| Titel: | Bericht über die Fortschritte der chemischen Technologie der Gespinnstfasern seit 1889. | 
| Autor: | Otto N. Witt , Christoph Schmidt | 
| Fundstelle: | Band 286, Jahrgang 1892, S. 162 | 
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                        Bericht über die Fortschritte der chemischen
                           								Technologie der Gespinnstfasern seit 1889.
                        Von Otto N. Witt und Christoph
                                 								Schmidt.
                        (Schluss des Berichtes S. 107 d. Bd.)
                        Bericht über die Fortschritte der chemischen Technologie der
                           								Gespinnstfasern seit 1889.
                        
                     
                        
                           G. Ulrich bespricht in Romens
                                 										Journal (Januar 1891) die Verwendung von Nitrosoverbindungen in der
                              									Färberei und im Zeugdruck. Eingehend untersucht wurden Naphtolgrün B, Nitroso-β-Naphtol und Dinitrosoresorcin. Die Lösung des
                              									Naphtolgrüns zersetzt sich bei längerem Stehen durch Oxydation. 2 Proc.
                              									Schwefelsäure (nebst 10 Proc. Glaubersalz und 10 Proc. Ferrosulfat) auf ½ Proc.
                              									Farbstoff, in das Färbebad für Wolle, erwiesen sich als der Minimalzusatz für eine
                              									völlige Ausnutzung des Farbstoffs. Die grösste Aufnahmefähigkeit der Faser für das
                              									Naphtolgrün liegt bei 80°, längeres Kochen bedingt Intensitätsabnahme der Färbung
                              									durch Zersetzung. Mehr Schwefelsäure hatte ungünstige Wirkung. Versuche mit
                              									Essigsäure erwiesen 4 Proc. derselben als genügend für ½ Proc. Farbstoff, die
                              									grösste Farbstoffaufnahme durch die Faser liegt dann erst bei 100°, nicht so hoch
                              									liegt dieselbe bei einem Zusatz von 8 bis 10 Proc. Essigsäure, doch wird dann die
                              									Intensität der Färbung sehr verringert.
                           Wir haben hier ein hübsches Beispiel, in wie bestimmter Weise die chemische
                              									Individualität eines Farbstoffs Natur und Menge der zu machenden Zusätze und die
                              									physikalischen Bedingungen beim Ausfärben beherrscht.
                           Ein schönes directes Schwarz darzustellen, ist immer noch eine würdige zu lösende
                              									Aufgabe für den Farbenchemiker. Einstweilen hilft man sich damit – nach einer
                              									Anregung der Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer und Co. –
                              									die weniger vollkommenen, mit geeigneten Radikalen versehen, auf der Faser nochmals
                              									zu diazotiren und durch Copuliren mit geeigneten Aminen oder Phenolen intensiver in
                              									der Nuance zu machen. Die solchen, zum Theil sehr schönen Färbungen zu Grunde
                              									liegenden Farbkörper sind meist nicht für sich in löslicher Form darstellbar. Ein
                              									Farbstoff, für den eine solche Behandlungsweise empfohlen wird, ist unter anderen
                              									das Diaminschwarz von Cassella und Co. Th.
                                 										Baldensperger hat mit diesem Farbstoff eingehende Versuche angestellt,
                              									welche im Bull. Soc. Ind. de Ronen veröffentlicht
                              									wurden, und welchen wir entnehmen, dass die Metadiamine, wie Metaphenylen- und
                              									Metatoluylendiamin, sich besonders eignen zur Herstellung eines schönen und
                              									intensiven Schwarz mit dem auf der Faser diazotirten Diaminschwarz.
                           Für diejenigen Azofarben, die wie Tuchroth und -orange, wie auch Alizaringelb, mit
                              									Vortheil auf gechromter Wolle fixirt werden, weil sie so seifen- und walkechtere
                              									Färbungen geben, schlägt R. Lepetit (Chemiker-Zeitung)
                              									ein nachträgliches Chromen der auf ungeheizter Wolle hergestellten Färbung vor,
                              									indem ohne zu seifen auf ein zweites heisses Bad mit 2½ bis 3 Proc. Bichromat
                              									gegangen, ½ Stunde gekocht und dann gespült wird. Die Färbungen werden in allen
                              									Fällen mit gleicher Farbstoffmenge dunkler als auf vorgebeizter Wolle.
                           Umfassende Studien über die Färberei und Appretur halbseidener Bandgewebe
                              									veröffentlicht Gustav Schulz in den Mittheilungen aus dem Wiener technologischen Gewerbemuseum
                                 										1890 (auch im Centralblatt für die
                                 										Textilindustrie erschienen).
                           Eine grosse Bedeutung haben die Diphenylfarbstoffe in dem noch jungen Zweige der
                              									Färberei erlangt; die Zahl der Farben auf Halbseide, die einer umständlichen
                              									Präparation der Baumwolle benöthigten, ist seit Einführung der Congofarben
                              									wesentlich eingeschränkt worden. Betreffs der Einzelheiten müssen wir auf die
                              									Originalarbeit verweisen. Wir wollen hier gleich noch auf die an derselben Stelle
                              									erschienenen werthvollen Mittheilungen von G. Ulrich
                              									über das so schwierige Kapitel der Veloursfärberei (auch in der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1890 S. 688)
                              									abgedruckt) aufmerksam machen. Es handelt sich hier um ein Untergewebe, meist aus
                              									Baumwolle oder Leinen bestehend, während der Flor aus Wolle oder Seide hergestellt
                              									ist. Grund und Flor erhalten meist nicht die gleiche Farbe. Für blauen, grauen,
                              									grünen oder schwarzen Flor färbt man die Garne für das Untergewebe blau. Indigo
                              									macht dem nachfolgenden, meist sauren Ausfärben des Flores keine Schwierigkeiten,
                              									die küpenblauen Garne verlieren aber beim Weben.
                           Von Alizarinblau ist für reine Nuancen namentlich die Nickelverbindung zu empfehlen,
                              									die sich beim späteren Ausfärben des Wollflores weniger ändert als der Chromlack.
                              									Ein Wandern des Alizarinblau so wenig wie des Indigo zur Wolle ist zu befürchten,
                              									ein solches findet aber bei den der Billigkeit und Einfachheit wegen meist
                              									angewandten Diphenylfarbstoffen statt. Das im übrigen zu empfehlende Benzoazurin
                              									stört z.B. solchermaassen die reine Nuance des dem Flore mitzutheilenden Alkaliblau;
                              									auch für Neublau, namentlich zartere Nuancen, macht sich noch der Uebelstand, wenn
                              									auch nicht so auffallend, bemerkbar. Selten wird ein anderer als blauer oder rother
                              									Untergrund verlangt.
                           Der Flor ist vor dem Färben zu reinigen, da ein Beschmutzen durch Staub beim Weben
                              									nicht ausgeschlossen ist. Man führt die Waare vor dem Färben durch laues Wasser,
                              									genügt dies nicht, so ist ein schwaches Seifenbad bei 30° anzuwenden. Zusatz von
                              									Soda ist zu vermeiden, da ein solcher den Glanz der Wollfaser beeinträchtigen würde.
                              									Die Seifenlösung muss sorgfältig wieder weggewaschen werden.
                           Ein Beizen des Wollflores ist aus Rücksicht auf das Untergewebe zu meiden, und
                              									polygenetische Farbstoffe zum Färben desselben erscheinen damit ausgeschlossen.
                              									Kalkhaltiges Wasser kann beim Ausfärben des Flores mit manchen Farben, z.B.
                              									Echtviolett von Bayer und Co., ausserordentliche
                              									Schwierigkeiten machen.
                           Verfasser bespricht im Einzelnen die Herstellung der verschiedensten Nuancen, wozu
                              									vorzüglich saure Azofarbstoffe verwendet werden.
                           Auf einen Artikel von E. Weiler über die
                              									Halbwollenstückfärberei (Färberzeitung, 1891/92 S. 272)
                              									sei hier noch aufmerksam gemacht.
                           Am gleichen Ort (S. 137) wird eine umfangreichere Arbeit von E. Lauber: Das Türkischroth im Zeugdruck, besprochen.
                           Angeregt durch eine Preisfrage der Mülhauser industriellen Gesellschaft hat E. Odernheimer Untersuchungen angestellt über das
                              									Färben und Drucken mittels Goldsalzen und die Erzeugung von Goldpurpur auf der Faser
                              										(Färberzeitung, 1891/92 S. 205). Faser und Gewebe
                              									in verdünnte wässerige Lösung getaucht oder damit bedruckt, erhalten, mit der Lösung
                              									eines Reductionsmittels behandelt, eine Graufärbung, welche variirt mit dem
                              									angewendeten Reductionsmittel: Hydrochinon gibt ein bläuliches, Oxalsäure ein
                              									röthliches Grau. Das Färbevermögen des Goldes ist sehr stark, hellgraue Töne erhält
                              									man noch mit einer 0,001 procentigen Lösung. Für ein schönes Perlgrau auf 1 k
                              									Halbseidenstoff war nur für ungefähr 12 bis 15 Pfg. an Natriumgoldchlorid
                              									erforderlich.
                           Erwärmt man die graugefärbten Stoffe, indem man sie unter Druck heisse Walzen
                              									passiren lässt, so bildet sich an der Berührungsstelle ein schönes Roth mit
                              									metallischem Reflex. Man kann solchermaassen ganz rothe Stoffe oder rothe Muster auf
                              									weissem oder grauem Grunde herstellen. Die Bildungstemperatur des Goldpurpurs liegt
                              									zwischen 100 und 110° C.
                           Durch länger fortgesetzten Druck mit einem heissen Eisen konnte der auf der Faser
                              									niedergeschlagene Goldpurpur in metallisch glänzendes Gold verwandelt werden.
                           F. Goppelsröder, welcher sich schon längere Zeit mit
                              									Studien über die Verwerthung des elektrischen Stromes in der Färberei beschäftigt,
                              									hatte auf der Frankfurter elektrotechnischen Ausstellung eine Zusammenstellung
                              									seiner bekannten Resultate vorgeführt. Durch Elektrolyse führt er Chromogene, bei
                              									Ueberführung der entsprechenden Elektrode über den präparirten Stoff, in Farbstoffe
                              									über; vorhandene Farbstoffe wandelt er in Derivate um, wodurch entweder neue
                              									Farbkörper oder ungefärbte Substanzen entstehen. Letzteres führt zur
                              									elektrolytischen Aetzung. Anilinsalz in Gegenwart eines bleichenden Elektrolyten
                              									setzt an Stelle des weggeätzten Türkischroth sogleich Anilinschwarz. Türkischroth
                              									kann mit Hilfe einer angesäuerten Nitratlösung Zeichnungen von Nitroalizarin
                              									erhalten.
                           Der grosse Umfang des auf dem betretenen Gebiete noch Erreichbaren, wie auch die
                              									Möglichkeit, Farbkörper ausserhalb der Faser zu modificiren und zu substituiren,
                              									wird von Goppelsröder nach wie vor hervorgehoben und
                              									zur Aufnahme durch die Industrie empfohlen.
                           Unter den eifrigen Bestrebungen zur Herstellung sogen. „Ingrainfarben“, zu
                              									denen auch die schon angeführte Erzeugung eines schönen intensiveren Schwarz aus
                              									Diaminschwarz, durch Diazotiren desselben auf der Faser und Kuppeln mit
                              									Metadiaminen, zu rechnen ist, haben wir noch einige sehr interessante Neuerungen
                              									vorzuführen.
                           Hervorragendes Interesse beanspruchen die merkwürdigen Eigenschaften der
                              									Diazosulfonate, nach einer Publication von M. A. Feer
                              									im Bull. de la Soc. Ind. de Mulhouse (November 1889).
                              									Diese Körper sind bekanntlich von Strecker entdeckt und
                              									von E. Fischer näher studirt worden; man erhält sie
                              									durch Wechselzersetzung gleicher Moleküle von Diazochlorid und normalem Alkalisulfit
                              									unter gleichzeitiger Entstehung eines Moleküls Chloralkali. Sie sind von
                              									überraschender Beständigkeit, man kann sie aus kochendem Wasser umkrystallisiren,
                              									sie widerstehen einem so energischen Oxydationsmittel wie Kaliumbichromat. Mit
                              									Alkaliphenolaten können die Lösungen dieser Substanzen zum Sieden erhitzt werden,
                              									ohne dass sich Oxyazokörper bilden; die Farbstoffe entstehen aber sofort im directen
                              									Sonnenlichte. Papier oder Zeug, mit solchem Gemenge getränkt, sind sensibilisirt und
                              									können unter einem Negativ entwickelt werden. Mit β-Naphtol geben Anilin Orange, Xylidin Roth, Tolidin Violett, Dianisidin Blau.
                              									Die Reaction kann im Kattundruck, zu photographischen Wiedergaben u. dgl. Verwendung
                              									finden.
                           Durch Exponiren unter Schablonen lassen sich natürlich alle möglichen, Druckmustern
                              									gleichkommenden Effecte erzielen. Eine praktische Anwendung hat diese
                              									hochinteressante Beobachtung bis jetzt leider nicht gefunden.
                           Die Lichtempfindlichkeit der Diazokörper fand eine weitere interessante Verwerthung
                              									in einem von Green, Cross und Bevan (Journ. Soc. Chem. Ind. und Berichte der
                                 										deutschen chemischen Gesellschaft, 1890 S. 3131) veröffentlichten,
                              									patentirten Verfahren zur Herstellung photographischer Bilder auf Geweben, die mit
                              									Primulin gefärbt sind. Das Primulin lässt sich bekanntlich auf der Faser diazotiren
                              									und mit Phenolen und Aminen copuliren; Green hat auf
                              									diese Weise die ersten sogen. Ingrainfarben erhalten. Das Verfahren der genannten
                              									Autoren basirt nun auf der Lichtempfindlichkeit des auf der Faser haftenden
                              									Diazoprimulins, welche gerade in diesem Zustande besonders gross ist. Man exponirt
                              									unter einem Positiv, die vom Licht getroffene Diazoverbindung wird derart chemisch
                              									verändert, dass die betreffenden Stellen bei nachträglicher Entwickelung in
                              									alkalischer Phenollösung sich nicht anfärben.
                           
                              „Photographische Aufnahmen des Spectrums, äussern sich die Verfasser, zeigen eine
                                 										Wirkung der Lichtstrahlen, deren Reihenfolge und Vertheilung eine andere ist als
                                 										diejenige, welche die Halogensilberverbindungen hervorrufen; dieselbe stimmt
                                 										sehr nahe überein mit der Ordnung der durch das Auge wahrnehmbaren
                                 										Intensitäten.“
                              
                           Es sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass man auch auf mit Bichromat gebeizter
                              									Baumwolle photographische Bilder erzeugen kann, durch Exponiren unter einem Negativ,
                              									Wegwaschen der vor dem Lichte geschützt gewesenen nicht in Chromichromat
                              									verwandelten Beize, und Entwickeln mit Alizarinfarben.
                           J. J. Hummel zeigte solche Bilder bei Gelegenheit seines
                              									Vortrags über echte und unechte Farben vor der Society of Arts vor. Mercer stellte bereits in den fünfziger Jahren mit
                              									Hilfe von Eisensalzen auf Calicot photographische Bilder her.
                           In einem bereits 1881 bei der Société ind. de Rouen
                              									hinterlegten, im August 1890 veröffentlichten Schreiben gibt Henri Schmid eine Methode zum directen Azofarbendruck
                              									an. Er präparirt das Gewebe mit Natriumnitrit und druckt darauf ein Gemenge von z.B.
                              									salzsaurem Xylidin, β-Naphtol und einer freien Säure
                              									zur Zerlegung des Nitrits.
                           In den directen Azofarbendruck wurde von Fischesser und
                              										Pokorni die bei 216° schmelzende β-Naphtolcarbonsäure eingeführt, zur Verwendung an
                              									Stelle von β-Naphtol. Während dieses mit Dianisidin nur
                              									ein stumpfes Violett ergibt, liefert jene ein gut fixirtes seifen- und lichtechtes
                              									Blau. Auch in der directen Azofärberei ist die Säure zu verwenden, mit Dianisidin
                              									gibt sie schönes Indigoblau, mit Tolidin ein volles Violettblau.
                           Die Baumwolle wird abgekocht, mit Türkischrothöl präparirt und getrocknet, durch
                              									Tetrazodianidisinsalzlösung genommen und dann durch eine alkalische Lösung von der
                              									Oxynaphtoësäure passirt; hierauf nimmt man durch schwache Säure, wäscht gut und trocknet. Umgekehrtes Arbeiten gibt
                              									kein so gutes Resultat.
                           Im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Herstellung von Ingrainfarben ist noch ein
                              									Patent von Kalle und Co. zu erwähnen. Es beruht auf der
                              									Beobachtung, dass man gelbe und braune Färbungen erhält durch Einwirkenlassen von
                              									Diazo- oder Tetrazoverbindungen auf gerbstoffhaltige Fasermaterialien, wie solche in
                              									der Jute und Cocosnussfaser von Natur aus vorliegen, oder auf mit Sumach oder
                              									Catechu präparirter Seide und Baumwolle.
                           Auch folgende Beobachtung, welche E. Knecht in der Society of Dyers and Colourists mittheilte, lässt sich
                              									hier noch anreihen.
                           Mischt man salzsaure Lösungen von Dioxyweinsäure und 2 Mol. Phenylhydrazin, so
                              									entsteht nach längerer Zeit, schneller beim Kochen, der orangegelbe Niederschlag des
                              									unlöslichen nicht sulfonirten Tartrazins. Taucht man in eine wie angegeben bereitete
                              									noch farblose Lösung Wolle oder Seide und erhitzt allmählich zum Sieden, so fällt
                              									kein Niederschlag und der ganze Farbstoff bildet sich innerhalb der Faser, die man
                              									solchermaassen hellgelb bis orange färben kann, je nach der Menge des zur Reaction
                              									gebrachten Materials. Auf Baumwolle kann das unlösliche Tartrazin auf diesem Wege
                              									nicht fixirt werden.
                           Neue Farbstoffe sind in ausserordentlich grosser Zahl zur Verwendung gekommen, sie
                              									verdanken meist zielbewusster Synthese ihre Entstehung, wozu viele neue Wege gebahnt
                              									worden sind. Die neuen Farbkörper sind grossentheils ihrer Constitution nach
                              									aufgeklärt. Wir können dieses Gebiet hier keineswegs erschöpfend betrachten, sondern
                              									nur in den wichtigsten Daten berühren.
                           Das Casanroth von Gerber in Basel und das Pyronin von
                              										A. Leonhardt und Co. sind, auf verschiedene Weise
                              									erhalten, der gleiche rothe basische Farbstoff von brillant blaurother, dem
                              									Safflorkarmin und Rose bengale ähnlicher Nuance. In der Constitution noch nicht
                              									völlig aufgeklärt, gehört er, durch Oxydation von Tetramethylmetadioxydiphenylmethan
                              									entstanden, einer neuen Farbstoffklasse an.
                           Benzoflavin von K. Oehler in Offenbach ist
                              									Diamidophenylacridin, also dem Phosphin isomer; er liefert ein ausserordentlich
                              									schönes Gelb auf tannirter Baumwolle, wird vielfach zum Abtönen grüner Schattirungen
                              									verwendet; mit Safranin zusammen kann er zur Herstellung von Ponceaunuancen
                              									dienen.
                           Das Azingrün von A. Leonhardt und Co. liefert auf
                              									tannirter Baumwolle ein licht- und waschechtes Dunkelgrün, es entsteht durch
                              									Einwirkung von Nitrosodimethylanilin auf Diphenyl-2-6-Naphtylendiamin.
                           Nigrisine, ein neuer basischer Farbstoff von noch unbekannter Constitution, liefert
                              									auf tannirter Baumwolle ein schönes Grau. Er wird (nach D. R. P. Nr. 49446) von der
                              										Société anonyme des matières colorantes etc. de St.
                                 										Denis erhalten durch Kochen der wässerigen oder alkoholischen salzsauren
                              									Lösung von Nitrosodimethylanilin. Der Farbstoff wird auch von den Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer und Co. hergestellt.
                           Die Constitution des Dehydrothiotoluidins und der Primulinbase, über welche der erste
                              									Bearbeiter der interessanten Körper, Green, nicht
                              									stichhaltige Aufstellungen gemacht hat, wurde von Gattermann und Pfitzinger aufgeklärt; es
                              									liegt diesen Körpern ein Thiazolkern zu Grunde und ist ersteres ein Amidoderivat
                              									eines Benzenylamidothiokresols, während Primulin mehrmals die Thiazolgruppe enthält
                              									(Ber. 1889), welche alsdann als Chromogen zur Geltung kommt. Das gleiche Chromogen
                              									liegt auch dem Thioflavin von L. Cassella und Co. zu
                              									Grunde, welches eine Verbindung von Methylchlorid mit
                              									Dimethylamidodehydrothiotoluidin ist. Dieser Körper färbt Baumwolle nicht im
                              									ungeheizten Zustande an, während seine Sulfosäure, das Thioflavin S, ein
                              									substantiver Baumwollfarbstoff ist – eine hübsche Illustration zur Witt'schen Färbetheorie: welche Gründe würden die
                              									Vertreter der alten „chemischen“ Theorie für die durch Eintritt einer
                              									Sulfogruppe in das Molekül plötzlich erwachte „Affinität“ der sonst so
                              									säurefeindlichen Baumwolle anzuführen haben?
                           Das wenig schöne Naphtolviolett oder sogen. Meldolablau oxydirt sich mit Leichtigkeit
                              									unter Austritt zweier Wasserstoffatome mit Aminen zu schön grünlichblauen
                              									Farbstoffen einer neuen Farbklasse zusammen, für welche Otto
                                 										N. Witt die Bezeichnung Cyanamine gewählt hat. Dieselben sind für die
                              									Färberei der Baumwolle geeignet (Witt, Berichte der
                                 										deutschen chemischen Gesellschaft, 1890, und Patente von Witt, Cassella und Co. und Bayer und Co.).
                           Die Nitrosoverbindungen der Phenole und deren Sulfosäuren geben licht- und waschechte
                              									grüne und braune Beizenfärbungen. Bis vor kurzer Zeit war von solchen Producten nur
                              									die Nitrosoverbindung der Schäffer'schen β-Naphtolmonosulfosäure in der Wollfärberei in
                              									Verwendung. Später schloss sich daran das Dinitrosoresorcin an, dessen intensiv
                              									dunkelgrün gefärbter Eisenlack als „Echtgrün“ in der Baumwollfärberei
                              									Verwendung findet. Nunmehr sind eine ganze Reihe von solchen Derivaten der
                              									verschiedensten Dioxynaphtaline und Naphtolsulfosäuren von den Farbenfabriken in
                              									Vorschlag gebracht. Als „Gambine“ werden seit einiger Zeit die
                              									Nitrosonaphtole in den Handel gebracht.
                           Durch Reduction von Nitrosophenolen mit Hyposulfitlösung wurden neue Farbkörper von
                              									noch unbekannter Constitution erhalten. Der Amerikaner H.
                                 										Kendall liess sich ein solches Product, aus Dinitrosoresorcin bereitet,
                              									genannt Essaïne, patentiren. Es ist ein brauner Beizenfarbstoff, im Baumwollendruck
                              									und der Wollfärberei verwendbar, dem Säure-, Wasch- und Lichtechtheit nachgerühmt
                              									werden. H. Schäffer und F.
                                 										Binder beschreiben (Bull. Soc. Ind. de
                                 										Mulhouse, Juni 1891) seine Anwendung.
                           R. Holliday (Englisches Patent) erhielt durch Reduction
                              									von Nitroso- und Dinitrosodioxynaphtalin mit dem gleichen Agens eine Küpe, in der
                              									Wolle grau bis schwarz gefärbt werden kann.
                           Braune beizenziehende Farbstoffe, wohl ähnlicher Natur, erhielt die Actiengesellschaft für Anilinfabrikation durch
                              									Oxydation von Amidophenolen mit Bichromat.
                           Fuchsinrothe Azofarbstoffe erhalten die Farbenfabriken vorm.
                                 										Friedrich Bayer und Co. durch Einwirkung von Diazoverbindungen auf die
                              									1-8-Dioxynaphtalin-4-Monosulfosäure.
                           Die ersten grünen Azofarbstoffe sind von Bayer und Co.
                              									in den Handel gebracht worden, sie leiten sich vom Malachitgrün ab und sind
                              									gleichzeitig Triphenylmethan- und Azokörper. Azogrün bildet einen Chromlack auf der
                              									Faser, ist walkecht und lichtechter als die Säuregrüne.
                           Von den vielen neuen directen Baumwollfarbstoffen erregt das Sulfonazurin der
                              									gleichen Firma Interesse, es liefert ein schönes tiefes
                              									grünliches Blau. Es leitet sich vom Diphenylsulfon ab, besitzt hervorragende Wasch-
                              									und Walkechtheit, die Lichtechtheit ist nicht bedeutend. Zum Färben von Halbwolle
                              									eignet es sich nicht, da es auf die Wolle schneller und stärker angeht als auf die
                              									Baumwolle.
                           Ein substantiver Farbstoff, der sich durch hervorragende Lichtechtheit vor
                              									seinesgleichen auszeichnet, ist das Diaminechtroth von L.
                                 										Cassella und Co.
                           Eine interessante Errungenschaft auf dem Gebiete der Azokörper ist noch die von Otto N. Witt entdeckte, den bisherigen Ansichten
                              									zuwiderlaufende Fähigkeit des β-Naphtolhydrochinons,
                              									sich mit Diazoverbindungen zu Azofarbstoffen copuliren zu lassen, diese liefern auf
                              									Chrombeize violette und blaue Färbungen.
                           Erica B (Blaustich) und Erica G (Gelbstich) der Berliner
                                 										Actiengesellschaft geben mit 1 Proc. Farbstoff, 30 Proc. Glaubersalz und 2½
                              									Proc. Seife (nach C. Bötsch) ein schönes und
                              									lichtechtes Rosa auf ungeheizter Baumwolle. Es sind Azofarbstoffe, die sich vom
                              									Dehydrothiometoxylidin ableiten, also in eine Verwandtschaft hineingehören, bei der
                              									das directe Baumwollfärben eine nicht seltene Eigenschaft ist.
                           Grosses Aufsehen erregten die von den Höchster Farbwerken in den Handel gebrachten
                              										„Chromotrope“, beizenziehende Azofarbstoffe, die sich von der
                              									1-8-Dioxynaphtalin-4-5-Disulfosäure ableiten. Dieselben geben für sich gelblich bis
                              									bläulichrothe Nuancen von grosser Lichtechtheit, Marke 2 R und 2 B solche von
                              									hervorragender Frische und Schönheit. Auf Metallbeizen erzeugen diese Farbkörper von
                              									den ursprünglichen ganz abweichende Nuancen und zwar verschieden je nach der
                              									benutzten Beize, sie sind polygenetisch. Die Beize kann, nach erfolgtem gewöhnlichem
                              									saurem Ausfärben mit Glaubersalz und Schwefelsäure, ohne zu spülen in einem zweiten
                              									Bade nachträglich applicirt werden; dies Verfahren ist sogar dem Färben auf
                              									vorgebeizter Wolle vorzuziehen; eine blaustichig rothe Färbung kann z.B. auf diese
                              									Weise durch Kochen mit Chromalkali in ein tiefes Blauschwarz umgewandelt werden; auf
                              									solches Aendern der Farbe bezieht sich die treffend gewählte Bezeichnung
                              										„Chromotrope“.
                           Die Reaction, welche R. Bohn in der Badischen Anilin- und Sodafabrik zu dem Alizaringrün
                              									und dem Alizarinindigoblau führte, und welche von Grabe
                              									als eine Oxydation, eine Hydroxylirung, der Anthracenfarbstoffe aufgeklärt worden
                              									ist, hat in ihrer weiteren Verwendung die Farbenfabriken
                                 										vorm. Fr. Bayer und Co. zu einer ganzen Reihe neuer Anthracenfarbstoffe
                              									geführt. Einige derselben, wie Alizarincyanin und Alizarinbordeaux, haben durch
                              									die Schönheit und Echtheit der Nuancen, die sie zu liefern vermögen, bereits eine
                              									hervorragende Bedeutung erlangt. Das Alizarinbordeaux ist ein Tetraoxyanthrachinon,
                              									dessen Hydroxyle die Stellungen gleichzeitig wie im Alizarin und im Chinizarin
                              									einnehmen.
                           Ein den Alizar in färben in der Verwendung sich anschliessender Farbstoff, dessen
                              									Bedeutung fortwährend zunimmt, ist das von R. Bohn
                              									entdeckte Galloflavin, es liefert auf Chrombeize ein grünliches Gelb von grösster
                              									Echtheit. Er gehört einer neuen Farbstoffklasse, den aromatischen Oxyketonen,
                              									an.
                           Eine vollständige Umwälzung in der Fabrikation des Fuchsins bewirkt der von den
                              									Höchster Farbwerken aufgefundene Formaldehydprocess. Derselbe beruht auf der
                              									Vereinigung des Anilins und seiner Analoga mit Formaldehyd unter Wasseraustritt zu
                              									Diphenylmethanderivaten, im speciellen Fall zu Diamidodiphenylmethan, das sich mit
                              									Anilin in guter Ausbeute zu Parafuchsin zusammenoxydiren lässt.
                           Ausser der verbilligten Herstellung der bekannten Fuchsine ermöglicht der neue
                              									Process noch die Erlangung neuer bisher nicht zugänglicher Farbkörper der
                              									Triphenylmethanklasse, so des dreifach im Kern methylirten Fuchsins aus drei
                              									Molekülen Orthotoluidin, welches sich in der Nuance als das schönste der Fuchsine
                              									erwiesen hat.
                           Die von der Technik aufgefundene Reaction wirkte befruchtend auf die theoretische
                              									Forschung, insofern sie E. Nölting ermöglichte, seine
                              									schönen Untersuchungen über die Triphenylmethankörper in umfassenderer Weise
                              									fortzusetzen, von deren werthvollen Resultaten wir nur die interessanten
                              									experimentellen Beweise für die von Nietzki
                              									ausgesprochene Ansicht der chinonartigen Structur der Triphenylmethanfarbstoffe
                              									herausgreifen wollen. Die Resultate der Arbeiten sind zusammengestellt in einem
                              									Vortrag vor der Société chimique de Paris (Recherches sur
                                 										les colorants dérivés du Triphénylméthane).
                           Das Problem der Verdrängung des natürlichen Indigo durch künstlichen erfuhr nach
                              									mehrjähriger Ruhepause einen neuen Anstoss durch die Entdeckung Heumann's, wonach ein so
                              									einfaches und leicht zugängliches Product, wie das Phenylglycocoll, durch die
                              									Kalischmelze in Indigo übergeführt wird. Die Badische
                                 										Anilin- und Sodafabrik hat den Versuch der technischen Verwerthung der
                              									Reaction mit grossem Eifer und Aufwand begonnen. Heymann, in den Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer und
                                 										Co., konnte mit relativ guter Ausbeute das Phenylglycocoll durch Erhitzen
                              									desselben mit Pyroschwefelsäure direct in Indigokarmin überführen. Dem nicht allzu
                              									theueren natürlichen Indigo gegenüber, der bei ernstlicher Concurrenz noch bedeutend
                              									im Preise zurückgehen kann, haben diese Bestrebungen noch immer keine sehr grossen
                              									Aussichten auf Erfolg.
                           Blauholz wird, trotz der zahlreichen Concurrenten, die ihm die Fabrikation
                              									künstlicher Farben entgegenstellt, in immer noch steigendem Maasse importirt.
                              									Verfahren zur Verbesserung der Blauholzextracte, die im Wesentlichen eine Oxydation
                              									des Hämatoxylins zu Hämateïn bewirken wollen, sind viele vorgeschlagen, zum Theil
                              									patentirt worden. Die kritische Lage der deutschen Extractfabrikation hat die Frage
                              									der Werthbestimmung der Blauholzextracte zur Discussion gebracht. Eine umfassende
                              									Untersuchung von v. Cochenhausen (Leipziger
                                 										Monatsschrift
                              									für Textilindustrie) entscheidet die Sache dahin, dass
                              									in geeigneter Weise Probefärbungen zu nehmen sind. Wir verweisen darüber auf die
                              									Originalabhandlung. Die Untersuchung zahlreicher in- und ausländischer Extracte
                              									ergab regelmässig nur eine ganz geringe Menge Hämateïn, was aus dem Umstand erklärt
                              									wird, dass dieser Körper sich ausserordentlich leicht zu nicht färbenden Substanzen
                              									weiter oxydirt. Deshalb sollte auch der Extractfabrikant jede Möglichkeit einer
                              									Oxydation meiden, diese muss allein dem Färber überlassen bleiben, welchem als
                              									einfachstes und bestes Mittel zu diesem Ende Verfasser die Behandlung mit Luft bei
                              									Gegenwart von Ammoniak empfiehlt. Hämateïn darf nur auf Chromoxydbeize ausgefärbt
                              									werden, nicht auf chromsäurehaltiger, die es zum Theil zerstören würde.
                           Unter die Verfahren zur Verbesserung des Blauholzextractes ist in gewissem Sinne auch
                              									die Dahl und Co. patentirte Einwirkung von
                              									Nitrosodimethylanilin auf denselben zu rechnen, die vielleicht im Wesentlichen auf
                              									einer Bildung eines Gallocyanins beruht, da die Extracte bekanntlich Gerbstoff
                              									enthalten.
                           J. J. Hummel, der die umfassendsten Untersuchungen
                              									angestellt hat über die Echtheit der Farbstoffe bei ihrer verschiedensten
                              									Verwendung, setzt seine Arbeiten noch fort und hofft in deren Verlauf vielleicht
                              									auch dem Farbenfabrikanten nützliche Winke geben zu können über den molekularen Bau
                              									voraussichtlich echter Farbstoffe. Seine bisherigen Resultate sind zum Theil in
                              									einem Vortrag vor der Society of Arts niedergelegt. Wir können hier aus dem
                              									umfassenden interessanten Material nur einige Einzelheiten herausgreifen. Es wird
                              									besonders aufmerksam gemacht auf die verschieden starke Widerstandsfähigkeit eines
                              									und desselben Farbstoffes gegen den Einfluss des Lichtes, je nachdem er auf der
                              									einen oder anderen Faser sich befindet. Baumwolle liefert gewöhnlich die unechteste
                              									Färbung, Wolle die echteste, während Seide in der Mitte steht. Das Verhältniss der
                              									beiden letzteren kehrt sich indessen bisweilen in das Gegentheil um. Nicht allgemein
                              									bekannt ist vielleicht die geringe Lichtechtheit des Tartrazins auf Seide, das doch
                              									auf Wolle so hervorragend echte Färbungen liefert.
                           Interessant ist dem Eosin gegenüber die ungleich grössere Lichtechtheit des einfach
                              									nur äthylirten Eosins.
                           Die Walkechtheit, besonders eine Eigenthümlichkeit der beizenziehenden Farbstoffe,
                              									kommt auch einigen Kongofarben in hervorragendem Maasse zu. Für erstere wird das
                              									Erforderniss einer genügenden Menge der Beize betont.
                           Die Farbenfabriken vorm. Bayer und Co. haben sich ein
                              									Verfahren patentiren lassen, wodurch die Substantiven violetten und blauen
                              									Azofarbstoffe Azoviolett, Benzoazurin G und 3 G u.s.w. absolut lichtecht werden
                              									sollen und bedeutend widerstandsfähiger als vorher gegen Seife und Alkalien.
                              									Dasselbe besteht in einem nachträglichen Kochen des gefärbten Zeuges mit einer
                              									Kupfervitriollösung oder der Lösung eines anderen Kupfersalzes. Der Ton der Farben
                              									wird dabei verändert. Benzoazurin 3 G verwandelt sich in ein grünliches Blau,
                              									Azoviolett mit etwas Benzoazurin 3 G gibt schöne indigo- und marineblaue Töne. Man
                              									färbt Baumwolle, Leinen oder Jute, indem man sie mit 2 Proc. Farbstoff, 5 Proc.
                              									Kochsalz (oder 3 Proc. Kochsalz und 5 Proc. phosphorsaurem Natron) und 2½ Proc.
                              									Seife eine Stunde kocht, dann spült und ¼ Stunde mit 5 Proc. Kupfervitriol kochend
                              									behandelt.
                           Nölting und Herzberg
                              									konnten auch die Lichtechtheit der Färbungen mit basischen Farbstoffen, wie Fuchsin,
                              									Methylviolett, Malachitgrün, verbessern durch Behandeln mit Kupfersulfat; die
                              									Schönheit der ursprünglichen Nuance wird dabei zum Theil allerdings sehr stark
                              									beeinträchtigt. A. Scheurer stellte umfassende Versuche
                              									mit ammoniakalischer Kupfersulfatlösung an, aus denen hervorgeht, dass die Zahl der
                              									Farben, welche in solcher Weise von Kupferverbindungen vor der Vergänglichkeit im
                              									Lichte mehr oder weniger geschützt werden können, eine recht grosse ist. Scheurer's Theorie von der Sache ist die, dass das
                              									Licht beim Durchgang durch die seiner Ansicht nach nur umhüllende Kupferverbindung
                              									seiner actinischen Strahlen beraubt dem Farbstoff nichts mehr anhaben könne, was
                              									mindestens zweifelhaft erscheint. Da wir über die Ursache des Verbleichens der
                              									Farben nichts Positives wissen, die stark reducirende Wirkung des Lichtes aber in
                              									vielen Fällen nachgewiesen ist, so ist J. J. Hummel
                              									eher geneigt, die Erklärung des Phänomens in einer ausgleichenden Gegenwirkung der
                              									wohl bekannten oxydirenden Fähigkeiten der Kupfer Verbindungen gegen die reducirende
                              									Action des Lichtes zu suchen. Hummel erinnert daran,
                              									dass die in Rede stehenden Eigenschaften des Kupfers schon früher beobachtet wurden,
                              									dass unter anderm Schunk bei seiner Untersuchung über
                              									das Chlorophyll auf den beständigen grünen Farbstoff hingewiesen, den das sonst so
                              									unechte Blattgrün in Verbindung mit Kupfer bildet.Es sei hier
                                    											übrigens auch auf die Untersuchungen von Tschirch hingewiesen, welcher in den Schunck'schen Kupferverbindungen Derivate eines
                                    											Umwandelungsproductes des Chlorophylls, des Phyllocyanins, erkannt
                                    										hat. Er erinnert ferner daran, dass schon 1860 Gladstone und Wilson
                              									vorschlugen, Färbungen mit farbloser fluorescirender Substanz (Chininsulfat) zu
                              									imprägniren, offenbar auch mit dem Gedanken, die actinischen Strahlen zu
                              									filtriren.
                           Es sind noch keine grossartigen Resultate, die die regere Inangriffnahme des Studiums
                              									vorstehend erörterten Gegenstandes zu Tage gefördert hat, aber die Wege sind doch
                              									schärfer vorgezeichnet, auf denen die weitere Forschung mehr wird erlangen
                              									können.
                           Die Litteratur des geschilderten Gebietes ist in der seit unserem letzten Bericht
                              									verflossenen Zeit durch besonders zahlreiche Erscheinungen bereichert worden.
                           Von dem bereits früher erwähnten Werke: J. Dépierre, Traité
                                 										de la teinture et de l'impression etc., ist jetzt der zweite Theil
                              									erschienen, in welchem ausschliesslich die Anwendung der Alizarinfarbstoffe auf das
                              									Ausführlichste besprochen und durch sehr zahlreiche und schön ausgeführte Muster
                              									erläutert wird. Im Uebrigen verweisen wir auf unsere frühere Besprechung.
                           Als ein Werk von bleibendem Verdienste muss ferner die durch E. Nölting und A. Lehne veranstaltete
                              									deutsche Ausgabe des Nölting'schen Werkes über das
                              									Anilinschwarz bezeichnet werden. Dasselbe hat seinen früheren mehr polemischen
                              									Charakter verloren, nimmt mehr Rücksicht auf die technische Seite der Frage und ist
                              									durch Beigabe zahlreicher, vorzüglich ausgeführter Druckmuster in werthvoller Weise
                              									bereichert worden.
                           Das seit langer Zeit literarisch vernachlässigte Gebiet der Seidenfärberei findet
                              									eine neue, treffliche und vollkommen auf dem Boden der Praxis stehende Behandlung
                              									durch G. H. Hurst in dessen Werke: Silk Dyeing, Printing
                              									and Finishing, welches ebenfalls durch zahlreiche,
                              									wenn auch sehr kleine Muster illustrirt ist.
                           Das von V. H. Soxhlet verfasste Werk: Die Färberei der Baumwolle mit direct färbenden
                                 										Farbstoffen ist nicht frei von Fehlern und entbehrt eines einheitlichen
                              									Planes in der Anordnung. Besser ist des gleichen Verfassers in Gemeinschaft mit B. F. Wharton herausgegebenes Handbuch der Kattundruckerei.
                           Von dem bekannten ausgezeichneten Werke von Hummel-Knecht:
                                 										Bleicherei und Färberei der Gespinnstfasern ist eine zweite bis auf die
                              									neueste Zeit vervollständigte Auflage erschienen.
                           Die 1891 erschienene zweite Lieferung von Witt's Chemischer Technologie der Gespinnstfasern bespricht
                              									die in der Färberei und dem Zeugdruck angewendeten Chemikalien.
                           Auf dem Gebiete der Farbstoffe ist in erster Linie die von G.
                                 										Schultz veranstaltete und dem raschen Fortschritt der Farbstofftechnik
                              									entsprechend vollkommen umgestaltete zweite Auflage der Schultz-Julius'schen Tabellen als sehr werthvolle Bereicherung unserer
                              									Literatur zu begrüssen.
                           Das schöne Werk von R. Nietzki über die Chemie der organischen Farbstoffe ist durch A. Collin und W.
                                 										Richardson in trefflicher Weise ins Englische übertragen worden, wobei die
                              									zahlreichen neuen Forschungen auf diesem Gebiete in gebührender Weise berücksichtigt
                              									worden sind.
                           Von P. Friedländer's Fortschritten der Theerfarbenfabrikation ist ein zweiter, bis zum Jahre
                              									1890 reichender Band erschienen. Die Anzahl der in demselben aufgeführten Patente
                              									ist ein Beweis für die ungemein rege Thätigkeit auf diesem Gebiete.
                           Unsere Kenntniss des Indigo ist durch zwei werthvolle Monographien sehr erweitert
                              									worden. Die eine derselben, von G. v. Georgewics,
                              									bespricht die Handelssorten des Indigo und seine verschiedenen Verwendungen. Die
                              									andere, Indigo Manufacture, von Bridges-Lee ist in Calcutta erschienen und schildert auf Grund
                              									langjähriger Erfahrung des Verfassers die Herstellung des Farbstoffs am Orte seiner
                              									Gewinnung, wobei vielfach Winke zur Verbesserung und rationelleren Ausgestaltung der
                              									Fabrikation gegeben werden.
                           Nicht unerwähnt darf ferner das Werk von O. Schluttig
                              									und G. S. Neumann: Die Eisengallustinten bleiben, in
                              									welchem der Versuch gemacht wird, die Entdeckungen von S.
                                 										Kostanecki über die Natur der beizenfärbenden Farbenstoffe für die Technik
                              									der Tintenfabrikation nutzbringend zu machen.
                           Zu immer grösserer Bedeutung und Wichtigkeit gelangen die von den grossen deutschen
                              									Farbenfabriken auf Grund eigener und mitunter höchst umfassender Untersuchungen
                              									herausgegebenen Druck- und Färbevorschriften, welche stets durch beigegebene Muster
                              									in reicher Weise illustrirt sind. Besonders zahlreiche Vorschriften haben in den
                              									letzten Jahren die Firmen: Farbenfabriken vorm. F. Bayer und
                                 										Co., Actiengesellschaft für Anilinfabrikation zu Berlin, L. Cassella und
                                 										Co. in Frankfurt a. M., Farbwerke Höchst a. M.
                              									und Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen a.
                              									Rh. veröffentlicht. Die letztgenannte Firma gab ausser ihren Vorschriften für
                              									einzelne Farbstoffe noch ein in drei Bände zerfallendes Werk heraus, welches in
                              									seiner Gesammtheit ein vollständiges Compendium der Färberei und Druckerei mit
                              									künstlichen Farbstoffen bildet. Neu und eigenartig ist der erste Theil, in dem
                              									in vollkommen objectiver Weise ein Ueberblick über das Gesammtgebiet der
                              									Theerfarbstoffe unter Hervorhebung der für den Färber wichtigen Momente gegeben
                              									wird. Der in den letzten Tagen erschienene dritte Theil behandelt die
                              									Alizarinfarbstoffe und, in besonders eingehender Weise, die Verwendung derselben in
                              									der Wollen- und Seidenfärberei.
                           Zum Schluss sei, bei der hervorragenden und noch immer nicht genug gewürdigten
                              									Bedeutung des Gegenstandes für den Textilindustriellen, noch auf das tüchtige Werk
                              									von Ferd. Fischer: Das Wasser, seine Verwendung und
                                 										Beurtheilung, mit besonderer Berücksichtigung der gewerblichen Abwässer,
                              									hingewiesen.