| Titel: | Neuerungen in der Papierfabrikation. | 
| Autor: | Alfred Haussner | 
| Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 145 | 
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                        Neuerungen in der
                           								Papierfabrikation.
                        Von diplom. Ingenieur Alfred
                                 									Haussner.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 121 d.
                           								Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Neuerungen in der Papierfabrikation.
                        
                     
                        
                           Ganz auf ähnlicher Grundlage ruht das Verfahren von Adolf
                                 										Suelzer in Monfaurat nach D. R. P. Nr. 71048. Auch hier wird die in den
                              									Abgasen eines fertigen Kochers vorhandene Schwefligsäure und auch deren Wärme
                              									dadurch ausgenutzt, dass die Abgase nach beendeter Kochung in einem Kocher in einen
                              									zweiten, allenfalls dritten Kocher einer Batterie abgelassen werden, in welchen sich
                              									noch schwächere Lauge befindet, mit der zu kochen begonnen wird. Ueberdies sind
                              									Ober- und Unterseite der stehenden Kocher durch eine mit geeigneten Ventilen
                              									ausgestattete Rohrleitung so verbunden, dass durch eine zur Anlage gehörige Pumpe
                              									eine Laugencirculation eingeleitet werden kann, derart, dass die Lauge unten
                              									abgesaugt und oben im Kocher wieder durch eine Brause aufgeschüttet wird. Alles in
                              									allem mag diese Anordnung als eine Vervollkommnung der eben vorerwähnten bezeichnet
                              									werden.
                           Textabbildung Bd. 292, S. 145Fig. 30.Norton's Drehkocher. Nach dem Verfahren von Joshua Norton in
                              									Chatam (Amerikanisches Patent Nr. 496275) sollen Säge- und Hobelspäne gut
                              									verarbeitet werden. Die Ursache des bisherigen Misslingens derartiger Kochungen
                              									sucht Norton darin, dass hauptsächlich in der Mitte des
                              									Kochers die Späne sich zusammenballen und derart der Einwirkung der Laugen
                              									widerstehen. Dem soll nun in einem Drehkocher (Fig.
                                 										30) mit Mannloch P und Ventil f durch die rinnenförmig gestaltete, nach einem
                              									Durchmesser gelegte Platte c, sowie durch ein fast bis
                              									in die Mitte des Kochers gehendes Dampfrohr d mit
                              									Brause d1 abgeholfen
                              									werden. In der That kann sehr wohl angenommen werden, dass der durch d1 einströmende
                              									Heizdampf selbst die Masse um den Mittelpunkt gut durchdringt und dadurch
                              									voraussichtlich auch der Lauge den Weg einigermaassen eröffnet, weil eben die Masse
                              									mehr aufgelockert ist. Dagegen mag es wohl fraglich sein, ob die Platte c in dem gefüllten Kocher mehr nützt, als gerade dem
                              									Ende des Heizrohres eine Stütze zu bieten. Gute Cellulose aus Sägespänen
                              									herzustellen, dürfte aber auch nach diesem Verfahren nicht gelingen, einfach
                              									deshalb, weil dieselben die Holzfaser schon zu weit zerkleinert enthalten. Eher wird
                              									dies begreiflicher Weise noch mit den Hobelspänen gehen.
                           Dämpfen des Holzes, bevor es der eigentlichen Kochung unterworfen wird, ist als
                              									wesentlich bei zwei Verfahren hingestellt; dass dies eine Neuheit sei, darf
                              									allerdings nicht behauptet werden. Nach amerikanischem Patent Nr. 474944 an Norman H. Brokaw in Kaukanna soll durch Dämpfen während
                              									3 bis 4 Stunden bei 138° C. auch sehr harzhaltiges Holz so vorbereitet werden, um
                              									nach dem Sulfitverfahren in Zellstoff gut verwandelt werden zu können, während sonst
                              									die erwähnte Holzgattung immerhin Schwierigkeiten verursacht. – Nach dem D. R. P.
                              									Nr. 62376 von Oskar Schmidt in Berlin wird durch das
                              									Dämpfen hauptsächlich das Austreiben der Luft aus den Poren erstrebt, was noch durch
                              									eine Luftpumpe, welche im Kocher ein Vacuum erzielt, unterstützt werden soll. Dann
                              									erhofft der Erfinder schon von kalter Sulfitlauge eine
                              									wesentliche Einwirkung auf das Holz. Diese soll in die feinsten Haarröhrchen dadurch
                              									getrieben werden, dass ein ziemlich bedeutender specifischer Druck stossweise sich
                              									ändert, indem Sulfitlösung in das geschlossene Gefäss so lange eingepumpt wird, bis
                              									der Druck z.B. auf 20 at gestiegen ist und diese Pressung dann plötzlich, etwa durch
                              									Eröffnung eines Ventils, auf die Hälfte herabgebracht wird, wodurch auch die letzten
                              									Luftbläschen entfernt und das Holz vollständig mit Sulfitlösung imprägnirt werden
                              									soll. Der Erfinder scheint jedoch selbst noch einige Zweifel in die besonderen
                              									Vortheile seines Verfahrens zu setzen, indem derselbe an die vorerwähnte Behandlung
                              									des Holzes doch noch eine ziemliche Kochdauer bei einer Temperatur bis gegen 150° C.
                              									anschliesst, was derart geschieht, dass eintretender Dampf die Lauge aus dem Kocher
                              									verdrängt und das imprägnirte Holz unmittelbar aus der dasselbe umhüllenden Lauge in
                              									den Dampf geräth.
                           Es ist eben vielfach nur ein Herumtasten bei den „neuen Verfahren“, indem man
                              									wohl weiss, dass die schweflige Säure die gewünschte Reaction gibt, aber deren
                              									Wirkungsweise, „die Chemie des Sulfitverfahrens“, noch immer nicht sicher
                              									kennt. Galt es doch lange Zeit fast allgemein als das Wahrscheinlichste, die Bildung
                              									von Schwefelsäure aus der Schwefligsäure durch Aufnahme von Sauerstoff aus den
                              									sogen. Inkrusten vorauszusetzen. Und noch neuestens ist Dr. Harpf in Veröffentlichungen in der Papier-Zeitung, gestützt auf eigene Beobachtungen und Versuche in einer
                              									Mitscherlich-Cellulosefabrik, dafür eingetreten, nicht sowohl einen Reductions-, als
                              									vielmehr eine Art Oxydationsprocess in dem Sinne als wahrscheinlich anzunehmen, dass
                              									sich unter Mitbildung organischer Zersetzungsproducte hydroschweflige, dithionige
                              									oder eine ähnliche Säure bilde. Zu dieser Vermuthung leitete ihn der Umstand, dass
                              									die Inkrusten des Holzes stark reducirende Mittel sind, so dass sogar bekanntlich
                              									eine quantitative Bestimmung des Holzschliffes im Papier mittels Goldlösung darauf
                              									zu gründen versucht wird, und die schweflige Säure bei Gegenwart von kräftig
                              									reducirenden Mitteln, wie z.B. Eisen oder Zink, in hydroschweflige Säure verwandelt
                              									wird.
                           Sicheren Aufschluss dürften wir eben nur allmählich zu erwarten haben, indem die
                              									Arbeiten Vieler und durch längere Zeit nothwendig sein dürften, bis endlich, auf
                              									sicheren Ergebnissen fussend und sie zusammenfassend, das Richtige gefunden wird.
                              									Aber nur gewissenhafte, genaue chemische Untersuchungen (so z.B. auch nicht das
                              									blosse „Abwägen“ der Laugen mit dem Aräometer) unter Berücksichtigung aller
                              									einschlägigen Umstände, Temperaturen u. dgl. können zum Ziele führen.
                           Für diejenigen Kocher zum Sulfitverfahren, welche nicht
                              									von aussen geheizt werden, wo also das so einfache und auch bewährte Salomon-Brüngger'sche Verfahren (vgl. 1892 285 150), die Kocher mit einer aus der Kocherlauge sich
                              									erneuernden Schutzkruste auszukleiden (neuerlich sind dafür die drei amerikanischen
                              									Patente Nr. 483826 bis Nr. 483828 verliehen worden), nicht anwendbar ist, sucht man
                              									noch immer nach einem vollständig befriedigenden Schutz für die Eisenblechwände. Das
                              										Wenzel'sche Verfahren (1892 285 150) ist allerdings jetzt etwas vereinfacht worden, indem aus der
                              									dabei benutzten Auskleidungsmasse mittels Holzschablonen Formsteine gebildet und
                              									diese dann in dem Kocher versetzt werden. Der derzeitige Inhaber dieses Verfahrens,
                              										C. Schlimp in Wien, gibt an, dass dadurch die
                              									Ausführungszeit auf 6 Tage herabgesetzt wird. Doch stört immerhin die bedeutende
                              									Menge des Schutzmaterials. Viele von den Fabriken, in welchen dieser Schutz
                              									angewendet worden ist, erklären sich allerdings für sehr befriedigt.
                           In mancher Beziehung ähnelt demselben das Verfahren von Karl
                                 										Kellner in Hallein nach D. R. P. Nr. 68168 (Zusatzpatent zu D. R. P. Nr.
                              									56973). Nach dem Hauptpatente werden Glasplatten, welche an ihrer Unterseite dadurch
                              									rauh gemacht sind, dass sie in noch heissem Zustande an grobkörnige kieselsaure
                              									Thonerde gepresst werden, in einen an den Kocherwänden ausgebreiteten Kitt gedrückt,
                              									der aus nahezu gleichen Theilen kieselsaurer Thonerde und Wasserglas mit so viel
                              									Romancement besteht, dass eben ein zäher Brei gebildet wird. Bevor die Glasplatten
                              									jedoch versetzt werden, ist es sehr empfehlenswerth, die Kittoberfläche und die
                              									damit in Berührung tretende, gerauhte Glasfläche mit einem dünnen Anstrich von
                              									kieselsaurer Thonerde und Wasserglas zu versehen. Dann werden die sehr feinen
                              									Stossfugen auch noch vollständig von dem säurebeständigen Kitt ausgefüllt. Nun
                              									zeigte sich, dass die verwendete Masse auf die Dauer deshalb nicht genügt, weil sie
                              									im erstarrten Zustande so porös ist, dass sie doch der Säure den Durchtritt bis zu
                              									den Eisenwandungen gestattet. Selbst wenn dadurch nur einzelne Löcher in die
                              									Kocherwände gefressen würden, könnte man das Verfahren keineswegs als glücklich
                              									bezeichnen. Um dem abzuhelfen, soll nun der erwähnte säurebeständige Ueberzug in
                              									zwei abgesonderten Schichten hergestellt werden, welche durch ein dünnes Bleiblech
                              									so getrennt sind, dass Säure, falls sie durch die Poren der ersten Schicht gedrungen
                              									ist, durch das Bleiblech an weiterem Fortschreiten gehindert ist. Wenn auch hier das
                              									Bleiblech nicht unmittelbar die Aufgabe hat, das Eisen vor den Säureangriffen zu
                              									schützen, so hat sich doch dessen Anwendung wieder als nothwendig herausgestellt,
                              									wobei allerdings der Bleimantel, welcher durch Wasser-, Dampf- oder Luftdruck
                              									fest an die erste Schutzschicht gepresst wird, sich nicht leicht – weil
                              									eingeschlossen, zwischen den beiden dicken Schichten aus säurebeständigem Materiale
                              									– rühren kann, also auch alle jene Unannehmlichkeiten wegfallen, welche sich bei
                              									directer Bekleidung der Kocherwände mit Blei wegen der verschiedenen
                              									Ausdehnungscoëfficienten ergeben.
                           Im Wesen mit dieser Schutzeinrichtung übereinstimmend, ist das Verfahren zur
                              									Auskleidung von Sulfitkochapparaten des Oesterreichischen
                                 										Vereins für Cellulosefabrikation in Wien nach dem österreichischen
                              									Privilegium vom 29. Februar 1892.
                           Textabbildung Bd. 292, S. 146Fig. 31.Bleiauskleidung von Wagner Eine reine Bleiauskleidung ist jene von Rudolf
                                 										Wagner in Gotha nach D. R. P. Nr. 62129. Das Eisen- oder Stahlblech a (Fig. 31) wird durch
                              									die anzulegende Bleischicht b geschützt. Damit dieselbe
                              									sich gegen das Eisenblech nicht verschieben kann, wird sie durch eine Anzahl
                              									Kopfschrauben c an das Eisenblech gepresst. Damit
                              									weiter die Säure nicht zwischen dem verbleiten Kopf der Schraube und dem Bleibelag
                              									in die Löcher für die Bolzen und damit auch an das Eisen gelangen kann, wird als
                              									Unterlagsplatte zwischen Kopf und Blei b eine Scheibe
                              										e aus Weichblei eingelegt. Von deren Anwendung wird
                              									erwartet, dass beim Anziehen der Schraube e an b und an den Schraubenkopf so fest zum Anliegen
                              									gezwungen wird, dass keine Spur von Säure an die bezeichnete gefährliche Stelle
                              									gelangen kann.
                           Textabbildung Bd. 292, S. 146Jones und Draper's Kocher. Ohne Schutzschicht geht es eben, wie die Erfahrung zeigt, bei keinem
                              									Eisen- oder Metallgefäss, in welchem schweflige Säure längere Zeit, insbesondere in
                              									warmem Zustande, sich aufhält. Furchtbare Unglücksfälle haben dies in letzterer Zeit
                              									erhärtet. So explodirte in der Zellstoffabrik Oberleschen ein aus geschweissten
                              									Eisenblechen gebildeter Ballon, in welchem flüssige schweflige Säure transportirt
                              									wurde; so platzten Kocher aus Bronze und aus der im Berichte 1892 285 151 erwähnten „desoxydized bronce“ in Amerika.
                              									Es zeigte sich überall das Metall durch die Säure ganz bedeutend angegriffen. Als
                              									neuer Versuch zur Lösung dieser Frage gilt das D. R. P. Nr. 70243 von Nathaniel Morrison Jones und Thomas Bailey Draper in Bangor, das einen Metallkocher mit einer
                              									Schutzschicht betrifft. Wir erkennen in Fig. 32 in a die Kocherwand, welche durch eine Schicht b, aus Asbest und Cement zusammengeknetet, unmittelbar geschützt ist.
                              									In b werden dann Cementplatten, wie z.B. Gruppe 8 8, eingebettet und bilden im Ganzen die Schicht c.
                              									Die Platten übergreifen sich allseits, wie auch aus der in Fig. 33
                              									herausgezeichneten ersehen werden kann, und werden in geeigneten Formen unter
                              									starkem Drucke gepresst. Nicht übel ist der Mannlochauschluss, ein immerhin heikles
                              									Detail. Wir sehen ein Rohr f angenietet, welches auch
                              									vorerst durch die ununterbrochen fortlaufende Schicht b, weiterhin aber durch ein aus säurebeständigem Metalle bestehendes engeres
                              									Rohr g geschützt ist. Damit der Raum zwischen g und f ordentlich von b ausgefüllt werde und diese Schutzschicht dort fest
                              									sitzen bleibt, sehen wir Rohr g aussen ziemlich
                              									gerauht. Rohr g wird durch den aussen liegenden Flansch
                              									festgehalten, der sich an den Flansch des Rohres f
                              									schliesst, andererseits durch einen Ring i aus
                              									säurebeständigem Metall, der sich an die bereits hergestellte Kocherauskleidung legt
                              									und in den das Rohr g eingeschraubt wird. – In die
                              									Cementplattenauskleidung allein scheint man auch hier kein übermässiges Vertrauen zu
                              									setzen, denn in demselben Patente ist eine Ausführung (Fig. 34) angegeben,
                              									wonach die Cementplatten auf der gegen das Kocherinnere gerichteten Seite mit Blei
                              										k bekleidet sind, welches ganz zweckmässig und fest
                              									durch Schwalbenschwänze k3 mit den Cementplatten verbunden ist.
                           Textabbildung Bd. 292, S. 147Fig. 35.Apparat der Fabrik Golzern zur Behandlung der Lauge. Nach beendetem Kochprocesse macht die Sulfitablauge viel zu schaffen und nicht selten hängt die Concessionirung
                              									neuer und die Erlaubniss zum Weiterbetrieb schon bestehender Sulfitanlagen von einer
                              									glücklichen Lösung der Frage ab, was mit den Ablaugen und Abgasen geschehen solle.
                              									Für letztere fanden wir schon weiter oben einige nicht schlechte Vorschläge, weil
                              									sie ebenso wohl eine günstige Einwirkung auf die Betriebsökonomie erwarten lassen,
                              									als auch die Belästigung des Thier- und Pflanzenreichs hintanhalten werden. Viel
                              									schlimmer, weil nicht so einfach und auch nicht allgemein lösbar, steht es mit der
                              									Weiterbehandlung der Ablaugen. Scheinbar am einfachsten und gründlichsten gelöst
                              									sieht die Frage aus, wenn man einfach die Weiterverarbeitung
                                 										der Ablauge ins Auge fasst. Es wäre auch so, wenn man schon ein
                              									befriedigendes Verfahren kennen würde. Einige hierher gehörige sind ja in den
                              									früheren Berichten genannt worden, von einigen neueren mag hier Erwähnung gethan
                              									werden.
                           Nach D. R. P. Nr. 67038 von Guido Pousar in Voitsberg
                              									werden die Ablaugen in ein unterirdisch gelegtes, hinreichend grosses Reservoir und
                              									aus diesem durch ein hinreichend hoch angebrachtes Rohr die Abgase, so lange sich
                              									eben solche aus der Lauge entwickeln, in Wasser zur Condensation geleitet, um
                              									dieselben unschädlich zu machen und Schwefligsäure gleichzeitig wieder zu gewinnen.
                              									All das, was dann noch in der Ablauge bleibt, soll aber versickern. Einfach ist das
                              									Verfahren wohl, ob es aber wegen der Schädlichkeit der Ablauge in vielen Fällen
                              									möglich ist, das ist eine andere Frage. – Viggo Beutner
                                 										Drewsen behandelt nach D. R. P. Nr. 67889 die Ablauge bei höherer
                              									Temperatur und unter Anwendung von Druck, also wenigstens zum Theil in geschlossenen
                              									Gefässen, mit kaustischem Kalk. Vermöge der erwähnten besonderen Umstände sollen
                              									durch den Kalk die in der Ablauge befindlichen organischen Verbindungen zersetzt,
                              									dadurch wohl unschädlich gemacht und der Schwefel, theilweise wenigstens,
                              									zurückgewonnen werden. Zurückhaltung dürfte diesem Verfahren gegenüber um so mehr
                              									geboten sein, weil es mit ausserordentlich sorgfältigen Versuchen, von welchen
                              									weiter unten berichtet werden soll, in Widerspruch zu stehen scheint, insbesondere
                              									was die Zersetzung der organischen Substanzen betrifft. – Auch auf eine Abstumpfung
                              									der Säuren in der Ablauge durch kaustischen Kalk bezieht sich eine Einrichtung,
                              									welche von der Maschinenfabrik Golzern durchgebildet
                              									ist; dabei kann immerhin ein gut Theil der schwefligen Säure zurückgewonnen werden.
                              									Nach einer Veröffentlichung in der Papier-Zeitung,
                              									1893, ist Fig. 35 wiedergegeben. Wir bemerken, dass
                              									die Ablauge mittels Hahn a und Rohr b in den Mischkasten B
                              									gelassen werden kann, wo sie sich mit Kalkmilch vereinigt, welche aus dem mit Rührer
                              									ausgestatteten Bottich D durch die Röhren l zufliesst. Durch eine Schraubenpumpe f wird nun die Mischung, ordentlich gequirlt, aufwärts,
                              									den Dreiwegehahn i passirend, in die Rinne g geschafft, von welcher das Gemenge, Calciummonosulfit
                              									enthaltend, das sich aus Kalkmilch und der in der Ablauge enthaltenen freien
                              									schwefligen Säure gebildet hat, in den Absatzkasten C
                              									abfliesst. Das unlösliche Calciummonosulfit setzt sich am Boden ab, während die
                              									Flüssigkeit durch das Ueberlaufrohr k abgeleitet wird.
                              									Um das Calciummonosulfit für die weitere Verwendung möglichst rein zu bekommen, wird
                              									dasselbe im Kasten C gewissermaassen gewaschen, indem
                              									man aus Rohr G frisches Wasser in die Rinne g und aus dieser in den Kasten C fliessen lässt, die Verbindung e zwischen
                              									Bottich B und Kasten C
                              									öffnet und durch die Pumpe f den Schlamm mit Wasser
                              									absaugt, auf die Rinne g und dann nach C zurückschafft. So unterhält man den Kreislauf einige
                              									Zeit, bis der beabsichtigte Zweck erreicht ist. Das überschüssige Waschwasser kann
                              									fortwährend durch k abfliessen. Hat man dergestalt das
                              									Calciummonosulfit rein genug, so pumpt man dasselbe nach entsprechender Stellung des
                              									Hahnes i durch Rohr h in
                              									die grosse Doppelbütte F mit Rührer n. In F leitet man die in
                              									der Kühlschlange E aus einer früheren Kochung
                              									herrührende und aus dem Abdampfe condensirte Schwefligsäure mittels der Röhrchen m1 ein zur Lösung des
                              									Calciummonosulfits. Der Abdampf aus dem Kocher A kann
                              									nämlich durch Hahn c und Rohre d, m in die Kühlschlange E im oberen Theile
                              									des Bottichs F gelangen, in welchen auch aus Rohr G Kühlwasser eintritt. Das erwärmte Wasser fliesst dann
                              									oben durch Rohr o in den Kalkbottich ab, aus welchem
                              									die Luft durch Röhrchen q abgeleitet wird. So stellt
                              									man also in F die Ursprungslauge wieder her. Sollte
                              									hier die Lösung zu hoch steigen, so fliesst der Ueberschuss durch Rohr p auch in den Kalkbottich D ab. Die Anlage ist für den vorliegenden Zweck recht einfach, der Antrieb
                              									der zu bewegenden Theile wird durch Riemen von H aus
                              									besorgt. Die Schwefelersparniss soll ungefähr 30 bis 40 Proc. betragen. Was durch
                              									Kalkzusatz zu erreichen möglich ist, dürfte hier auch wirklich erreicht werden.
                              									Allerdings die organischen Verbindungen gehen auch hier durch Ueberfallrohr k mit der geklärten Flüssigkeit ungenützt und möglicher
                              									Weise Schaden stiftend fort.
                           Den organischen Verbindungen will nun Dr. A.
                                 										Mitscherlich nach D. R. P. Nr. 72161 durch Osmose der Ablauge entweder nach
                              									erfolgtem Kalkzusatze, wie es z.B. eben vorhin geschildert worden ist, oder auch
                              									unmittelbar beikommen. Er gründet das Verfahren darauf, dass ein Theil der
                              									organischen Stoffe Wasser stark anzieht, während andere weniger hygroskopisch sind.
                              									Der Erfinder will durch Osmose erhalten: a) einen Klebstoff als Ersatz für das
                              									arabische Gummi, b) ein Gerbmaterial, c) einen gährungsfähigen Körper, d) schweflige
                              									Säure, e) Gyps und andere Substanzen. Es wäre nur zu wünschen, dass dieser Vorschlag
                              									endlich Erfolg habe, denn viele Anstände, oftmals berechtigte, oftmals auch nicht
                              									berechtigte, hat man mit diesen bösen Ablaugen.
                           Aufklärend in dieser Richtung ist ein gründliches; durch selbständige Versuche und
                              									Benutzung von bereits vorliegenden zuverlässigen Thatsachen gestütztes Gutachten,
                              									welches vom Vorstande des Hygienischen Instituts der Universität Würzburg, Prof. Dr.
                              										K. B. Lehmann, gelegentlich der Projectirung einer
                              									zweiten Sulfitcelluloseanlage bei Aschaffenburg erstattet worden ist, vgl. Papier-Zeitung, 1893. Wenn wir uns nur auf die
                              									Hauptsache der interessanten Abhandlung beschränken, so entnehmen wir Folgendes: Bei
                              									sorgfältiger Handhabung ist eine über den Umkreis der Fabrik reichende Schädigung
                              									der Vegetation ebenso wenig wie der Menschen und Thiere von Seiten der Abgase zu
                              									fürchten. Zeigten sich doch die Arbeiter des Etablissements trotz mehrjähriger
                              									Beschäftigung in stark mit Schwefligsäure geschwängerten Räumen von einem sehr
                              									befriedigenden Gesundheitszustande. Was die Abwässer anbetrifft, so wurde gefunden,
                              									dass es sich sehr empfiehlt, die organischen Substanzen zurückzuhalten, dass aber, sobald eine etwa tausendfache Verdünnung erreicht
                                 										ist, sogar sehr empfindliche Fische sich in derartigen Flüssigkeiten anscheinend
                                 										auf längere Zeit ganz wohl befinden.
                           Das Zurückhalten von organischen Substanzen ebenso wohl wie das Binden aller
                              									schwefligen Säure an den Ablaugen zugesetzten Kalk, ein Hauptpunkt des Frank'schen Verfahrens (1890 276 58) und auch einiger diesmal erwähnter Processe, ist nach den
                              									Untersuchungen Lehmann's nicht in wünschenswerter Weise
                              									möglich. Auch der Nährwerth (Viehfutter) der organischen Substanzen ist nach
                              									vorgenommenen Untersuchungen von Cremer in München
                              									und Ebstein in Göttingen sehr gering. Es bleibt also
                              									nichts übrig, als die Abwässer wegzuleiten. Sind nun vielleicht nur kleine Gerinne
                              									unmittelbar benachbart, während ein grösseres Gerinne, ein Fluss, weiter, jedoch
                              									nicht zu entfernt vorhanden ist, so empfiehlt sich die getrennte Wegleitung der
                              									Ablaugen und der eigentlichen Abwässer, d.h. Waschwässer u. dgl. Die letzteren, als
                              									relativ nicht besonders unrein, können meist unbedenklich auch in kleinere
                              									Wasserläufe geführt werden, während die Ablaugen entweder durch eine besondere
                              									Rohrleitung, oder, weil dies meist sehr kostspielig wird, mit Benutzung von häufig
                              									bereits vorhandenen Kanälen für Unrath in den nicht zu weit entfernten grösseren
                              									Wasserlauf geleitet werden. Dort muss dann aber so viel Wasser, selbst bei
                              									Niederwasser, vorhanden sein, dass zum mindesten die oben angegebene Verdünnung
                              									erreicht werden kann. – Was die ausführliche Begründung, insbesondere mit Bezug auf
                              									den oben erwähnten Specialfall, betrifft, sei auf die bereits genannte Quelle
                              									verwiesen.
                           Wo sich eine solche Wegleitung der Ablaugen, wie oben besprochen wurde, nicht
                              									durchführen lässt und wegen der Oertlichkeit die Versickerung oder unmittelbare
                              									Einleitung insbesondere der Ablaugen in fliessendes Gewässer nicht angeht, bleibt
                              									auch beim Sulfitverfahren nichts anderes übrig, als die organischen Substanzen durch
                              									Eindampfen der Ablaugen und nachheriges Glühen bezieh. Verbrennen zu vernichten.
                              									Derartige Einrichtungen wurden z.B. bei Sulfitzellstoffabriken im Regierungsbezirke
                              									Breslau eingeführt bezieh. vom Gewerberathe vorgeschrieben.
                           Dies ist gewiss eine grosse Belastung der davon betroffenen Industrie, aber kaum zu
                              									umgehen, wenn es nicht doch gelingt, die organischen Bestandtheile geeignet, etwa in
                              									Flockenform, auszuscheiden und dann abzufiltriren. Wir sahen, mit Kalkzusatz geht es
                              									nicht befriedigend, und der sonst häufig gute Erfolge nach sich ziehende Kieserit
                              									nutzt auch nichts. Es ist eben die Zusammensetzung der gelösten organischen
                              									Verbindungen zu wenig bekannt.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)