| Titel: | Rudolf Diesel's neue Luftmaschine. | 
| Autor: | Mg. | 
| Fundstelle: | Band 289, Jahrgang 1893, S. 58 | 
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                        Rudolf Diesel's neue Luftmaschine.
                        Mit Abbildungen.
                        Diesel's neue Luftmaschine.
                        
                     
                        
                           Eine beachtenswerthe Neuerung auf dem Gebiete der Kraftmaschinen liegt uns in einer
                              									neuen Verbrennungsmaschine vor, welche nach völlig neuen Grundsätzen arbeitet. Es
                              									ist dies die Maschine von Rudolf Diesel in Berlin,
                              									patentrechtlich geschützt unter Nr. 67207 vom 28. Februar 1892. Eine vortreffliche
                              									Beschreibung dieser Maschine, wie auch eine im Allgemeinen einwandsfreie Theorie des
                              									derselben zu Grunde liegenden Arbeitsverfahrens hat der Erfinder in seinem Buche:
                              										Theorie und Construction eines rationellen Wärmemotors
                                       										zum Ersatz der Dampfmaschine und der heute bekannten Verbrennungsmotoren,
                                 									Berlin 1893, Verlag von Julius Springer, bekannt
                              										gegeben.Vgl. S. 72
                                    											dieses Heftes.
                           Zeuner hat nachgewiesen, dass es nicht möglich sei,
                              									Heissluftmaschinen mit grossem Wirkungsgrade herzustellen. Er ist dabei von den
                              									bekannten Luftmaschinen ausgegangen, bei welchen eine eingeschlossene Luftmenge von
                              									aussen durch die Cylinderwände geheizt wird. Auch die Beheizung der Luft im Inneren
                              									der Maschine durch eine geschlossene Feuerung – Feuerluftmaschinen, Gasmaschinen –
                              									ändert nichts Wesentliches an dieser Thatsache.
                           Nun bringt Diesel aber eine Aenderung des bekannten
                              									Arbeitsverfahrens in Vorschlag, welche wohl als bedeutender Fortschritt gelten
                              									dürfte, falls es gelingt, die praktische Ausführung mit den theoretischen Erwägungen
                              									in Einklang zu bringen.
                           Diesel erzeugt die höchste Temperatur im Arbeitscylinder
                              									nicht durch Verbrennung, sondern durch Verdichtung der Verbrennungsluft. Er denkt
                              									sich Drucke von 200 bis 300 at (!) durch den Arbeitskolben im Arbeitscylinder
                              									hervorgebracht. Im Augenblicke der stärksten Verdichtung wird eine kleine Menge
                              									staubförmiger Kohle oder anderen Brennstoffes so allmählich in den
                              									Arbeitscylinder eingespritzt, dass der wieder vorgehende Kolben die aus der
                              									Verbrennung der eingeführten Kohle in die verdichtete Luft entstehende Wärme in Form
                              									von Arbeit abgeben kann, ohne dass hierdurch im Cylinder eine weitere
                              									Temperaturerhöhung stattfindet! Das Kennzeichnende der Erfindung liegt also darin,
                              									dass die Verbrennungsluft so weit verdichtet wird, dass die Compressionswärme über
                              									den Verbrennungspunkt des benutzten Brennstoffes, jedenfalls aber weit über den
                              									Entzündungspunkt desselben gebracht wird; die höchste Temperatur im Arbeitscylinder
                              									ergibt sich somit aus der Compressionswärme, nicht aber aus der Verbrennungswärme,
                              									wie dies bisher der Fall war.
                           Das Arbeitsverfahren der bisher bekannten Motoren, welche die Verbrennungswärme von
                              									Brennstoffen direct im Cylinder zur Arbeitsleistung verwenden, ist durch das
                              									theoretische Indicatordiagramm (Fig. 1)
                              									gekennzeichnet.
                           Auf der Curve 1, 2 wird ein Gemenge von Luft und
                              									Brennstoff comprimirt, im Punkt 2 wird das brennbare
                              									Gemenge entzündet; durch die nun folgende Verbrennung tritt eine plötzliche
                              									Drucksteigerung von 2 nach 3 ein, begleitet von einer sehr bedeutenden Temperatursteigerung; die
                              									explosionsartige Verbrennung ist eine so rasche, dass der Weg des Kolbens während
                              									der Verbrennung nahezu Null ist. Im Punkt 3 ist die
                              									Verbrennung der Hauptsache nach beendigt. Von 3 nach
                              										1 hin findet Expansion unter Arbeitsverrichtung
                              									statt, wodurch Druck und Temperatur der Verbrennungsgase wieder sinken.
                           Bei allen bisher bekannten Verbrennungsverfahren ist der Verbrennungsvorgang sich
                              									selbst überlassen, sobald die Zündung stattgefunden hat; der Druck und die
                              									Temperatur werden bei denselben nicht während des eigentlichen Verbrennungsvorganges
                              									im Verhältniss zum jeweiligen Volumen der Luftmasse geregelt oder gesteuert. Aus
                              									diesem unrichtigen Verhältniss zwischen Druck, Temperatur und Volumen entspringen
                              									bei allen diesen Verfahren folgende Nachtheile:
                           1) Die durch die Verbrennung entstehende Temperatur ist immer so hoch, dass die
                              									mittlere Temperatur des Cylinderinhaltes, welche das Dichthalten der Organe, die
                              									Schmierung, überhaupt den praktischen Gang der Maschine ermöglicht, nur durch
                              									energische Kühlung der Cylinder- bezieh. Ofenwände erreichbar ist, wodurch ein
                              									grosser Wärmeverlust entsteht.
                           2) Die Verbrennungsgase werden durch die Expansion ungenügend abgekühlt und
                              									entweichen noch sehr heiss, was einen zweiten grossen Wärmeverlust bedeutet.
                           Auch diejenigen Motoren, welche von 1 nach 2 (Fig. 1) reine Luft
                              									comprimiren und in der Nähe des Punktes 2 plötzlich
                              									Brennmaterial unter gleichzeitiger Zündung einspritzen, zeigen die Drucksteigerung
                              										2, 3, verbunden mit bedeutender
                              									Temperatursteigerung.
                           Dasselbe findet statt bei den Motoren, welche die Compression 1, 2 so hoch treiben, dass die durch Compression entstehende Temperatur
                              									das Gemisch von selbst entzündet. Die Entzündungstemperaturen der meisten
                              									Brennmaterialien liegen sehr niedrig, für Erdöl z.B. bei 70 bis 100°; wenn durch die
                              									Compression diese Temperatur entstanden ist, was schon bei niedrigen Drucken der
                              									Fall ist (bei Erdöl unter 5 at, bei Gas etwa 15 at), so findet die Zündung von
                              									selbst statt; die auf die Zündung folgende Verbrennung steigert aber auch hier die Temperatur
                              									sehr bedeutend und erzeugt die Drucksteigerung 2, 3
                              										(Fig. 1). Die bei der Verbrennung auftretende
                              									höchste Temperatur oder Verbrennungstemperatur ist von der Entzündungstemperatur,
                              									welche nur von den physikalischen Eigenschaften des Brennmaterials abhängt,
                              									vollständig unabhängig.
                           Der Explosions- oder Verbrennungsvorgang beansprucht eine gewisse Zeit, daher
                              									gestaltet sich die Linie 2, 3 nicht ganz senkrecht,
                              									sondern, wie punktirt, etwas schräg, mit dem abgerundeten Uebergang bei 3.
                           Das Kennzeichen aller dieser Verfahren bleibt jedoch: Steigerung des Druckes und der
                              									Temperatur durch die Verbrennung und während derselben und hierauf folgende
                              									Arbeitsleistung durch Expansion; Verbrennungsvorgang nach Zündung sich selbst
                              									überlassen.
                           Das neue Verfahren ist durch das theoretische Diagramm (Fig.
                                 										2) veranschaulicht. Nach diesem Verfahren wird nach der Curve 1, 2 atmosphärische Luft in einem Cylinder so hoch
                              									comprimirt, dass durch diese Compression von vornherein vor dem Eintreten einer
                              									Verbrennung der höchste Druck des Diagramms und gleichzeitig damit die höchste
                              									Temperatur entsteht, also die, bei welcher die später erfolgende Verbrennung
                              									stattfinden soll, d.h. die Verbrennungstemperatur (nicht Entzündungstemperatur).
                              									Soll z.B. die spätere Verbrennung bei 700° stattfinden, so ist der Druck 64 at, für
                              									800° 90 at u.s.w.
                           Textabbildung Bd. 289, S. 59Fig. 1.Textabbildung Bd. 289, S. 59Fig. 2.Textabbildung Bd. 289, S. 59Fig. 3. Hierauf wird in diese comprimirte Luftmasse von aussen fein vertheilter
                              									Brennstoff allmählich eingeführt; derselbe entzündet sich, da ja die Luftmasse weit
                              									über Fig. 3. die zur Zündung nöthige Temperatur
                              									erhitzt ist; gleichzeitig mit der allmählichen Einfuhr von Brennstoff geht eine
                              									Expansion der Luftmasse einher, welche derart geregelt ist, dass die durch Expansion
                              									hervorgerufene Abkühlung die durch Verbrennung der einzeln einfallenden
                              									Brennstoffpartikel entstehende Wärme sofort aufhebt; in Folge dessen äussert sich
                              									die Verbrennung nicht in Temperatursteigerung, sondern lediglich in Arbeitsleistung,
                              									und auch nicht in Drucksteigerung, da sie in Folge der gleichzeitigen Expansion bei
                              									abnehmendem Druck stattfindet.
                           Die Verbrennung findet statt nach der Curve 2, 3 (Fig. 2), sie ist auch nicht plötzlich, sondern findet
                              									statt während einer bestimmt vorgeschriebenen Admissionsperiode von Brennstoff
                              									während des Kolbenweges w, welche Admissionsperiode
                              									durch eine Steuerung geregelt und bestimmt wird, und welche den Erfolg hat, dass der
                              									Verbrennungsvorgang nach der Zündung nicht sich selbst überlassen ist, sondern
                              									während der ganzen Dauer seines Verlaufes derart geregelt wird, dass Druck,
                              									Temperatur und Volumen in vorgeschriebenem Verhältniss stehen. Die Länge dieser
                              									Admissionsperiode ist es, welche von der Steuerung festgestellt wird; auch der
                              									Regulator beeinflusst die Länge dieser Periode, welche, wie die Admissionsperiode
                              									der Dampfmaschinen, 10 Proc. und mehr des Kolbenweges betragen kann, aber auch
                              									unter gewissen Umständen bis auf wenige Procent des Kolbenweges heruntergehen
                              									kann.
                           Würde man die Luft ohne Brennstoffzufuhr expandiren lassen, so würde die Curve 2, 1 entstehen, d.h. die Expansion würde keine Arbeit
                              									leisten, sondern lediglich die vorher aufgewendete Compressionsarbeit an den Kolben
                              									zurückgeben; dadurch aber, dass Brennstoff allmählich eingeführt wird, entsteht
                              									zwischen Curve 1, 2 und 2,
                                 										3 an jeder Stelle eine Druckdifferenz p, in
                              									Folge deren die Expansionsarbeit grösser wird als die Compressionsarbeit und eine
                              									Nutzarbeit entsteht.
                           Im Punkt 3 des Diagramms hört die Brennstoffzufuhr auf
                              									und die Expansion der Verbrennungsgase geht selbsthätig und arbeitsverrichtend nach
                              									Curve 3, 4 weiter. Da der Druck im Punkt 2 zur Erzeugung der höchsten Temperatur ein sehr hoher
                              									war und auch im Punkt 3 noch sehr hoch ist, so wird die
                              									Expansion von 3 nach 4
                              									eine so starke Abkühlung der Gasmasse herbeiführen, dass dieselbe beim Verlassen der
                              									Maschine nur unbedeutende Wärmemengen entführt.
                           Auch hier wird die Ecke 2 des Diagramms sich nicht
                              									scharf ausprägen, sie wird vielmehr die punktirt angedeutete abgerundete Form
                              									annehmen; auch sind die im Laufe des Textes vorkommenden Ausdrücke, wie
                              										„Verbrennung ohne Temperatursteigerung“ u.s.w. nicht mathematisch scharf
                              									aufzufassen, da der Praxis Rechnung zu tragen ist; es soll nur gesagt sein, dass bei
                              									dem neuen Verfahren der höchste Druck und die höchste Temperatur der Hauptsache nach
                              									nicht durch Verbrennung, sondern durch mechanische Compression erzeugt werden, und
                              									dass durch die Verbrennung und während derselben eine Temperaturerhöhung entweder
                              									gar nicht oder nur unbedeutend eintritt, jedenfalls unbedeutend gegen die Erwärmung
                              									durch Compression.
                           Das charakteristische Kennzeichen des Verfahrens bleibt dabei immer folgendes:
                           Steigerung des Druckes und der Temperatur auf ungefähr ihren Maximalwerth nicht durch
                              									Verbrennung, sondern vor der Verbrennung durch mechanische Compression reiner Luft
                              									und hierauf folgende Arbeitsleistung durch allmähliche Verbrennung während eines
                              									bestimmt vorgeschriebenen Theiles der Expansion, charakterisirt durch eine bestimmt
                              									markirte und durch die Steuerung festgelegte Admissionsperiode von Brennstoff.
                           Nach dem Vorgesagten erzeugt also die Verbrennung selbst, im Gegensatz zu allen
                              									bisher bekannten Verbrennungsverfahren, keine bezieh. unwesentliche
                              									Temperaturerhöhung; die höchste Temperatur wird durch Compression der Luft erzeugt;
                              									sie liegt also in unserer Hand und wird dementsprechend in massigen Grenzen
                              									gehalten; da ausserdem die nachfolgende Expansion die Gasmasse sehr stark abkühlt,
                              									so ist ersichtlich, dass keine künstliche Kühlung der Cylinderwände erforderlich
                              									ist, dass vielmehr die für die Dichthaltung der Organe, die Schmierung, überhaupt
                              									den praktischen Gang der Maschine nöthige Mitteltemperatur des Cylinderinhalts
                              									lediglich durch das Verfahren selbst hergestellt wird, wodurch sich dasselbe
                              									ebenfalls von allen bekannten Verfahren unterscheidet.
                           In Fig. 3 ist noch eine Abänderung des Verfahrens
                              									dahin veranschaulicht, dass die erste Periode der Luftcompression unter
                              									Wassereinspritzung erfolgt, wodurch zunächst die flachere Curve 1, 2
                              									entsteht, und dass hierauf erst der zweite Theil der Compression ohne
                              									Wassereinspritzung nach der steileren Curve 2, 3
                              									erfolgt, worauf die Verbrennung und Expansion geleitet wird, wie bei Fig. 2.
                           Man erreicht hiedurch viel höhere Compressionsdrucke als bei Fig. 2, ohne deshalb in zu hohe Temperaturen zu gelangen, welche eine
                              									Kühlung des Cylinders erfordern würden.
                           In Folge des höheren Druckgefälles kühlt aber die nachfolgende Expansion von 3 nach 4 die Gasmasse
                              									stärker ab; die Abgase entweichen also kälter als bei Fig.
                                 										2 und entführen noch weniger Wärme.
                           Die Abgase können hiebei sogar unter atmosphärischer Temperatur gekühlt entlassen
                              									werden und daher noch zu Kühlzwecken dienen.
                           Der Erfolg des neuen Verfahrens gegen alle bisher bekannten ist eine bedeutende
                              									Brennmaterialersparniss für gleiche Arbeitsleistung.
                           Alle Brennmaterialien in allen Aggregatzuständen sind für Durchführung des Verfahrens
                              									brauchbar.
                           Bei Flüssigkeiten oder Gasen bezieh. Dämpfen wird während der Admissionsperiode und
                              									so lange dieselbe dauert, ein Gas- bezieh. Flüssigkeitsstrahl unter Druck möglichst
                              									vertheilt in die comprimirte Luftmasse eingeführt. Feste Brennstoffe können in
                              									Pulver- oder Staubform eingestreut werden; solche feste Stoffe, welche beim Erhitzen
                              									backen oder sich aus anderen Gründen nicht zum Einstreuen eignen, werden vorher
                              									vergast. Flüssige Brennstoffe können vorher in Dampf verwandelt und in dieser Form
                              									eingeführt werden. Schwer entzündliche Stoffe, wie Anthracit u. dergl., können mit
                              									leicht entzündlichen, wie Erdöl u. dergl. gemischt eingeführt werden.
                           Das Verfahren ist durchführbar – nach Diesel's Ansicht –
                              									in einfach oder doppelt wirkenden, stehenden oder liegenden Cylindern, mit einem
                              									oder mehreren auf gleicher Schwungradachse arbeitenden Kolben mit ein- oder
                              									mehrstufiger Compression und Expansion.
                           Von einer Ausführung einer nach diesem Verfahren arbeitenden Maschine ist noch nichts
                              									bekannt geworden. Die Ausführung soll seitens der Maschinenfabrik Augsburg (Riedinger) jedoch geplant sein. Wir behalten uns
                              									deshalb den Bericht über die vorgeschlagenen Ausführungsformen vor und bleiben noch
                              									etwas bei den theoretischen Ergebnissen stehen.
                           Nach Zeuner ist der günstigste effective Wirkungsgrad
                              									unserer heutigen Dampfmaschinen
                           η = 0,072
                           für die besten Compoundmaschinen mit geheizten Dampfmänteln
                              									und Reservoir. Diesel rechnet für seine Maschine
                           η = 0,730,
                           also das Zehnfache dieses Werthes, während die reine Carnot'sche Formel gibt
                           η= 0,727
                           Besonderen Werth legt Diesel auf die durch sein
                              									Verfahren ermöglichte Herabsetzung der Abmessungen der Maschine. Er rechnet, dass
                              									die Abmessungen rund ¼ so gross ausfallen, wie gleich kräftige Dampfmaschinen, indem
                              									er allerdings für seine Maschine eine Geschwindigkeit von 300 Umläufen in der Minute
                              									voraussetzt.
                           Den theoretischen Kohlenverbrauch berechnet Diesel auf
                              									0,1 k für die stündliche indicirte .
                           Wir verweisen bezüglich der Durchrechnung eines Ausführungsbeispiels –
                              									100pferdige Maschine – auf S. 47 ff. des Diesel'schen
                              									Buches.
                           
                              
                                 Mg.