausführlich beschrieben sind.
                           Ueber die Kochung selbst ist Folgendes zu bemerken: Vor dem Einlassen der Lauge wird
                              									das Holz „gedämpft“, d.h. es wird mehrere Stunden lang ohne Erzeugung von
                              									Ueberdruck Wasserdampf eingeleitet; schliesst man nach dem „Dämpfen“ den
                              									Kocher vollständig und öffnet nur das zum Laugenbottich führende Ventil, so bildet
                              									sich durch Condensation des Dampfes ein Vacuum, in welches die Lauge mit grosser
                              									Gewalt hineinstürzt und so die Poren des Holzes vollständig ausfüllt. Ist
                              									sodann die Lauge aufgelassen, so bestrebt man sich, durch starkes Heizen Temperatur
                              									und Druck möglichst rasch hochzubringen. Hat der Kocher 110 bis 120° C. und etwa 2½
                              									at erreicht, dann wird die Dampfzufuhr verringert, um den Kocher während der ganzen
                              									noch folgenden Kochzeit auf 3 at Ueberdruck und etwa 120° C. zu erhalten. Die
                              									Kochung dauert mit Einschluss des Anheizens meistens 60 bis 72 Stunden; sie kann je
                              									nach der Art und Weise, wie man arbeitet, auch verringert oder verlängert werden. Ob
                              									sie beendigt ist, d.h. ob der Stoff gar geworden ist, erkennt man an Laugenproben,
                              									die man bei einem Probeventil entnimmt und welche entweder auf SO2 titrirt oder nach Mitscherlich mit Ammoniak versetzt und so auf ihren Gehalt an
                              									Calciummonosulfit geprüft werden. Dieser letztere nimmt nämlich ab und darf nur ein
                              									gewisses Minimum erreichen; ebenso soll der Gehalt an Gesammt-SO2 bei guter Kochung für gewöhnlich nicht unter 0,6
                              									bis 0,4 Proc. sinken. Zeigen die genommenen Laugenproben, an welchen man bei einiger
                              									Uebung schon an ihrem Gerüche, ihrer Farbe u.s.w. das Garwerden erkennen kann, dass
                              									die Kochung beendigt ist, so wird zum sogen. „Uebertreiben“ oder
                              										„Abgasen“ geschritten, d.h. man öffnet ein Ventil und lässt durch ein
                              									langes Bleirohr so viel gasförmige schweflige Säure, gemischt mit Wasserdampf, aus
                              									dem Kocher, am besten in einen dazu besonders aufgestellten Laugenthurm ausströmen,
                              									bis der innere Druck auf etwa 1 at gesunken ist. Man thut dies, um erstens das
                              									entweichende Gas zu gewinnen und zweitens die Laugenröhren, durch welche die Lauge
                              									beim Ablassen fliesst, einem nicht zu hohen Drucke aussetzen zu müssen. Die folgende
                              									Tabelle (a) zeigt uns das Ansteigen der Temperatur und
                              									des Druckes im Kocher und das Abnehmen des Gehaltes an SO2 während der Kochung.
                           Tabelle a.
                           
                              
                                 KochzeitinStunden
                                 TemperaturinGraden Cels.
                                 Druckin Atmo-sphären
                                 Proc.Gesammt-SO2
                                 Proc.freie SO2
                                 Proc.gebundeneSO2
                                 
                              
                                 Ursprüngliche Sulfitlauge
                                   3,120
                                 1,872
                                   1,248
                                 
                              
                                   0
                                       28,5
                                 0,3
                                   3,104
                                   1,792
                                   1,312
                                 
                              
                                      5½
                                       26,5
                                 0,3
                                   2,816
                                   1,696
                                   1,120
                                 
                              
                                    20¾
                                       96,5
                                   1,15
                                   2,560
                                   1,632
                                   0,928
                                 
                              
                                    26¼
                                     108,5
                                 1,8
                                 2,08
                                 1,28
                                 0,80
                                 
                              
                                    44½
                                     121,5
                                 3,1
                                   1,472
                                   0,960
                                   0,512
                                 
                              
                                    47½
                                 121
                                 3,1
                                   1,408
                                   0,896
                                   0,512
                                 
                              
                                 54
                                 120
                                 3,1
                                   1,184
                                   0,832
                                   0,352
                                 
                              
                                    68½
                                 115
                                   3,15
                                 0,96
                                 0,74
                                 0,22
                                 
                              
                                    71½
                                 117
                                 3,3
                                   0,864
                                   0,576
                                   0,288
                                 
                              
                                    82½
                                     111 (?)
                                  ca. 3¼
                                 0,96
                                 0,76
                                 0,20
                                 
                              
                                    85½
                                     101 (?)
                                 „   1
                                   0,608
                                   0,544
                                   0,064
                                 
                              
                           Bei einer anderen Kochung (b) wurden genaue
                              									gewichtsanalytische Untersuchungen vorgenommen. Die Füllung betrug 65 Rm. Holz und
                              									83 cbm Lauge. Setzt man 1 Rm. Holz = 0,7 Festm. und das specifische Gewicht des
                              									Fichtenholzes = 0,470, so ergibt dies 1 Fm. = 470 k und 1 Rm. = 330 k Holz, und es
                              									war sonach das Verhältniss von Holz zur Lauge = 21450 : 83000 = 26 : 100. Die
                              									ursprüngliche Sulfitlauge hatte folgende
                              									Zusammensetzung: 4,5° B., 3,397 Proc. Gesammt-, 2,098 Proc. freie, 1,299 Proc.
                              									gebundene SO2, ferner 1,079 Proc. CaO, 0,021 Proc.
                              									MgO und eine sehr geringe, nur qualitativ nachgewiesene Menge Eisenoxydul, endlich
                              									0,176 Proc. SO3 (als Anhydrid berechnet). Hieraus
                              									ergibt sich ein Gehalt von 0,299 Proc. CaSO4, 2,048
                              									Proc. CaSO3 und 0,054 Proc. MgSO3 in der untersuchten Lauge.
                           
                           Die Kochung dauerte 62 Stunden; einestheils durch Misstände im Betrieb,
                              									anderentheils durch Nachlässigkeit des damit betrauten Arbeiters wurde diese Kochung
                              									verdorben, d.h. der Stoff war, wie der Cellulosetechniker sich auszudrücken pflegt,
                              										überkocht. Die Ablauge, welche bei guter Kochung vollkommen klar weingelb ist und einen
                              									etwas scharfen Geruch besitzt, war hier dunkelbraun, trübe und hatte einen
                              									unangenehmen, eigenthümlich süsslichen Geruch. Sie gab mit Ammoniak keinen
                              									Niederschlag, enthielt also kein Calciummonosulfit mehr gelöst und liess mit Jod
                              									keine deutliche Reaction auf schweflige Säure erkennen. Nach einigem Stehen hatte
                              									sie einen weissen Bodensatz abgelagert, welcher sich bei der Untersuchung als reiner
                              									Schwefel erwies. (Ablauge von guter, gelungener Kochung zeigt niemals eine solche
                              									Schwefelablagerung.)
                           
                              
                                 Laugenprobe
                                 Kochzeitin Stunden
                                 Temperaturin Cels-Graden
                                 Druck inAtmosphären
                                 
                                    Lauge
                                    
                                 
                              
                                 SpecifischesGewicht
                                 Grad B.
                                 Proc.Gesammt-SO2
                                 Proc.freie SO2
                                 Proc.gebundeneSO2
                                 Proc.Trocken-substanz
                                 Proc. Ver-brennliches
                                 Proc.Asche
                                 Proc. CaO
                                 Proc. MgO
                                 Proc. FeO
                                 Proc. SO3
                                 
                              
                                     I
                                  0
                                       31,51
                                 0
                                 1,0277
                                 3,79
                                 2,275
                                 1,245
                                 1,030
                                 2,561
                                 0,264
                                 2,297
                                 0,983
                                 0,015
                                 0,004
                                 0,146
                                 
                              
                                    II
                                  7
                                   61
                                 0
                                 1,0249
                                 3,50
                                 1,958
                                 –
                                 –
                                 2,365
                                 0,300
                                 2,065
                                 –
                                 –
                                 –
                                 0,149
                                 
                              
                                   III
                                    13½
                                 –
                                 –
                                 1,0247
                                 3,47
                                 1,864
                                 –
                                 –
                                 2,380
                                 0,415
                                 1,965
                                 –
                                 –
                                 –
                                 0,157
                                 
                              
                                   IV
                                    23½
                                 101
                                   0,85
                                 1,0245
                                 3,45
                                 1,580
                                 0,853
                                 0,727
                                 2,583
                                 0,707
                                 1,876
                                 –
                                 0,016
                                 –
                                 0,145
                                 
                              
                                    V
                                    30¼
                                 110
                                 1,2
                                 1,0249
                                 3,50
                                 1,533
                                 –
                                 -
                                 3,071
                                 1,336
                                 1,735
                                 –
                                 –
                                 
                                 
                                 
                              
                                   VI
                                    37½
                                 –
                                 –
                                 1,0282
                                 3,95
                                 1,264
                                 0,727
                                 0,535
                                 4,013
                                 2,404
                                 1,609
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                   VII
                                    40½
                                 –
                                 –
                                 1,0301
                                 4,21
                                 1,185
                                 0,667
                                 0,518
                                 4,446
                                 2,830
                                 1,616
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 VIII
                                 48
                                    122,5
                                   2,15
                                 1,0334
                                 4,66
                                 1,043
                                 –
                                 –
                                 5,418
                                 3,915
                                 1,503
                                 –
                                 –
                                 –
                                 0,110
                                 
                              
                                   IX
                                 54
                                 125
                                 2,6
                                 1,0358
                                 4,89
                                 0,822
                                 0,437
                                 0,385
                                 6,608
                                 5,083
                                 1,525
                                 –
                                 0,012
                                 0,004
                                 –
                                 
                              
                                    X
                                    61½
                                 123
                                 2,6
                                 1,0395
                                 5,68
                                 0,695
                                 0,475
                                 0,220
                                 7,240
                                 5,830
                                 1,410
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                   XI
                                    72¼
                                 118
                                   2,45
                                 1,0412
                                 5,70
                                 0,664
                                 –
                                 –
                                 7,848
                                 6,273
                                 1,575
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                  XII
                                    76½
                                    118,5
                                 2,4
                                 1,0415
                                 5,74
                                 0,632
                                 0,506
                                 0,126
                                 8,107
                                 6,536
                                 1,571
                                 –
                                 0,015
                                 0,006
                                 0,141
                                 
                              
                                 XIII
                                    77¾
                                 117
                                 0,9
                                 1,0417
                                 5,77
                                 0,569
                                 0,474
                                 0,095
                                 8,279
                                 6,667
                                 1,612
                                 0,752
                                 0,011
                                 0,007
                                 0,118
                                 
                              
                           Die gewichtsanalytische Untersuchung dieser überkochten
                              									Ablauge ergab: 9,675 Proc. Trockensubstanz, 8,452 Proc. verbrennliche Körper, 1,223
                              									Proc. Asche. Ferner 0,487 Proc. CaO, 0,069 Proc. MgO, 0,019 Proc. FeO und endlich
                              									0,131 Proc. SO3. Berechnet man letztere als an Kalk
                              									gebunden, so hat man 0,223 Proc. CaSO4, während der
                              									Rest des Kalkes (0,395 Proc. CaO), sowie auch die anderen Basen als organische Salze
                              									in der Lösung enthalten sein mussten.
                           Der erhaltene Stoff war schlecht, braun bis dunkelbraun, „überkocht“, und
                              									enthielt nach dem Waschen, lufttrocken berechnet, 4,372 Proc. Asche. Es sei hier
                              									bemerkt, dass diese Analysen technische Untersuchungen sind und im
                              									Fabrikslaboratorium mit beschränkten Hilfsmitteln angestellt wurden. Es ergibt sich
                              									aus denselben, dass der Gehalt der Lauge vor und nach der Kochung an Magnesia, Schwefelsäure und Gyps
                              									als gleich zu betrachten ist. Es hat also keine Vermehrung der Schwefelsäure
                              									stattgefunden, sondern es hatte sich (eine Folge der Ueberkochung) Schwefel daraus abgeschieden.
                           Der Kalkgehalt nahm durch diese Kochung um 54,86 Proc. ab, was ebenfalls eine Folge
                              									des Ueberkochens, zugleich aber auch die Ursache des grossen Aschengehaltes des
                              									Stoffes war.
                           Eine dritte Kochung (c),
                              									welche aber als gut gelungen zu betrachten war, wurde ebenfalls einer
                              									ausführlicheren Untersuchung unterworfen. Die Füllung betrug 60,6 Rm. frischen
                              									Holzes und 83,6 cbm Lauge. Das Holz hatte im Durchschnitte von mehreren Bestimmungen
                              									56,6 Proc. Trockengehalt und 0,152 Proc. Asche, letztere auf frisches Holz bezogen.
                              									Nach früheren Angaben berechnet, haben wir: specifisches Gewicht des
                              									Fichtenholzes = 0,470, 1 Rm. = 0,7 Fm., 1 Fm. = 470 k, 1 Rm. = 330 k Holz; folglich
                              									war das Verhältniss von Holz zur Lauge
                           = 19998 : 83600 = 24 : 100.
                           Da das specifische Gewicht des Holzes jedoch, wenn dasselbe in
                              									Stücken verwendet wird, keineswegs constant ist, indem der Feuchtigkeitsgehalt
                              									desselben sehr wechselt, da ferner das Verhältniss zwischen 1 Rm. und 1 Fm. sehr von
                              									der Grösse der gebrauchten Scheite abhängig ist, so ist obige Berechnung keineswegs
                              									als genau zu betrachten.
                           Während dieser Kochung wurden von Zeit zu Zeit grössere Laugenproben aus dem
                              									Probeventil entnommen und einer chemischen Untersuchung unterworfen. Die Ergebnisse
                              									dieser Analysen sind in der nun folgenden Tabelle zusammengestellt.
                           Zu dieser Tabelle ist zu bemerken:
                           Die Lauge I wurde aus dem Kocher, nachdem derselbe gefüllt worden war, beim
                              									Probeventil entnommen. Der geringe Gehalt derselben an organischen
                              										(„verbrennlichen“) Bestandtheilen kommt von jener kleinen Menge Wasser
                              									her, welche sich in Folge des Dämpfens im Kocher condensirt und einige organische
                              									Bestandtheile aus dem Holze gelöst hatte und die sich nun mit der ersten Lauge
                              									mischte. Auch die Anfangstemperatur von 31,5° C. ist auf das Dämpfen
                              									zurückzuführen.
                           Beim Anheizen wurde der Kocher häufig oben so lange offen gelassen, bis ein
                              									deutlicher Geruch nach SO2 sich bemerkbar machte,
                              									woraus man schloss, dass die schwerere SO2 den
                              									grössten Theil der Luft aus dem oberen freien Raum des Kochers vertrieben hatte.
                              									Daher war der Druck im Kocher auch während der ersten
                              									Stunden gleich Null.
                           Das specifische Gewicht der Lauge sinkt während der ersten 24 Stunden, da die Lauge
                              									während des Ankochens SO2 in den oberen freien Raum
                              									des Kochers abgibt und da sie auch, wie ich später darlegen will, Kalksalze
                              									verliert. Später steigt dasselbe, da die Lauge fortwährend organische Körper
                              									aufnimmt.
                           Die Trockensubstanz nimmt entsprechend dem specifischen Gewichte anfangs ab, später
                              									aber zu.
                           Lauge I (Sulfitlauge). Dieselbe enthielt 0,248 Proc.
                              										CaSO4, 1,888 Proc. CaSO3, 0,039 Proc. MgSO3
                              									und 0,008 Proc. FeSO3.
                           Lauge XII (Uebertreiblauge). Es ist dies die Lauge im Kocher zur Zeit des Uebertreibens; die richtige
                              									Beurtheilung derselben und ihrer Reactionen ist von grosser Wichtigkeit, weil von dem rechtzeitigen
                              									Uebertreiben und Ablassen der Erfolg der ganzen Kochung abhängig ist.
                           Lauge XIII (Ablauge). Dieselbe war klar, sattgelb und
                              									hatte einen gewürzhaftscharfen Geruch. Sie enthielt noch durch Jod bestimmbare
                              									schweflige Säure und gab mit Ammoniak eine deutliche Fällung von Calciummonosulfit.
                              									Sind die in derselben gefundenen 0,118 Proc. SO3 und
                              									0,095 Proc. gebundene SO2 an Calciumoxyd gebunden, so hat man in der Ablauge 0,211 Proc. CaSO4 und 0,178 Proc. CaSO3.
                           Der Rest des Kalkes: 0,586 Proc., sowie die gefundenen 0,011 Proc. MgO und 0,007
                              									Proc. FeO sind folglich als organische Salze in der Ablauge enthalten.
                           Textabbildung Bd. 286, S. 114Fig. 5. Die Asche der Sulfitablauge enthält nicht allein den grössten Theil der
                              									festen Bestandtheile der ursprünglichen Sulfitablauge selbst, sondern, wenn auch nur
                              									in geringer Menge, die Aschensalze des Holzes. Es fanden sich darin folgende Körper:
                              									Vorwiegend Calciumoxyd, Schwefelsäure, schweflige Säure von noch nicht vollständig
                              									zersetzten Sulfiten und Schwefelwasserstoff als Schwefelcalcium, endlich in geringer
                              									Menge Phosphorsäure, Eisenoxyd, Kali und Magnesia.
                           Obige Tabelle gab mir Veranlassung, die dort niedergelegten Zahlen graphisch
                              									darzustellen. Die Abscissen werden in dieser Darstellung (siehe Figur 5) durch die Anzahl der während der Kochung
                              									verlaufenen Stunden gebildet.
                           Der erhaltene Stoff war sehr schön weich, weiss und
                              									vollkommen gar. Derselbe wurde in gewöhnlicher Weise mit Wasser unter Zusatz von
                              									etwas Salzsäure gewaschen und endlich in Form von Cellulosepappe gewonnen. Das
                              									Ergebniss der Kochung war 9114 k absolut trockener oder 10025 k lufttrockener Stoff,
                              									wobei nach allgemeinem Gebrauche 100 Th. absolut trocken = 110 Th. lufttrocken
                              									gesetzt sind. Auf die Holzfüllung von 60,6 Rm. bezogen, ergäbe dies eine Production
                              									von 165 k lufttrockenen Stoffes für 1 Rm. Holz, ein ungewöhnlich hohes Ergebniss,
                              									welches auf besonders günstige Umstände bei dieser Kochung, ausnahmsweise gutes
                              									Holz u.s.w., zurückgeführt werden muss.
                           Die aus obigen Untersuchungen sich ergebenden Schlussfolgerungen sind: Der Gehalt an
                              									Magnesia war, wie vorauszusehen, während der ganzen Kochung gleich geblieben. Der
                              									Gehalt an Eisenoxydul hatte etwas zugenommen, was darauf zurückzuführen ist, dass
                              									die Lauge in Folge mangelhafter Einrichtung des bereits wiederholt und schlecht reparirten Kochers Gelegenheit hatte, mit dem
                              									Eisen der äusseren Kessel wände in Berührung zu kommen. Der Kalkgehalt nahm, wie
                              									immer ab, aber während diese Abnahme bei der oben beschriebenen übergaren Kochung (b)
                              									54,86 Proc. erreichte, betrug sie hier bei dieser gut
                                 										gelungenen Kochung (c) nur 23,5 Proc., woher
                              									es denn auch kommt, dass der erhaltene Stoff bedeutend aschenärmer war als derjenige
                              									der Kochung (b). Der mittlere Aschengehalt des Stoffes
                              									von dieser Kochung (c) war nämlich für lufttrocken
                              									berechnet 0,876 Proc., für absolut trocken 0,963 Proc.; die Asche enthielt ausser
                              									einer Spur Eisen vorwiegend Kalksalze, besonders Schwefelcalcium.
                           Der Gehalt der Lauge an Schwefelsäure blieb während der ganzen Kochung gleich, und
                              									dadurch ist bewiesen, dass durch die Kochung, soweit sich dies durch Analysen der
                              									Kochlaugen feststellen lässt, keine Vermehrung der Schwefelsäure stattfindet.
                           Der Gypsgehalt der Lauge war bei
                           
                              
                                 Kochung
                                 b (übergar)
                                 vorher
                                 0,299
                                 Proc.,
                                 nachher
                                 0,223
                                 Proc.
                                 
                              
                                 „
                                 c (gut)
                                 „
                                 0,248
                                 „
                                 „
                                 0,211
                                 „
                                 
                              
                           im Durchschnitt also 0,245 Proc. CaSO4. Es löst sich nun bekanntermaassen in Wasser etwa
                              									0,2 Proc. wasserfreies Calciumsulfat, woraus hervorgeht, dass die Sulfitlauge sowohl
                              										vor, als nach und während der Kochung als eine gesättigte oder möglicher Weise schwach übersättigte Gypslösung zu betrachten ist. Letzteres ist vielleicht eine
                              									Folge ihrer stark sauren Reaction.
                           Wäre also die oben citirte Oxydation der schwefligen Säure zu Schwefelsäure, wie man
                              									glauben sollte, der wesentlichste Theil des chemischen
                              									Vorganges beim Sulfitverfahren, so müsste die entstehende Schwefelsäure sich mit dem
                              									Kalke zu Calciumsulfat verbinden, und es müssten auch bei regelmässiger Kochung sehr
                              									grosse Massen Gyps aus der Lauge auf die Faser ausfallen, was jedoch allen bekannten
                              									Betriebsergebnissen widerspricht. Dass endlich andererseits die etwa gebildete
                              									Schwefelsäure in Lösung bleibt, ist nicht allein durch die geringe Löslichkeit des
                              									Gypses ausgeschlossen, es widersprechen dieser Annahme auch die Resultate der oben
                              									dargelegten Untersuchungen.
                           Im Anschlusse hieran erlaube ich mir, meine Ansichten über die Theorie der Sulfitstoffkochung, soweit sich eine solche heute
                              									überhaupt aufstellen lässt, darzulegen. Dass die Lauge eine gesättigte Gypslösung
                              									schon vor der Kochung ist, erklärt sich sehr einfach dadurch, dass die aus den Oefen
                              									kommenden Gase immer Schwefeltrioxyd enthalten; dieses verbindet sich im Thurme
                              									sofort mit dem Kalke zu Gyps, und so viel sich davon in der Lauge zu lösen vermag,
                              									etwa 0,2 Proc., löst sich, während der Rest ungelöst im Thurme zurückbleibt. Daher
                              									wird man in der Lauge auch niemals mehr als 0,1 und einige Hundertel Proc. SO3 finden können.
                           Im Kocher wird diese Lauge nun mit Holz erhitzt; sowohl im oberen Raum desselben, als
                              									auch in den Poren des Holzes ist Luft enthalten, welche nun ihren gesammten Sauerstoff an die
                              									schweflige Säure abgibt und soviel davon zu Schwefelsäure oxydirt, als eben
                              									Sauerstoff vorhanden ist. Diese letztere Säure verbindet sich mit dem Kalke der
                              									Lauge und gibt stets, auch bei normalem Betriebe, eine gewisse Menge Gyps, welcher,
                              									da die Lauge schon von vornherein eine gesättigte Lösung dieses Salzes ist, auf die
                              									Faser ausfällt. Diese Gypsausfällung ist nun der regelmässige Kalkverlust, der auch
                              									bei jeder normalen Kochung auftritt; ich führe darauf das Vorhandensein ganz feiner
                              									weisser, glänzender Flimmerchen, Krystalle, welche sich immer im Stoff, auch bei
                              									guter Kochung zeigen, zurück. Die Menge derselben ist gering, und da der Gyps in
                              									vielem Wasser bekanntlich löslich ist und der Stoff in der Wäsche nicht nur mit viel
                              									Wasser, sondern auch noch mit Salzsäure in Berührung kommt, so löst sich der grösste
                              									Theil desselben; ein geringer Rest bleibt wohl zurück und vermehrt die Asche.
                           Um diese unumgängliche Oxydation eines Theiles der schwefligen Säure zu verringern,
                              									ist es vortheilhaft, das Holz vorher zu dämpfen, um die Luft aus den Poren desselben
                              									herauszutreiben und auch den Kocher oben beim Anheizen so lange offen zu lassen, bis
                              									die schweflige Säure den grössten Theil der Luft daraus vertrieben hat, – zwei
                              									Vortheile, die empirisch herausgefunden sind und hier ihre wissenschaftliche
                              									Begründung erhalten.
                           Die Kalkabnahme in der Lauge während des Anheizens lässt sich am besten an der
                              									Abnahme des Aschengehaltes, dessen Hauptbestandtheil eben Calciumoxyd ist, bei der
                              									letzten Kochung (c) erkennen. Der Aschengehalt sank
                              									dort während der ersten 37 Stunden von 2,3 auf 1,6 Proc. und schwankte während des
                              									späteren Verlaufes der Kochung nur innerhalb der für technische Analysen zulässigen
                              									Fehlergrenze, blieb also im Grössen und Ganzen gleich. Wäre die Abnahme des Kalkes
                              									eine Folge der Einwirkung der Lauge auf die Incrusten des Holzes selbst, so müsste
                              									auch die Asche gleichmässig abnehmen, was jedoch nicht der Fall ist. Die oben
                              									beschriebene theilweise Oxydation der SO2 tritt also
                              									nur anfangs während des Anheizens ein, wo eine Einwirkung der Lauge auf das Holz
                              									erfahrungsgemäss noch nicht stattfindet; der ganze Vorgang hat folglich mit dem
                              									eigentlichen Process der Weichkochung des Holzes nichts gemein, er ist nur von
                              									untergeordneter, secundärer Bedeutung.
                           Nachdem diese Oxydation vor sich gegangen, also erst nach
                                 										Schluss des Anheizens, beginnt die eigentliche intensivere Einwirkung der
                              									schwefligen Säure auf das Holz- wie man sich leicht bei zufälliger Unterbrechung der
                              									Kochung überzeugen kann. Wie diese Einwirkung vor sich geht, können wir heute
                              									allerdings noch nicht mit Bestimmtheit sagen, aber wir können Vermuthungen
                              									aufstellen, welche sich insbesondere auf die Beschaffenheit der Ablauge stützen.
                              									Dass nach der Analyse der grösste Theil des Kalkes in der Ablauge ebenso wie die
                              									Magnesia und das etwa vorhandene Eisenoxydul organisch gebunden ist, habe ich schon
                              									oben bemerkt. Die schweflige Säure ist bekanntermaassen ein starkes
                              									Reductionsmittel; sie kann jedoch auch ihrerseits selbst reducirt werden, wenn man
                              									sie mit noch kräftigeren Reductionsmitteln zusammenbringt. So wird sie durch Eisen
                              									oder Zink in verschlossenen Gefässen zu hydroschwefliger Säure (H2SO2) reducirt.
                           Die Incrusten des Holzes wirken nun sehr stark
                              									reducirend, sie sind nach den Untersuchungen Payen's
                              									möglicher Weise Kohlehydrate; aber auch die anderen im Safte des Holzes enthaltenen Substanzen, wie Zucker, Gummi, Harze u.s.w.,
                              									haben reducirende Eigenschaften. Ich will keineswegs behaupten, dass gerade
                              									hydroschweflige Säure (H2SO2) aus der schwefligen Säure entsteht, da aber die
                              									Sulfitlauge ebenfalls in vollständig verschlossenen Gefässen mit dem Holze erhitzt
                              									wird, eine Sauerstoffzufuhr also ausgeschlossen ist, so halte ich auch den
                              									Cellulosekochprocess zum Theil wenigstens für einen Reductionsprocess der
                              									schwefligen Säure. Beweis dafür ist die Anwesenheit von Schwefel als solchem in der Ablauge.
                           Behandelt man die Ablauge, nachdem sie mit Wasser verdünnt worden, mit Salzsäure und
                              									lässt sie einige Zeit warm stehen, so wird sie dunkler, trübt sich allmählich, und
                              									man erhält nicht nur eine Flüssigkeit, in welcher durch Titrirung mittels Jodlösung
                              										mehr schweflige Säure nachgewiesen werden kann als
                              									vorher, sondern dieselbe gibt auch noch einen ganz deutlichen weissen Bodensatz von
                              									Schwefel.
                           Eine von einer guten Kochung herstammende Ablauge enthielt, in gewöhnlicher Weise mit
                              									Jod titrirt, 0,360 Proc. SO2. Dieselbe Ablauge wurde
                              									nun unter Zusatz von Salzsäure destillirt und das entweichende Gas in Natronlauge
                              									aufgefangen; es ergab sich ein Gehalt von 0,949 Proc. SO2 in der so behandelten Ablauge. Bei einer zweiten, mit Schwefelsäure
                              									vorgenommenen Destillation war das Ergebniss 0,969 Proc. SO2. Hiervon 0,360 Proc. abgezogen, bleiben 0,609
                              									Proc. SO2, welche erst durch Erhitzen mit stärkeren
                              									Säuren aus der Ablauge frei gemacht werden konnten.
                           Aus diesen heute noch nicht abgeschlossenen Untersuchungen ergibt sich aber bereits
                              									Folgendes: 1) Ein geringer Theil des Schwefels ist, als Schwefeltrioxyd an Kalk
                              									gebunden, in Form von Gyps in der Ablauge vorhanden.
                           2) Ein fernerer Theil findet sich als schweflige Säure, theils frei, theils gebunden,
                              									aber in einer Form in der guten Ablauge, dass er direct mit Jod titrirt werden
                              									kann.
                           3) Ein anderer Theil des Schwefels ist ebenfalls in Verbindung mit Sauerstoff in der
                              									Lauge enthalten. Derselbe kann aber in Form von Schwefeldioxyd nur durch Destilliren
                              									mit stärkeren Säuren ausgetrieben und so bestimmt werden. 4) Ein letzter Theil des
                              									Schwefels ist als solcher oder vielleicht auch in Verbindung mit Wasserstoff an
                              									irgend einen noch unbestimmten organischen Körper gebunden in der Ablauge vorhanden
                              									und kann daraus durch Erwärmen mit Salzsäure in Form eines feinvertheilten
                              									Niederschlages gewonnen werden.
                           Da nun bei regelmässiger Kochung (siehe c) 23,5 Proc.
                              									CaO ausfielen, während der bedeutend grössere Theil (76,5 Proc.) in Lösung blieb,
                              									wovon wieder der grösste Theil als organisch-saures jedenfalls schwefelhaltiges Salz
                              									in der Ablauge vorhanden war, so bin ich der Ansicht, dass die Umwandlung des
                              									einfach-schwefligsauren Kalkes in dieses Salz als der
                              									Hauptvorgang des ganzen Processes zu betrachten ist.
                           Was für eine organische Säure in der Ablauge vorhanden ist, konnte bisher trotz
                              									vielfacher Untersuchungen noch nicht festgestellt werden. Dr. W. Buddeus hat unter dem Titel „Organische Säuren
                                 										der Sulfitlaugen“ in der Papierzeitung, 1891
                              									Nr. 23, eine sehr interessante Abhandlung veröffentlicht, aus welcher hervorgeht,
                              									dass es auch ihm bisher noch nicht gelang, einen Körper aus der Ablauge rein abzuscheiden. Beim
                              									Destilliren der zweckmässig vorbehandelten Ablauge erhielt er Schwefelwasserstoff
                              									und ölige Producte, welche widerlich mercaptanartig rochen, ein Beweis für meine
                              									oben dargelegte Ansicht.
                           Ferner erhielt er bei der trockenen Destillation der zweckmässig vorbehandelten
                              									Ablauge zwei Körper, welche nach ihren Reactionen für Pyrrol und Brenzcatechin zu
                              									halten waren, und schloss daraus, dass in der ursprünglichen Ablauge Bernsteinsäure
                              									und Protocatechusäure vorhanden seien; es gelang ihm jedoch nicht, den
                              									unzweifelhaften Beweis für diese Ansicht zu erbringen.
                           Erst vor ganz kurzer Zeit kam mir eine Abhandlung zu Gesicht, welche über einige sehr
                              									interessante neuere Untersuchungen berichtete. Es ist dies die in Göttingen
                              									erschienene Dissertation von J. B. Lindsey, abgedruckt
                              									in der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1892 Heft 5.
                              										Lindsey, welcher das Glück hatte, unter der
                              									Anleitung eines Tollens zu arbeiten, wies in einer nach
                              									System Ritter-Kellner erhaltenen Sulfitablauge folgende
                              									Körper nach: Galactose, Mannose, Pentose, Gummi und eine geringe Menge Vanillin.
                              									Nach geeigneter Behandlung erhielt er daraus durch Gährung etwas Alkohol und stellte
                              									endlich auf verschiedene Weise einen Körper dar, dessen Zusammensetzung der Formel
                              										C26H30SO12 entspricht. Diese Formel steht nach Angabe der
                              									genannten Abhandlung den von Schiff aus verschiedenen
                              									Phenolen mittels Schwefelsäure erhaltenen sogen. „künstlichen Gerbstoffen“
                              									nahe. Ueber die Art und Weise, wie der Schwefel in diesem Körper gebunden ist, gibt
                              									die Arbeit jedoch keine Aufklärung.
                           Lindsey's Ergebnisse stimmen im Uebrigen zum Theil mit
                              									einigen älteren Veröffentlichungen überein, welche letzteren dadurch ihre
                              									Bestätigung erhalten. So wird schon in den Patentschriften Tilghman's, Mitscherlich's und in anderen
                              									Veröffentlichungen gelegentlich davon gesprochen, dass die Ablauge Kohlehydrate:
                              									Zucker und Gummi, ferner Gerbstoffe und Essigsäure enthalte und dass aus ihr durch
                              									geeignete Behandlung in geringen Mengen Alkohol und Vanillin gewonnen werden
                              									können.
                           Schliesslich sei noch die übergare Kochung, bei welcher
                              									der Kochprocess zu weit getrieben ist, erwähnt. Bei dieser ist die Abnahme des
                              									Kalkes, wie wir oben gesehen haben, eine viel bedeutendere, und zwar in dem einen
                              									von mir untersuchten Falle (Kochung b) 54,86 Proc.; von
                              									dem noch in Lösung gebliebenen Rest des Kalkes muss, laut Untersuchung, der grösste
                              									Theil ebenso wie die anderen Basen organisch gebunden sein. Ein Gehalt an SO2 ist durch gewöhnliche Titrirung mit Jodlösung
                              									ebenso wenig nachzuweisen, wie ein solcher an Calciumsulfit durch Fällen mittels
                              									Ammoniak dargethan werden kann. Bei der Titrirung mit
                              										\frac{n}{10}-Natronlauge hat sich herausgestellt, dass in der
                              									übergaren Ablauge unbekannte freie organische Säuren
                              									enthalten sein müssen.
                           Das Ueberkochen kommt meiner Ansicht nach ebenso wenig
                              									wie die eigentliche Aufschliessung des Holzes von einer Oxydation der SO2 her. Es hat seine Ursache entweder in einem zu
                              									raschen Hinauftreiben auf eine zu hohe Temperatur oder ist darin zu suchen, dass zu
                              									lange gekocht wurde, wodurch dann das organisch-saure Kalksalz, welches sich
                              									gebildet hat, sich weiter zersetzt. Die schweflige Säure verbindet sich mit dem Kalk
                              									zu Calciummonosulfit, welches in Form von weissen Körnern ausfällt, und es wird
                              									reiner Schwefel frei, welcher die Lauge trübt, sich zu Boden setzt und
                              									besonders beim nachherigen Waschen des überkochten Stoffes oft in grosser Menge in
                              									den Stoffrinnen der Wäsche beobachtet werden kann. Von dieser Kalkausfällung rührt
                              									die bedeutende Aschenvermehrung des Stoffes und die grosse Kalkabnahme in der
                              									Ablauge her. Die Schwefelausfällung ist mir ein neuerlicher Beweis, dass auch hier
                              									ein Reductionsprocess vor sich gegangen ist. Die organische Säure bleibt in Lösung,
                              									und entweder sie selbst, oder irgend ein anderer in der Ablauge enthaltener sehr
                              									empfindlicher Körper färbt dieselbe dunkel. Thatsache ist, dass auch gute Ablauge nur in reinem Zustande hellgelb ist und
                              									dass dieselbe bei irgend einer chemischen Behandlung mit den verschiedensten
                              									Reagentien immer dunkler, dunkelgelb bis röthlich und fast schwarz wird. Kommt
                              									endlich der Zellstoff, welcher ja bekanntlich die Eigenschaft hat, sehr leicht
                              									Farbstoffe auf seiner Oberfläche zu fixiren, mit solch dunkler überkochter Ablauge
                              									in Berührung, so wird er ebenfalls braun bis dunkelbraun gefärbt, eine Beobachtung,
                              									welche man bei jeder übergaren Kochung leicht zu machen im Stande ist.
                           Es dürfte nun nach Besprechung der Kochungen nicht ohne Interesse sein, den Erfolg
                              									derselben in Betracht zu ziehen.
                           Die Ausbeute an Zellstoff nach dem Sulfitverfahren ist
                              									in verschiedenen Fabriken eine sehr verschiedene, indem dieselbe an manchen Orten
                              									auf rohes, an anderen wieder auf geschältes Holz berechnet wird. Manche Werke
                              									verarbeiten ferner nur gutes frisches Holz, während andere sich mit älterem, theils
                              									getrocknetem, theils rothfaulem Holz begnügen. Die von mir gesammelten Angaben
                              									beziehen sich auf 1 Rm. geschälten guten Holzes, und die Zahlen für die daraus
                              									erhaltene Menge lufttrockener Cellulose schwanken zwischen 140, 137 und 130 k. Nach
                              									meinen eigenen Beobachtungen stellte sich die Ausbeute folgendermaassen: Vollständig
                              									rohes ungeschältes Holz hat, bis es rein weiss, rinden- und bastfrei gemacht ist, 20
                              									Proc. Schälverlust. Gutes geschältes und vollkommen gereinigtes Holz lieferte für
                              									den Raummeter 120 bis 130 k lufttrockener Ia-Cellulose.
                           Der aus dem Kocher geworfene Stoff wird zuerst zerkleinert, dann mit viel Wasser
                              									durch lange Holzrinnen geleitet, wo die Aeste und andere mitgekommene Unreinigkeiten
                              									Zeit haben, sich abzusetzen, während die feinen Cellulosefasern obenauf weiter
                              									schwimmen und endlich auf einer Pappenmaschine in Form von Cellulosepappe aufgerollt
                              									werden. Der grösste Theil der Ablauge ist nun allerdings aus dem Stoffe schon beim
                              									Ablassen und Waschen desselben im Kocher entfernt worden, es bleibt jedoch immer
                              									noch eine gewisse Menge zurück, welche in der Wäsche ausgelaugt werden muss. Sorgt
                              									man hierbei nicht für genügende Reinlichkeit, so stellen sich bald pflanzliche
                              									Wucherungen in den Stoffrinnen ein, welche in den organischen Bestandtheilen der
                              									Ablauge ihre Nahrung finden und welche im Stande sind, den Stoff sehr zu
                              									verunreinigen. Um diese fern zu halten, ist es in manchen Fabriken gebräuchlich, dem
                              									Waschwasser etwas Salzsäure zuzusetzen, welche aus etwa vorhandenen Verbindungen der
                              									schwefligen Säure diese frei macht, dadurch die Pflanzen tödtet und auch dem Stoffe
                              									in Folge der bleichenden Wirkung der schwefligen Säure eine höhere Weisse
                              									ertheilt.
                           
                           Vortheilhaft ist es, wenn diese Salzsäure vorher verdünnt wird und wenn man sie
                              									dann ganz langsam fortwährend dem Waschwasser beim Eintritt des Stoffes zufliessen
                              									lässt; man kann statt ihrer jedoch auch starke Sulfitlauge vom Thurme direct in
                              									genügender Menge zusetzen, wodurch derselbe Erfolg billiger erreicht wird.
                           Das Abgas endlich ist das beim Uebertreiben aus den
                              									Kochern entweichende Gas, welches fast ausschliesslich Schwefeldioxyd und
                              									Wasserdampf enthält. Nur in schlecht geleiteten Fabriken lässt man dasselbe zur
                              									Absorption in die vorhandenen Ablaugenklärteiche oder gar in die freie Luft
                              									hinausblasen. Es wird vielmehr, wie es vom Kocher kommt, gekühlt und dann mit
                              									Vortheil und ohne erhebliche Kosten zur Bereitung neuer und meistens sehr starker
                              									Lauge verwendet. Zu diesem Zwecke wird es entweder in einen eigenen Uebertreibthurm
                              									oder auch in Bottiche, die mit Kalkmilch gefüllt sind, geleitet. Da das
                              									Uebertreibgas sehr reich an schwefliger Säure ist und
                              									ausser dieser, wie bereits bemerkt, fast nur noch Wasserdampf enthält, so condensirt
                              									es sich fast vollständig bei der Berührung mit kaltem Wasser, und die dadurch
                              									gewonnene Lauge hat in Folge dessen eine ganz andere Zusammensetzung als die
                              									gewöhnliche Thurmlauge. Diese aus dem Abgase dargestellte Sulfitlauge ist nämlich
                              									bedeutend stärker und meistens ganz ungewöhnlich reich an freier schwefliger Säure,
                              									wie die nachfolgenden Analysen einiger solcher Laugen beweisen:
                           
                              
                                 7½°
                                 B.,
                                 8,1
                                 Proc.
                                 Gesammt-,
                                 7,2
                                 Proc.
                                 freie
                                 u.
                                 0,9
                                 Proc.
                                 geb.
                                 SO2
                                 
                              
                                 4°
                                 „
                                 4,20
                                 „
                                 „
                                 3,64
                                 „
                                 „
                                 „
                                 0,56
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 4¼°
                                 „
                                 4,464
                                 „
                                 „
                                 4,336
                                 „
                                 „
                                 „
                                 0,128
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 6½°
                                 „
                                 6,752
                                 „
                                 „
                                 6,240
                                 „
                                 „
                                 „
                                 0,512
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Diese Laugen werden mit Vortheil der gewöhnlichen Thurmlauge beigemischt und sind
                              									dadurch sehr geeignet, die letztere an schwefliger Säure anzureichern.