| Titel: | Untersuchungen über die Bildung der Farblacke. | 
| Autor: | Carl Otto Weber | 
| Fundstelle: | Band 289, Jahrgang 1893, S. 160 | 
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                        Untersuchungen über die Bildung der
                           								Farblacke.
                        Von Dr. Carl Otto
                                 								Weber.
                        Untersuchungen über die Bildung der Farblacke.
                        
                     
                        
                           II.
                           Als Säurefarbstoffe bezeichnen wir alle diejenigen Farbstoffe, die sich mit
                              									organischen oder anorganischen Basen zu Farblacken vereinigen. Wie im ersten Theile
                              									dieser AbhandlungWeber, Untersuchungen über die Bildung der
                                       												Farblacke. I. 1892 283 158
                                    										183. gezeigt wurde, enthalten alle lackbildenden basischen Farbstoffe
                              									mindestens eine der Salzbildung fähige Amidogruppe und verdanken derselben ihr
                              									charakteristisches Farbe- bezieh. Lackbildungsvermögen. Genau dieselbe Function
                              									versieht bei den Säurefarbstoffen die Hydroxylgruppe, doch ist deren Beziehung zum
                              									Lackbildungsvermögen der Säurefarbstoffe erheblich complicirter, als das der
                              									Amidogruppe in den basischen Farbstoffen. Die Anzahl der im Molekül eines
                              									basischen Farbstoffes vorhandenen Amidogruppen ist einflusslos auf dessen
                              									Lackbildungsvermögen. Bei den Säurefarbstoffen ist dagegen das Lackbildungsvermögen
                              									in hohem Grade beeinflusst nicht nur durch die Anzahl der vorhandenen
                              									Hydroxylgruppen, sondern auch durch deren relative Stellung im Molekül. Noch viel
                              									complicirter wird aber die Sache durch den Umstand, dass der Lackbildung unfähige
                              									Farbkörper durch die Einführung gewisser Säureradikale und gewisser Atomgruppen
                              									lackbildungsfähig gemacht werden können, während andererseits das
                              									Lackbildungsvermögen lackbildender Hydroxyl- und Amidofarbstoffe durch die
                              									Einführung solcher Säureradikale in der tiefgreifendsten Weise modificirt wird.
                              									Säureradikale dieser Art sind die Sulfopruppe (SO2.OH), die Carboxylgruppe (CO.OH), die Nitrogruppe (NO2), die NitrosogruppeChinoxmigruppe. (NOH, O) und die Halogene. Die Sulfo- und
                              									die Carboxylgruppe sind selbst salzbildende, also lackbildende Gruppen, die
                              									Nitrogruppe, sowie die Halogene sind zwar keine lackbildenden Gruppen und brauchen
                              									daher in der Folge nicht weiter behandelt zu werden, doch möchte ich darauf
                              									hinweisen, dass durch die Einführung dieser Gruppen, besonders der Nitrogruppe, in
                              									die Hydroxylfarbstoffe deren Säurenatur in hohem Grade verstärkt wird,
                              									Trinitrophenol (Pikrinsäure) und Nitroalizarin sind bekannte Beispiele dieser Art.
                              									Aus dem Vorstehenden geht nun zunächst hervor, dass, während wir bei den basischen
                              									Farbstoffen immer nur Lackbildung in der Amidogruppe bewirken können, bei den
                              									Säurefarbstoffen Lackbildung in einer oder mehreren Hydroxylgruppen, in der Sulfo-
                              									und in der Carboxylgruppe möglich ist. Es ist deshalb klar, dass in vielen Fällen,
                              									wo ein Farbstoff zwei oder mehr dieser verschiedenen lackbildenden Gruppen enthält,
                              									die Lackbildung ein sehr complexer Vorgang sein muss, in Bezug auf welchen sich uns
                              									sofort die wichtige Frage aufdrängt, ob bei Anwesenheit verschiedener lackbildender
                              									Gruppen in einem Farbstoffmolekül wir dem specifischen Lackbildungsvermögen jeder
                              									einzelnen Gruppe Rechnung zu tragen haben oder nicht.
                           Von den oben erwähnten vier lackbildenden Gruppen kann nur die Hydroxyl- und die
                              									Amidogruppe für sich allein im Farbstoffmolekül auftreten, während die Carboxyl-
                              									oder die Sulfogruppe darin nur zusammen mit einer oder mehreren Hydroxyl- oder
                              									Amidogruppen vorkommen kann. Der Grund hierfür ist wohl bekannt: die Hydroxyl- und
                              									Amidogruppe sind Chromogene, in dem Sinne, dass deren; Eintritt in gewisse gefärbte
                              									oder farblose aromatische Complexe dieselben in Farbstoffe umwandelt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 160
                              Triphenylmethan farblos; Farbbase des Fuchsins Rosanilin
                              
                           Die Umwandlung des Kohlenwasserstoffes in den Farbstoff wird
                              									hier durch den Eintritt einer Hydroxyl- und; dreier Amidogruppen in das Molekül
                              									bewirkt. Das Resultat ist ein basischer Farbstoff.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 160
                              Triphenylmethan farblos; Carbinol; Anhydrid; Aurin
                              
                           
                           In diesem Falle wird derselbe Kohlenwasserstoff durch den
                              									Eintritt von vier Hydroxylgruppen in einen sauren Farbstoff übergetührt. Ganz analog
                              									diesen beiden Beispielen sind die Beziehungen zwischen Rhodamin und Eosin.
                           
                              
                                 C6H5.N = N.C6H5Azobenzolscharlachroth; kein Farbstoff
                                 C6H5.N = N.C6H4.NH2Chrysoidin
                                 
                              
                                 C6H5.N = N.C6H4.OHTropäolin
                                 
                              
                           Vielleicht noch augenfälliger zeigt sich die Function der Amido- bezieh.
                              									Hydroxylgruppe beim Azobenzol, das zwar ein prachtvoll gefärbter Körper ist, dem
                              									aber tinctorielle Eigenschaften gänzlich abgehen. Durch Einführung der Amidogruppe
                              									in diesen Körper entsteht ein starker, basischer Farbstoff, das Chrysoidin, während
                              									die Einführung der Hydroxylgruppe zu einem Farbstoff saurer Natur, dem Tropäolin
                              									führt.
                           Die Einführung der Carboxyl- und Sulfogruppe in die der Farbstoffbildung fähigen
                              									Kohlenwasserstoffe führt bekanntlich nie zur Bildung von Farbstoffen, wohl aber hat
                              									die Einführung dieser Gruppen in Farbstoffmoleküle einen grossen Einfluss auf deren
                              									Lackbildungsfähigkeit. Beide dieser Gruppen sind im Allgemeinen erheblich
                              									energischere Salzbildner als die Amido- oder die Hydroxylgruppe. Beide sind saure
                              									Gruppen, deren Eintritt in das Radikal saurer Farbstoffe die Säurenatur immer, und
                              									zwar oft sehr erheblich steigert. Die ausserordentlich zahlreiche Klasse der
                              									Oxyazoverbindungen verdankt ihre tinctorielle Bedeutung sehr wesentlich der
                              									Sulfogruppe, ohne welche jene Verbindungen praktisch werthlos wären, da ihr
                              									Lackbildungsvermögen oder mit anderen Worten ihr Färbevermögen in Folge der
                              									Phenolnatur dieser Farbstoffe ungemein schwach ist, so dass zahlreiche dieser
                              									Farbstoffe selbst mit Natron- oder Kalihydrat sich nicht (unter Salzbildung) in
                              									Lösung bringen lassen. Ganz natürlich sind schwächere Basen, wie Baryt, Kalk oder
                              									Thonerde, noch weniger im Stande, mit solchen Farbstoffen Lacke zu bilden. Durch die
                              									Einführung der Sulfogruppe werden aber diese Farbstoffe in starke Säuren
                              									umgewandelt, deren Alkalisalze in Wasser fast ausnahmslos leicht löslich sind. Von
                              									derselben Wirkung ist die Einführung der Sulfogruppe in an und für sich schon
                              									lackbildende Hydroxylfarbstoffe, deren Säurenatur dadurch eine bedeutende Steigerung
                              									erfährt. Gleichzeitig wird aber auch deren Lackbildungsvermögen in principieller
                              									Weise verändert, indem die Lackbildungsfähigkeit der Hydroxylgruppen von derjenigen
                              									der Sulfogruppen vollständig verdeckt wird. Ein Vergleich des specifischen
                              									Lackbildungsvermögens des Alizarins und des sulfonirten Alizarins (Alizarin S) zeigt
                              									dies auf das Deutlichste; auf diesen Gegenstand werden wir weiter unten speciell
                              									zurückzukommen haben.
                           Eine ebenso grosse Bedeutung wie für die Hydroxylfarbstoffe und speciell die
                              									Oxyazofarbstoffe hat die Sulfogruppe für die Amidofarbstoffe und besonders wieder
                              									die sehr zahlreichen Vertreter der Klasse der Amidoazofarbstoffe, deren Basennatur
                              									so verschwindend ist, dass diese der Salzbildung entweder garnicht mehr oder in
                              									ungenügender Weise fähig sind. Ob nun an und für sich der Lackbildung fähig, wie
                              									z.B. die Triphenylmethanfarbstoffe, oder nicht, wie die meisten
                              									Amidoazoverbindungen, so werden doch alle basischen Farbstoffe durch die Einführung
                              									der Sulfogruppe in stark saure Farbstoffe umgewandelt, und die Basennatur der
                              									Amidogruppe, auch wenn dieselbe im ursprünglichen unsulfonirten Farbstoff noch
                              									so kräftig war, scheint vollständig verschwunden zu sein.
                           Aehnlich wirkt die Einführung der Carboxylgruppe in die sauren und basischen
                              									Farbstoffe, indem durch deren Eintritt die Säurenatur der Hydroxylfarbstoffe
                              									erheblich verschärft wird, während andererseits die Basennatur der Amidofarbstoffe
                              									völlig verschwindet. Trotzdem besitzen die carboxylirten Farbstoffe Eigenschaften,
                              									die sie von den sulfonirten Farbstoffen auf das schärfste unterscheiden. Diese
                              									Unterschiede äussern sich in höchst charakteristischer Weise in dem specifischen
                              									Lackbildungsvermögen der carboxylirten Farbstoffe, und werden wir hierauf weiter
                              									unten ausführlich zurückkommen. Hier sei nur bemerkt, dass ihrem
                              									Lackbildungsvermögen nach die carboxylirten Farbstoffe in der Mitte zwischen den
                              									Hydroxyl- bezieh. Amidofarbstoffen und den sulfonirten Farbstoffen stehen.
                           In Vorstehendem haben wir nur die künstlichen oder Theerfarbstoffe in Betracht
                              									gezogen, nicht aber die zahlreichen natürlichen Farbstoffe. Dies geschah aus dem
                              									einfachen Grunde, weil ein principieller chemischer Unterschied zwischen natürlichen
                              									und künstlichen Farbstoffen absolut nicht mehr existirt. Die beiden wichtigsten
                              									natürlichen Farbstoffe, Alizarin und Indigo, werden fabrikmässig dargestellt. Dass
                              									die Fabrikation des Indigo vorläufig noch unrentabel ist, fällt hierbei nicht ins
                              									Gewicht. Alle noch nicht künstlich dargestellten natürlichen Farbstoffe gehören der
                              									Klasse der Hydroxyl- bezieh. Ketonfarbstoffe an, und eine grosse Anzahl von
                              									Farbstoffen dieser Klasse wird gegenwärtig künstlich dargestellt. Ist erst die
                              									Constitution aller natürlichen Farbstoffe mit Sicherheit bekannt, so ist damit auch
                              									die Möglichkeit und der Weg zu deren künstlicher Darstellung eröffnet. Die noch
                              									gegenwärtig geäusserte Behauptung, dass nur die natürlichen Farbstoffe wirkliche
                              									Lacke bilden, kann nur als Gedankenfaulheit oder Unwissenheit bezeichnet werden, im
                              									Zusammenhang damit steht aber wohl die Thatsache, dass die Fabrikation der Farblacke
                              									gegenwärtig noch vielfach nichts als Schmiererei im Grossen ist.Zur
                                    											Bekräftigung dieser Behauptung brauche ich nur darauf hinzuweisen, dass erst
                                    											vor Kurzem von zwei Autoren der eine empfahl, Lacke aus Victoriablau durch
                                    											Fällung mit Chlorbarium, der andere, Lacke aus Mikadogelb durch Fällung mit
                                    											Kochsalz herzustellen. In beiden Fällen tritt natürlich nur Aussalzung ein,
                                    											Lackbildung ist absolut ausgeschlossen.
                           
                        
                           I. Lackbildung in der Hydroxylgruppe.
                           Farbstoffe, welche nur eine oder mehrere Hydroxylgruppen als lackbildende Gruppen
                              									enthalten, sind ziemlich zahlreich und gehören folgenden Klassen an:
                           a) Nitrofarbstoffe,
                           b) Oxyazofarbstoffe (unsulfonirt),
                           c) Chinoximfarbstoffe (Nitrosofarbstoffe),
                           d) Oxyketonfarbstoffe,
                           e) Triphenylmethanfarbstoffe,
                           f) Oxazine,
                           g) Natürliche Farbstoffe unbekannter Constitution.
                           Von diesen Farbstoffen sind alle Nitrofarbstoffe und zahlreiche Oxyazofarbstoffe
                              									Monohydroxylverbindungen, alle übrigen sind Di- oder Polyhydroxylverbindungen. Eine
                              									Ausnahmsstellung nehmen die Chinoximfarbstoffe ein, doch soll hierauf weiter unten
                              									zurückgekommen werden.
                           Von den monohydroxylirten Farbstoffen sind ohne Zweifel die Nitrofarbstoffe von grösserer Bedeutung
                              									als die betreffenden Oxyazofarbstoffe. Die Säurenatur der Hydroxylgruppe ist so
                              									gering, dass die monohydroxylirten Oxyazofarbstoffe für die Zwecke der Färberei ganz
                              									unbrauchbar sind. Soweit dieselben ein relativ niederes Molekulargewicht besitzen,
                              									sind sie in verdünnten Lösungen der Aetzalkalien löslich und aus solchen Lösungen
                              									lassen sie sich mittels der Salze der Erdalkalien und der Metalle als die
                              									betreffenden Lacke fällen. Es geht diesen Lacken aber nicht nur Schönheit, sondern
                              									auch Beständigkeit durchaus ab, indem schon durch Essigsäure diesen Lacken sich die
                              									Base so gut wie vollständig wieder entziehen lässt und andererseits bei Behandlung
                              									mit Alkalien eine vollständige Zersetzung des Lackes fast momentan eintritt, indem
                              									die freie Base unlöslich sich abscheidet, während der Farbstoff wieder in Lösung
                              									geht. Baryt-, Kalk-, Magnesium- und Zinklacke solcher Farbstoffe sind in Alkohol
                              									fast absolut unlöslich, so dass hier also trotz der Unechtheit dieser Lacke doch
                              									deren Lacknatur unzweifelhaft ist. Ein mit den Salzen der eben erwähnten Basen in
                              									einer Lösung von Sudan I (Oxyazofarbstoff aus Anilin bezieh. Diazobenzolchlorid und
                              										β-Naphtol) erhaltener Niederschlag ist also ein
                              									Lack, dem die Formel.
                           
                              \left{{\mbox{C}_6\mbox{H}_5-\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_3.O}\atop{\mbox{C}_6\mbox{H}_5-\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6.\mbox{O}}}\right>{\mbox{Ba}}
                              
                           zukommt. Wird die alkalische Lösung des Sudan mit der Lösung
                              									eines Thonerde- oder Chromsalzes gefällt, so wird ein dem vorerwähnten Barytlack
                              									nicht unähnlicher Niederschlag erhalten. Bei näherer Untersuchung zeigt sich jedoch,
                              									dass derselbe lediglich aus einem innigen Gemenge von freiem Farbstoffe und
                              									Thonerdehydrat besteht, da Alkohol dem Niederschlage die ganze Farbstoffmenge, unter
                              									Hinterlassung reinen Thonerdehydrates, mit grösster Leichtigkeit entzieht. Es geht
                              									hieraus hervor, dass das Lackbildungsvermögen der Oxyazofarbstoffe ausserordentlich
                              									gering ist, indem dieselben mit den Erdalkalien höchst unechte, mit Thonerde und
                              									Chromoxyd, die wir in der Folge als die wichtigsten Lackbildner kennen lernen
                              									werden, überhaupt keine Lacke bilden.
                           Wesentlich günstiger verhalten sich die Nitrofarbstoffe, deren hierher gehörige
                              									Vertreter sich auf drei beschränken, nämlich:
                           Textabbildung Bd. 289, S. 162Trinitrophenol Pikrinsäure;
                                    											Dinitrokresol Victoriagelb; Dinitronaphtol Martiusgelb Obige Formeln repräsentiren die freien Farbsäuren. Einige andere
                              									Farbstoffe, die dieser Gruppe angehören, wie Salicylgelb, Sonnengold, sind, weil
                              									nicht mehr im Handel, nicht erwähnt worden. Alle diese Farbstoffe sind sehr starke
                              									Säuren, und es ist bekanntlich eine charakteristische Eigenschaft der Nitrogruppe,
                              									obgleich derselben als solcher Salzbildungs- oder Lackbildungsvermögen absolut
                              									abgeht, die Säurenatur gleichzeitig im Molekül vorhandener Hydroxylgruppen in
                              									ausserordentlicher Weise zu steigern. Dieser Einfluss der Nitrogruppe auf die
                              									Säurenatur der Verbindung geht so weit, dass die Einführung mehrerer Nitrogruppen in
                              									viele aromatische Kohlenwasserstoffe dieselben in Säuren umwandelt, in denen ein
                              									Wasserstoffatom gegen Metalle umgetauscht werden kann, und es ist sogar eine
                              									Anzahl von Fällen bekannt, wo die Nitrogruppe selbst aromatische Basen in Säuren
                              									umwandelt. Aurantia, das Ammoniaksalz des Hexanitrodiphenylamins
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 162
                              
                           ist ein bemerkenswerthes Beispiel dieser Wirkung der
                              									Nitrogruppe.
                           Trotzdem diese oben angeführten Nitrokörper sehr starke Säuren sind, ist deren
                              									Lackbildungsvermögen doch ausserordentlich gering, indem dieselben mit Thonerde,
                              									Chromoxyd, Baryt, Kalk und Zinkoxyd ausnahmslos sehr leicht lösliche Salze bilden.
                              									Unlösliche Niederschläge lassen sich nur mit den Salzen der schweren Metalle,
                              									besonders mit Bleisalzen, und am besten mit basischen Bleisalzen erhalten. Durch
                              									besondere Schönheit zeichnen sich diese Niederschläge nicht aus, noch weniger durch
                              									Echtheit, da sie alle sehr lichtempfindlich sind und von Säuren und Alkalien sofort
                              									zerstört werden. Wir finden daher, dass diese Farbstoffe, obgleich energische
                              									Säuren, doch für die Darstellung von Lacken von sehr geringem Werthe sind. Es lässt
                              									sich hieraus schon jetzt schliessen, dass die Lackbildungsfähigkeit der Farbstoffe
                              									zur Stärke der Farbsäure in keiner Beziehung steht, obgleich dies in Bezug auf deren
                              									Salzbildungsfähigkeit unzweifelhaft der Fall ist. Dies ist ein Punkt von erheblichem
                              									Interesse, der die Lackbildung in der Hydroxylgruppe von der Lackbildung in der
                              									Amidogruppe sehr scharf unterscheidet, da die Lackbildungsfähigkeit der basischen
                              									Farbstoffe mit deren Salzbildungsfähigkeit Hand in Hand geht.
                           Von einer ganz neuen Seite erkennen wir die lackbildenden Eigenschaften, sobald wir
                              									Farbstoffe mit zwei und mehr Hydroxylgruppen in Betracht ziehen, wobei der Fall
                              									öfters beobachtet wird, dass von zwei in ihrer Zusammensetzung identischen, aber mit
                              									Bezug auf die Stellung der Hydroxylgruppen isomeren Farbstoffen der eine
                              									Lackbildungsfähigkeit im höchsten Grade, der andere dieselbe nicht mehr als die
                              									vorerwähnten Monohydroxylfarbstoffe besitzt. Ueber diesen Gegenstand sind zahlreiche
                              									Arbeiten, hauptsächlich von Liebermann, Köstanecki und
                              										Noelting herrührend, veröffentlicht worden. Die
                              									beiden Erstgenannten zeigtenLiebig's Annalen,
                                    											1887 Bd. 240 S. 245. zunächst, dass von den zahlreichen isomeren
                              									Dioxyanthrachinonen nur einem einzigen, dem Alizarin
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 162
                              
                           die Fähigkeit zukommt, gebeizte Baumwolle zu färben, mit
                              									anderen Worten mit Thonerde oder Chromoxyd echte Lacke zu bilden, alle übrigen
                              									Dioxyanthrachinone bilden weder mit Thonerde noch mit Chromoxyd Lacke, wohl aber mit
                              									Baryt, Kalk und Zink, doch geht diesen Schönheit und Echtheit gerade so sehr ab wie
                              									den Lacken aus Oxyazofarbstoffen. Allgemein stellte sich heraus, dass die
                              									Dioxyanthrachinone und höher substituirte Derivate derselben nur dann echte Lacke zu
                              									bilden vermögen, wenn mindestens zwei der in denselben enthaltenen Hydroxylgruppen
                              									sich in Orthostellung befinden.
                           Zu ganz ähnlichen Resultaten gelangte Kostanecki bei Untersuchung der
                              									Nitrosonaphtole, die jetzt allgemein als Chinoxime aufgefasst werden. In dieser
                              									Gruppe befinden sich einige Farbstoffe, die hervorragende beizenfärbende
                              									Eigenschaften besitzen, in diesen sind die substituirenden Gruppen stets in der
                              									Orthostellung vorhanden, wo dies nicht der Fall ist, sind die lackbildenden
                              									Eigenschaften sehr gering, mit Bezug auf Thonerde, Chrom- oder Eisenoxyd überhaupt
                              									nicht vorhanden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 163
                              β-Nitroso-α-Naphtol starker
                                 										Lackbildner; α-Nitroso-β-Naphtol starker Lackbildner; α-Nitroso-β-Naphtol sehr
                                 										schlechter Lackbildner
                              
                           Aehnliche Beziehungen zwischen der Orthostellung der
                              									Substituenten und der Lackbildungsfähigkeit wurden für die Nitro- und
                              										NitrosochinolinderivateBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
                                    											1891 Bd. 24 S. 150 und 156. nachgewiesen. Besonders interessant
                              									ist eine von der Badischen Anilin- und Sodafabrik
                              									gemachte BeobachtungD. R. P. Nr.
                                    											57525 vom 3. August 1890., welche die charakteristische
                              									Lackbildungsfähigkeit der Orthodihydroxylgruppe auch für die Azofarbstoffe
                              									verwendbar macht. Es zeigte sich nämlich, dass das Orthodioxynaphtalin (2, 3)
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 163
                              
                           durch Combination mit Diazokörpern Azofarbstoffe liefert,
                              									welche im selben Grade wie das Alizarin durch hervorragende Lackbildungsfähigkeit
                              									sich auszeichnen und daher in der Färberei als beizenfärbende Farbstoffe verwendbar
                              									sind, und es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, dass dies der Orthostellung der
                              									beiden Hydroxylgruppen zuzuschreiben ist.
                           Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Lackbildungsfähigkeit der
                              									Dihydroxylfarbstoffe eine sehr einfache Function der Constitution derselben ist. Der
                              									Vorgang der Lackbildung selbst ist indessen ziemlich complicirter Art und bietet
                              									Erscheinungen, die in ihrer Gesammtheit noch nicht vollständig aufgeklärt sind und
                              									deren genauere Kenntniss wir hauptsächlich den schönen Arbeiten von Liechti und SuidaMittheilungen des technischen Gewerbemuseums,
                                    											1885 S. 1. Fischer, Jahresberichte, 1885 S.
                                    											1000. verdanken. Dieselben führten ihre Untersuchungen mit dem
                              									für die Gruppe der Orthodihydroxylfarbstoffe classischen Alizarin aus und
                              									constatirten zunächst die bemerkenswerthe Thatsache, dass völlig reines
                              									Thonerdehydrat sich mit Alizarin selbst im zugeschmolzenen Rohr bei einer Temperatur
                              									von 150° C. nicht zu verbinden vermag. Verbindung zu Aluminiumalizarat tritt aber
                              									schon bei Gegenwart von Natriumacetat mit Leichtigkeit ein, doch werden reine
                              									Alizarate von bestimmter Zusammensetzung am besten durch Doppelzersetzung
                              									ammoniakalischer Alizarinlösungen mit Lösungen von Thonerdesulfat erhalten. Auf
                              									diese Weise wurden folgende wohl definirte Alizarate dargestellt:
                           
                              
                                 Al2O3(C14H6O3)3
                                 normales
                                 Aluminiumalizarat
                                 
                              
                                 Al2(OH)3(C14H6O4)1,5
                                 dreibasisches
                                 „
                                 
                              
                                 Al2(OH)5(C14H6O4)0,5
                                 fünfbasisches
                                 „
                                 
                              
                           Das normale Alizarat ist in Wasser mit grösster Leichtigkeit
                              									löslich, in Ammoniakdünsten ist das Salz geradezu zerfliesslich. Das drei- und
                              									fünfbasische Alizarat sind in Wasser ganz unlöslich, lösen sich aber wie das normale
                              									Alizarat mit prächtig rother Farbe in Ammoniak, das erstere sehr leicht, das
                              									letztere sehr schwer. Die Löslichkeit dieser Aluminiumsalze in Ammoniak ohne
                              									Zersetzung ist an und für sich schon sehr auffallend, noch mehr aber, dass solche
                              									Lösungen auf Zusatz von Phosphaten kein Thonerdephosphat liefern. Wird zu der
                              									ammoniakalischen Lösung dieser Alizarate Natrium- oder Ammoniumphosphat gefügt und
                              									darauf mit Essigsäure angesäuert, so entstehen prächtig rothe Niederschläge, die
                              									Thonerde, Phosphorsäure und Alizarin enthalten. Das letztere kann dem trockenen
                              									Niederschlag durch Aether nicht entzogen werden und ist daher in demselben nicht in
                              									freiem Zustande vorhanden, eine Voraussetzung, die schon in Anbetracht der feurig
                              									rothen Farbe des Niederschlages sehr unwahrscheinlich ist.
                           Die Löslichkeit in verdünntem Ammoniak ist eine den Thonerdelacken aller
                              									Orthodihydroxylfarbstoffe zukommende Eigenschaft. Die Eisenoxydlacke zeigen dieselbe
                              									noch in unverkennbarem Grade, die Chromoxydlacke aber fast gar nicht. Gleichgültig
                              									ob Lösung eintritt, in keinem Falle vermag Ammoniak die Alizarinlacke zu zersetzen.
                              									Ebenso beständig sind dieselben gegen verdünnte Säuren, von denen nur verdünnte
                              									Salz- oder Schwefelsäure bei anhaltendem Kochen Zersetzung bewirken. Das Gleiche
                              									gilt von den Eisen- und Chromlacken, während das Calciumalizarat schon in der Kälte
                              									durch verdünnte Essigsäure mit Leichtigkeit zerlegt wird. Diese Löslichkeit der
                              									Thonerdealizarate in Ammoniak und deren Beständigkeit gegen Säuren ist in hohem
                              									Grade auffallend, besonders gegenüber der Unbeständigkeit der Calciumalizarate.
                           Bei Besprechung der Lacke aus basischen Farbstoffen erkannten wir bereits die
                              									Thatsache, dass nicht die Tanninlacke derselben, sondern Doppellacke aus Tannin und
                              									einem Metalloxyd die echtesten Lacke liefern. Die einfachen Tanninlacke sind nicht
                              									selten überhaupt keine Lacke, sondern einfach mehr oder minder unlösliche Salze des
                              									Tannins. Ganz analog sind die Verhältnisse bei den Lacken aus
                              									Orthodihydroxylfarbstoffen, indem wir soeben gesehen haben, dass viele derselben in
                              									Wasser mehr oder weniger leicht löslich sind. Um aus diesen Farbstoffen echte Lacke
                              									zu erhalten, müssen wir ebenfalls Doppellacke herstellen. Wir haben das Tannin als
                              									den typischen Lackbildner für die basischen Farbstoffe erkannt und das Antimonoxyd
                              									als das beste Metalloxyd für die Bildung der Doppellacke. In analoger Weise stellen
                              									die amphoteren Basen (Thonerde, Eisenoxyd, Chromoxyd) die typischen Lackbildner der
                              									Orthodihydroxylfarbstoffe vor und Calciumoxyd das geeignetste Metalloxyd zur Bildung
                              									der Doppellacke. Es möchte zwar scheinen, als ob diese Parallele zwischen Tannin und
                              									Antimonoxyd einerseits und Thonerde (Eisenoxyd, Chromoxyd) und Kalk andererseits
                              									sehr oberflächlicher Natur wäre, indem im ersten Falle die beiden Lackbildner im Verhältniss von
                              									Base und Säure zu einander stehen, im letzteren Falle aber beide Lackbildner Basen
                              									sind. Mit Bezug hierauf brauche ich wohl nur daran zu erinnern, dass die amphoteren
                              									Basen (Thonerde, Chromoxyd und Eisenoxyd) sich starken Basen gegenüber als Säuren
                              									verhalten und mit denselben wohl charakterisirte Verbindungen bilden (Aluminate,
                              									Chromite), es ist ja das Calciumaluminat ein in grossen Quantitäten hergestelltes
                              									Handelsproduct. Die in der Türkischrothfärberei so wohl bekannte Wichtigkeit des
                              									Kalkes zeigt sich deutlich im Verhalten der Aluminiumalizarate gegen
                              									Calciumverbindungen. Fügen wir zu einer Lösung von Aluminiumalizarat in Wasser oder
                              									verdünntem Ammoniak eine wässerige Lösung eines Calciumsalzes, so wird das
                              									Aluminiumalizarat sofort als Thonerdekalklack gefällt. Die chemischen bezieh.
                              									physikalischen Eigenschaften und die Schönheit der Nuance dieser Farbstoffe hängt
                              									wesentlich von den Mengenverhältnissen ab, in denen Thonerde und Kalk in dem Lack
                              									enthalten sind. Die Lacke
                           
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)4(C14H6O3)l0
                                 
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)3(C14H6O3)8
                                 
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)3(C14H6O3)7,5
                                 
                              
                           sind sehr leicht löslich in verdünntem Ammoniak. Die Lacke
                           
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)3(C14H6O3)6,75
                                 
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)1,2(C14H6O3)3,6
                                 
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)2,75(C14H6O3)6,45
                                 
                              
                           sind in verdünntem Ammoniak nur theilweise löslich. Die
                              									Lacke
                           
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)4,5(C14H6O3)10
                                 
                              
                                 (Al2O3)3(CaO)4,2(C14H6O3)10
                                 
                              
                           sind in Ammoniak ganz unlöslich. Ein Ueberschuss von Thonerde
                              									übt weder auf die Schönheit der Nuance, noch auf die Löslichkeit des Lackes, noch
                              									auf dessen Echtheit einen Einfluss aus. Kalküberschuss ergibt Producte von
                              									missfarbigem Ton. Die Thonerdelacke sind ohne Zweifel die wichtigsten Alizarinlacke;
                              									die Chromlacke des Alizarins sind braun, die Eisenlacke violett und werden deshalb
                              									als Lacke für sich kaum jemals dargestellt. Indessen sind die Chromlacke besonders
                              									der gelben, blauen, violetten und grünen Orthodihydroxylfarbstoffe meist den
                              									entsprechenden Thonerdelacken an Schönheit bei weitem überlegen.
                           Aus Vorstehendem ergibt sich; dass bei der Darstellung von Alizarinlacken die
                              									Gegenwart von Eisen strengstens zu vermeiden ist und dass nie mehr als 1 Mol. Kalk
                              									auf 1 Mol. Thonerde angewendet werden sollte. Besser noch ist es, die Thonerde
                              									bedeutend vorwalten zu lassen, da ein Ueberschuss derselben die Nuance in keiner
                              									Weise beeinträchtigt. Weit weniger empfindlich sind die Chromoxydlacke der
                              									Orthodihydroxylfarbstoffe, doch ist auch in diesen die Gegenwart von Kalk zur
                              									Erzielung guter Resultate von höchster Bedeutung. Zahlreiche organische Farbstoffe
                              									von unbekannter Constitutione die aber unzweifelhafte Orthodihydroxylfarbstoffe
                              									sind, können ebenfalls nur dann in gute Lacke übergeführt werden, wenn neben
                              									Thonerde Kalk vorhanden ist. Die Lacke aus dem Farbstoffe des Rothholzes und der
                              									Cochenille sind bekannte Beispiele dieser Art. Indessen gibt es einige, den
                              									Orthodihydroxylfarbstoffen im weiteren Sinne angehörige Glieder, die Nitroso- oder
                              									Chinoximfarbstoffe, die diese Neigung zur Bildung von Doppellacken in weit
                              									geringerem Grade besitzen. Alle diese Farbstoffe (Dinitrosoresorcin, Gambin, Dioxin)
                              									bilden mit Thonerde oder Chromoxyd werthlose gelbe oder braune Lacke, ebenso
                              									unscheinbar sind die Lacke, die dieselben mit Eisenoxyd liefern. Dagegen bilden
                              									dieselben mit Eisenoxydul sehr schön grüne Lacke von ganz ausserordentlicher
                              									Echtheit, aber keine Doppellacke. Es ist wohl möglich, dass dies mit der chemischen
                              									Natur des Eisenoxyduls im Zusammenhang steht, das mit anderen Metalloxyden keine
                              									Doppelverbindungen zu bilden vermag.
                           Die Beispiele für die enorme Lackbildungsfähigkeit der Orthodihydroxylfarbstoffe
                              									könnten durch eine Besprechung der hierher gehörigen Farbstoffe der
                              									Triphenylrosanilin- und Oxazingruppe noch bedeutend vermehrt werden, ohne indessen
                              									neue Gesichtspunkte zu ergeben. Ich möchte aber zur wiederholten Bestätigung des
                              									Gesagten noch darauf hinweisen, dass, während die Eosine
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 164
                              
                           weder mit Thonerde, noch mit Chrom- oder Eisenoxyd Lacke zu
                              									bilden vermögen, und deren Zink- oder Bleilacke sprüchwörtlich unecht sind, solche
                              									Triphenylmethanfarbstoffe, welche zwei Hydroxyle in Orthostellung besitzen, wie
                              									Galleïn
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 289, S. 164
                              
                           an Echtheit den Oxyketon-(Alizarin-)Farbstoffen nicht
                              									nachstehen. Es ist dies in Anbetracht der, von der Stellung der Hydroxylgruppen
                              									abgesehen, identischen Constitution dieser Farbstoffe ein schlagender Beweis für die
                              									lackbildende Eigenschaft der Orthodihydroxylgruppe.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)