| Titel: | Elektrische Strassenbahnen mit Stromzuführung durch Querleiter. | 
| Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 66 | 
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                        Elektrische Strassenbahnen mit Stromzuführung
                           								durch Querleiter.
                        Elektrische Strassenbahnen mit Stromzuführung durch
                           								Querleiter.
                        
                     
                        
                           In Uhland's Verkehrszeitung, 7. Jahrg. Nr. 45 vom 9.
                                 									November 1893, sind auf S. 354 und 355 zwei eigenartige Vorschläge für die
                              									Ausführung elektrischer Strassenbahnen besprochen worden, bei denen die Strom
                              									Zuführung zum Motor durch eine sogen. Querleiter-Anordnung vermittelt wird.
                           Die erste Anlage ist die für die Stadt Lemberg geplante Anlage, welche nach der Zeitschrift für Transportwesen und Strassenbau als
                              									zweigleisige Ringbahn mit eingleisigen Verbindungsstrecken zwischen den beiden
                              									Ringstrecken ausgeführt werden und die Fraissinet'sche
                              									Querleiter-Anordnung erhalten soll, bei welcher man für zweigleisige Bahnstrecken
                              									auch mit nur einer einzigen Luftleitung auskommt, welche zwischen den beiden Gleisen
                              									ausgespannt werden kann. Ebenso genügt für Kreuzungen und Weichen zumeist eine
                              									einzige Querleitung; Die fortschreitende Eigenbewegung des Elektromotorwagens
                              									vermittelt von selbst immer neue Contactschlüsse, so dass thatsächlich die
                              									Stromzuführung trotz fixirter Stromabnahme eine völlige und ununterbrochene ist.
                           Von der nahe dem Centralringe bezieh. dem Mittelpunkte der Stadt gelegenen, mit den
                              									Elektricitätserzeugern ausgerüsteten Centralstation laufen die den Betriebsstrom
                              									zuführenden Leitungen als blanke Luftleitungen aus und von den radialen Endpunkten
                              									in kurzen Bogen jederzeit entlang und über den Gleisen hin. Die Rückleitung des
                              									Stromes soll der Billigkeit und Einfachheit halber durch die Schienen erfolgen. Dies
                              									erscheint um so unbedenklicher, als die Luftleitungen vermöge ihrer eigenthümlichen
                              									Ausführung die Gewähr unbedingter Sicherheit und Gefahrlosigkeit in Bezug auf den
                              									übrigen Verkehr bieten, und um so gerechtfertigter, als die Schienengleise neu
                              									angelegt werden sollen, sonach aber ohne erhebliche Mehrkosten mit den
                              									erforderlichen Querverbindungen zu versehen sind.
                           Als Luftleitung wird ein blanker Siliciumbronzedraht benutzt. Derselbe trägt in
                              									reichlich wagenlangen Abständen je ein gleichzeitig nach rechts und nach links
                              									ausgehendes Contactstück. Die Contactstücke selbst stellen sich als unauffällige,
                              									regelmässig nur kurze, an ihren unteren Seiten winkel- oder keilförmig gestaltete
                              									Querbolzen dar, welche mittels ringförmiger Contactstücke an dem Kabelumfange
                              									befestigt sind. Die kupfernen Contactstücke besitzen eine ebene, blanke
                              									Contactfläche, derart geformt, dass die flachgeformten Contactstrahlen des
                              									Wagenapparates, indem sie stets genau darauf treffen, den Betriebsstrom von
                              									derselben ununterbrochen abnehmen. Der Contact zwischen den Contactstrahlen und den
                              									Querleitern ist ein vorzüglicher, da stets ebene, glatte Metallflächen auf einander
                              									zu liegen kommen; er ist auch nicht etwa ein schleifender, sondern ein wesentlich
                              									festruhender – fixirter.
                           Für das System selbst ist diese fixirte Stromabnahme charakteristisch; sie hat eine
                              									durchaus gleichmässige und continuirliche Strom Zuführung in den Elektromotor des
                              									Wagens zur Folge. Die Möglichkeit einer Verdrehung oder Verschiebung der kurzen
                              									Querleiter aus der wagerechten Lage wird dadurch beinahe ausgeschlossen, da
                              									dieselben erst nach erfolgter Ausspannung der Luftleitungen am Kabel in der bereits
                              									fixirten Lage wagerecht befestigt werden. Käme aber dennoch einmal eine störende
                              									Verdrehung des kurzen Querbalkens aus der ungefähr wagerechten Lage vor, so lässt
                              									sich mit Leichtigkeit durch entsprechende Verstellung und Verschraubung der
                              									ringförmigen Hülse am Kabel die normale Lage wieder herstellen. Es können viele
                              									andere Anordnungen demselben Zwecke dienlich sein. Auf geradlinigen Strecken kann
                              									man die Querleiter auch als blanke Contactringe herstellen; dann ist die Möglichkeit
                              									einer etwaigen Verschiebung schon durch die Ausführungsweise ausgeschlossen.
                           Sind übrigens die Querleiter abgenutzt, so kann man sie bequem auswechseln und durch
                              									neue ersetzen, so dass also die vollkommenste Contactfähigkeit jederzeit
                              									gewährleistet erscheint.
                           Die zweite a. a. O. berührte Anlage ist eine Erfindung von Karl Jex in Wien, einem geborenen Deutschen. Sie betrifft eine elektrische
                              									Bahn ohne Schienen mit unmittelbarer Stromzuführung. Diese Anordnung ist unter
                              									anderem in Illinois auf der Strecke von der Clark-Street bis zum Oak-Park bereits
                              									zur Ausführung gelangt, und zwar sind da auf jeder Seite der Strasse die blanken
                              									oder isolirten Speiseleitungen auf Porzellanisolatoren angebracht. Letztere wurden
                              									entweder an den Häusern selbst, oder wo solche nicht vorhanden, an Masten bezieh.
                              									Stangen befestigt. – Zwischen den beiderseitigen, zur Hin- und zur Rückleitung des
                              									Betriebsstromes dienenden Längsleitungen sind in Entfernungen von 10 bis 15 m der
                              									Quere nach blanke Siliciumbronzedrähte von auffällig dünnem Querschnitte straff
                              									ausgespannt, etwa so, wie die Sprossen einer Leiter zwischen ihren Wangen. Je nach
                              									der beabsichtigten Wirkung werden diese Drähte, welche der Erfinder Querleiter nennt, in einfacher oder in doppelter
                              									Horizontalreihe zwischen den Speiselängsleitungen gezogen. Doppelreihen von
                              									Leitungsnetzen, von deren oberen der Strom dann mittels eines verwickelten
                              									Contactapparates abgenommen werden müsste, verwendet man höchstens dort, wo es
                              									weniger auf grosse Schnelligkeit, als auf grosse Kraftentwickelung ankommt, also
                              									vornehmlich bei Bahnen, welche zum Lastentransport dienen sollen.
                           Auf der genannten Strecke erfolgt die Stromentnahme nur in einfacher Form, d.h. nur
                              									von einfachen Querleitern aus, und zwar in der weiter unten beschriebenen Art. Wenn
                              									nur in einer Richtung gefahren werden soll, so
                              									gestaltet sich die Verlegung der Querleiter sehr einfach. Dieselben werden mit der
                              									seitlichen Längsspeiseleitung stromleitend verbunden, tragen jedoch ungefähr in der
                              									Strassenmitte je eine Isolationsstelle, durch welche beide Hälften jeder Querleitung
                              									von einander getrennt sind. Das elektrische Fahrzeug kann, da Hin- und Rückleitung
                              									je die halbe Strassenbreite einnehmen, in seiner vollen Breite bezieh. in der
                              									Breitendifferenz seiner beiderseits angebrachten Contactapparate lawiren und anderen
                              									Fahrzeugen ausweichen, ohne aus dem Contacte mit den ihm Strom (als Hin- und
                              									Rückleitung) zuführenden Querdrähten zu kommen.
                           Sollen sich solche Fahrzeuge in gleicher oder entgegengesetzter Richtung ausweichen
                              									oder überholen, so muss dagegen unbedingt eine wiederholte Theilung der Querleiter
                              									vorgenommen werden. Es trägt dann jeder Querleiter zunächst eine Isolationsstelle in
                              									der Mitte der Fahrbahn und ausserdem noch eine in der Mitte jeder der beiden
                              									Querleiterhälften, so dass er in vier gesonderte Theile zerlegt wird. Das erste und
                              									dritte Viertel ist z.B. für die Hinleitung, das zweite und vierte Viertel für die
                              									Rückleitung bestimmt.
                           Die Fahrzeuge können demnach sowohl nur in der Strassenmitte bezieh. auf der rechten
                              									oder linken Seite, es können aber auch zwei Fahrzeuge neben einander, entweder auf
                              									der rechten und der linken Seite oder auch in der Mitte fahren bezieh. sich
                              									ausweichen. Damit ist allen Anforderungen des praktischen Verkehrs Genüge
                              									geleistet.
                           Ausserdem können übrigens die Wagen einer Schienenbahn, in der Strassenmitte
                              									eingleisig oder auf beiden Strassenseiten zweigleisig fahrend, den Strom
                              									gleichzeitig zugeführt erhalten, während daneben auch noch Wagen ohne Schienen
                              									laufen. Wie man sieht, ist die Anordnung sehr vielseitig anwendbar auf den gesammten
                              									Fahrverkehr und empfiehlt sich deshalb insbesondere zur Anwendung in
                              									Grosstädten.
                           Was für Bahnen zu Lande gilt, hat auch Geltung für den Fahrverkehr zu Wasser, nur mit
                              									dem Unterschiede, dass hier die Sache sich insofern noch einfacher gestaltet, als
                              									man in diesem Falle nur einer einzigen blanken Querleitung über dem Wasserspiegel
                              									bedarf, weil man die Rückleitung des Stromes unter Vermittelung des Wasserfadens
                              									selbst mit Hilfe einer vom Fahrzeuge aus in den Wasserlauf hineinragenden
                              									Elektrodenplatte sehr bequem und vortheilhaft bewirken kann.
                           Auf dem Oberbau des Fahrzeuges sind zwei Halter angebracht, welche weit über die
                              									Länge des Fahrzeuges hinaus schräg emporragen und isolirte Wellen tragen. An diesen
                              									beiden Haltern sitzt je eine leichte und leicht bewegliche Rolle mit unoxydirbarer
                              									Mantelfläche. Um letztere ist ein endloses, biegsames, aus einem Siliciumbronze-
                              									oder Stahlcylinder nahtlos gewalztes Metallband mit seiner ebenfalls gut leitenden
                              									Innenfläche gespannt. An dem einen Rande dieses Bandes sitzen strahlenförmig dicht
                              									bei einander bis 1 m lange, gut federnde, doppelt spitzwinkelig zur Bandoberfläche
                              									gestellte Contactstifte, deren einer sicher sich an die Querleitung anlegen wird.
                              									Dadurch steht nun der sich bisher in der Fahrtrichtung drehende Zahn still und
                              									ebenso das mit ihm fest verbundene Band, welches sich deshalb nach vorn in der
                              									Fahrtrichtung umlegt und dabei naturgemäss die Rollen um ihre Wellen dreht. Ehe der
                              									Querleiter aus der Klemmung tritt, hat sich bereits ein anderer Zahn an den nächsten
                              									Querleiter federnd angelegt.