| Titel: | Die Bodenreichthümer Sibiriens. | 
| Autor: | F. Thiess | 
| Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 90 | 
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                        Die Bodenreichthümer Sibiriens.
                        Die Bodenreichthümer Sibiriens.
                        
                     
                        
                           Der Bau der sibirischen Eisenbahn ist im Westen und Osten des Reiches in Angriff
                              									genommen und lenkt die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf das gewaltige Ländergebiet,
                              									welches im Süden vom Altai mit den zusammenhängenden Bergketten und im Westen durch
                              									das Ural-Gebirge begrenzt wird, die Hauptabdachung nordwärts nach dem Eismeere
                              									besitzt und im Osten sich bis zum Ochotskischen und Japanischen Meere erstreckt. Mit
                              									den Vorarbeiten für die sibirische Eisenbahn hat die geologische Erforschung
                              									Sibiriens weitere Fortschritte zu verzeichnen und sich insbesondere auf diejenigen
                              									Gebiete erstreckt, welche von der Bahn durchschnitten werden sollen. Aus den
                              									Berichten russischer Bergingenieure und Geologen, welche mit der Erforschung
                              									einzelner Gegenden Sibiriens betraut waren, sind die Mittheilungen über das
                              									Vorkommen, über die Ausbreitung und gegenwärtige Ausnutzung der Bodenreichthümer
                              									Sibiriens verschiedenen Zeitschriften entnommen und in Nachfolgendem theilweise
                              									wiedergegeben.
                           Nach den vorliegenden Quellen benutzen die Hüttenwerke des Staates fast
                              									ausschliesslich die aus alter Zeit bekannten Roth- und Brauneisensteinlager und
                              									schreiten nur selten an die Ausbeutung neuer Erzlager, während die von
                              									Privatpersonen ausgeführten Schürfarbeiten stets nach Gold streben, die örtliche
                              									Bevölkerung dagegen in mangelhafter Weise nur die Oberschichten verschiedener
                              									Thonlager abbaut. Dabei stösst man meistentheils auf Eisenerze, welche leider keiner
                              									Beachtung gewürdigt werden. Es ist daher erklärlich, dass in Folge dieser
                              									Gleichgültigkeit die Nachrichten über das Vorkommen von Eisenerzen in Sibirien nur
                              									spärlich bekannt wurden. Genauere geologische Erforschungen sind erst in neuerer
                              									Zeit in einzelnen Gebieten, meistentheils in der Nähe von Bergwerken des Staates,
                              									vorgenommen. Auf Grund dieser Forschungen kann man annehmen, dass in den gebirgigen
                              									Theilen Sibiriens Lager von Roth- und Brauneisensteinen mit einem Gehalt von 60 bis
                              									70 Proc. Eisen vorhanden sind. Im Flachlande ist Sphärosiderit in Nestern gefunden
                              									worden, doch sind diese Erze noch wenig untersucht, obgleich sie in Folge ihres
                              									Eisengehaltes und durch die Abwesenheit schädlicher Beimengungen von Schwefel und
                              									Phosphor die grösste Beachtung verdienen. Magneteisenstein ist bisher nicht
                              									aufgedeckt, dagegen aber Chromeisenstein, auch fand man beim Abbau eines Bergwerkes
                              									im Altai recht grosse Stücke Glimmereisen, welches 90 Proc. Eisen enthielt.
                           Die zur Zeit in Sibirien bestehenden Privateisenhütten arbeiten unter Anwendung von
                              									Wasserkraft und liefern mangelhafte Erzeugnisse. Die Eisenhütten des Staates sind
                              									zwar besser eingerichtet, bedürfen aber noch in hohem Grade technischer
                              									Vervollkommnung. Nach dem letzten Jahresbericht wurden in Sibirien nur 12447,96 t
                              									Eisenerze gefördert und 4337,79 t Schmiedeeisen, 20,50 t Stahl und 7180,70 t
                              									Gusseisen erzeugt.
                           Da die im Besitze des Staates befindlichen Eisenhütten Sibiriens ausschliesslich für
                              									Fabriken und Bergwerke des Staates arbeiten, so kann man annehmen, dass von der
                              									Gesammtmenge des sibirischen Eisens kaum 0,3 in die Hände der Bevölkerung gelangt.
                              									Das für Sibirien erforderliche Eisen muss daher aus dem Ural und nicht selten sogar
                              									aus den westlichen Gouvernements bezogen werden. Eine bemerkenswerthe Betheiligung
                              									der Eisenhütten und Fabriken Sibiriens an dem Bau der Eisenbahn steht nach den
                              									obwaltenden Umständen nicht zu erwarten.
                           Das Kupfer wird in Sibirien nur in den Hüttenwerken des Staates gewonnen. Da das Erz
                              									erst in bedeutender Tiefe zu finden ist, wodurch die Aufbereitungs- und
                              									Förderungskosten sich vergrössern, hat die Privatindustrie an der Kupferausbeute
                              									Sibiriens sich nur in geringem Maasse betheiligt und dabei stets durch Mangel an
                              									Kapital oder aus Unkenntniss das Unternehmen aufgeben müssen. Die Kupferproduction
                              									Sibiriens steht daher auf einer weitaus niedrigeren Stufe als die Eisenproduction.
                              									Die Gesammtausbeute betrug im J. 1890 nur 316,75 t.
                           Die Gebiete der Silbergewinnung befinden sich hauptsächlich im Altai-Gebirge, ferner
                              									im Gouvernement Tomsk, im Bezirk von Nertschinsk und in der Gegend von
                              									Ssemipalatinsk, auch sind in dem noch wenig erforschten Amurgebiet und in den
                              									östlichen Küstengebieten Silbergruben entdeckt, während Silberbergwerke im
                              									Gouvernement Jenisseisk bereits im vorigen Jahrhundert ausgebeutet wurden. In den
                              									südlichen Ausläutern des Altai, unweit der mongolischen Grenze, findet man im
                              									freiliegenden Gebirge einen äusserlich sichtbaren, silberhaltigen Bleiglanzstreifen,
                              									der wie ein dickes Band das Gebirge durchzieht. Mongolen, welche die Grenze
                              									ungehindert überschreiten, und Pelzjäger benutzen dieses Erz, um aus demselben
                              									Bleikugeln für ihre Büchsen zu giessen. Das Erz muss den Mongolen seit vielen Jahren
                              									bekannt gewesen sein, worauf die vielen ofenartigen Erdlöcher und die metallhaltigen
                              									Schlacken hindeuten. Proben desselben wurden vor Jahren von Goldsuchern mitgebracht,
                              									und trotz des hohen Silbergehaltes sah sich Niemand veranlasst, an eine Ausbeutung
                              									dieser Erzlager zu schreiten. Auch hat man silberhaltige Bleiglanzlager zu Gendebal
                              									im Kreise Werchojansk des Gouvernements Jakutsk bereits in den 40er Jahren
                              									erforscht, wegen Mangel an Heizmaterial damals aber noch nicht ausgebeutet. Die
                              									örtliche Bevölkerung der Jakuten benutzte in ähnlicher Weise das Erz wie die
                              									Pelzjäger und Mongolen an der Grenze. Seitdem unweit dieser Erzlager Steinkohlen
                              									entdeckt worden sind, hat auch die Ausbeutung begonnen.
                           Nach den vorliegenden Quellen wird auf den alten, bald ein volles Jahrhundert
                              									bestehenden staatlichen Silberbergwerken zu Ssalaïrsk, Syrjansk und Nertschinsk die
                              									Erzförderung und Verhüttung in mangelhafter Weise betrieben. Ungeachtet vorhandener
                              									Schwierigkeiten und wachsender Ausbeutungskosten auf den alten Werken werden
                              									ernstliche Schürfarbeiten zur Auffindung neuer, einträglicher Erzlager nicht
                              									unternommen, obgleich alle Anzeichen für das Vorkommen solcher Lager in vielen
                              									Gegenden Sibiriens vorhanden sind.
                           Bereits vor Jahren wurde von Privatpersonen darauf hingewiesen, den Schlich und die
                              									Abfälle, welche beim Abspülen des Goldes auf den Wäschereien erhalten werden, nicht
                              									mit den nutzlosen Steinen fortzuwerfen, sondern zu sammeln und den Silberschmelzen
                              									einzusenden, da bekanntlich solche Abfälle Gold enthalten, welches nur durch eine
                              									chemische Bearbeitung erhalten werden kann. Die mit Silbererz gemischten Schliche erleichtern nicht
                              									allein das Schmelzen, sondern scheiden auch im Schmelzofen das Gold aus, welches
                              									sich wiederum mit dem erhaltenen Silber verbindet und im Laboratorium der Münze
                              									davon getrennt werden kann, wodurch der Werth des eingelieferten Silbers bedeutend
                              									erhöht wird. Wie nützlich und einträglich die Verarbeitung solcher Schliche und
                              									Abfälle auf chemischem Wege sich gestalten kann, wurde auf der Ausstellung von
                              									Hüttenerzeugnissen in Jekaterinburg bewiesen; trotzdem werden auf den sibirischen
                              									Wäschereien nach wie vor alle Abfälle der Goldgewinnung und mit diesen eine Menge
                              									des werthvollsten Materials fortgeworfen.
                           Die Silberausbeute Sibiriens betrug nach dem letzten Jahresbericht (Kulibin, Statistik der Montanindustrie Russlands.)
                           
                              
                                 auf dem Altai
                                 11158,88 k
                                 
                                 
                              
                                 im Gebiet von Ssemipalatinsk
                                   1191,07 k
                                 und
                                 
                              
                                 in Nertschinsk
                                     898,63 k
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                                 
                              
                                 insgesammt:
                                 13248,58 k
                                 (Rohproduct),
                                 
                              
                           während 685,03 t Blei verschmolzen wurden.
                           Die Goldlagerstätten Sibiriens befinden sich in den westlichen Gouvernements Tomsk
                              									und Irkutsk, in den östlichen Jenisseisk, Jakutsk und Transbaikalien, sowie im Amur-
                              									und Küstengebiet. Das Gold stammt mit wenigen AusnahmenDer jährliche
                                    											Gewinn aus Adern ist in Sibirien seit 1886 zurückgegangen. Von der
                                    											Gesammtausbeute des Jahres 1890 entstammten den Adern etwas mehr als 7 v.
                                    											H., wovon 86 v. H. auf den Ural und 14 v. H. auf Sibirien
                                    										entfielen. aus dem Schwemmlande und die Production beruht somit auf
                              									den Erträgnissen der Wäschereien. Sowohl in West- als auch in Ostsibirien werden die
                              									meisten Goldlagerstätten noch immer nach alter überlieferter Schablone bearbeitet,
                              									nur selten findet man Goldwäschereien, welche die Erde nach den Regeln der neueren
                              									Technik an der Hand geologischer Forschungen ausbeuten. Das Abräumen der oberen
                              									werthlosen Erdschichten, das Herausschaffen des goldhaltigen Sandes, die Anfuhr des
                              									Goldsandes und die Abfuhr der Waschrückstände – alle diese Arbeiten werden auf den
                              									sibirischen Wäschereien fast ausnahmslos unter Anwendung der alten russischen
                              									zweirädrigen Karre verrichtet. Transportable Feldbahnen gelangen in seltenen Fällen
                              									zur Anwendung, die Dampf kraft arbeitet nur auf einigen grossen Wäschereien, fast
                              									ausnahmslos dient das Wasser als Motor.
                           Ist die Oberschicht, welche gewöhnlich aus Kies, Sand und Lehm besteht, nicht sehr
                              									dick, so wird dieselbe unter Verwendung von Hacke und Spaten gelockert, abgeräumt
                              									und die goldführende Unterschicht blossgelegt, welche, auf Karren verladen, zur
                              									Waschmaschine gelangt. Dieselbe besteht aus einem grossen eisernen, mit einem
                              									durchlöcherten Boden versehenen Behälter. Ein Wasserstrom treibt, alle grösseren
                              									Steine auf dem Boden zurücklassend, die kleineren Bestandtheile durch die
                              									Bodenlöcher, welche über eine geneigte hölzerne Brücke in stufenförmigen Absätzen
                              									durch einen Reisigwall und zum Schluss über ein grobes Tuch geführt werden. Diese
                              									Hindernisse halten die Bestandtheile der Trüben, als Gold, Schwefelkies, Magneteisen
                              									u. dgl., zurück, während der Rest mit dem Wasser in das Flussbett geleitet wird.
                              									Alle Bestandtheile, welche nach dieser Procedur auf der Brücke zurückgeblieben sind,
                              									werden auf die Waschherde gebracht, wo Arbeiter die Schlacken vom Golde trennen und
                              									die Goldtheilchen trocknen. Hierauf wird das Gold sofort gewogen, verschlossen und
                              									von Soldaten bewacht. Hat man etwa 500 bis 600 k Gold angesammelt, so. wird dasselbe
                              									unter militärischer Bedeckung nach einer Goldschmelze transportirt, im Laboratorium
                              									zu Barren verschmolzen und darauf nach St. Petersburg in den Münzhof gebracht.
                           Dem Pächter oder zeitweiligen Besitzer der Goldwäscherei wird aus der
                              									Gebirgsverwaltung eine Anweisung auf eine entsprechende Anzahl Goldimperiale
                              									ausgestellt, welche der Münzhof zu St. Petersburg nach 6 Monaten auszuzahlen hat.
                              									Sind die werthlosen oberen Erdschichten sehr dick, so gelangt der Schachtbau zur
                              									Anwendung. Im Gebiet der Olekminskischen Gruben des Gouvernements Jakutsk, wo sich
                              									ewig gefrorener Boden vorfindet, müssen die Erdschichten durch Dynamit gesprengt
                              									oder durch Feuer aufgethaut werden.
                           Auf vielen Wäschereien Sibiriens besteht noch immer die verderbliche Einrichtung,
                              									dass die Arbeiter nicht im Jahreslohn stehen, sondern nach der abgelieferten Menge
                              									Solotnik (= 4,265 g) Gold bezahlt werden. Je mehr Solotnik ein Arbeiter im Laufe
                              									eines Tages erbeutet, desto vortheilhafter gestaltet sich das Geschäft für ihn. Die
                              									sogen. Solotnikarbeiten, wie sie auf vielen Gruben Sibiriens betrieben werden,
                              									bilden eine räuberische Ausbeutung der besten Goldlagerstätten, wobei die minder
                              									reichhaltigen Lager unwiederbringlich verloren gehen oder doch derartig
                              									verwirthschaftet werden, dass eine nachträgliche regelrechte Bearbeitung nicht mehr
                              									lohnend erscheint. Ueberall, wo das Gold in Erzgängen aufgedeckt wird, ist die
                              									Einrichtung der sogen. „Solotnikarbeit“ für die Entwickelung der
                              									Goldindustrie von grösstem Uebel. Bekanntlich sieht man in den Golderzen das
                              									metallische Gold nicht immer mit den blossen Augen und findet oft Erze, welche
                              									selbst durch ein Vergrösserungsglas kein Gold zeigen, weil die Theilchen zu fein
                              									sind oder durch fremdes Gestein verdeckt werden. Nur durch vervollkommnete
                              									mechanische Einrichtungen, durch sorgfältige Zerkleinerung der Erze, durch
                              									aufmerksames Verwaschen und Amalgamation ist die Gewinnung dieses Goldes zu
                              									erzielen. Alles das kann der Solotnikarbeiter nicht ausführen, der nur im Stande
                              									ist, das Erz mit seiner Hacke loszubrechen, in einer Art Handmühle zu zerkleinern
                              									und im primitiven Holztrog auszuwaschen, wobei mindestens 50 Proc. an feinem Metall
                              									verloren geht.
                           In Sibirien hat die Privatindustrie sich grösstentheils der Goldlagerstätten
                              									bemächtigt. Goldindustrie-Gesellschaften und Privatpersonen bemühten sich in den
                              									Besitz einer möglichst grossen Zahl von Gruben zu gelangen. Hörte man, dass Jemand
                              									eine Goldlagerstätte entdeckt hatte, so genügte dies, um unverzüglich eine Menge der
                              									gesetzlich vorgeschriebenen Gesuche für eine grosse Fläche um den bestimmten Ort
                              									einzureichen. Unter Beobachtung gewisser Bestimmungen der gesetzlichen Vorschriften
                              									wurden dann die Gesuche der Unternehmer auf den Namen ihrer Frauen und Beamten
                              									eingereicht. Dadurch gelangte nicht selten eine Gegend von einigen Quadratkilometern
                              									in den Besitz weniger Personen, die nicht einmal den ernstlichen Willen besassen,
                              									das erworbene Land auch thatsächlich auszubeuten. Ostsibirien gerieth durch seine
                              									geographische Lage und durch örtliche Verhältnisse in den Besitz grosser
                              									Gesellschaften und einzelner Kapitalisten; im Gouvernement Jenisseisk wird die
                              									Goldgewinnung unter fast denselben Umständen betrieben. Das linke Ufer des Flusses
                              									Tom, eine Fläche so gross wie etwa die Provinz Posen, gelangte in die Hände zweier
                              									Gesellschaften, so dass für die Kleinindustrie nur die entfernten Theile
                              									unwirthbaren Waldes, deren Erforschung ebenso theuer als unsicher ist, übrig
                              									blieben.
                           Verfolgt man den Gang der Goldausbeute Sibiriens, so zeigt es sich, dass einst im
                              									Gebiete des Gouvernements Jenisseisk die reichsten Goldlagerstätten Sibiriens
                              									vorhanden waren, welche Mitte der 40er Jahre insgesammt bis 19700 k Gold
                              									(Rohproduct) jährlich erzielten, gegenwärtig aber nicht mehr als 3500 k im Jahr
                              									aufweisen, dass ferner die Goldlagerstätten Ostsibiriens im Gouvernement Jakutsk im
                              									Bezirk von Olekma-Witimsk, wenngleich auch hier die Ausbeute gegen früher erheblich
                              									abgenommen hat, noch immer zu den reichsten Lagerstätten Sibiriens gerechnet werden
                              									müssen, und dass endlich die Ausbeute auf den Goldfeldern des Amur- und
                              									Küstengebietes in stetiger Zunahme begriffen ist. Der mittlere Goldgehalt des Sandes
                              									in den einzelnen sibirischen Goldlagern nimmt mehr und mehr ab.
                           Nach dem letzten Jahresbericht betrug auf 1000 k Goldsand das mittlere Gewicht des gewonnenen Goldes
                           
                              
                                 in Westsibirien
                                 0,8 bis 1,0 g
                                 
                              
                                 in Ostsibirien
                                 0,8 bis 6,20 g
                                 
                              
                           und zwar im Bezirk von Olekma-Witimsk auf 1000 k Goldsand 6,20
                              									g Gold, im Amurgebiet auf 1000 k 4,30 g und im Küstengebiet auf 1000 k 1,35 g Gold,
                              									während der grösste Gehalt des Waschgoldes auf 1000 k
                              									Goldsand 14,406 g Gold betrug.
                           Verfolgt man die statistischen Angaben über die Goldproduction Russlands, so zeigt es
                              									sich, dass trotz der Erschöpfung der Goldlager in vielen Gebieten Sibiriens doch
                              									eine Zunahme in der Gesammtausbeute zu beobachten ist. Eine Erklärung dafür dürfte
                              									in dem Umstände zu finden sein, dass die Verarmung des Goldsandes in den
                              									Gewinnungsorten einzelner Gebiete bis in die Gegenwart durch Inangriffnahme neuer
                              									Arbeiten auf reicheren Goldstätten anderer Gebiete aufgehoben wurde. Berücksichtigt
                              									man dabei, dass die Goldproduction Russlands am Ural begonnen, den Weg immer weiter
                              									nach Osten verfolgt hat, und dass die östlichen Goldgebiete fast durchgängig die
                              									reicheren sind, so wird, ungeachtet der Verarmung eines grossen Theiles der
                              									Fundorte, ein Wachsthum in der Gesammtausbeute erklärlich.
                           Die unvollkommene Technik, die Einrichtung der Solotnikarbeit und die
                              									Mangelhaftigkeit der Gesetzesbestimmungen für den Erwerb der Goldlagerstätten bilden
                              									ein grosses Hinderniss in der Entwickelung der Goldindustrie Sibiriens. In
                              									Anbetracht dieser Umstände ist das Bergdepartement jetzt bestrebt, vervollkommnete
                              									Apparate für das Verwaschen des goldführenden Sandes und für die Abscheidung des
                              									Goldes ins Leben zu rufen, die chemische Methode (das Gold aus den Rückständen
                              									mittels Chlors zu gewinnen) auch in Sibirien einzuführen und neue Gesetzesbestimmungen
                              									hinsichtlich des Erwerbes von Goldlagerstätten und des Verbotes der Solotnikarbeiten
                              									vorzuschreiben. Die allgemeine Einführung des Maschinenbetriebes (wenigstens auf
                              									allen grösseren Wäschereien) und die Anwendung
                              									vervollkommneter Apparate auf den sibirischen Wäschereien steht aber vor Vollendung
                              									und Inbetriebsetzung der sibirischen Eisenbahn kaum zu erwarten, weil bei den
                              									mangelhaften Verkehrs Verbindungen des Landes die Beschaffung von Maschinen und
                              									Apparaten mit ausserordentlichen Schwierigkeiten und grossen Kosten verknüpft ist,
                              									die einheimische Industrie auch nicht sobald in der Lage sein dürfte, grössere und
                              									schwierigere Reparaturen auszuführen.
                           Die Gouvernements Tomsk, Jenisseisk, Irkutsk. sowie die Gebiete von Akmolinsk und der
                              									Kirgisensteppe sind reich an Kohle. Die Steinkohlenlager in der Niederung des
                              									Kreises Kuznetzk im Gouvernement Tomsk, zwischen den Ssalaïrskischen Bergen und dem
                              									Höhenzuge des Altai, umfassen ein Gebiet von etwa 5620 qkm. In den Gouvernements
                              									Irkutsk und Jenisseisk lagert die Steinkohle in den Thälern der Angara und des
                              									Jenissei, in den Niederungen des Irkut und der Bolaja, sowie im Stromgebiet der
                              									unteren Tunguska. Etwa 250 km hinter Irkutsk sind Steinkohlenlager entdeckt, deren
                              									Vorräthe auf 6,8 Millionen Tonnen geschätzt werden. Auch das noch wenig erforschte
                              									Gebiet von Transbaikalien besitzt Steinkohlenlager. Im Küstengebiet Ostsibiriens,
                              									nicht weit von der Stadt Wladiwostok, sind solche bei den Nachforschungen, die das
                              									Marineministerium im J. 1888 wegen Versorgung der Kriegsflotte im Stillen Ocean mit
                              									Kohle veranlasst hat, aufgefunden worden. Etwa 30 km hinter der Stadt Krassnojarsk,
                              									in der Nähe des Dorfes Kamakowo, sind neuerdings grosse Lager von Braunkohle
                              									entdeckt. Man ersieht hieraus, dass Sibirien über grosse Kohlenvorräthe zu verfügen
                              									hat. Trotzdem wird die Steinkohle nur auf den Hüttenwerken des Staates ausgenutzt,
                              									weil das Holz in Sibirien noch ein zu wohlfeiles Brennmaterial ist.
                           Die Steinkohlenausbeute ist daher in Sibirien gering, sie betrug nach dem letzten
                              									Jahresbericht nur 34000 t. Obgleich in vielen Gegenden Sibiriens Urwälder vorhanden
                              									sind, so hat man in den besiedelten Gebieten bereits die Beobachtung gemacht, dass
                              									die Wälder sich hier zu lichten beginnen. Die riesigen Waldbrände verzehren oft
                              									gewaltige Strecken des herrlichsten Fichtenwaldes. In den an die Mongolei grenzenden
                              									Urwäldern findet man unabsehbare Flächen, die förmlich von verkohlten Baumstämmen
                              									bedeckt sind. Veranlassung zu diesen Waldbränden geben entweder die von Jägern,
                              									Schmugglern oder Hirten angezündeten und nicht wieder sorgsam ausgelöschten
                              									Lagerfeuer, sodann die Bauern, welche ihre Aecker im Frühling ohne vorhergegangenes
                              									Pflügen durch Feuer vom Unkraut reinigen, und endlich die Gewohnheiten der Jäger,
                              									einen Theil des Waldes zur leichteren Erlangung ihrer Jagdbeute niederzubrennen. Die
                              									Nachfrage nach mineralischem Brennmaterial wird über kurz oder lang auch in Sibirien
                              									auftreten, um so mehr, da gegen die Wälder ein neuer Feind, die Eisenbahn, ins Land
                              									zieht.
                           Die Salzausbeute Sibiriens hat bisher nicht einmal den eigenen Bedarf gedeckt,
                              									während die reichen Salzlager in den Gouvernements Irkutsk, Jenisseisk, Tomsk,
                              									Tobolsk, sowie in der Kirgisensteppe (die auch das Salzreich genannt wird) die
                              									Ausfuhr von Salz gestatten würden.
                           Aus Allem geht hervor, dass das gewaltige Ländergebiet über grosse Bodenreichthümer
                              									zu verfügen hat, welche, mit Ausnahme der Goldlagerstätten, bisher nur in geringem
                              									Umfange ausgenutzt, theils gänzlich unberührt, die zukünftige Entwickelung der
                              									sibirischen Industrie ausser Frage stellen, sobald die grosse Eisenbahn vollendet
                              									sein wird.
                           
                              F. Thiess.