| Titel: | Ueber ein für Wärmestrahlen undurchlässiges Glas. | 
| Autor: | Richard Zsigmondy | 
| Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 69 | 
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                        Ueber ein für Wärmestrahlen undurchlässiges
                           								Glas.
                        Von Richard Zsigmondy.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 17 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildung.
                        Ueber ein für Wärmestrahlen undurchlässiges Glas.
                        
                     
                        
                           Beispiele für die praktische Anwendung von Schirmglas.
                           Die folgenden Zeilen mögen dazu dienen, anzudeuten, für welche Zwecke der Industrie
                              									und des Haushaltes das für Wärmestrahlen wenig durchlässige Glas etwa Verwendung
                              									finden könnte. Ich möchte gleich eingangs erwähnen, dass es sich mir dabei in erster
                              									Linie um Erörterungen und Beispiele handelt, die Prüfung der Brauchbarkeit des
                              									Schirmglases für den einen oder den anderen Zweck, die Feststellung der besten
                              									Dimensionen und zweckmässigsten Anordnung aber den Gegenstand einer in sich
                              									abgeschlossenen umfangreichen Arbeit bilden würde, die in Angriff zu nehmen ich bis
                              									jetzt nicht Gelegenheit hatte. Nur in einzelnen Fällen konnte ich praktische
                              									Versuche im Kleinen ausführen und ich werde nicht ermangeln, dieselben passenden
                              									Orts anzuführen.
                           Ehe ich indess näher auf mein Thema eingehe, möchte ich vorerst einen naheliegenden
                              									Einwand entkräften, denn mancher Leser wird vielleicht an der bläulichen Färbung der
                              									Eisenoxydulgläser Anstoss nehmen und meinen, gefärbte Gläser könne man in der Zeit
                              									des farblosen Glases höchstens für Kirchenfenster u. dgl. verwenden. Aber, abgesehen
                              									davon; dass die Färbung keine unschöne und auch keine intensive ist, halte ich die
                              									Herstellung farbloser oder beinahe ungefärbter, stark absorbirender
                              									Eisenoxydulgläser gar nicht für unmöglich, nur würde ich an diese Frage erst dann
                              									herantreten, wenn ich mich einmal von der erfolgreichen Verwendung und beifälligen
                              									Aufnahme des Schirmglases überzeugt habe. Uebrigens werde ich auf die Färbung noch
                              									mehrmals zurückkommen.
                           Um den zu behandelnden Stoff übersichtlich zu gestalten, möchte ich mir erlauben, die
                              									aus Schirmglas zu fertigenden Gegenstände ihrer Verwendung nach in zwei Gruppen zu
                              									theilen. Die erste Gruppe umfasse Glaswaaren, die dazu dienen, eine beleuchtete Fläche vor Einwirkung der Wärmestrahlen zu bewahren,
                              									hier hat das Glas im wahren Sinne des Wortes als Schirm zu dienen; in die zweite
                              									Gruppe wären jene Glaswaaren einzureihen, die einen zu erleuchtenden Raum vor Erwärmung durch Sonnenstrahlen zu schützen
                              									haben.
                           In die erste Gruppe gehören also Lampenschirme, Ofenschirme, Schutzbrillen,
                              									Glasdachziegel; in die zweite Gruppe Glasfenster, Glasjalousien, Deckglas für
                              									Treibhäuser, Glasdachziegel u. dgl. mehr.
                           Ein principieller Unterschied dieser beiden Gruppen besteht darin, dass bei
                              									Glaswaaren der ersten Gruppe die Wärme für den Raum, in welchem sie erzeugt wird,
                              									nicht verloren geht (ein gläserner Ofenschirm z.B. wird wohl eine bestrahlte Fläche
                              									vor zu grosser Erwärmung schützen können, die Zimmerluft wird aber genau ebenso warm
                              									werden, ob der Schirm dasteht oder nicht), während durch Glaswaaren der zweiten
                              									Gruppe vielmehr der Raum selbst, und damit auch die Luft des betreffenden Raumes
                              									gegen Erwärmung durch Strahlen, die von aussen her
                              									eindringen; bewahrt werden soll.
                           Um eine Vorstellung zu geben, in welcher Weise ein Glasschirm schützend gegen die
                              									dunklen Wärmestrahlen wirkt, sei es mir gestattet, eine graphische Darstellung
                              									dieser Verhältnisse, wie sie in Tyndall's trefflichem
                              									Werke „Die Wärme, betrachtet als eine Art der
                                    											Bewegung“ enthalten ist, wiederzugeben.
                           Textabbildung Bd. 287, S. 68Fig. 2. Es sei F das Feuer, von dem die Strahlen in
                              									geradem Wege auf die Person P fallen würden. Ehe der
                              									Schirm zwischengestellt worden war, folgte jeder Strahl seinem Wege direct nach P.
                              									Der Schirm S fängt nun die dunklen Wärmestrahlen auf
                              									und wird seinerseits hierdurch erwärmt. Statt also die Strahlen in der
                              									ursprünglichen Richtung hindurchzulassen, strahlt er sie als ein warmer Körper nach
                              									allen Richtungen hin aus (wie die schwach punktirten Linien der Zeichnung andeuten)
                              									und gibt gleichzeitig einen Theil seiner Wärme durch Mittheilung an die ihn
                              									umgebende Luft ab. Daher kann er der Person P nicht
                              									alle von ihm aufgefangene Wärme wiedergeben. Ein Theil der Wärme wird allerdings
                              									auch jetzt noch der Person P zugestrahlt, aber der bei
                              									weitem grössere Theil ist von P abgelenkt und nach
                              									anderen Richtungen hin zerstreut.
                           
                              1. Gruppe.
                              Gläserne Ofenschirme werden in den Wohnräumen der
                                 										Engländer schon seit langer Zeit verwendet, um die von dem meist offenen Feuer
                                 										ausgehenden dunklen Wärmestrahlen theilweise aufzunehmen und die Wärme der
                                 										Zimmerluft mitzutheilen. Es wird dadurch erreicht, dass die Bewohner des Zimmers
                                 										vor der bei heller Glut oft recht lästigen Bestrahlung geschützt werden, ohne
                                 										jedoch zur Anwendung von Metallschirmen greifen zu müssen, welche der an den
                                 										Anblick des Feuers gewöhnte Sohn Albions gewiss nur mit Widerwillen verwenden
                                 										würde.
                              Auch ich glaube, dass für diesen Zweck Schirme aus gewöhnlichem Glase ganz gute
                                 										Dienste leisten werden, für sehr empfindliche oder auch für augenleidende
                                 										Personen wird indess die Verwendung des neuen Glases vielleicht dennoch von
                                 										Vortheil sein.
                              Anders stehen die Verhältnisse bei den Oefen, welche unsere Industrie für
                                 										Schmelz- und Sinterungszwecke verwendet. Mächtige Feuergarben durchstreichen
                                 										hier oft wochenlang den Innenraum des Ofens und bringen Tiegel und Ofenwände auf
                                 										die höchste Weissglut. Die Hitze, welche z.B. dem Glasofen mit
                                 										Regenerativfeuerung entströmt, ist so intensiv, dass Leute, welche, ohne daran
                                 										gewöhnt zu sein, einen Blick in die blendende Glut eines solchen Ofens werfen
                                 										wollen und demselben dabei zu nahe kommen, zurückweichen müssen. Ich selbst
                                 										erinnere mich eines Falles, wo mir ein Schutz gegen die Wärmestrahlen eines
                                 										Siemens-Ofens sehr angenehm gewesen wäre. Ein Versuchstiegel, etwas abseits auf
                                 										die Ränder zweier Glashäfen gestellt, hatte sich zur Seite geneigt. Es galt,
                                 										denselben zu beobachten, was mir, da ich mich nahe zur Arbeitsöffnung hinstellen
                                 										musste, beinahe unmöglich wurde. Hier würde gewöhnliches Glas nicht viel nützen;
                                 										dünneres wird durchstrahlt, ebenso dickeres Glas; letzteres würde ausserdem
                                 										springen. Ein Stück Schirmglas aber könnte gute Dienste leisten. Um das Springen
                                 										desselben hintanzuhalten, würde ich vorschlagen; mehrere dünne Glasscheiben aus
                                 										Eisenoxydulglas zu einem Schirm zu vereinigen. Man könnte zwischen den einzelnen
                                 										Platten Zwischenräume zur Luftcirculation lassen und dieselben mit einem
                                 										durchlöcherten Rahmen umgeben, falls der Schirm ständig der Ofenhitze ausgesetzt
                                 										werden soll; für vorübergehenden Gebrauch ist diese Vorsichtsmaassregel
                                 										jedenfalls nicht nöthig.
                              Wäre indess dennoch ein Springen der ersten Platte zu befürchten, so könnte man
                                 										als Basis für dieselbe ein neues, für Temperaturdifferenzen unempfindliches Glas
                                 										von Dr. O. Schott in JenaDieses
                                       												neue Glas leistet in Bezug auf Widerstandsfähigkeit gegen
                                       												Temperaturschwankungen Bewunderungswürdiges. Ich sah Herrn Schott einen Kolben, in dem siedendes
                                       												Glycerin sich befand, mit kaltem Wasser bespritzen; jeder andere Kolben
                                       												würde wohl gesprungen sein, der dickwandige Probekolben blieb
                                       												intact. verwenden.
                              Unter der Einwirkung der strahlenden Wärme haben entschieden die Augen am meisten
                                 										zu leiden. Dr. G. Salviati berichtet im Journal of the Society of Arts (vgl. 1890 278 311), dass die Glasarbeiter von Murano in ihrem
                                 										späteren Lebensalter meistens erblinden. Auch die Augen anderer Feuerarbeiter
                                 										werden durch das fortwährende Schauen in die Glut stark mitgenommen und
                                 										geschwächt. Fragt man diese Leute, warum sie keine Brillen nehmen, so erhält man
                                 										die verschiedenartigsten Auskünfte. Die einen meinen, der Schweiss belästige die
                                 										Augen mehr als die Hitze; anderen wieder rinnt der Schweiss über die Brille und
                                 										sie sehen gerade im entscheidenden Momente nichts. Wieder andere behaupten, dass
                                 										sie ausserhalb des Ofens (wo sie ihre Arbeit verrichten müssen) durch gefärbte
                                 										oder durch Rauchgläser nichts sehen, helle Gläser aber nichts nützen; noch
                                 										andere würden eine Brille schon benützen, aber das Glas ist ihnen gesprungen;
                                 										endlich gibt es natürlich auch solche, die thatsächlich durch Gläser in die Glut
                                 										sehen, doch wirken hier auch andere Momente hindernd ein: so schenkte ich dem
                                 										Schürer einer Glasfabrik einst einen Zwicker aus Rauchglas, weil er über
                                 										empfindliche Augen geklagt hat. Der Mann war mir sehr dankbar, nur bat er mich,
                                 										dem Fabriksherrn nichts davon zu erzählen.
                              Fasst man alle diese verschiedenartigen Angaben zusammen, so kann man sich kaum
                                 										der Ansicht erwehren, dass die Leute ihre Augen nicht schützen, weil sie eben
                                 										nichts Praktisches, Zweckentsprechendes zur Verfügung haben.
                              Wollten wir nun wirklich zweckentsprechende Schutzbrillen herstellen, so müssten
                                 										wir zunächst die Frage stellen: Welche Strahlen sind es, die das Auge am meisten
                                 										schädigen? Ich glaube, die Antwort wird nicht schwer zu finden sein: es sind die
                                 										Strahlen grösserer Wellenlänge; gerade diese werden von dem Eisenoxydulglas
                                 										aufgenommen. Man kann sich auch leicht selbst von der angenehmen Wirkung
                                 										eines nur schwach gefärbten Schirmglases überzeugen, wenn man in die Flamme
                                 										sieht und jenes davor hält. Um das dem Auge unangenehme Gelb zu entfernen,
                                 										könnte dem Glassatz ausserdem eine Spur Kobalt zugesetzt werden. Man hätte dann
                                 										ein Glas, das genügend hell und durchsichtig, dem Arbeiter das Sehen im dunklen
                                 										Hüttenraum nicht erschwert, gleichzeitig aber alle dem Auge lästigen Strahlen
                                 										abhält oder schwächt.
                              Hat man einmal das richtige Material, dann kann die zweckmässige Anordnung nicht
                                 										mehr schwierig sein. Auch hier könnte man mehrere Blättchen zu einer Brille
                                 										vereinigen, oder zwei Gläser anwenden, das erste aus Schott'schem Glase. Selbstverständlich müsste bei der Construction der
                                 										Brille auch darauf Bedacht genommen werden, dass der Schweiss nicht über die
                                 										Gläser herablaufen könnte.
                              Ein Glas aber, das diesen Anforderungen entspricht, würde wohl manchem Arbeiter
                                 										willkommen sein.
                              Lampenschirme.
                              Ein oft gerügter Uebelstand der Erdöl- und Gaslampen ist die grosse Hitze, welche
                                 										dieselben abgeben. Allgemein klagt man darüber, dass Gaslampen die Zimmer zu
                                 										sehr heizen, die Luft verderben. Frische und abgekühlte Luft hereinzubringen,
                                 										ist Sache der guten Ventilation, diese Frage interessirt uns hier also weiter
                                 										nicht. Mindestens ebenso unangenehm fühlbar macht sich aber der von den Lampen
                                 										durch Strahlung ausgesandte Theil der Wärme und dieser kann durch Lüftung nicht
                                 										entfernt werden.
                              Man kann deshalb annehmen, dass ein Schutz gegen die strahlende Wärme der Lampen
                                 										sehr erwünscht wäre, und wiederholt wurde mir von Bekannten der Wunsch
                                 										geäussert, einen Schirm aus solchem für Wärmestrahlen undurchdringlichen Glase
                                 										zu besitzen.
                              Ich hatte Gelegenheit, hier selbst praktische Versuche anzustellen. Es standen
                                 										mir zu diesem Zweck mehrere Lampenkugeln, Cylinder für Argandbrenner und zwei
                                 										Glasplatten zur Verfügung, die aus dem Glase A angefertigt worden waren. Leider
                                 										musste beim Abschmelzen des Glases wohl irgend ein Irrthum unterlaufen sein,
                                 										denn die Gläser hatten weder die Farbe, noch das Absorptionsvermögen meines
                                 										Glases A.
                              Ich will dieses Glas zum Unterschiede vom Originalglase A mit A1 bezeichnen. Die Durchlässigkeit für strahlende
                                 										Wärme ist dann in folgender Tabelle angeführt:
                              Argandbrenner:
                              
                                 
                                    
                                    Durchgelassene Wärmein Procenten
                                       												dertotalen Strahlung
                                    
                                 
                                    A1 (4,5 mm dick)
                                       15,0 Proc.
                                    
                                 
                                    A1 (3,5   „     „  
                                       												)
                                    22,0    „
                                    
                                 
                                    A  (8,5   „     „   )
                                      0,7    „
                                    
                                 
                                    A  (2,3   „     „   )
                                    13,6    „
                                    
                                 
                              Man sieht also, Glas A1 ist für Wärme viel
                                 										durchlässiger als Glas A. Es dürfen daher die folgenden Daten nicht als
                                 										endgültig feststehende betrachtet werden, da die Versuche eben mit
                                 										unzureichenden Mitteln ausgeführt werden mussten.
                              Immerhin geben sie einen ganz werthvollen Aufschluss darüber, in welcher Weise
                                 										Schirmglas verwendet werden muss, wenn man einen Vortheil davon erwarten will,
                                 										und darum führe ich die betreffenden Resultate hier an.
                              
                              Ich lasse zunächst einige Experimente folgen, welche ohne Benutzung eines
                                 										Messinstrumentes angestellt wurden.
                              Hält man die Hand oder das Gesicht in die Nähe einer hellbrennenden Erdöl- oder
                                 										Gaslampe, deren Schirm vorher entfernt worden ist, so wird man sich bald von der
                                 										kräftigen Wärmestrahlung dieser Lampen überzeugen können. Wird nun zwischen die
                                 										Lampe und den erwärmten Körpertheil schnell eine Platte aus Schirmglas gebracht,
                                 										so hat man augenblicklich das Gefühl der Kälte, das so stark werden kann
                                 										(namentlich wenn die Platte an einem kalten Ort lag), dass man eine Weile die
                                 										Empfindung hat, als ob ein kalter Luftstrom über Gesicht oder Hand streiche.
                                 										Dasselbe empfindet man auch, wenn man statt der Platte A1 eine solche aus Spiegelglas nimmt, nur in viel
                                 										geringerem Maasse und schon nach ganz kurzer Zeit (wenn nämlich die
                                 										Contrastwirkung vorüber ist) fühlt man die Strahlen, welche durch das Glas
                                 										dringen.
                              Die Empfindung, ein kalter Luftstrom streiche über die Hand, wird nicht etwa
                                 										durch einen Luftzug hervorgerufen, denn man kann die Platte so einschalten, dass
                                 										überhaupt keine merkliche Bewegung der Luft eintritt; auch hält das Gefühl der
                                 										Kälte bei Einschaltung der Platte A1 längere
                                 										Zeit an, bis dieselbe sich erwärmt hat.
                              Die Ursache der erwähnten Empfindung ist vielmehr eine Folge der Strahlung der
                                 										erwärmten Hand gegen das kalte Glas, eine Erklärung, die schon seit langem für
                                 										einen analogen Fall in Anwendung gebracht wird. Hängt man nämlich an kalten
                                 										Tagen Wolldecken vor das Fenster, so verhindern diese die Strahlung des Körpers
                                 										gegen das kalte Fenster; entfernt man sie aber, so entsteht das Gefühl, als
                                 										streiche die kalte Luft durch das Fenster und doch handelt es sich hier nicht um
                                 										einen Luftzug, sondern um Strahlung.
                              Befestigt man nun die beiden Platten in einem Stativ in gleichem Abstande vom
                                 										Lampencylinder, so werden sie warm. Nach etwa 20 Minuten ist der Höhepunkt der
                                 										Erwärmung eingetreten, ihre Temperatur steigt jetzt nicht weiter. Man wird dann
                                 										beobachten, dass die Platte aus Schirmglas heisser geworden ist, als die Platte
                                 										aus gewöhnlichem Glase. Sie wird selbst auch etwas mehr ausstrahlen, als das
                                 										andere Glas; dennoch wird man sich durch das Gefühl überzeugen, dass die
                                 										Gesammtstrahlung von Lampe und Platte bei Schirmglas geringer ist, als bei
                                 										gewöhnlichem Glase.
                              Versuche mit der
                                    										Thermosäule.
                              Die nun folgenden Versuche wurden angestellt, um ein Bild darüber zu gewinnen, ob
                                 										die Anwendung eines Lampencylinders aus Schirmglas gewisse Vortheile gewähren
                                 										würde, ferner um eine Vorstellung über die Strablungsverhältnisse des
                                 										Argandbrenners zu bekommen. Ich hatte mich dabei der bereitwilligen und
                                 										liebenswürdigen Unterstützung meines Freundes Dr. Michael Radokovic zu erfreuen.
                              Die Anordnung bei diesen Versuchen war folgende: Ein Holzschirm mit einer 4 qc
                                 										grossen, durch eine kleine Fallthür momentan verschliessbaren Oeffnung war 36,5
                                 										cm von der Mitte eines gewöhnlichen Argandbrenners aufgestellt. In einer
                                 										Entfernung von 25 cm hinter dem Holzschirm befand sich die Thermosäule, so
                                 										aufgestellt, dass die Strahlen der Flamme direct auf die Löthstellen der
                                 										Metallstäbchen fallen konnten. Ausserdem war die Säule mit einem Metalltrichter,
                                 										der die Strahlen des oberen Cylindertheiles gegen die Löthstellen hin
                                 										reflectirte, versehen und mit einem Thomson'schen
                                 										Spiegelgalvanometer verbunden.
                              Die Oeffnung des Holzschirmes blieb für gewöhnlich verschlossen und der
                                 										Verschluss wurde nur dann rasch aufgezogen, wenn man eine Beobachtung machen
                                 										wollte. Der erste Ausschlag des Galvanometers ist dann der im Moment des
                                 										Oeffnens von dem Brenner der Säule zugesandten Wärmemenge und damit der von
                                 										diesem durch Strahlung ausgesandten Wärme proportional.Man wird
                                       												es vielleicht als Fehler bezeichnen, dass die Anordnung nicht so
                                       												getroffen wurde, dass die Strahlen des ganzen Cylinders direct auf die
                                       												Löthstellen der Thermosäule fielen. Eine derartige Aufstellung hätte
                                       												aber andere Uebelstände im Gefolge gehabt, auch handelt es sich hier nur
                                       												darum, dein Techniker ein ungefähres Bild zu geben, wie ein
                                       												Argandbrenner unter Umständen strahlen kann und wie Schirme aus Glas
                                       												wirken. Ein anderer Cylinder, eine andere Flammenhöhe hätten schon
                                       												andere Werthe ergeben.
                              Man kann also in einer Secunde eine Beobachtung machen, zu der man mit dem
                                 										Thermometer 10 bis 20 Minuten brauchen würde, und erhält, wie wir gleich sehen
                                 										werden, über die Strahlung Aufschlüsse, die man auf anderem Wege gar nicht
                                 										erhalten könnte.
                              Zunächst wurde beobachtet, in welcher Zeit der Cylinder heiss wird, und wie die
                                 										Strahlung der Lampe sich dabei ändert.
                              Zu diesem Zweck wurde die Lampe vorerst mit einem Cylinder aus gewöhnlichem
                                 										weissen Glase versehen und die erste Beobachtung ungefähr eine Secunde nach dem
                                 										Entzünden der Flamme angestellt, solange der Cylinder noch vollkommen kalt war,
                                 										wovon man sich durch Berühren desselben mit der Hand überzeugen konnte.
                              Die folgende Tabelle enthält die Daten dieser ersten Beobachtungsreihe:
                              Strahlung des Argandbrenners mit gewöhnlichem Cylinder.
                              
                                 
                                    Nr. derBeobach-tung
                                    Ausschlagin Scalen-theilen
                                    Zeit
                                    Bemerkungen
                                    
                                 
                                      1
                                    22,3
                                    6 Uhr 07 Min.
                                      Cylinder kalt.
                                    
                                 
                                      2  3  4  5
                                    29,041,241,943,0
                                    –   „    –    „6   „   10   „6   „   11   „6   „   12  
                                       												„
                                      Cylinder erwärmt sich.
                                    
                                 
                                      6
                                    42,7
                                    6   „   13   „
                                    Strahlung nimmt nicht mehrzu. Der Cylinder
                                       												wird nichtheisser.
                                    
                                 
                                      7
                                    20,7
                                    6   „   20   „
                                    Eine Secunde nach dem Ver-löschen der
                                       												Flamme.
                                    
                                 
                                      8  9101112
                                    20,3  9,0  4,6  3,2  2,0
                                    6   „   20   „6   „   21   „6   „   22   „6   „   23  
                                       												„6   „   24   „
                                    Cylinder erkaltet.
                                    
                                 
                                    13
                                      1,6
                                    6   „   25   „
                                    Der Cylinder ist noch nichtganz kalt.
                                    
                                 
                              Durch die etwa 6 cm hohe Flamme wird also der Cylinder in ungefähr fünf Minuten
                                 										zum Maximum der Temperatur erwärmt und zwar steigt seine Temperatur anfangs sehr
                                 										rasch, später langsam; ebenso kühlt er sich nach dem Verlöschen der Flamme
                                 										anfangs schnell, später langsam ab.
                              Interessant ist der Vergleich der Beobachtungen 1, 6 und 7. Aus ihnen ergibt sich
                                 										nämlich, dass auf die Flamme selbst etwa die Hälfte der Gesammtstrahlung des
                                 										Argandbrenners fällt. Der liest wird vom Cylinder ausgestrahlt.
                              Im Gegensatz zu diesen ersten sollen die beiden folgenden Versuche dazu dienen,
                                 										die Strahlung des Argandbrenners mit gewöhnlichem Cylinder zu vergleichen mit
                                 											der
                                 										Strahlung des Brenners bei Benutzung eines Cylinders aus Schirmglas. Zu diesem
                                 										Behufe wurde der Hahn der Gasleitung in bestimmter Stellung fixirt und dadurch
                                 										die Höhe der Flamme bestimmt, während der der Lampe nach Bedarf auf- und
                                 										zugedreht werden konnte. Die Versuche wurden zur Mittagszeit rasch hinter
                                 										einander angestellt.
                              
                                 
                                    Brenner mit Schirmglas A1:
                                    
                                 
                                    
                                    Ausschlag in Scalen-theilen
                                    
                                 
                                    Flamme eben angezündet
                                      9,8
                                    
                                 
                                    Cylinder heiss; Ausschlag constant geworden
                                    27,1
                                    
                                 
                                    Cylinder heiss; Flamme eben ausgelöscht
                                    19,0
                                    
                                 
                                    Brenner mit gewöhnlichem
                                       												Cylinder:
                                    
                                 
                                    Flamme eben angezündet
                                    ?
                                    
                                 
                                    Cylinder heiss; Ausschlag constant geworden
                                    26,7
                                    
                                 
                                    Cylinder heiss; Flamme eben ausgelöscht
                                    13,5
                                    
                                 
                              Man ersieht aus der Tabelle zunächst, dass es nicht von Vortheil wäre, einen
                                 										Cylinder aus Schirmglas anzuwenden, denn wenn auch die Strahlung der Flamme
                                 										herabgesetzt wird (sie ist bei dem leider unvollkommenen Probestück immer noch
                                 										ganz beträchtlich), so wird dieser Vortheil doch durch die erhöhte
                                 										Cylinderstrahlung mehr als ausgeglichen. Die Gesammtstrahlung ist vielmehr
                                 										angenähert die gleiche, ob man das eine oder das andere Glas nimmt, da die etwas
                                 										geringere Gesammtstrahlung beim zweiten Versuch vielleicht auf eine kleine
                                 										Schwankung in der Flammenintensität zurückzuführen ist.
                              Bemerkenswerth ist die höhere Strahlung des Glases A1 (19 Scalentheile gegen 13), welche wahrscheinlich auf folgenden zwei
                                 										Ursachen beruht: Erstens dürfte nämlich das Glas in Folge seiner stärkeren
                                 										Absorption heisser werden als gewöhnliches Glas und zweitens strahlt es dann als
                                 										gut absorbirend auch besser aus.
                              Die Thatsache, dass ein grosser Theil der Lampenstrahlung vom Cylinder herrührt,
                                 										ist für die Praxis nicht unwichtig, indem sie andeutet, dass ein richtig
                                 										construirter Schirm den Cylinder möglichst vollständig verdecken muss.
                              So liess die 4,5 mm dicke Platte A1 bei Anwendung
                                 										eines Cylinders aus demselben Glase 11 Proc. der Gesammtstrahlung durch, wenn
                                 										der Cylinder vollständig, 38,6 Proc. aber, wenn nur die Flamme verdeckt wurde.
                                 										Die Strahlung der Tafel selbst, in 3 cm Entfernung vom Cylinder so aufgestellt,
                                 										dass sie denselben ganz verdeckt, beträgt, wenn sie sich erwärmt hat, etwa 10
                                 										Proc. der Gesammtstrahlung ohne Schirm.
                              Wenn nun, wie aus den vorhergehenden Versuchen ersichtlich ist, die Verwendung
                                 										von Eisenoxydulglas für Lampencylinder nicht von Vortheil wäre, so wird dieses
                                 										Glas, in anderer Form zur Anwendung gebracht, doch gute Dienste leisten können,
                                 										wie aus den folgenden Ausführungen hervorgehen wird.
                              
                                 
                                    (Schluss folgt.)