| Titel: | Bemerkungen über neue Kriegswaffen. | 
| Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 1 | 
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                        Bemerkungen über neue
                           								Kriegswaffen.
                        Mit Abbildungen.
                        Bemerkungen über neue Kriegswaffen.
                        
                     
                        
                           Gewehre.
                           
                              
                                 Beibehaltung der eingeführten
                                    											Gewehre oder Anschaffung neuer?
                                 
                              1893 wurde in den Staaten, welche noch ältere Gewehre mit einem
                                 										Geschossdurchmesser von mehr als 8 mm besassen, die Einführung von Gewehren
                                 										kleinerer Bohrung begonnen oder fortgesetzt. Die neuen Gewehre fast sämmtlicher
                                 										Staaten zeigen demzufolge eine grosse Uebereinstimmung; fast überall sind
                                 										Cylinderverschlüsse mit Magazinladung eingeführt; der Geschossdurchmesser liegt
                                 										zwischen den verhältnissmässig engen Grenzen von 8 bis 6,5 mm und die
                                 										Anfangsgeschwindigkeit zwischen 600 und 730 m. Eine kurze, leicht verständliche
                                 										Angabe, welche ein umfassendes Urtheil über die Leistungen der heutigen Gewehre
                                 										erlaubt, liegt in den Trefferzahlen, welche aus 1 k Munition gegen ein
                                 										Schützenziel von 0,4 m im Quadrat auf 300 (oder 400) m zu erzielen sind. Da der
                                 										1892 durch das Mannlicher-6,5-mm-Gewehr festgestellte „Record“ bis jetzt
                                 										nicht geändert ist, so seien die Zahlen wiederholt (1893 288 2).
                              
                                 
                                    Es ergeben sich Treffer mit dem
                                    Auf300 m
                                    (Auf400 m)
                                    InMinuten
                                    
                                 
                                    Mannlicher-Gewehr von 6,5 mm bei 730
                                       												m    Anfangsgeschwindigkeit
                                    42
                                    (36)
                                    2,6
                                    
                                 
                                    österreichischen Gewehr von 8 mm bei    620 m
                                       												Anfangsgeschwindigkeit
                                    26
                                    (18)
                                    1,8
                                    
                                 
                                    ehemaligen französischen Gewehr von    11 mm bei 450
                                       												m Anfangsgeschwin-    digkeit
                                      5
                                    (3)
                                    2,1
                                    
                                 
                              Nach dieser Tabelle übertrifft das 8 mm-Gewehr das von 11 mm um das 5- (bezieh.
                                 										6-)fache, während es selber vom 6,5 mm-Gewehr nur um das 1,7fache (bezieh. das
                                 										Doppelte) übertroffen wird. Ein solches 8 mm-Gewehr durch eins von 6,5 mm zu
                                 										ersetzen, liegt demnach nicht dieselbe Dringlichkeit vor, wie sie bei der
                                 										Abschaffung der 11 mm-Gewehre 1886 vorgelegen hatte.
                              Von verschiedenen Seiten, besonders von französischer, wird bezweifelt, ob
                                 										augenblicklich überhaupt eine Dringlichkeit vorhanden ist, neue Gewehre
                                 										einzuführen. Da das französische Gewehr das schlechteste unter denen von 8 mm
                                 										ist, weil es ein veraltetes Rohrmagazin unter dem Laufe hat, so fallen die
                                 										französischen Aeusserungen besonders ins Gewicht. Aus Veränderungen an den
                                 										Gewehren, welche kürzlich befohlen worden sind, und aus einer in Aussicht
                                 										gestellten Verbesserung der Flugbahnen bis zu 1800 m durch Verkürzung der
                                 										Geschosse scheint entnommen werden zu dürfen, dass man in Frankreich das
                                 										bisherige Gewehr mit Verbesserungen beibehalten will, welche seine Brauchbarkeit
                                 										erhöhen und seine Minderwerthigkeit ausgleichen. (Die befohlenen
                                 										Abänderungen finden am Seitengewehre statt, am Schlosse, um eine Verletzung des
                                 										Schützen durch geplatzte Patronenhülsen zu verhindern, und am Visir durch
                                 										Befestigung des Visirfusses mittels Ringen; vielleicht wird mit letzterer
                                 										Aenderung auch die verbunden, welche die angedeutete Geschossverkürzung nöthig
                                 										machen können. Nach neueren Bekanntmachungen haben am deutschen Gewehre auch
                                 										Abänderungen [eine „Umbewaffnung“] stattgefunden, wobei solche am
                                 										Schlosse vorgekommen sind, welche Aehnliches wie die entsprechenden
                                 										französischen bezweckt haben dürften.)
                              Wenn die Nachrichten aus Frankreich richtig sind, dann werden andere Mächte sich
                                 										nicht zu sehr mit Abschaffung der bisherigen Gewehre beeilen. Sie werden
                                 										vielleicht dem Beispiele Frankreichs folgen und ihre Waffen zu verbessern
                                 										suchen. So werden diejenigen Gewehre, welche sehr lange Geschosse verfeuern,
                                 										durch Verkürzung der Geschosslänge (also durch Verminderung des Gewichtes und
                                 										der Querschnittsbelastung) eine grössere Anfangsgeschwindigkeit, eine flachere
                                 										Flugbahn mit besserer Trefffähigkeit auf kleinen und mittleren Entfernungen
                                 										erhalten können; allerdings werden die Leistungen bei grossen Schussweiten
                                 										schlechter werden. Man thut dann also dasselbe, was Preussen 1871 mit dem
                                 										Zündnadelgewehr gethan hat (vgl. Fig. 1, b). Durch Ersatz verbrauchter Läufe durch
                                 										neue von Nickelstahl oder einem ähnlichen verbesserten Material lässt sich nicht
                                 										nur die Haltbarkeit der Waffe, sondern vielleicht auch die Pulverladung und
                                 										damit die ganze Leistung erhöhen. Die Wirkung der Geschosse kann durch
                                 										Beseitigen lockerer, ungleichmässiger Stellen im Kern erhöht werden, indem statt
                                 										des bisherigen recht ungünstigen Einpressens der Kerne in die Geschossmäntel
                                 										durch Stempel ein Einsaugen, ein Einpressen der Kerne eingeführt wird durch die
                                 										in jeder Stärke anwendbare Fliehkraft (Centrifugalkraft). Weitere Verbesserungen
                                 										werden wohl bei jeder Waffe noch herausgefunden werden können. Ein Herabdrücken
                                 										des Gewichtes der 8 mm-Patronen auf das der 6,5 mm-Patronen wird sich wohl nicht
                                 										erzielen lassen und die Munition eines 8 mm-Gewehres wird die Soldaten und die
                                 										Transportfahrzeuge mehr belasten, als die eines 6,5 mm-Gewehres. Die Nachtheile
                                 										dieser grösseren Belastung werden aber vielleicht reichlich aufgewogen durch die
                                 										Ersparung der Kosten für eine Neubewaffnung. Wenn man als Kostenpreis eines
                                 										neuen Gewehres mit 500 Patronen nur 100 M. ansetzt, so wird die Ausrüstung von 1
                                 										Million Soldaten mindestens 100 Millionen Mark kosten. Es ist nicht gerade
                                 										wahrscheinlich, dass die Heeresverwaltungen ohne zwingende Gründe derartige
                                 										ungeheure Beträge von ihren Volksvertretungen erkämpfen wollen.
                              Aussichten für die Versuche mit kleineren Kalibern und
                                    											grösseren Anfangsgeschwindigkeiten, Anders würde die Sache liegen, wenn
                                 										durch Versuche ein kriegsbrauchbarer Mehrlader gefunden werden sollte, der nicht
                                 											mehr Laufbeschädigungen, nicht mehr Ladehemmungen als die jetzigen Gewehre und bei
                                 										einem kleineren Kaliber von etwa 5 mm Laufweite 200 m mehr Anfangsgeschwindigkeit hat. Fast bei
                                 										allen Staaten und wahrscheinlich bei vielen Fabriken werden derartige Versuche
                                 										gemacht. Es ist indess nicht unmöglich, dass dieselben noch lange ergebnisslos
                                 										bleiben; denn das Verhalten der Munition und des Gewehres bei grossen
                                 										Geschossgeschwindigkeiten in allen nur denkbaren Verhältnissen des Krieges, bei
                                 										besonderen Veränderungen, Verletzungen, Anstrengungen und Beschmutzungen des
                                 										Laufinnern macht diese Aufgabe besonders schwierig.
                              Wenig Schwierigkeiten zwar bietet die Herstellung einer 5 mm weiten Bohrung des
                                 										Laufes (vgl. 1893 288 174, Gewehrlaufriffelmaschine).
                                 										Die Beschaffung des Materials für einen Lauf, der nur auf dem Scheibenstande bei
                                 										vorsichtiger Behandlung gebraucht wird, würde gar nicht in Frage kommen. Bekannt
                                 										gewordene Versuche mit doppelten Pulverladungen, doppeltem, dreifachem
                                 										Geschossgewicht und sehr heftig verbrennenden (brisanten) Pulversorten setzen es
                                 										schon ausser Zweifel, dass der bisherige Laufstahl unter günstigen Verhältnissen
                                 										wohl 800 m Geschossgeschwindigkeit liefern kann und der Nickelstahl 1000 m
                                 										ergeben wird. Ausserdem muss man annehmen, dass, wenn Schnellfeuerkanonen 800 m
                                 										Anfangsgeschwindigkeit haben, die Gewehrläufe aus besserem Stahl nicht bei 650
                                 										bis 700 m zu beharren brauchen.
                              Für die Haltbarkeit des Gewehrstahles ist ein österreichischer Versuch
                                 										beachtenswerth (Mitth. über Gegenst. d. Art.- u.
                                    											Gen.-Wesens, 1893 Heft 7).
                              Es sollten die Leistungen von sechs Gewehren mit denen anderer Waffen im
                                 										Schnellschiessen verglichen werden. In Gestellen liegend, feuerten die Gewehre
                                 										so schnell sie konnten. Hierbei erhitzte sich ein Gewehrlauf so, dass er seinen
                                 										Holzschaft nach 200 Schuss vollständig verkohlt hatte; die Erwärmung muss
                                 										demzufolge mehrere Hundert Grad betragen haben. Während auf der einen Seite die
                                 										Anstrengungen des Laufes dadurch gesteigert worden sind, dass die Pulvergase
                                 										sich mehr erhitzten und ein grösseres Ausdehnungsbestreben bekamen, musste auf
                                 										der anderen Seite das Laufmaterial selber durch die erhebliche Wärmesteigerung
                                 										an Festigkeit verlieren.
                              Bei der grossen Haltbarkeit des sorgsam reingehaltenen Laufmetalles muss es
                                 										Staunen erregen, dass dieselben Läufe, die das Schiessen mit scharfen Geschossen
                                 										aushalten, schon beim Verfeuern von Platzpatronen, also von hohlen
                                 										Holzgeschossen, platzen oder sich aufbauchen. Es wird angenommen, dass meist
                                 											„fremde Körper im Laufe, Sand, Wischpolster u. dgl.,“ dieses
                                 										Unbrauchbarmachen verschulden. Diese Vorkommnisse waren jedenfalls bei den 11
                                 										mm-Gewehren mit 200 m weniger Anfangsgeschwindigkeit seltener, noch seltener
                                 										aber bei den älteren Gewehren von grösserem Durchmesser und noch geringerer
                                 										Geschossgeschwindigkeit. Wenn aber solche Vorkommnisse jetzt schon bei 8
                                 										mm-Gewehren von 600 bis 650 m Geschossgeschwindigkeit unangenehm werden, wie
                                 										viele werden dann erst bei einem Zukunftsgewehr von 5 mm und von 800 m
                                 										Geschossgeschwindigkeit stattfinden? (Vielleicht geben gerade die so sehr
                                 										grossen Geschwindigkeiten der leichten Holzgeschosse in den Platzpatronen der
                                 										jetzigen Gewehre einen Fingerzeig dafür, was von wirklichen Geschossen bei
                                 										800 m Geschwindigkeit zu erwarten ist.) Nach Berichten aus Frankreich, wo der
                                 										Lauf keinen Mündungsverschluss mehr hat, sollen ausserdem Regentropfen die
                                 										Gebrauchsfähigkeit eines Laufinnern von kleiner Bohrung beträchtlich schädigen,
                                 										wahrscheinlich, weil sie verhältnissmässig grosse Rostflecke erzeugen, welche in
                                 										Abschürfungen (Erosionen) durch die nachfolgenden Geschosse verwandelt werden;
                                 										diese Abschürfungen werden dann wahrscheinlich die Ursache zum Platzen des
                                 										Laufes, wenn sie weiter nachfolgende Geschosse zu einer Querstellung und zu
                                 										einem Aufenthalte veranlassen.
                              Eine zuverlässige Aufklärung darüber, wie in den eben aufgeführten Fällen das
                                 										Platzen der Läufe hervorgerufen wird, ist zur Zeit unbekannt. Eins ist ziemlich
                                 										sicher: dass die Gase im Laufe ein grosses Bestreben haben, nach vorwärts zu
                                 										gehen, aber nur ein kleines, zur Seite zu arbeiten, wenn das Geschoss keinen
                                 										grossen Widerstand entgegensetzt. (Durch Schiessversuche aus geschlitzten Läufen
                                 										von 6 bis 18 mm ermittelt.) Man darf vielleicht vermuthen, dass die Zermalmung
                                 										eines fremden Körpers im Laufe eine Schrägstellung, einen gewissen kleinen
                                 										Aufenthalt des Geschosses verursacht und dass dieser die Gase unmittelbar hinter
                                 										demselben veranlasst, sich pilzhutartig seitlich auszubreiten; diese Ausbreitung
                                 										kann dann möglicher Weise so schnell geschehen, dass das Rohr gesprengt wird;
                                 										die Wirkung würde dann eine rein örtliche (locale) sein, wie sie es bei
                                 										Knallquecksilber und anderen heftigen Sprengstoffen ist.
                              Im Uebrigen sind Untersuchungen über den Widerstand, den ein „fremder
                                    											Körper“ im Laufe verursacht, sehr leicht auszuführen; die
                                 										Geschwindigkeitsmessung und eine Messung der Wärme des Laufes an der
                                 											„unreinen Stelle“ würden vielleicht die nöthigen Anhaltspunkte
                                 										geben.
                              In Bezug auf die Wärmesteigerung des einen Laufes bei dem österreichischen
                                 										Versuch muss übrigens die Frage gethan werden: Würde das Gewehr auch bis zum
                                 										200sten Schuss gekommen sein, wenn es statt 600 m Anfangsgeschwindigkeit 800 m
                                 										gehabt hätte? Würden die „Zukunftsgewehre“ nicht auf geringe Schusszahlen
                                 										für solche im Festungskriege vielfach vorkommenden Aufgaben beschränkt werden
                                 										müssen?
                              Aus dem Vorhergehenden dürfte zu schliessen sein, dass man Läufe für neue
                                 										kleinkalibrige Gewehre mit stark erhöhten Geschossgeschwindigkeiten für den Fall
                                 										leicht herstellen kann, dass man die Gewehre nur auf dem Scheibenstande bei
                                 										sorgsamer Behandlung gebraucht. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass diese
                                 										Gewehre für den Krieg nicht geeignet sind, wenn sie bei einer Anzahl von
                                 										Gefechtsverhältnissen gar nicht oder nur mangelhaft gebraucht werden können.
                                 										Eine solche ungünstige Gefechtslage ist z.B. vorhanden, wenn bei einem Schiessen
                                 										in starkem entgegenwehendem Winde vom Dünensande aus die Sandbewegungen gegen
                                 										die Läufe noch durch feindliches Shrapnel- und Gewehrfeuer gesteigert werden.
                                 										Wenn z.B. 100 5 mm-Gewehre auf 1000 Schuss in dieser Lage zehn
                                 										Rohrbeschädigungen hätten, die bisherigen 8 mm-Gewehre aber gar keine, so würde
                                 										man doch die bisherigen trotz geringerer Leistung vorziehen müssen.
                              Die Beurtheilung der Frage, ob ein neues Gewehr nur eine Zierde des Scheibenstandes oder eine kriegsbrauchbare Waffe ist, dürfte aber nicht durch
                                 										den Waffentechniker, sondern nur durch die Truppe zu entscheiden sein auf Grund praktischer
                                 										Versuche.
                              Ladehemmungen würden wahrscheinlich ein weiteres schwer überwindliches Hinderniss
                                 										für die Einführung der gewünschten neuen Gewehre bilden, aber für alle, auch für
                                 										die „Scheibenstandszierden“. Aus der oben angedeuteten Schlossveränderung
                                 										des französischen Gewehres; um Gase aus gerissenen Patronen unschädlich zu
                                 										machen, und aus einer ähnlichen an unserem Gewehre geht hervor, dass jetzt schon
                                 										bei nur 645 m Anfangsgeschwindigkeit die Haltbarkeit der Patronenhülsen schwer
                                 										zu erreichen ist. Aus England ist bekannt geworden, dass die Gewehre, welche
                                 										zuerst 700 m Anfangsgeschwindigkeit geben sollten, bei 610 m noch immer keine
                                 										haltbaren Hülsen haben. Wenn schon bei diesen Geschwindigkeiten die Hülsen nicht
                                 										immer halten, wie viel „Reisser“ und „Klemmer“ werden dann erst
                                 										bei 800 m zu erwarten sein? Ein langsam feuerndes Einzelladegewehr dieser Art
                                 										würde zur Zeit wohl erreichbar sein, nicht aber ein schnell feuerndes
                                 										Mehrladegewehr, das nur bei haltbaren Hülsen möglich ist.
                              Ein weiteres Hinderniss zur Einführung eines 5 mm-Gewehres könnte möglicher Weise
                                 										auch das Verhalten dünner Geschosse auf grossen Entfernungen bilden. Schon 1893
                                 											288 2 wurde nachgewiesen, wie beim 6,5 mm-Gewehr
                                 										zuerst die Treffähigkeit viel grösser ist als beim 8 mm-Gewehr, dann aber stetig
                                 										abnimmt, bis sie auf 2000 m gleich dieser und von da ab rasch geringer wird.
                                 										Wenn in Bezug auf Treffähigkeit ein 5 mm-Gewehr sich so zum 6,5 mm-Gewehr
                                 										verhalten würde, wie dieses sich zum 8 mm-Gewehr verhalten hat, so würden seine
                                 										Leistungen auf grossen Entfernungen geringer als bei den jetzigen Gewehren sein.
                                 										Wollte man etwa die 5 mm-Geschosse verlängern, um ihnen eine gleich grosse oder
                                 										grössere Querschnittsbelastung zu geben, als den jetzigen, so würde man ihren
                                 										Widerstand im Laufe gegen Fremdkörper vergrössern, die Haltbarkeit des Gewehres
                                 										verringern; dadurch würde man ausserdem die Geschossfabrikation und die
                                 										Drallfrage erheblich erschweren.
                              Nach dem Vorhergehenden dürfte die Einführung eines kriegsbrauchbaren 5
                                 										mm-Gewehres nicht so bald zu erwarten sein, und es fragt sich sehr, ob nicht das
                                 										6,5 mm-Gewehr mit 700 m Anfangsgeschwindigkeit schon an der Grenze der
                                 										Kriegsbrauchbarkeit angelangt ist und ob nicht die spanische Regierung, welche
                                 										ein solches Gewehr einführen konnte, begründete Ursache gehabt hätte, ein
                                 										grösseres Kaliber, das von 7 mm, anzunehmen.
                              Die nordamerikanische Marine will bekanntlich ein Gewehr von 5,9 mm mit 672 m
                                 										Anfangsgeschwindigkeit einführen; vielleicht werden die nach einiger Zeit wohl
                                 										stattfindenden Versuche Auskunft darüber geben, ob eine weitere Verkleinerung
                                 										des Kalibers Nachtheile oder Vortheile hat.
                              
                           
                              
                                 Röhrenförmige Geschosse von
                                    											Krnka-Hebler.
                                 
                              Die Entwürfe dieser wahrscheinlich unausführbaren Geschosse verdienen vielleicht
                                 										Erwähnung, weil sie einestheils ein Bild davon geben, in welcher Weise
                                 										waffentechnische Entwürfe aufgestellt werden können, und andererseits, weil sie
                                 										zeigen, wie nothwendig es ist, dass bestimmte Erscheinungen in der Lehre vom
                                 										Geschossfluge klar gestellt werden.
                              In einem Aufsatze der Allgemeinen schweizerischen
                                 										Militärzeitung, 1893 Nr. 27, sind Zahlen und
                                 										Andeutungen für röhrenförmige Geschosse von 8 und 5 mm-Gewehren gegeben, in dem
                                 										D. R. P. Nr. 70644 eine Zeichnung (vermuthlich für letztere). Es ist versucht
                                 										worden, aus diesen Angaben die nebenstehende Fig.
                                    											1a anzufertigen. Die Flugbahnen derartiger Geschosse soll ungemein
                                 										günstig sein, weil der Luftwiderstand nur sehr gering sein soll, da der Raum der
                                 										Höhlung im Innern gar keinen Luftwiderstand verursachen und die Aussenfläche,
                                 										besonders die Abrundung nach hinten ein besseres Abfliessen der Luft gestatten
                                 										soll. In dem Aufsatze werden auf Grund von selbst verfassten Formeln die
                                 										merkwürdigsten Ergebnisse errechnet; von sehr urtheilsfreien Zeitungen und
                                 										besonders von der United Service gazette sind dann
                                 										diese Rechnungsergebnisse für erschossene Angaben gehalten und demzufolge die
                                 										Entwürfe für höchst epochemachende Thatsachen erklärt worden. Die Schweizerische Zeitschrift für Artillerie- und
                                    											Ingenieur-Officiere, der man ein gesundes Urtheil zugestehen muss, gibt
                                 										eine Kritik über diese Entwürfe im Augusthefte von 1893 unter der Ueberschrift:
                                 											„Ballistische Wunder – Wunder der Ballistik“; dem absprechenden
                                 										Inhalte derselben muss man in vollstem Maasse beipflichten. (Nebenbei verdient
                                 										noch erwähnt zu werden, dass der englische Kriegsminister auf eine Anfrage im
                                 										Parlament vom 6. December 1893 bemerkte, er bedauere, dass er keine
                                 										Versuchsergebnisse über die Krnka-Hebler-Geschütze habe erlangen können.)
                              Textabbildung Bd. 291, S. 3Fig. 1.Geschosse.a) Röhrenförmiges Geschoss
                                       												von Krnka-Hebler nebst Führungtspiegel; b) Zündnadelgeschoss von 1871
                                       												nebst Spiegel; c) Zündnadelgeschoss der Kriege 1864 bis 1871; d)
                                       												Zündnadelgeschoss von 1848 Es fällt zuerst auf, dass diese Entwürfe dem Beurtheiler beträchtliche
                                 										Schwierigkeiten dadurch bereiten, dass Einrichtungen mit wenigen Worten
                                 										angedeutet werden, welche kaum ausführbar erscheinen und zum Theil gar nicht in
                                 										der beabsichtigten Weise arbeiten können. So besteht das Geschoss (Fig. 1a) aus drei Stücken, einem äusseren Rohre,
                                 										einem Kerne von Blei oder anderen Metallen und einem inneren Kanalrohre. Wie das
                                 										äussere Rohr mit der Aufweitung in der Mitte und den „Aufbörtelungen“ an
                                 										den „scharfen“ Enden auf den Kern gebracht werden soll, wie das innere
                                 										Rohr beim Stoss der Pulvergase im Laufe sich im Kerne festhalten soll, ist
                                 										nirgends erwähnt. Zur Führung des Geschosses soll der links gezeichnete Körper
                                 										von Pappe oder einem ähnlichen Material dienen (Fig.
                                    											1a). Wie verhindert wird, dass die Pulvergase die Mitte desselben
                                 										durch das Geschoss treiben, wie derselbe eine sichere Führung abgeben soll, ist
                                 										sehr ungenügend erwähnt, trotzdem doch unangenehme Vorgänge bei einem ganz ähnlichen,
                                 										praktisch schon verwertheten Körper, dem sogen. Spiegel der Zündnadelgeschosse,
                                 										vorlagen (Fig. 1b).
                              Ueberhaupt nahmen die Aufsteller der Entwürfe vom Vorhandensein der
                                 										Zündnadelgeschosse gar keinen Vermerk, trotzdem gerade dieses Geschoss dem
                                 										Luftwiderstande hinten einen leichten Abfluss verschaffen sollte und trotzdem
                                 										das erste dieser Geschosse, das 1848 gebrauchte (Fig.
                                    											1c), gleichzeitig durch einen Vorsprung und durch einen Spiegel
                                 										geführt wurde, d.h. fast ebenso, vielleicht nur etwas besser, als das patentirte
                                 										Geschoss. Eine kleine Entschuldigung für letzteres würde vielleicht darin
                                 										liegen, dass Jahrzehnte lang die meisten Waffentechniker eine „Steuerung“
                                 										der Langgeschosse durch Einschnitte und Vorsprünge im hinteren cylindrischen
                                 										Theil für allein richtig hielten. So sind in einem Werke: Des armes de guerre rayées von Mangeot (Brüssel 1861), 72 verschiedene
                                 										Gewehrgeschosse gezeichnet, und von diesen haben 51 Vorrichtungen zum
                                 											„Steuern“, nur 2 begünstigen den Luftabfluss nach hinten (das
                                 										Zündnadelgeschoss und die damalige württembergische Karabinerkugel). – Höchst
                                 										eigenthümlich muss es aber berühren, wenn Krnka-Hebler in ihrem Patentgesuche in Berlin, also in der Stadt, wo
                                 										gerade das Zündnadelgeschoss mit seiner Spiegelführung noch gut bekannt sein
                                 										musste, die Behauptung aufstellen: „Um die Verdünnung der Luft hinter dem
                                    											Geschoss zu beseitigen, ist bisher so gut wie gar nichts geschehen, dieser
                                    											Widerstand fast gar nicht untersucht und nicht erörtert. Erst durch das
                                    											Bekanntwerden vorliegender Erfindung werden sich Erörterungen hörbar machen,
                                    											welche zur Adoption führen dürften.“ Durch Weglassung dieser Aeusserung
                                 										würden es Krnka-Hebler vermieden haben, dass man
                                 										sie in der Geschichte der Waffentechnik für wenig bewandert ansehen muss.
                              Der Gedanke Krnka-Hebler's, ein Geschoss von vorn
                                 										nach hinten zu durchbohren, gibt ein weiteres bezeichnendes Bild von den
                                 										Vorstellungen, welche manche Waffentechniker von den Geschossbewegungen haben.
                                 										Man braucht nur die Frage zu stellen: „Wird der Kanal die Flugbahn des
                                    											Geschosses verbessern oder nicht?“ Jeder, der annimmt, dass die
                                 										Geschossachse genau in der (Tangente zur) Flugbahn sich bewegt, muss diese Frage
                                 										unbedingt bejahen, also die Erfindung für werthvoll halten. Jeder aber, der
                                 										nicht begreifen kann, dass dies wirklich der Fall, wird diese Construction für
                                 										durchaus werthlos ansehen müssen. Im J. 1892 hat Prof. Neesen (1893 288 50) praktisch bewiesen,
                                 										dass ein Geschoss um die Flugbahn Bewegungen macht, bei welchen die Ausschläge
                                 										in wagerechter Richtung 40°, in senkrechter sogar 90° betragen; die Revue d' Artillerie hält für bewiesen, dass sich
                                 										das Geschoss in einem Winkel von 7° zur Flugbahn stellen könne, und selbst Siacci gesteht in seiner Ballistik zu, dass ein Geschoss nicht genau in der Flugbahn bleibt.
                                 										Wenn man nun nur die von der Revue d'Artillerie
                                 										angeführte Grösse des Ausschlages von 7° für möglich hält (in der Fig. 1a angedeutet), so würde ihr Vorkommen nicht
                                 										eine Verminderung des Luftwiderstandes, sondern eine beträchtliche Vermehrung
                                 										und wahrscheinlich ein Umwerfen des Geschosses zur Folge haben.
                              Da eine durchaus unbewegliche Lage eines rotirenden Geschosses in der Flugbahn
                                 										eine höchst auffallende Neuerung in der Physik bezieh. Mechanik sein würde, so
                                 										hätte Prof. Hebler einige wissenschaftliche
                                 										Erörterungen darüber geben müssen.
                              
                           
                              
                                 Erleichterte Geschosse für
                                    											Friedenszwecke.
                                 
                              Die grosse Geschwindigkeit und die Zähigkeit der heutigen Mantelgeschosse, beim
                                 										Aufschlagen ihre Form beizubehalten und dann noch grosse Strecken weiter zu
                                 										fliegen, machen grosse Flächenräume für Schiesstände nothwendig. Ebenso ist der
                                 										Gebrauch der normalen Geschosse von Wachposten in Städten mit grossen Gefahren
                                 										verbunden. Es sind deshalb Versuche mit erleichterten Geschossen ausgeführt
                                 										worden, und zwar in Oesterreich mit solchen, welche nur zwei Durchmesser Länge
                                 										und nur auf dem hinteren (cylindrischen) Theile einen Mantel hatten. Bis 400 m
                                 										war die Treffähigkeit gut, auf 500 bis 600 m aber schlecht und der Raum von 800
                                 										m hinter der Scheibe erschien doch noch gefährdet, v.
                                    											Förster hat ein Aluminiumgeschoss in einer besonderen Waffe versucht.
                                 										Wenn ein solches Geschoss in einem Dienstgewehr verwandt werden könnte, würde es
                                 										vielleicht gute Dienste leisten können.
                              
                                 
                                    (Fortsetzung folgt.)