| Titel: | Bemerkungen über neue Kriegswaffen. | 
| Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 26 | 
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                        Bemerkungen über neue
                           								Kriegswaffen.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 1 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Bemerkungen über neue Kriegswaffen.
                        
                     
                        
                           Feldartillerie.
                           
                              
                                 Beibehaltung des bisherigen
                                    											Feldartilleriematerials unter Ausführung kleiner Veränderungen.
                                 
                              Vor einigen Jahren entstand eine starke schriftstellerische Bewegung für eine
                                 										durchgreifende Aenderung der bestehenden Feldgeschütze. Schnellfeuerkanonen mit
                                 										gesteigerter Geschossgeschwindigkeit sollten eingeführt werden unter
                                 										vollständiger Veränderung von Rohr, Laffete und Munition. Die meisten
                                 										Geschützfabriken construirten und fabricirten Versuchsgeschütze, welche den
                                 										schriftstellerischen Wünschen zum Theil entsprachen. Bis jetzt hat aber die
                                 										Bewegung nur massigen Erfolg gehabt. Nur England scheint sich bewogen gefühlt zu
                                 										haben, für einen Theil seiner kleinen europäischen Truppe ein neues System
                                 										anzunehmen, indem es Feldgeschütze von dem bisher ungewohnt kleinen Kaliber von
                                 										6,6 cm mit einer Laffete einführte, deren Obertheil sich während des Schusses
                                 										auf dem Untertheil zurück und wieder vorbewegt. In Oesterreich scheint eine
                                 										gründliche Aenderung durch Einführung eines Kalibers von 7,5 cm (statt des
                                 										bisherigen von 8,7 cm) noch nicht endgültig abgelehnt worden zu sein. Die
                                 										Schweiz hat einen Wettbewerb ausgeschrieben, „dessen Bedingungen auf ein
                                    											Schnellfeuergeschütz der fortgeschrittensten Art hindeuten.“ Die übrigen
                                 										Mächte scheinen ihre Systeme beibehalten zu wollen unter Ausführung von
                                 										Abänderungen, welche das Material beträchtlich verbessern, aber auch gestatten,
                                 										dass das bisherige noch verwerthet werden kann. v.
                                    											Loebell's Jahresberichte über die Fortschritte im Heereswesen, welche
                                 										im vorigen Jahre einige ausgezeichnete Abhandlungen enthalten, deuten derartige
                                 										Veränderungen in der deutschen Feldartillerie an, welche von allgemeinerem
                                 										Interesse sein werden:
                              Es ist ein neues Rohr, das Feldgeschützrohr C. 73/91, eingeführt worden, dessen
                                 											Stahl eine besondere Zähigkeit und Festigkeit
                                    											hat; es soll im Uebrigen aber nur kleine Abweichungen von dem früheren
                                 										Rohre (C. 73) zeigen. Die Laffeten wurden mit einer Drahtseilbremse
                                 										ausgestattet, welche das Anziehen der Bremshebel beim Rücklauf und beim
                                 										Bergabfahren allmählich und selbsthätig bewirkt, das Vorbringen des Geschützes
                                 										beim Schiessen aber nicht behindert (vgl. 1891 281
                                 										150). Die Munition ist durch eine besondere „Sprenggranate“ vermehrt
                                 										worden, die anderen Geschosse wurden mit kleinen Abänderungen beibehalten.
                                 										Treibmittel ist rauchschwaches Blättchenpulver, und zwar beträgt die Ladung 0,64
                                 										k, welche dem Geschosse eine ähnliche Geschwindigkeit gibt, wie es 1,5 k des
                                 										früheren „grobkörnigen“ Schwarzpulvers gethan haben würde; es
                                 										betragen die Mündungsgeschwindigkeiten für alle Granaten 442 m, für die
                                 										(schwereren) Shrapnels 419 m. Die sonstigen zahlreichen Veränderungen, besonders
                                 										die an den Fahrzeugen, sind nur von besonderem Interesse für den Artilleristen.
                                 										– Die Beibehaltung der vor 21 Jahren geschaffenen Construction dürfte als ein
                                 										sehr günstiges Zeugniss für die Arbeiten der damaligen
                                 										Artillerieprüfungscommission zu betrachten sein. Das damals eingeführte Material
                                 										war ein ganz neuartiges. Als Rohre wurden die aus mehreren Theilen
                                 										zusammengefügten Mantelrohre eingeführt, welche mittels eines recht gut
                                 										bestimmten Pulvers die Geschwindigkeit der Geschosse um ⅓ vermehrte; die meisten
                                 										Holztheile der Laffeten und Fahrzeuge wurden durch Stahlblech oder Eisen
                                 										ersetzt; eine ganz neue Verpackungsweise wurde eingeführt, welche es einem Manne
                                 										möglich macht, mit einem Griffe fünf Schüsse gleichzeitig zu entnehmen oder
                                 										einzuladen; die Verbindung von Vorder- und Hinterfahrzeug durch Anbringung eines
                                 										Hakens weit hinter der Protzachse und einer Oese im Laffetenschwanz hatten
                                 										damals schon den deutschen Feldgeschützen eine Fähigkeit gegeben, Unebenheiten
                                 										des Bodens zu überwinden und Wendungen auszuführen, welche kein anderes
                                 										Feldgeschütz besitzt.
                              Die Beibehaltung der alten Geschossgeschwindigkeiten bei Einführung des
                                 										rauchschwachen Pulvers und der heftig explodirenden Sprenggranate bedarf einer
                                 										besonderen Erwähnung. Vielleicht ist es gerade dadurch möglich geworden, die
                                 										Sprenggranate ohne Gefahr gebrauchen zu können. Es ist durchaus nicht
                                 										unwahrscheinlich, dass vielleicht schon bei 600 m Anfangsgeschwindigkeit das
                                 										Vorkommen von „Rohrkrepirern“ eine bedenklich hohe Zahl erreicht haben
                                 										würde, die bei 800 m Anfangsgeschwindigkeit aber so hoch gestiegen wäre, dass
                                 										der Gebrauch von Sprenggranaten nicht mehr möglich gewesen wäre; es würde also
                                 										zur Zeit die Einführung eines Feldgeschützes mit grosser Anfangsgeschwindigkeit
                                 										die Verbesserung der Geschosswirkung durch Verwendung der Sprenggranate
                                 										verhindert haben. Von dem jetzigen Zustande ausgehend, finden sich vielleicht
                                 										nach und nach die Mittel, wodurch die Sprenggranaten auch bei grossen
                                 										Geschwindigkeiten gebrauchsfähig gemacht werden.
                              
                           
                              
                                 Neue Einrichtung zur Regelung des
                                    											Rücklaufes und des Vorlaufes eines Feldgeschützes.
                                 
                              Es scheint, als ob der erwähnte schriftstellerische Aenderungsvorschlag, die
                                 										Feldlaffete in eine untere und obere zu theilen, etwas voreilig gewesen wäre.
                                 										Nach neueren Nachrichten scheint man in Frankreich für denselben Zweck eine
                                 										besondere Einrichtung versucht zu haben, wodurch es gelingt, dass das Geschütz
                                 										nach dem Schuss die Stellung wieder einnimmt, welche es vor demselben gehabt
                                 										hat, und zwar scheint dies keine Schwächung der Laffete verursacht zu
                                 										haben. Es scheint unter den Laffetenschwanz ein spaten- oder pflugscharartiges
                                 										Eisen angebracht zu sein, welches sich beim Rückstoss des ersten Schusses fest
                                 										in den Boden einbohrt. Durch hydraulische Bremsen und durch Federn ist die
                                 										Laffete so mit diesem Eisenstücke verbunden, dass sie nach jedem Schusse in die
                                 										Ausgangsstellung zurückkehrt. Falls dem richtenden Kanonier eine kleine
                                 										seitliche Bewegung des Laffetenschwanzes gegen den festen Stützpunkt ermöglicht
                                 										ist, dürfte diese Erfindung einen wesentlichen Punkt bei einer
                                 										Feldschnellfeuerkanone getroffen haben. Im November 1893 hat Armstrong (England) ähnliche Geschütze (mit
                                 											„verankerter Laffete“) einem geladenen Publikum vorgeführt. Von einem
                                 										derartigen Geschütz mit Schnelladeverschluss und Munition in Hülsen mit Zündung
                                 										im Boden würde sich nach den Mittheilungen über Gegenst.
                                    											des Art.- u. Gen.-Wesens, 1893 Heft 8, eine beträchtliche Steigerurig
                                 										der Wirkung erzielen lassen; so wird es z.B. möglich, mit einem solchen Geschütz
                                 											allein das Einschiessen durchzuführen, wozu bis
                                 										jetzt die sämmtlichen (sechs) Batteriegeschütze
                                 										gebraucht wurden; nach dem Einschiessen des einen Geschützes würden dann die
                                 										anderen erst auftreten und sofort den Feind mit Schnellfeuer überschütten
                                 										können.
                              
                           
                              
                                 Abschaffung des Keilverschlusses
                                    											bei der Feldartillerie in Russland.
                                 
                              Im Juli 1892 wurde in Russland bestimmt, dass bei neuen Feldgeschützröhren
                                 										Schraubenverschlüsse angebracht werden sollten; am 16./28. October 1893 wurde
                                 										ein Gleiches für die reitende Artillerie befohlen. Es wurde gleichzeitig
                                 										verbreitet, dass das Rohr mit Schraubenverschluss gegen das bisherige um 16 k
                                 										erleichtert und um 2,2 cm verkürzt werden konnte, trotzdem der Ladungsraum und
                                 										der gezogene Theil beinahe 10 cm länger wurden, und zwar alles deshalb, weil
                                 										beim Keilverschluss der Abstand der Vorderfläche vom hinteren Rande des Rohres
                                 										viel grösser ist, als bei dem. Schraubenverschluss. Die Thatsache ist richtig,
                                 										sie hat aber nichts bei einem Feldgeschütze mit bisheriger Feuergeschwindigkeit
                                 										zu besagen. Der eigentliche Grund, weshalb die russische Regierung den
                                 										Keilverschluss nicht mehr anfertigen liess, scheint theil weise politischer
                                 										Natur zu sein. Die Keilverschlüsse mit ihrer eigenthümlichen Dichtung können nur
                                 										in Deutschland (bei Krupp) angefertigt werden,
                                 										andere Länder (z.B. Frankreich) sind nachweislich nicht im Stande gewesen, einen
                                 										solchen Verschluss mit guter Dichtung (für Pulverladungen in Beuteln)
                                 										herzustellen. Wenn also Russland bei Errichtung neuer Batterien oder beim Ersatz
                                 										unbrauchbarer Geschützrohre von Deutschland frei sein wollte, so musste es den
                                 										Keilverschluss verlassen.
                              
                           
                              
                                 Mannesmann-Rohr- oder
                                    											Eschenholz-Deichseln?
                                 
                              In den Mittheilungen über Gegenst. des Art.- u.
                                    											Gen.-Wesens, 1893 Heft 2 S. 113, ist ein Versuch beschrieben, der das
                                 										beste Material für Deichseln ermitteln sollte. Dabei hat sich herausgestellt,
                                 										dass die nach dem Walzverfahren von Mannesmann
                                 										dargestellten eisernen Röhrendeichseln eine zu geringe Elasticität, ein zu
                                 										grosses Gewicht und einen zu hohen Kostenpreis gegen andere hatten. Als bestes
                                 										Material, besser noch als Hickoryholz, erwies sich Eschenholz, welches vorn mit
                                 										besonderen, nicht eingelassenen Beschlägen versehen war.
                              
                           
                        
                           Belagerungs- und Festungsartillerie.
                           
                              
                                 Neuerungen in
                                    										Deutschland.
                                 
                              Die Belagerungs- und Festungsartillerie hat in Deutschland in den letzten Jahren
                                 										manche Abänderungen erfahren, welche sich aus neuerdings veröffentlichten Sondervorschriften für die Fussartillerie (mit
                                 										Zeichnungen) ergeben. Die wesentlichsten Neuerungen an Rohren und Laffeten sind
                                 										folgende:
                              Es sind zwei ganz neue Geschütze eingeführt worden, ein schweres, weittragendes
                                 										Geschütz für Belagerungen, genannt: lange 15 cm-Kanone, für Belagerungen und für
                                 										den Feldkrieg ein „langer 15 cm-Mörser“. Ausserdem ist ein älteres
                                 										Geschützrohr, welches früher zum Einschiessen von Erd- oder Mauerwerk bestimmt
                                 										war, in ein Rohr für Panzerthürme verwandelt worden (die 21
                                 										cm-Thurmhaubitze).
                              Die neue Laffete für die genannte neue Belagerungskanone ist mit einer
                                 										Schussbremse versehen worden (eine ähnliche ist 1891 281 150 dargestellt) und die Laffete des älteren 15 cm-Geschützes,
                                 										welches ähnlichen Zwecken dienen kann, ebenfalls.
                              Es sind ausserdem einige neue Laffeten eingeführt worden, deren Beschreibung hier
                                 										wohl zu weit führen würde.
                              Eine durchgreifende Aenderung zeigen die neuen Geschütze; sie besteht in einer
                                 										grossen Steigerung der Steilheit der Zugwindungen, „stärkerem Drall“. Die
                                 										lange 15 cm-Kanone gibt ihren Geschossen eine Windung auf einer Länge von 25,5
                                 										Durchmesser. Von Geschossen der beiden genannten Mörser wird sogar eine Windung
                                 										auf einer Länge von nur 17,8 Durchmesser vollzogen. Um die Anstrengung der Rohre
                                 										zur Erzeugung einer solchen Drehung zu mildern, beginnen die Windungen schwach
                                 										und nehmen dann stark zu (Progressiv-Drall); bei der langen Kanone sind sie auf
                                 										einer kurzen Strecke vor der Mündung gleichförmig.
                              Eine durchgreifende Neuerung, welche sich auch auf ältere Geschützrohre
                                 										erstreckt, ist die Einführung eines besonderen Futterrohres von Stahl
                                 										(Stahlseele); vielleicht ist zur Erreichung desselben Zweckes bei der neuen
                                 										langen 15 cm-Kanone, welche als „Mantelringkanone“ aus mehreren Stücken
                                 										zusammengesetzt ist, der vordere Theil des Kernrohres mit Ringen umzogen worden
                                 										(bei den entsprechenden früheren Rohren war das nicht der Fall).
                              
                           
                              
                                 Futterrohre (Stahlseelen, lining
                                    											tubes).
                                 
                              Das Einziehen eines besonderen Rohres in das Innere des Geschützrohres wird
                                 										zunächst für diejenigen Staaten besonders wichtig, welche Pulversorten haben,
                                 										die starke Rohrzerfressungen (Erosionen) verursachen. So wird aus der Schweiz
                                 										berichtet, dass das dortige rauchlose Pulver die Bronzerohre stark zerfrisst;
                                 											Nobel in England deutet an, dass das
                                 										Cordite-Pulver zerfressend wirke, allerdings weniger als das in Italien
                                 										gebrauchte Ballistit, und zwar deshalb, weil es weniger Hitze entwickele. Er
                                 										vergleicht die Zerfressungen des gewöhnlichen (früheren) Pulvers mit Furchen in
                                 										einem roh gepflügten Acker, die des Cordite mit einer ziemlich glatt
                                 										weggeschwemmten Ackeroberfläche. Wenn solche Rohrbeschädigungen, die
                                 										wahrscheinlich mit einer Zunahme der Anfangsgeschwindigkeiten noch beträchtlich
                                 										häufiger auftreten, in einem der bisherigen Rohre erscheinen, so setzen sie bald
                                 										das Geschütz ausser Gefecht; kommen die Zerfressungen aber in dem Futterrohre eines
                                 										Geschützes vor, so werden sie durch Einsetzen eines neuen unschädlich gemacht
                                 										und das Geschützrohr arbeitet weiter. – Die Futterrohre werden das Platzen
                                 										(Krepiren) von Geschossen im Rohre weniger gefährlich machen, denn ein hier etwa
                                 										erzeugter Riss überträgt sich nicht von selber in das Aussenrohr, sondern dort
                                 										muss ein neues „Anreissen“ stattfinden, welches eine besondere Kraft
                                 										erfordert. – Endlich können die Futterrohre als ein besonderes
                                 										Verstärkungsmittel der Geschützrohre angesehen werden, wenn sie in dieselben
                                 										ohne Spielraum, unter Zusammenpressung eingetrieben worden sind. Sie sind dann
                                 										künstlich zusammengedrückt und werden beim Schusse erst angestrengt, wenn die
                                 											ganze Rohrwand so aus einander gedrückt ist,
                                 										dass sie ihren früheren Umfang einnehmen konnten; von diesem Theile der
                                 										Pulverkraft wird also gewissermaassen das Futterrohr durch das äussere Rohr
                                 										entlastet.
                              Textabbildung Bd. 291, S. 27Fig. 2.Geschützrohre künstlicher Metallconstruction.a) Ringkanone aus dem Jahre
                                       												1394; b) Feldkanone Gustav Adolfs; c) Französische Feldkanone von 1877
                                       												(4 Ringe [frettes] durchschnitten); d) Schema der Stahl- oder
                                       												Hartbronzerohre; e) Schema der Ring- bezieh. Mantelrohre; f) Longridge's
                                       												Drahtkanone; g) Brown's Segment und Drahtkanone (segmental wirewound
                                       												gun) Das Einziehen von Futterrohren (lining tubes) scheint schon in
                                 										verschiedenen Staaten angewandt worden zu sein.
                              
                           
                              
                                 Künstliche Metallconstruction der
                                    											Geschützrohre.
                                 
                              Ein wie vorhin beschriebenes „Rohr mit Stahlseele“ gehört zu den
                                 											„Geschützröhren mit künstlicher Metallconstruction“. Unter diesem
                                 										Namen fasst man in Deutschland alle Geschützconstructionen zusammen, welche beim
                                 										Entwürfe oder bei der Herstellung eine besondere Widerstandsfähigkeit gegen die
                                 										Wirkung des Schusses bekommen haben. Mit Rücksicht auf Erscheinungen der
                                 										neuesten Zeit dürfte es vielleicht von Interesse sein, einen kurzen Ueberblick
                                 										über die Geschichte dieser „künstlichen Metallconstruction“ zu werfen,
                                 										und es wird sich vielleicht gerade aus einer Betrachtung recht alter Geschütze
                                 										leicht ein Urtheil über die allerneuesten gewinnen lassen.
                              
                           
                              
                                 Ringrohr von 1394.
                                 
                              Die ersten Geschütze dieser Art waren zum Theil durch die Ungeschicklichkeit der
                                 										Metallarbeiter im Giessen grosser Stücke veranlasst. Es wurden deshalb
                                 										Eisenstangen um eine Welle (Dorn) fest neben einander gelegt und dann Ringe
                                 										aufgezogen, meist auf die Fugen zwischen diesen nochmals Ringe aufgetrieben. Die
                                 										hintere Oeffnung wurde durch ein hohles Eisenstück, welches die Pulverladung
                                 										aufnahm, „Kammer“ genannt wurde und ein Zündloch hatte, verschlossen (bei
                                 										anderen Geschützen kam statt der „Kammer“ auch wohl ein massives
                                 										Eisenstück vor). Das Rohr war mit Bändern auf zwei hölzernen Rippen befestigt
                                 										und die Kammer durch Keile, welche sich gegen einen Ansatz auf den Enden dieser
                                 										Rippen legten, festgehalten (Fig. 2a). Die
                                 											„Kammer“ (d.h. der Verschluss) nahm die Festigkeit des übrigen Rohres
                                 										gar nicht in Anspruch, sie strengte nur die eigenthümliche Laffete an.
                              Bei dieser Construction hatte die durch Längsstäbe gebildete Innenwand fast gar
                                 										keinen Widerstand gegen den Druck der Gase nach aussen auszuhalten, dieser Druck
                                 										ging fast ganz gegen die umgelegten Ringe. Bei guter Arbeit müssen diese
                                 										Geschütze viel grössere Leistungen als gegossene Vorderlader gehabt haben. – Bei
                                 										anderen dieser „Ringgeschütze“, welche mit Schildzapfen versehen waren,
                                 										gab die Lage in der „Laffete“ keinen Schutz gegen Verbiegung; die
                                 										äussersten Ringe sind hier breiter und unterstützen so die Aufgabe der Stäbe der
                                 										Innenwand, das Rohr gerade zu halten.
                              
                           
                              Ein Feldgeschützrohr Gustav
                                    											Adolf's (Fig. 2b).
                              Um sehr leichte Feldgeschütze zu bekommen, liess König Gustav Adolf von Schweden im J. 1626 durch den Obersten Warmbrand Geschütze construiren, deren Innenwand
                                 										aus einem hinten verschlossenen Kupferrohr bestand; um dasselbe war ein
                                 										Lederstück gelegt, darum Schnur (nach unseren Begriffen eine Waschleine)
                                 										gewickelt, und zwar in mehreren Lagen über einander. Auf diese Umwickelung
                                 										wurden Längsstangen (parallel der Rohrachse) gelegt, um diese wieder einige
                                 										Lagen Schnur gewickelt und hierum ein Leder befestigt; welches mit einem
                                 										besonderen Mastixlack bestrichen wurde. Am Kopfe und am Boden des Geschützrohres
                                 										befinden sich Holzscheiben zur Begrenzung der Umwickelung, dieselben stehen mit
                                 										den Enden des Kupferrohres in Verbindung; aus dem Rohrkörper treten noch zwei
                                 										Vorstände, aus einer Gypsmasse bestehend, hervor, welche mit Messingband
                                 										zusammengehalten werden. Möglicher Weise dienten diese Vorstände zum Schütze der
                                 										Umwickelung und auch dazu, die Verschiebung der Umwickelung in der Längsrichtung
                                 										zu erschweren; zu letzterem Zwecke werden auch die tiefen Ausfeilungen gedient
                                 										haben, welche in einem Paar der Längsstangen so angebracht sind, dass eine
                                 										eingelegte Schnur fest liegen bleiben muss. Die Bewegung in der Längsrichtung
                                 										wurde wahrscheinlich durch die Einwirkung des Rückstosses auf das
                                 										Schildzapfenband (mit Namenszug), welches in die äussersten Schichten der
                                 										Umwickelung gelagert ist, hervorgerufen. (Die Anbringung des Zündloches war ohne weiteres
                                 										nicht zu ermitteln, die Andeutung der Zeichnung ist nach einer Muthmaassung
                                 										gemacht; in anderen noch vorhandenen schwedischen Geschützen ist ein Zündloch
                                 										angebracht, welches von oben bis zum Innern des Rohres geht.)
                              Die Umwickelung hat unbedingt die Aufgabe gehabt, das schwache Kupferrohr (die
                                 											„Kupferseele“) gegen den Druck der Pulvergase nach aussen zu
                                 										verstärken, demselben eine feste Lage zu geben und sein Platzen ungefährlich zu
                                 										machen. Die Längsstäbe (Schienen) hatten dieselbe Zwecke zu erfüllen, aber
                                 										ausserdem werden sie das ganze Rohr gerade gehalten und vor einem Verbiegen
                                 										bewahrt haben.
                              Diese für die damalige Zeit höchst sinnreiche Geschützconstruction ist heutzutage
                                 										fast gar nicht bekannt. Sie wird in Geschichtsbüchern und sogar in Lehrbüchern
                                 										über alte Waffen mit den Worten „Leder-Kanone“ abgefertigt, trotzdem
                                 										vielleicht das Leder eine sehr nebensächliche Rolle bei der ganzen Construction
                                 										gespielt hat. Die Geschütze wurden nicht lange beibehalten; in der Schlacht bei
                                 										Breitenfeld 1631 sollen sie „zu warm“ geworden sein und wurden deshalb
                                 										abgeschafft. (Die leichte Zerstörbarkeit der Umwickelung mit einem scharfen
                                 										Gegenstande, vielleicht auch das Abbröckeln der Gypszwischenwände, die sehr
                                 										wenig feste Lage der Schildzapfen, das Lockerwerden der Umwickelung und die
                                 										angewandte schwache Ladung mit ihrer schwachen Wirkung werden wohl die
                                 										Hauptgründe des Abschaffens gewesen sein.)
                              Aus einem Stücke bestehende (Massiv-) Rohre beherrschten nunmehr länger als zwei
                                 										Jahrhunderte die ganze Geschützfabrikation. Die Construction dieser Massivrohre
                                 										hatte den Nachtheil, dass sie die Metallschichten der Bohrung ungeheuer, meist
                                 										bis zum Reissen beanspruchte, während die Widerstandskraft der äussersten
                                 										Schichten gar nicht ausgenutzt wurde.
                              
                           
                              
                                 Ring- und
                                    										Mantelconstruction.
                                 
                              Ein altes Geschütz im Tower in London scheint Armstrong vor einigen Jahrzehnten zur künstlichen Metallconstruction
                                 										zurückgebracht zu haben. Es wurden dann nach und nach auch von anderen
                                 										Fabrikanten Ring- und Mantelconstructionen für Geschützrohre mit grossen
                                 										Geschwindigkeiten aufgestellt, theilweise unter Benutzung der Untersuchungen von
                                 											Lame, Rodman, Birnie, Kalakoutsky und anderer
                                 										Techniker und Officiere. Im französischen Feldgeschützrohr (Fig. 2c) ist die Ringconstruction dargestellt.
                                 										Ring- und Mantelconstruction unterscheiden sich wesentlich dadurch, dass bei
                                 										ersterer das sogen. Kernrohr den Verschluss aufnimmt, welcher bei letzterer in
                                 										einem besonderen, Mantel genannten Ringe sitzt. (1893 288 4 wurde letztere Construction bei den amerikanischen Feldrohren
                                 										näher besprochen und angedeutet, welche Vortheile sie für den Widerstand gegen
                                 										die in der Längenrichtung wirkenden Kräfte bietet.) Der Hauptzweck der Ring- und
                                 										Mantelconstruction war, die Widerstandsfähigkeit des Rohres gegen die von innen
                                 										nach aussen wirkenden Pulvergase zu vergrössern. Um dies zu erreichen, erhitzte
                                 										man einen Ring, dessen innerer Durchmesser kleiner als der äussere eines
                                 										Kernrohres war, und schob ihn dann, nachdem er sich genügend ausgedehnt hatte,
                                 										auf das Kernrohr. Beim Erkalten schrumpfte der Ring ein und presste gleichzeitig
                                 										das Kernrohr so zusammen, dass es im Ruhezustande eine nach innen gerichtete
                                 										Spannung besass (Initialspannung), Fig. 2e.
                                 										Beim Schuss wird ein Theil der Kraftäusserung der Pulvergase verbraucht, um die
                                 										natürliche Ausdehnung des Kernrohres wieder herzustellen, indem gleichzeitig der
                                 										aufgezogene Ring aufgeweitet wird; dann erst wird der Rest der Kraft frei, um
                                 										das Kernrohr und diesen Ring aus einander zu drücken. Während bei einem alten
                                 										Massivrohr nur die Innenwand von der vollen Pulverkraft auf Auseinanderdrücken
                                 										in Anspruch genommen wurde, wird sie bei der Ringconstruction nur sehr wenig
                                 										angestrengt, dafür soll aber die Widerstandsfähigkeit der aufgeschobenen Ringe
                                 										stark beansprucht werden.
                              
                           
                              
                                 Stahl- oder Hartbronze (veredelte
                                    											Bronze).
                                 
                              Hauptsächlich um das frühere Geschützmaterial: Bronze, zu verwerthen, ist
                                 										vielfach die sogen. Stahl- oder Hartbronze eingeführt worden, trotzdem es
                                 										bekannt war, dass ihre Constructionen niemals die Ring- und Mantelrohre aus
                                 										Stahl oder geeignetem Eisen ersetzen konnten. Aus dem Fig. 2d dargestellten Schema geht hervor, dass die äussere Schicht
                                 										durch Zusammenziehen einen Druck auf die Mittelschicht ausübt. Durch Schalenguss
                                 										und rasches Abkühlen sollte das erreicht werden. Das Innere der Rohrwand ist
                                 										durch Pressung verdichtet und soll dadurch eine höhere Festigkeit bekommen
                                 										haben. Die Einschaltung der Stahlbronze geschah hier nur, weil sie immerhin als
                                 										ein besonderes Glied der künstlichen Metallconstruction betrachtet werden kann
                                 										und weil sie für Geschütze mit kleinen Anfangsgeschwindigkeiten noch lange eine
                                 										Rolle spielen wird.
                              
                           
                              
                                 Drahtkanone von
                                    										Longridge.
                                 
                              Als Fortsetzung der Ring- und Mantelconstruction und als ein vielleicht
                                 										unbewusstes Zurückgreifen auf eine Feldkanone Gustav
                                    											Adolf's ist die Drahtkanone Longridge's
                                 										anzusehen (Querschnitt Fig. 2f; Bd. 281 S. 153
                                 										stellt eine Ansicht dar). Alle Ringe oder einen Theil der Ringe ersetzt Longridge durch eine mit hoher Spannung ausgeführte
                                 										Umwickelung des Kernrohres mit einem Drahte; die Umwickelung ist viele Lagen
                                 										stark und diese Stärke nimmt von hinten nach vorn ab. Die Drahtenden sind
                                 										natürlich sorgsam befestigt. Longridge glaubt, dass
                                 										durch die Drahtumwickelung die Widerstandsfähigkeit des Rohres gegen einen Druck
                                 										von innen nach aussen bedeutend grösser als bei den Ringkanonen wird. Um die
                                 										äusserste Schicht befindet sich ein hohler Raum, welcher von einem Mantel
                                 										umschlossen wird. (Die genaue Construction dieses Mantels, der den Verschluss
                                 										enthält und die Schildzapfen trägt, sowie besondere Geschützconstructionen
                                 										können hier nicht besprochen werden.) – Die Hoffnungen, welche an diese
                                 										Drahtkanone geknüpft wurden, scheinen sich doch nicht ganz verwirklicht zu
                                 										haben. In Deutschland hatte Longridge schon vor
                                 										vielen Jahren ein Patent genommen, es verfallen lassen, dann wieder ein neues
                                 										genommen, was schon mehrere Jahre besteht; von einer Bestellung hat man hier
                                 										noch nichts gehört. In England sollen Rohre bestellt worden sein, aber Sicheres
                                 										weiss man auch nicht. Vielleicht hat die Construction auch ihre schwachen
                                 										Seiten. Dass sie sehr widerstandsfähig ist gegen Druck von innen nach aussen,
                                 										ist wohl sicher; die Widerstandsfähigkeit gegen Verbiegen ist aber sehr gering;
                                 										sie beruht fast nur im Kernrohre, das nur bei geringer Dicke den ganzen Nutzen
                                 										der künstlichen Metallconstruction hervortreten lässt; wenn die Drahtumwickelung
                                 										sich bis zur Mündung erstreckt, so wird die recht grosse Last des Drahtes das
                                 										Verbiegen befördern, falls der Rücklauf nicht in der Richtung der Rohrachse
                                 										erfolgt. In England ist man übrigens etwas empfindlich in Bezug auf
                                 										Rohrverbiegungen wegen der bitteren Erfahrungen mit den 110 t-Armstrong-Kanonen.
                                 										– Da die Drahtumwickelung ohne Schutzmantel gar nicht zu denken ist, weil sie
                                 										sehr leicht verletzlich ist, so scheint das Gewicht der Rohre nicht gerade klein
                                 										zu sein. Man würde diese Rohre mit dem Feldrohr Gustav
                                    											Adolf's vergleichen können, wenn diese Construction nicht die
                                 										Ueberlegenheit einer grösseren Festigkeit durch die Längsstangen gezeigt
                                 										hätte.
                              
                           
                              
                                 Brown's umwickelte Stabkanone
                                    											(segmental wire-wound gun).
                                 
                              Bei dieser Construction ist das Verbiegen dadurch verhindert, dass die
                                 										Drahtumwickelung um Stäbe (Barren) aus Chromstahl ausgeführt ist, welche im
                                 										Querschnitt einen in Segmente zerschnittenen Kreis bilden („segmental
                                    											tube“). Das Bestreben der Stäbe, beim Schusse aus einander zu gehen,
                                 										wird durch die Drahtumwickelung gehemmt („Uebertragung des Druckes der
                                    											Pulvergase auf die Aussenschicht“). Die Längsstangen der Kanone Gustav Adolf's und die der alten Kanone von 1394
                                 										haben hier also ihre Wiederholung (Fig. 2g).
                              Die Stäbe sind sehr sorgfältig hergestellt; da angenommen wird, dass ihr
                                 										Material, Tiegelchromstahl, in diesen kleinen Massen gleichmässiger als in einer
                                 										einzigen grossen hergestellt werden kann, so soll deshalb schon das Rohr
                                 										widerstandsfähiger als irgend ein anderes werden. Die zwölf zusammengelegten,
                                 										5,5 m langen Stäbe bilden ein äusserlich kegelförmiges Rohr, auf dessen hinterem
                                 										Ende wahrscheinlich ein Schraubengewinde zur Aufnahme eines Mantels
                                 										eingeschnitten ist. Um das Rohr wird ein quadratischer Draht von 1,7 mm Dicke
                                 										mit einer beständigen Spannung gewickelt, und zwar kommen auf den Hintertheil 33
                                 										Lagen über einander, an der Mündung nur 10 (die Verminderung ist auf die Länge
                                 										gleichmässig vertheilt). Wie der Mantel beschaffen ist, der auf den Hintertheil
                                 										des Stabrohres geschraubt wird, wie die Schildzapfen an ihm befestigt sind, wie
                                 										fest er auf den Drahtwindungen liegt, wie der Verschluss in demselben angebracht
                                 										ist und wie eine besondere Schutzkappe für die Drahtumwickelung des
                                 										Vordertheiles des Rohres beschaffen ist, kann leider nicht genau angegeben
                                 										werden. – In das Innere des Rohres wird ein schwach kegelförmiges Futterrohr von
                                 										hinten so eingesetzt, dass seine natürliche Grösse um 1 Proc. zusammengedrückt
                                 										wird.
                              Es beträgt:
                              
                                 
                                    die Länge des Rohres
                                    5,8
                                    m (= 44 Kaliber)
                                    
                                 
                                    der Bohrungsdurchmesser
                                    12,7
                                    cm
                                    
                                 
                                    das Gewicht des Rohres
                                    3556
                                    k
                                    
                                 
                                    (das Gewicht des Drahtes allein
                                    1600
                                    k).
                                    
                                 
                              Die beschriebene Brown'sche 12,7 cm-Kanone wurde im
                                 										Laufe des Jahres 1892 auf dem nordamerikanischen Schiessplatze Sandy Hook
                                 										versucht. Es wurden zuerst Schüsse mit schwachen, dann mit immer stärker
                                 										werdenden Ladungen verfeuert. Am 2. November 1893 wurde mit Geschossen von 30 k
                                 										die ungeheure Anfangsgeschwindigkeit von 953 m (3130 Fuss) erreicht. Mit einer
                                 										44 Kaliber langen Kanone ist das ein unerhörtes Ergebniss. Canet, die französische Regierung, Armstrong hatten bis jetzt Geschützrohre von 80 bis
                                 										100 Kaliber Länge verwandt, um ähnliche Anfangsgeschwindigkeiten zu erreichen.
                                 										Eine Rechnung legt noch besser den Werth des Geschützrohres dar: für 1 t
                                 										(engl.) des Rohrgewichtes beträgt die lebendige Kraft des Geschosses 1016
                                 										Fusstonnen. 498 Fusstonnen ist dieselbe Zahl für das Krupp'sche Riesengeschütz in Chicago, 492 Fusstonnen für die
                                 										schwersten englischen (110 t-) Geschütze. Diese Leistung ist durchaus keine
                                 										endgültige, nicht mehr steigerungsfähige, sondern nur eine Anfangsleistung, denn
                                 										das Rohr ist das erste gebaute und erst wenige Schüsse sind abgegeben
                                 										worden.
                              Es liegt die Wahrscheinlichkeit vor, dass diese Geschützconstruction eine
                                 										gewaltige Umwälzung hervorruft, z.B. in der Belagerungsartillerie; da das Rohr
                                 										nur 200 k schwerer als die schwerste deutsche Belagerungskanone ist, so dürfte
                                 										seine Verwendung zu Belagerungen möglich sein. Geschieht dies, dann werden
                                 										sofort die Panzerthürme der belgischen Maasbefestigung und die mancher anderer
                                 										Festungswerke werthlos, wenn sie nicht umgebaut werden. – Die Durchschlagskraft
                                 										dieser Geschütze gegen Schiffspanzer wird die ganze Ueberlegenheit des Panzers,
                                 										welche die Einführung der gehärteten Nickelstahlplatten herbeigeführt hatte, in
                                 										Frage stellen. Während in den letzten zwei Jahren der Panzer die Oberhand zu
                                 										haben schien, kommt jetzt vielleicht eine Zeit der Uebermacht der Geschütze.
                              Der Erfolg der Principien der künstlichen Metallconstruction: fast vollständige
                                 										Uebertragung des Druckes der Pulvergase von innen nach aussen auf den
                                 										Umwickelungsdraht, Lenkung der Arbeit in der Längsrichtung auf den aus
                                 										Chromstahlstäben bestehenden Rohrtheil, ist deshalb ganz auszunutzen, weil die
                                 										Stäbe beliebig dick gemacht werden können, um das Geschütz gegen Verbiegen zu
                                 										schützen, ohne dass sie die Uebertragung des Druckes nach aussen hindern. Es
                                 										muss aber doch bemerkt werden, dass der erste Entwurf der Kanone, wie er im Engineer vom 11. November 1892 S. 409 enthalten
                                 										war, recht erhebliche Fehler aufwies. So z.B. war dort gesagt: Es kann ein
                                 										Futterrohr genommen werden oder nicht. Kein Futterrohr zu nehmen, würde sehr
                                 										fehlerhaft gewesen sein, weil dieses vielen Nutzen gewährt (wie oben erläutert).
                                 										Es würde aber auch aus einem ganz besonderen Grunde unrichtig gewesen sein.
                                 										Wären die Züge unmittelbar in die Innenseite der Chromstahlstangen
                                 										eingeschnitten gewesen, so hätten die Geschosse bei einer starken Windung das
                                 										ganze Segmentrohr sehr auf Torsionsfestigkeit in Anspruch genommen und
                                 										vielleicht die Mündung in eine gewisse Drehung versetzt, die der Rotation der
                                 										Geschosse geschadet haben würde. Bei einem eingesetzten Futterrohre ist diese
                                 											„Torsion“ des Chromstahlstabrohres wohl ausgeschlossen. (Vielleicht
                                 										gibt folgendes Beispiel eine kleine Erläuterung: Die Verbindungsstränge der
                                 										Flossbalkenenden haben ihre grosse Torsionsfähigkeit dadurch erlangt, dass die
                                 										seitlichen Verbindungen vieler Fasergruppen unterbrochen worden sind; vor dieser
                                 										Unterbrechung war ein Drehen des Holzstockes nur schwer möglich. Diesen
                                 										Verbindungssträngen mit unterbrochener Faserverbindung entspricht das
                                 										Chromstahlstabrohr, wenn kein Futterrohr eingesetzt ist.) Im Uebrigen würden bei
                                 										einem fehlenden Futterrohr vielleicht auch Pulvergase in die Zwischenräume
                                 										zwischen die Stäbe gerathen, wenn durch den Druck der Gase von innen nach aussen
                                 										auch nur eine kleine Auseinanderschiebung der Stangen stattfinden sollte. Auf
                                 										die Dauer würde sich das wohl unvortheilhaft bemerkbar machen.
                              
                                 
                                    (Fortsetzung folgt.)