| Titel: | Neuere Locomotiven. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 26 | 
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                        Neuere Locomotiven.
                        Von Fr. Freytag.
                        (Schluss des Berichtes S. 7 d. Bd.)
                        Mit Abbildungen.
                        Neuere Locomotiven.
                        
                     
                        
                           
                              Locomotive der Zahnradbahn von
                                 										Aix-les-Bains nach Revard.
                              
                           Die Fig. 5 und 6 ersichtliche
                              									Schmalspurlocomotive dient zur Beförderung der Züge auf der als reine Zahnradbahn
                              									erbauten Strecke von Aix-les-Bains nach Revard mit fortwährenden Steigungen von
                              									nicht unter 1 : 40, ausgenommen eine wagerechte Strecke von 22,5 m auf der Station
                              									Aix und eine 733 m lange Strecke mit Steigungen 1 : 100 vor der Station Revard.
                           Textabbildung Bd. 293, S. 25Zahnradbahnlocomotive. Die Locomotive ruht nach Le Génie Civil 1893
                              									S. 321 auf 3 Achsen, von denen die beiden vorderen in der Mitte je 2 Zahnräder
                              									tragen, welche nach System Abt mit zwischen den
                              									Laufschienen liegenden Zahnstangen in Eingriff stehen. Die Cylinder sind inmitten
                              									der Locomotive auf der Plattform zu beiden Seiten des Kessels befestigt und die
                              									Bewegungen der Kolben werden mit Hilfe von Stangen unter Zwischenschaltung je eines
                              									am vorderen Ende der Locomotive drehbar gelagerten ungleicharmigen Hebels im
                              									Verhältniss 1,4 : 1 auf die Treibachsen bezieh. die Zahnräder übertragen. Die
                              									Geschwindigkeit der Locomotive ist auf 12 km in der Stunde, entsprechend nicht ganz
                              									2 Umdrehungen der Räder in der Secunde, festgesetzt. Der normale Wasserspiegel im
                              									Röhrenkessel liegt, wenn sich die Maschine auf der Wagerechten befindet, noch 150 mm
                              									über der Feuerbüchsdecke und selbstverständlich auf den Steigungen höher. Die
                              									Neigung des Kessels ist eine derartige, dass die Rohre auf Steigungen von 120 ‰
                              									wagerecht liegen.
                           Die Hauptabmessungen der Maschine sind, soweit sie nicht auf den Abbildungen
                              									angegeben, folgende:
                           
                              
                                 Spurweite
                                 1000
                                 mm
                                 
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 300
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 550
                                 mm
                                 
                              
                                 Durchmesser der Zahnräder
                                 573
                                 mm
                                 
                              
                                 Beanspruchung der Zähne (Zugkraft)
                                 6500
                                 k
                                 
                              
                                 Kesselspannung
                                 14
                                 at
                                 
                              
                                 Dampfinhalt des Kessels
                                 320
                                 l
                                 
                              
                                 Heizfläche in der Feuerbüchse
                                 3,5
                                 qm
                                 
                              
                                 den Rohren
                                 33,0
                                 qm
                                 
                              
                                 Gesammtheizfläche
                                 36,5
                                 qm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 0,66
                                 qm
                                 
                              
                                 Wasserinhalt des Kessels
                                 1000
                                 l
                                 
                              
                                 der Behälter
                                 1200
                                 l
                                 
                              
                                 Kohlenvorrath
                                 770
                                 k
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 14,2
                                 t
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 17,4
                                 t
                                 
                              
                           Ueber den Brenn- und Schmiermaterialverbrauch dieser Art von Locomotiven dürften
                              									einige Angaben am Platze sein.
                           An Brennmaterial sind auf der Steigung für jeden Zug 350 k Briquettes erforderlich,
                              									während für die Thalfahrt, welche unter dem Einflüsse der eigenen Schwere unter
                              									Benutzung von Bremsen erfolgt, kein Brennmaterial nöthig ist.
                           Auf der 9350 m langen Strecke von Aix-les-Bains nach Revard werden durchschnittlich
                              									37,4 k Briquettes für jeden Kilometer Fahrt verbraucht, da indess die Thalfahrt kein
                              									Brennmaterial erfordert, stellt sich der mittlere Verbrauch desselben auf nur
                              									ungefähr 18,7 k. Beträgt der Preis einer Tonne Briquettes 24 M., so entfallen an
                              									Ausgaben für Brennmaterial 0,448 M. auf jeden Kilometer Fahrt.
                           Auf der gemischten Zahnradbahn von Blankenburg nach Tanne werden auf jeden
                              									Trainkilometer 13 k Kohle bester Qualität verbrannt. Die Locomotiven von 54 t
                              									bewegen hier einen Train von 120 t mit mittleren Geschwindigkeiten von 10 km in der
                              									Stunde auf normalspurigen Steigungen von 60 ‰.
                           Auf der nur mittels Adhäsion betriebenen schmalspurigen Bahnstrecke von Saint-Georges
                              									de Commiers nach La Mure, welche Steigungen von 28 ‰ aufweist, beträgt der
                              									Brennmaterialverbrauch 10,6 k für jeden durchlaufenen Kilometer entsprechend 0,246
                              									M. bei 23,2 M. pro Tonne.
                           Der Verbrauch an Schmiermaterial stellt sich für Berg- und Thalfahrt zusammen auf 2,5
                              									k, d.h. es werden bei der Bergfahrt 1,5 und bei der Thalfahrt 1,0 k verbraucht;
                              									hierin ist das vor der Bergfahrt zum Schmieren verwendete Oel inbegriffen.
                           Auf der Strecke Saint-Georges-La Mure werden 100 g Schmiermaterial für jeden
                              									durchlaufenen Kilometer verbraucht.
                           Hiernach sind die Ausgaben für Brennmaterial und Schmierung auf der erstgenannten Zahnradbahn mit
                              									mittleren Steigungen von 140 ‰ nicht wesentlich höher als diejenigen auf der mittels
                              									Adhäsion betriebenen letztgenannten Bahn mit Steigungen von 28 ‰, namentlich, da
                              									noch zu berücksichtigen ist, dass die Verbrauchszahlen der Zahnradbahn kurze Zeit
                              									nach Eröffnung des Betriebes derselben festgestellt wurden, sich also
                              									erfahrungsmässig um etwa 30 Proc. (?) verringern, sobald der Betrieb ein
                              									regelrechter geworden ist.
                           
                        
                           
                              Verbundlocomotive der österreichischen
                                 										Staatsbahnen.
                              
                           Eine dreifach gekuppelte Güterzug-Verbundlocomotive ohne Anfahrvorrichtung (Bauart
                              										Gölzdorf) befindet sich auf den österreichischen
                              									Staatsbahnen im Betriebe und hat bisher allen Anforderungen entsprochen.
                           Bei gewöhnlichen Locomotiven ist die für das Anfahren ungünstigste Kurbelstellung
                              									jene, in der einer der Schieber den Einströmkanal eben abschliesst, wobei die
                              									gebräuchlichen Steuerungen – wenige Ausführungen ausgenommen – bei ausgelegter
                              									Steuerung etwa 75 Proc. Cylinderfüllung geben.
                           Aus diesen ungünstigen Stellungen fahren gewöhnliche Locomotiven noch sicher an,
                              									obschon nur die Kraft eines Kolbens an einer ziemlich geneigt stehenden Kurbel zur
                              									Wirksamkeit kommt. Hat der Schieber auf der rechten Maschinenseite gerade
                              									abgeschlossen, so findet links Dampfeintritt statt.
                           Bei der Kolbenfläche f und dem Dampfdruck p at ist der auf den Kolben ausgeübte Druck gleich f . pk und die am Treibzapfen auftretende
                              									Umfangskraft
                           T = K . f .
                                 										pk
                           wobei K alle auf die Grösse der
                              									Umfangskraft einwirkenden Grössen enthält.
                           Soll eine Verbundlocomotive anstandslos anfahren, so muss die kleinste Umfangskraft
                              									ebenfalls den Werth K . f . p besitzen und in den
                              									Verbinder stets frischer Kesseldampf eingeführt werden, dessen Druck p1 entsprechend dem
                              									Flächen Verhältnisse der beiden Kolben gewählt werden muss, damit gleiche
                              									Beanspruchungen der Zapfen, Achsen u.s.w. auf beiden Maschinenseiten stattfinden. Da
                              									dieser in den Verbinder eingeführte Dampf, sich nach beiden Seiten hin ausbreitend,
                              									links als treibender Dampf auf den Niederdruckkolben, rechts als Gegendampf auf die
                              									der Bewegungsrichtung entgegengesetzte Seite des Hochdruckkolbens wirkt, ergibt er
                              									eine Umfangskraft Tv, die – gleiche Abmessungen im Triebwerke wie bei den gewöhnlichen
                              									Locomotiven vorausgesetzt – sich darstellen lässt durch
                           Tv = K . F . p1
                              									– K1fp1,
                           ein Werth, der nahezu 50 Proc. kleiner ist als die kleinste
                              									Anfahrkraft einer gewöhnlichen Locomotive und bei Steuerungen, die nur 60 bis 70
                              									Proc. höchsten Füllungsgrad haben, sogar Null werden kann.
                           Um das Auftreten des Gegendruckes fp1 zu verhindern, bringt man im Verbinder
                              									Abschlussmittel (Ventile, Klappen, Schieber u.s.w.) an, die beim Anfahren durch den
                              									aus dem Anlassventile oder Hahne eintretenden Dampf geschlossen werden, mithin eine
                              									Umfangskraft Tv' = K . Fp1 =
                              										T ermöglichen. Ist die Maschine in Gang gesetzt, so
                              									werden diese Abschlussmittel beim ersten Auspuffe des Dampfes aus dem
                              									Hochdruckcylinder ausser Thätigkeit gesetzt.
                           Auf andere Weise wird dieser Zweck erreicht durch Bohrungen im
                              									Hochdruckschieber. Diese Bohrungen gestatten dem aus dem Verbinder auf die
                              									Vorderseite des Hochdruckkolbens der Bewegung entgegengesetzt wirkenden Dampfe auch
                              									auf die im Sinne der Bewegung liegende Seite des Hochdruckkolbens zu drücken, geben
                              									daher eine Tangentialkraft
                           Tv'' = K . F .
                                 										p1
                              									– K1f . p1 + K1 . f.p1 = K . F . p1.
                           Verbundlocomotiven mit Abschlussmitteln im Verbinder erfordern
                              									vermehrte Aufsicht und Instandhaltungskosten, auch sind selbst bei der grössten
                              									Achtsamkeit Versager nicht ausgeschlossen, solche mit Bohrungen im
                              									Hochdruck-Schieber verleiten während des Zeit erfordernden Druckausgleiches auf
                              									beide Seiten des Hochdruckkolbens den Führer öfter zu unnöthigen Steuerumlegungen,
                              									da dieser das Zustandekommen des Druckausgleiches nicht immer abwartet oder abwarten
                              									kann.
                           Eine besondere Anfahrvorrichtung wird entbehrlich, wenn die Steuerung derart
                              									ausgebildet wird, dass während nahezu des ganzen Kolbenweges Dampf in beide Cylinder
                              									eintreten kann.
                           Am besten geeignet für diesen Zweck ist die Steuerung nach Heusinger, die durch entsprechende Wahl des Verhältnisses
                              										\frac{\mbox{ausnützbare Coulissenlänge}}{\mbox{Länge des
                                 										Schwingungsarmes}} ohne weiteres brauchbar gemacht werden kann.
                           Textabbildung Bd. 293, S. 26Fig. 7.Dampfeinführung für Verbundlocomotiven. Die Einführung von frischem Kesseldampf in den Verbinder bezieh.
                              									Niederdruckcylinder erfolgte bisher durch Hähne oder Ventile, die meistens in
                              									Verbindung mit der Anfahrvorrichtung stehen, oder zwangläufig mit der Steuerung
                              									verbunden sind. Da diese Hähne oder Ventile nur dann geöffnet zu sein brauchen, wenn
                              									die Steuerung ganz ausgelegt ist, können dieselben entbehrt werden, wenn die
                              									Oeffnungen für den Eintritt des Anfahrdampfes in den Schieberspiegel des
                              									Niederdruckcylinders verlegt werden und der „dampfdichte“ Schluss sowie das
                              									Oeffnen derselben durch den Niederdruckschieber unmittelbar besorgt wird. Die
                              									Oeffnungen für den Eintritt des Dampfes sind in der dem Organ für die Fortschritte
                              									des Eisenbahnwesens entnommenen Abbildung (Fig. 7)
                              									mit m bezeichnet. Im weiteren Verlaufe stehen diese
                              									Oeffnungen oder Bohrungen durch Kupferrohre En1 und En2 mittels eines Gabelstückes und eines Kupferrohres
                              										En mit dem Regler-Kreuzrohre oder Schieberkasten
                              									des Hochdruckcylinders in Verbindung.
                           Beim Oeffnen des Reglers tritt Dampf in den Schieberkasten des Hochdruckcylinders und
                              									zugleich durch die der Bewegungsrichtung entsprechende, in Folge der vollen
                              									Auslegung der Steuerung fast während des ganzen Kolbenweges offenstehende Bohrung m in den Schieberkasten des Niederdruckcylinders und in
                              									diesen selbst. Die Gegenöffnung dieser Bohrung m ist
                              									durch eine in den Schieber eingegossene Rippe geschlossen.
                           Die Grösse dieser Oeffnungen ist derart zu bemessen, dass die Spannung des Dampfes im
                              									Verbinder bei geschlossenem Hochdruckschieber in längstens ein bis zwei Secunden 5
                              									at erreicht; bei normalen Vollbahnlocomotiven genügt hierzu eine Oeffnung von 4 qc
                              									(der Dampfüberdruck im Kessel beträgt 12 at, das Volumenverhältniss der beiden
                              									Cylinder etwa 2,2).
                           Da jede Locomotive, mithin auch die Verbundlocomotive in den Abmessungen der Cylinder
                              									derart eingerichtet sein soll, dass die höchste Leistung auf Steigungen, selbst wenn
                              									die am Zughaken zu äussernde Zugkraft der Reibungsnutzgrenze (⅙ bis 1/7) entspricht,
                              									noch immer vortheilhaft, also mit möglichst weit getriebener, 3- bis 4facher
                              									Expansion des Dampfes ermöglicht werde, sind die Oeffnungen m in den Rippen des Schieberspiegels derart anzuordnen, dass dieselben bei
                              									Anwendung einer, der regelmässig höchsten Leistung entsprechenden Füllung von etwa
                              									50 Proc. geschlossen bleiben.
                           Tritt in Folge schlechter Bedienung, schlechter Kohle oder ungünstiger
                              									Witterungsverhältnisse Dampfmangel ein, wodurch ein weiteres Vorlegen als 50 Proc.
                              									erforderlich wird, dann ist das Blosslegen der Bohrungen durch den Schieber ein
                              									Vortheil, weil der Druck im Niederdruckcylinder durch unmittelbares Einströmen des
                              									Dampfes aus dem Kessel etwas erhöht werden kann.
                           Die nach diesen Grundsätzen von K. Gölzdorf entworfene
                              									Verbundlocomotive wurde in der Locomotivenfabrik Wiener-Neustadt für die k. k.
                              									österreichischen Staatsbahnen gebaut und hat sich bezüglich Leistung und
                              									Brennstoffverbrauch derart bewährt, dass weitere Nachbestellungen erfolgten, so dass
                              									zur Zeit bereits 19 Locomotiven dieser Bauart in Dienst stehen.
                           Nachstehende Zusammenstellung gibt die Hauptabmessungen der neuen
                              									Verbundlocomotive:
                           
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 HochdruckNiederdruck
                                 500740
                                 mmmm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 
                                 632
                                 mm
                                 
                              
                                 Treibraddurchmesser
                                 
                                 1290
                                 mm
                                 
                              
                                 Dampfüberdruck
                                 
                                 12
                                 at
                                 
                              
                                 Anzahl der Siederohre
                                 186
                                 
                                 
                              
                                 Länge der Siederohre
                                 
                                 4165
                                 mm
                                 
                              
                                 Aeusserer Durchmesser der Siederohre
                                 51
                                 mm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 
                                 1,8
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche der Feuerbüchse
                                 8
                                 qm
                                 
                              
                                       „           „   Siederohre
                                 124
                                 qm
                                 
                              
                                 Gesammtheizfläche
                                 
                                 132
                                 qm
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 
                                 37,2
                                 t
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 
                                 42,0
                                 t
                                 
                              
                                 Steuerung: Bauart Heusinger.
                                 
                                 
                                 
                              
                           Selbst bei den grössten Leistungen, bei 596 t (114 Achsen) auf 10 ‰ Steigung wurde
                              									mit einem Dampfüberdrucke von 11½ bis 12 at gefahren. Der Auspuff zeigte sich
                              									hierbei gegenüber den gewöhnlichen Locomotiven wesentlich milder; ein Mitreissen von
                              									Kohlenstücken durch die Siederohre in die Rauchkammer fand nicht statt.
                           
                        
                           
                              Locomotiven der preussischen
                                 										Staatsbahnen.
                              
                           In neuester Zeit hat sich eine gewisse Wandlung in dem Bau von Locomotiven für die
                              									preussischen Staatsbahnen insofern vollzogen, als für einige Nebenbahnen, sowie für
                              									gemischte und Schnellzüge andere Locomotiven als die im Jahre 1872 entworfenen
                              									sogen. Normallocomotiven (für den Zugdienst auf sämmtlichen Linien der
                              									preussischen Staatsbahnen wurde im Jahre 1872 eine
                              									Personenzuglocomotive und eine Güterzuglocomotive
                              									festgesetzt) zur Einführung gelangten bezieh. unter die Normalien aufgenommen
                              									wurden, deren Gestalt theils mehr, theils weniger von den bisherigen Locomotiven
                              									abweicht. Die Normalpersonenzuglocomotive hat im betriebsfähigen Zustande (mit
                              									Kohlen und Wasser) ein Gewicht von 38 t, von denen ungefähr 26 t auf der mittleren
                              									Treibachse und der hinteren Kuppelachse, 12 t auf der vorderen Laufachse ruhen, die
                              									Normalgüterzuglocomotive dagegen ein Gewicht von ungefähr 40 t, welches sich
                              									gleichmässig auf drei mit einander gekuppelte Achsen vertheilt. Mit der Zeit stellte
                              									sich nach Stahl und Eisen, September 1893 S. 733
                              									heraus, dass die Normalpersonenzuglocomotive doch nicht überall am Platze, es
                              									vielmehr zweckmässiger sei, in einzelnen Bezirken besondere Locomotiven
                              									einzustellen. Die zuerst für den Eisenbahndirectionsbezirk Magdeburg gebaute
                              									Schnellzuglocomotive ist der Normallocomotive ähnlich, hat aber grössere Treib- und
                              									Kuppelräder, grössere Feuerbüchse, grössere Cylinder und ein grösseres Gewicht
                              									(nahezu 40 t). Die Locomotive für gemischte Züge unterscheidet sich von der
                              									Normalpersonenzuglocomotive dadurch, dass die Kuppelachse vorn liegt, die Laufachse
                              									nach hinten verlegt ist und die Treib- bezieh. Kuppelräder einen um 1500 mm
                              									geringeren Durchmesser (derselbe beträgt bei der Normalpersonenzuglocomotive 1730
                              									mm) haben. Die Locomotiven für Nebenbahnen sind Tenderlocomotiven von 29 t Gewicht
                              									mit 3 gekuppelten Achsen.
                           Tenderlocomotiven (zweiachsige) wurden auch für den Rangirdienst, für die Berliner
                              									Stadtbahn, für Personenzüge im Ortsverkehr und – wenn auch in geringerem Umfange –
                              									zur Beförderung von Güterzügen auf Hauptstrecken dort, wo die örtlichen Verhältnisse
                              									die theoretisch immer günstige Verwendung solcher Locomotiven zuliessen,
                              									benutzt.
                           Ferner wurde unter die Normalien eine mit beweglicher; sich nach dem
                              									Bahnkrümmungsmittelpunkte einstellender Laufachse versehene, für Strecken mit
                              									starken Krümmungen bestimmte Personenzuglocomotive aufgenommen, wie noch eine
                              									weitere Gattung solcher Locomotiven Annahme fand, als die v.
                                 										Borries'sche Verbundmaschine zur Einführung gelangte. Während bei der
                              									Güterzuglocomotive die Anwendung der Verbundwirkung keine besondere auffällige
                              									Veränderung der Normalgüterzuglocomotive mit sich brachte, unterscheidet sich die
                              									Verbundpersonenzuglocomotive äusserlich schon von der Normallocomotive insofern, als
                              									bei ersterer die Dampfcylinder zwischen die Mittel- und Vorderräder gelegt sind und
                              									die Steuerung eine aussenliegende geworden ist.
                           Die Zunahme des Verkehrs und die immer mehr gesteigerte Geschwindigkeit der Personen-
                              									und Schnellzüge brachte es mit sich, dass vielfach die Leistungsfähigkeit der
                              									3achsigen Normalpersonen- und Schnellzuglocomotiven für die Beförderung der Züge in
                              									der durch den Verkehr bedingten Stärke nicht ausreichte und nun entweder diese Züge
                              									mit 2 Locomotiven gefahren, oder in je 2 Züge getheilt werden mussten. Die
                              									Beförderung mit Vorspannlocomotiven hat aber bekanntlich den Uebelstand, dass die
                              									Locomotiven nicht voll ausgenutzt werden können und zwar zum Theil schon nicht bei
                              									der Fahrt vor dem Zuge und dann namentlich wegen der entstehenden Leerfahrten; zu
                              									starke Züge aber zu theilen, erscheint, wenn der Zug an und für sich, d.h. in
                              									Hinsicht auf die Sicherheit nicht zu stark ist, nicht wirthschaftlich, weil dadurch
                              									eine Personalvermehrung bedingt und eine sehr stark befahrene Strecke noch mehr
                              									belastet wird. Diese Uebelstände lassen sich beseitigen, wenn man stärkere
                              									Locomotiven verwendet, wobei sich allerdings auch wieder ein anderer Uebelstand,
                              									nämlich der der schlechten Ausnutzung der Locomotiven in dem Falle einstellen kann,
                              									dass der Verkehr auf einer gewissen Strecke sehr wechselt.
                           Textabbildung Bd. 293, S. 28Fig. 8.Locomotive der preussischen Staatsbahnen. Nachdem die preussische Staatsbahnverwaltung die Frage längere Zeit
                              									geprüft hat, ist sie im Jahre 1892 für einige Strecken zu der Beschaffung stärkerer
                              									Locomotiven geschritten und da solche Locomotiven in Folge eines grösseren Kessels,
                              									grosserer Dampfcylinder etc. ein grösseres Gewicht als die bisherigen
                              									Normallocomotiven erhalten mussten, bei diesen aber die für jedes Rad zulässige
                              									Höchstbelastung von 7 t schon ziemlich erreicht ist, musste die 3achsige Locomotive
                              									aufgegeben und die 4achsige eingeführt werden. Fig. 8
                              									zeigt die neue Personenzuglocomotive mit vorderem 2achsigen Drehgestell an Stelle
                              									der bisherigen festen Laufachse. Während die Normalpersonenzuglocomotive eine
                              									Heizfläche von 103 qm besitzt, weist die neue Personenzuglocomotive 125 qm auf; die
                              									Dampfcylinder haben einen Durchmesser von 430 mm für 600 mm Hub gegenüber 400 mm für
                              									560 mm Hub bei der Normallocomotive. Die Tender der neuen Locomotive haben einen
                              									Wasserraum von 15 cbm, wodurch letztere im Stande sind Strecken von 150 km und mehr
                              									ohne Wasseraufnahme zu durchlaufen.
                           Ausser der 4achsigen Personenzuglocomotive ist noch eine ganz ähnliche, aber mit
                              									grösseren Treib- und Kuppelrädern, für Schnellzüge eingeführt; auch arbeitet ein
                              									Theil der neuen Locomotiven mit Verbundwirkung.
                           Wie bei den Personenzuglocomotiven ist man auch hinsichtlich der Güterzuglocomotiven
                              									im Begriff, dem Vorgehen amerikanischer Eisenbahnen, denen ja seit einiger Zeit das
                              									lebhafteste Interesse seitens der deutschen Eisenbahntechniker gewidmet wird, zu
                              									folgen und noch schwerere Locomotiven, als die jetzt allein übliche Normallocomotive
                              									zu beschaffen, die dann auch mehr als 3 Achsen erhalten werden müssen. Einstweilen
                              									sind von dieser Locomotivgattung nur erst einige Stück mit je 3 gekuppelten Achsen
                              									und vorderer beweglicher Laufachse, welche sich den Curven entsprechend einstellen
                              									und durch wagerecht gelagerte Spiralfedern in die Mittelstellung gedrängt werden,
                              									behufs Anstellung von Versuchen gefertigt.
                           Die Heizfläche dieser Locomotiven beträgt je 138 qm gegen 125 qm bei der
                              									Normallocomotive, es ist also die Dampferzeugungsfähigkeit um so mehr
                              									gesteigert, als auch der Rost um ein Bedeutendes (2,3 qm gegen 1,53 qm) vergrössert
                              									ist. Dadurch ist das gesammte Gewicht der Locomotive im betriebsfähigen Zustande auf
                              									48,35 t gestiegen.
                           Während bei der Normallocomotive alle 3 Achsen vor der Feuerbüchse liegen und diese
                              									Locomotiven daher nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 45 km in der Stunde
                              									fahren dürfen, ist bei der 4achsigen Güterzuglocomotive eine Geschwindigkeit bis zu
                              									55 km in der Stunde zulässig, weil die Feuerbüchse durch die Hinterachse unterstützt
                              									ist.
                           Auch 4achsige Tenderlocomotiven sind neuerdings eingeführt, von denen z.B. diejenigen
                              									auf der Strecke Wiesbaden-Langenschwalbach zur Unterstützung der Feuerbüchse eine
                              									hintere in derselben Weise wie bei der 4achsigen Güterzuglocomotive verschiebbar
                              									angeordnete Laufachse haben und mit grosserer Geschwindigkeit fahren, als sonst
                              									thunlich sein würde. Die Locomotive ist mit Handbremse, Dampfgegenbremse und mit
                              									Haspel für Heberleinbremse ausgerüstet.
                           Bezüglich der nach der Bauart von Worsdell und v. Borries im Betrieb und im Bau befindlichen
                              									Verbundlocomotiven im Besonderen ist noch anzuschliessen, dass die Anzahl derselben
                              									im letzten Jahre wieder um rund 250 Stück zugenommen hat (vgl. 1893 287 23). Die genaue Ziffer und die Vertheilung der
                              									Zunahme auf die einzelnen Länder konnte indess nicht mehr festgestellt werden. Die
                              									Zunahme zeigt, dass die guten Eigenschaften dieser Locomotiven weitere Würdigung
                              									gefunden haben. Man begegnet indess nach dem Organ für die
                                 										Fortschritte des Eisenbahnwesens 1894 S. 21 noch so häufig unrichtigen
                              									Anschauungen über die Eigenschaften und die Verwendungsfähigkeit der Verbundwirkung
                              									bei Locomotiven, dass es angezeigt erscheint, diese Eigenschaften und ihre Wirkung
                              									auf die Betriebsergebnisse kurz zu besprechen.
                           Die Veränderlichkeit der Zugkraft ist bei der Locomotive mit unveränderlicher
                              									Verbundwirkung geringer, als bei der gewöhnlichen Zwillingsmaschine, da bei ersterer
                              									nur die Füllungsgrade von 30 bis 75 Proc. in dem einen Hochdruckcylinder, bei
                              									letzterer aber diejenigen von 10 bis 75 Proc. in beiden Cylindern zur Verfügung
                              									stehen. Die Zugkraft bei dem geringsten Füllungsgrade beträgt daher bei der
                              									Verbundlocomotive etwa 50 Proc., bei der Zwillingslocomotive etwa 25 Proc. der
                              									grössten Zugkraft. Nimmt man an, dass die Abmessungen der Dampfcylinder so gewählt
                              									sind, dass bei der durchschnittlichen Zugkraft die Verbundlocomotive mit 40 Proc.,
                              									die Zwillingslocomotive mit 25 Proc. Füllung gefahren wird, so ergibt sich ferner,
                              									dass die grösste Zugkraft der ersteren nur etwa das 1,5fache, der letzteren dagegen
                              									das 2fache der durchschnittlichen Zugkraft beträgt.
                           Wenn die Locomotiven mit unveränderlicher Verbundwirkung trotz dieser geringen
                              									Veränderlichkeit ihrer Zugkraft nicht nur in der Regel eine Brennstoffersparniss von
                              									15 bis 20 Proc. und bei starker Anstrengung bis 25 Proc. erzielen, sondern auch in
                              									Betreff ihrer Zugkraft auf Steigungen den zu stellenden Anforderungen meistens
                              									entsprochen haben, so liegt dies daran, dass die Betriebsverhältnisse keine grössere
                              									Veränderlichkeit verlangten, dass insbesondere die auf den Steigungen geforderte
                              									Zugkraft mit Füllungen unter 75 Proc. geleistet werden konnte, weil die
                              									Dampfcylinder gross genug waren.
                           
                           Diese Verhältnisse treffen allerdings nicht überall zu, es ist vielmehr auf
                              									vorwiegend günstig gelegenen Strecken aber mit einzelnen stärkeren Steigungen
                              									zweckmässig, für kurze Zeit möglichst grosse Zugkraft ausüben zu können, um schwere
                              									Züge sicher über derartige Steigungen zu bringen. Dasselbe gilt für das Anfahren auf
                              									Steigungen.
                           Diese grössere Zugkraft ist aber ohne übermässige Vergrösserung der Dampfcylinder nur
                              									durch Umwandlung der Verbundwirkung in die Zwillingswirkung mittels geeigneter
                              									Wechsel- bezieh. Anfahrvorrichtungen, wie solche bereits mehrfach in D. p. J. besprochen wurden, zu erreichen. Die
                              									Dampfcylinder können alsdann die für die mittlere Zugkraft vortheilhafte Grösse
                              									erhalten, womit die grösstmögliche Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit erreicht wird.
                              									Da bei der Umwandelung in Zwilling Wirkung der Dampfverbrauch der Locomotiven ein
                              									erheblich grösserer als mit Verbundwirkung ist, soll erstere stets auf das Anfahren
                              									und auf Nothfälle beschränkt bleiben.
                           Innerhalb der angegebenen Veränderlichkeit ihrer Zugkraft arbeitet die
                              									Verbundlocomotive bei allen Füllungsgraden mit erheblich besserer Dampfausnutzung
                              									als die Zwillingsmaschine; der Vortheil verschwindet erst in dem Maasse, wie die
                              									erforderliche Zugkraft unter die Hälfte der vollen Zugkraft sinkt. Hiernach ist es
                              									nicht schwierig zu beurtheilen, unter welchen Verhältnissen die Anwendung der
                              									Verbundwirkung überhaupt vortheilhaft ist.