| Titel: | Die Erzeugung von rauchlosem Pulver. | 
| Fundstelle: | Band 293, Jahrgang 1894, S. 94 | 
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                        Die Erzeugung von rauchlosem Pulver.
                        Von Oscar
                                 								Guttmann.
                        (Nach einem Vortrage, gehalten am 21. Mai 1894 in
                           								der Society of Chemical Industry in London.)
                        Die Erzeugung von rauchlosem Pulver.
                        
                     
                        
                           Das allgemeine Interesse, welches durch das Auftauchen der sogen. rauchlosenBei der deutschen Armee ist bekanntlich die
                                    											Bezeichnung „rauchschwaches Pulver“ üblich. Pulver
                              									hervorgerufen wurde, welche in fast jeder Armee der Welt Eingang fanden, und die
                              									nebenher gehende Unkenntnisse in welcher sich das Civilpublikum bezüglich deren
                              									Natur und Erzeugung befindet, Hessen es mir wünschenswerth erscheinen, eine kurze
                              									Uebersicht der auffallendsten Eigenthümlichkeiten dieser rasch fortschreitenden
                              									Industrie zu geben.
                           Es ist bekannt, dass zuerst im Jahre 1888 die Welt in Erstaunen versetzt wurde durch
                              									Zeitungsberichte über ein neues und rauchloses Pulver, welches von einem Chemiker
                              									der französischen Regierung erfunden wurde, und dass sehr bald danach die deutsche
                              									Armee ein ähnliches besass. Es wurde seitdem festgestellt, dass die ersten Versuche
                              										zur Erzeugung
                              									rauchlosen Pulvers im Jahre 1884 durch Vieille, den
                              									bekannten Chemiker der französischen Regierungspulverfabriken, gemacht worden waren.
                              									Was dieses Pulver zu jener Zeit war, ist nicht ganz klar, doch ist es nicht
                              									unwahrscheinlich, dass es aus einer Mischung von Collodiumwolle und Pikrinsäure
                              									bestand, ähnlich der ursprünglichen Zusammensetzung des viel besprochenen Melinits.
                              									Es scheint jedoch, dass diese Zusammensetzung nach kurzer Zeit verlassen wurde, und
                              									dass jene Gattung von rauchlosem Pulver angenommen wurde, welche gegenwärtig in
                              									anderen Ländern, ebenso wie in Frankreich, in ausgedehnter Weise verwendet wird.
                           Im Jahre 1889 nahm Alfred Nobel ein Patent auf die
                              									Erzeugung von Ballistit, welches ein Abkömmling seiner Sprenggelatine ist. Dieses
                              									und das vorerwähnte französische Pulver sind die zwei Typen, aufweichen die meisten
                              									der modernen rauchlosen Pulver beruhen.
                           Die erste Annäherung zu einem Pulver, welches keinen Rauch beim Verbrennen gab, und
                              									welches zu gleicher Zeit nicht aus der üblichen Salpeter-, Schwefel- und
                              									Holzkohlemischung bestand, war, abgesehen von der vor mehr als 30 Jahren benützten
                              									Schiessbaumwolle, das Schnitze-Pulver, welches als
                              									Jagdpulver seit mehr als 20 Jahren im Gebrauche ist, durch Nitrirung von Holz und
                              									Zumischung von Salpeter oder einem ähnlichen Körper erzeugt wird. Obwohl dieses
                              									Pulver zu relativ grosser Vollkommenheit für Jagdzwecke gebracht wurde, konnte es
                              									bisher für militärische Zwecke nicht verwendet werden, weil es nicht wohl in so
                              									gleichmässiger Beschaffenheit hergestellt werden kann, als hierfür erforderlich
                              									ist.
                           Ein näherer Schritt zu den modernen rauchlosen Pulvern und thatsächlich
                              									einigermaassen den Weg zu ihrer Gewinnung weisend, war das von Walter F. Reid erfundene E. C.-Pulver, das Reid und Johnson im Jahre 1882 patentirt wurde.
                           Reid stellte Körner aus Nitrocellulose dar, indem er
                              									pulverförmige Schiesswolle in ein Fass gab, dieselbe mit Wasser besprengte und das
                              									Fass in Umdrehung versetzte, wobei durch Agglomerirung Körner verschiedener Grösse
                              									sich bildeten. Diese wurden getrocknet und dann mit Aetheralkohol befeuchtet,
                              									wodurch die Oberfläche der Körner gelatinirt wurde. Eine geringe Zugabe von Aurin
                              									verlieh dem Pulver eine Orangefarbe. Nach neuerlichem Trocknen wurden die Körner
                              									durch ein Sieb gerieben, um sie von einander zu trennen, da sie in Folge des
                              									Gelatinirungsprocesses ein wenig an einander hafteten.
                           In ähnlicher Weise erzeugte Max von Förster
                              									Schiesswollwürfelpulver, indem er gepresste Schiessbaumwolle zu Würfeln sägte und
                              									dieselben in Essigäther tauchte, wodurch sie äusserlich mit einer dünnen Haut von
                              									Collodion bedeckt wurden. Dieses Pulver wurde nur zum Füllen von Granaten
                              									verwendet.
                           Später machten Judson und Borland ein J. B.-Pulver
                              									genanntes rauchschwaches Pulver mit Hilfe eines dem E. C.-Pulver ähnlichen
                              									Verfahrens, mit dem einzigen Unterschiede, dass die Schiesswollkörner mit einer
                              									Lösung von Campher in Benzin behandelt wurden, welche nach dem Verdampfen etwas
                              									Campher zurückliess. Dieses Pulver blieb nicht lange im Verkehre.
                           Es ist schade, dass Reid bei dem von ihm erreichten
                              									Stadium der Erzeugung stehen blieb, denn er war sehr nahe daran, jene Gattung von
                              									rauchlosen Pulvern zu erzeugen, welche jetzt als reine Schiesswollpulver
                              									bekannt sind; doch zu seiner Entschuldigung mag gesagt werden, dass zu jener Zeit
                              									das Bedürfniss nach einem solchen Pulver noch nicht klar vorhanden war, weil es
                              									weder ein Gewehr noch ein Projectil gab, welche für solche Pulver verwendet werden
                              									konnten, deren Gasdrucke und Verbrennungsgeschwindigkeiten im Allgemeinen so viel
                              									grösser sind, als die des gewöhnlichen Schwarzpulvers.
                           Es ist den guten Erfolgen der längere Zeit fortgesetzten Versuche zweier
                              									schweizerischer Fachmänner, des Majors Rubin und des
                              									Professors Hebler, welche mehr als 10 Jahre hindurch
                              									die Anwendung von Kleinkalibergewehren empfahlen, zu verdanken, dass die Fabrikanten
                              									von Pulver gezwungen waren, solche Pulver zu finden, welche für den Gebrauch in
                              									derlei Waffen geeignet waren.
                           Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass zu Anfang des Jahres 1886 Professor Hebler mir eine Patronenhülse zeigte, welche
                              									versuchsweise für sein Kleinkalibergewehr hergestellt wurde, und mich fragte, ob ich
                              									ihm einen Cylinder von gepresster Schiesswolle geben könnte, welcher, in eine solche
                              									Hülse geladen, seinem langen cylindrischen Geschosse die erforderliche
                              									Geschwindigkeit geben würde. Ich stellte ihm damals vor, dass eine solche Ladung
                              									unmöglich sei wegen der plötzlichen Verbrennung und des sehr hohen Gasdruckes,
                              									welchen dieselbe entwickeln würde, und ich bot ihm an, ein Stückchen Sprenggelatine
                              									zu erzeugen, welches mehr schichten weise abbrennen und deshalb seinen Zwecken
                              									dienlicher sein würde. Der blosse Gedanke, Sprenggelatine in einem Gewehre zu
                              									verwenden, war so sehr im Widerspruche mit allen herrschenden Ideen, dass die
                              									Angelegenheit nicht weiter verfolgt wurde, aber trotz alledem hat diese meine, mehr
                              									auf das Gerathewohl gemachte Aeusserung sich als ein fruchtbarer Gedanke erwiesen,
                              									obzwar ich an seiner Entwicklung keinen weiteren Antheil hatte.
                           Moderne rauchlose Pulver können in drei Klassen eingetheilt werden:
                           1) solche, bei welchen nur Schiessbaumwolle zur Verwendung kommt, sei sie nun die
                              									sogen. unlösliche oder die sogen. lösliche Gattung;
                           2) solche, bei welchen Nitroglycerin in Verbindung mit löslicher oder unlöslicher
                              									Nitrocellulose verwendet wird;
                           3) solche, in welchen Nitrocellulose zusammen mit einem Nitroderivate eines
                              									aromatischen Kohlenwasserstoffes enthalten ist.
                           Es wurden auch andere Combinationen für rauchlose Pulver angegeben, welche
                              									Nitrocellulose zusammen mit Sauerstoffträgern enthalten, und auch solche, welche aus
                              									bloss mechanischen Mischungen von Sauerstoffträgern und kohlenstoffhaltigen Körpern
                              									bestehen, aber keine derselben hat bis jetzt für militärische Zwecke Verwendung
                              									gefunden.
                           Ich will ganz kurz die Zusammensetzung jener rauchlosen Pulver angeben, welche bisher
                              									auftauchten.
                           In erster Linie kommen die reinen Nitrocellulosepulver in Betracht, bei welchen die
                              									Nitrocellulose einfach in irgend einem Lösungsmittel aufgelöst ist und dann in die
                              									Form von Blättchen oder Körner gebracht wird. Solche Pulver sind die französischen
                              									B-Pulver, das deutsche rauchschwache Pulver, die Pulver von Wetteren, Walsrode, v. Förster und verschiedene andere. Die französische
                              									Regierung, v. Förster und einige andere verwenden eine Mischung
                              									von Aether und Alkohol als Lösungsmittel, die übrigen deutschen Fabrikanten Aceton.
                              									Die verwendete Nitrocellulose ist gewöhnlich Schiessbaumwolle, obzwar einigemale
                              									Holznitrocellulose versucht wurde.
                           Unter die reinen Nitrocellulosepulver können das E. C- und das J. B.-Pulver gereiht
                              									werden. Das jetzt als E. C.-Pulver Nr. 2 verkaufte enthält etwas Campher und ist
                              									völlig in Aetheralkohol getränkt, wodurch ein härteres Korn erzielt wird.
                           Zur zweiten Klasse gehören Pulver aus Nitroglycerin und Nitrocellulose. Da ist vor
                              									allem das Ballistit von Alfred Nobel, welches aus
                              									gleichen Theilen Nitroglycerin und Collodiumwolle besteht, mit einem Zusätze von 1
                              									bis 2 Proc. Anilin oder Diphenylamin. Dieses Ballistit wurde mit einigen
                              									Abänderungen in Italien, Oesterreich und für gewisse Geschütze in Deutschland
                              									angenommen. In Italien nennt man es, wenn zu Schnüren verarbeitet, Filit. Zur selben
                              									Klasse gehört das von der britischen Regierung angenommene Cordit. Es besteht aus 58
                              									Th. Nitroglycerin, 37 Th. höchst nitrirter Schiessbaum wolle und 5 Th. Vaselin,
                              									welche in 19,2 Th. Aceton aufgelöst werden.
                           Curtis und André machten ein Pulver, das aus 44 Th.
                              									Trinitrocellulose, 12 Th. Dinitrocellulose und 40 Th. Nitroglycerin besteht, mit
                              									einem Zusätze von festem Paraffin und Schellacklösung, das dann mit Hilfe einer
                              									Aetheralkoholmischung in Körner verwandelt wird. Dieses Pulver wird unter dem Namen
                              									Amberit verkauft.
                           M. E. Leonard in Manchester in den Vereinigten Staaten
                              									macht ein Pulver aus 155 Th. Nitroglyeerin, 50 Th. Schiessbaumwolle, 10 Th.
                              									Lykopodium und 4 Th. gepulverten Uratkrystallen, welche sämmtlich in Aceton gelöst
                              									werden.
                           Zur dritten Klasse, nämlich zu der, welche nitrirte aromatische Kohlenwasserstoffe
                              									enthält, gehören die folgenden Pulver: das Indurit von Professor Charles Munroe, welches aus unlöslicher Nitrocellulose
                              									und Nitrobenzol hergestellt wird; das Du Pont-Pulver der Du
                                 										Pont Powder Company in Wilmington, Vereinigte Staaten, welches auch aus
                              									Nitrocellulose und Nitrobenzol besteht und durch einen eigenthümlichen Process
                              									gekörnt wird. Es gibt auch eine grosse Anzahl von Pulvern, welche von der Smokeless Powder Company in Warwick erzeugt werden,
                              									unter den Namen Riflit, S. S.-Pulver, S. R.-, S. K.-, S. V.-, S. B.-Pulver.
                              									Dieselben sind nicht patentirt und ihre Zusammensetzung wird geheim gehalten, doch
                              									aus Nachrichten, welche ich von verschiedenen Seiten erhielt, schliesse ich, dass
                              									das Riflit aus löslicher Holznitrocellulose besteht, die in Aceton gelöst und mit
                              									Nitrobenzol gemischt ist und schliesslich in ähnlicher Weise wie E. C.-Pulver
                              									gekörnt wird. Ein sehr bemerkenswerthes Pulver dieser Klasse ist das von Hermann Güttler in Reichenstein in Deutschland unter
                              									dem Namen Plastomenit hergestellte, welches durch Auflösen von nitrirter
                              									Holzcellulose in geschmolzenem Dinitrotoluol erzeugt wird.
                           Zur Klasse der „verschiedenen rauchlosen Pulver“ gehören eigentlich nur zwei
                              									Pulvergattungen, welche beide von der französischen Regierung für Jagdzwecke
                              									verkauft werden. Die eine Art wird das „Poudre pyroxylée“ genannt und ist wie
                              									folgt zusammengesetzt:
                           
                              
                                 Lösliche Schiessbaumwolle
                                   28
                                 Th.
                                 
                              
                                 Unlösliche Schiessbaumwolle
                                   37
                                 „
                                 
                              
                                 Barytsalpeter
                                   29
                                 „
                                 
                              
                                 Kalisalpeter
                                     6
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100
                                 Th.
                                 
                              
                           Das Lösungsmittel bei diesen Pulvern ist Aetheralkohol.
                              									Das andere Pulver, mehr neueren Ursprunges, welches an Stelle des Poudre pyroxylée
                              									in Verkehr gebracht wird, ist das sogen. J.-Pulver. Dasselbe ist vom Ingenieur Bruneau angegeben und besteht aus 83 Th.
                              									Schiessbaumwolle und 17 Th. Ammoniumbichromat. Die Actiengesellschaft Dynamit Nobel in Oesterreich beabsichtigte auch ein
                              									rauchschwaches Pulver aus 70 bis 99 Th. Nitrostärke mit 30 bis 1 Th. Dinitrobenzol
                              									zu erzeugen, doch es scheint bis jetzt noch nicht in Gebrauch gekommen zu sein. Es
                              									wurden auch verschiedene andere Pulver vorgeschlagen, wie z.B. das von Kaliwoda von Falkenstein, von Kolf u.a., doch diese Vorschläge wurden anscheinend von Leuten gemacht,
                              									welche mit den an ein gutes Armeepulver gestellten Anforderungen nicht genügend
                              									vertraut waren, und es ist deshalb nicht nöthig, dieselben hier zu
                              									berücksichtigen.
                           Eine der wichtigsten Bedingungen in der Herstellung von rauchlosen Pulvern ist die
                              									richtige Auswahl der Rohmaterialien. Ich habe nicht die Absicht, ein Urtheil über
                              									den relativen Werth der verschiedenen Pulver und in Folge dessen ihrer Bestandtheile
                              									abzugeben. Im Allgemeinen wurde Nitrocellulose als Hauptbestandtheil gewählt, und
                              									von den vielen zur Verfügung stehenden Nitrocellulosen die Schiessbaumwolle. Es gibt
                              									ausser der Nitrocellulose eine Menge anderer Nitrokörper, welche explosive
                              									Eigenschaften besitzen und keinen oder nur wenig Rauch beim Abbrennen geben, aber es
                              									scheint, dass Nitrocellulose gewählt wurde, weil sie leicht gelöst werden, und, wie
                              									wohl bekannt, eine Lösung leichter gemischt werden kann, als ein mechanisches
                              									Gemenge, und auch, weil nach Verdampfen des Lösungsmittels die zurückbleibende
                              									Nitrocellulose durch einfache mechanische Mittel und ohne Gefahr in verschiedene
                              									Formen gebracht werden kann.
                           Das zur Herstellung von Holznitrocellulose verwendete Holz wurde früher, wie beim Schultze'schen Pulver, in dünne viereckige Blätter
                              									zerschnitten. Für moderne rauchlose Pulver wurde die Holzcellulose von dem Sulfit-
                              									und dem Natronprocesse, wie sie für die Papiererzeugung geliefert wird, versucht.
                              									Diese Art von Cellulose wird von den Fabriken gewöhnlich in dünnen Blättern
                              									geliefert, welche nicht sehr porös sind, ziemlich glatte Oberfläche haben und
                              									neuerlich zu Pülpe zerkleinert werden müssen, bevor man sie nitriren kann. Eine
                              									bequemere Form und zugleich eine sehr reine Art von Cellulose wird von der
                              									chemischen Fabrik Waldhof gemacht. Diese Cellulose gleicht dem Seidenpapiere mit dem
                              									Unterschiede, dass sie von loser Structur und mehr einer Gaze ähnlich, sehr porös
                              									ist und von Hand leicht in kleine Stücke zerrissen werden kann, so dass man sie
                              									direct zum Nitriren benützen kann. Die Holzcellulose wurde noch nicht von vielen
                              									Fabriken aufgenommen, aus dem Grunde, weil sie, wie es scheint, nicht ein so zähes
                              									Pulver gibt als die Baumwolle.
                           Ich glaube, es ist heutzutage unnöthig, sich des Längeren über den Unterschied
                              									zwischen unlöslicher und löslicher Schiesswolle zu verbreiten. Es genügt, zu
                              									erwähnen, dass es allgemein anerkannt ist, dass der Ausdruck „lösliche
                                 										Nitrocellulose“ jene Art von Nitrocellulose in sich fasst, welche in
                              									Aetheralkohol löslich ist, dass sie aber nicht von ganz gleicher Zusammensetzung
                              									ist, nachdem der Stickstoffgehalt der löslichen Nitrocellulose bis zu 12,78 Proc.
                              									beträgt, während auch unlösliche Nitrocelluloso zwischen 12,78 und 14,14 Proc.
                              									Stickstoff enthalten kann. Dies bedeutet aber nicht, dass die lösliche
                              									Nitrocellulose eine Zumischung von der sogen. Hexa- oder unlöslichen Nitrocellulose
                              									enthält, sie kann eine Mischung von verschiedenen Arten von löslicher Nitrocellulose
                              									sein, nämlich von Zwischenstufen der Nitrirung bis zur Pentanitrocellulose, aber das
                              									Ganze muss in Aetheralkohol löslich sein. Zugleich ist es nöthig, dass die
                              									Nitrocellulose gewissen Bedingungen entspreche, um das daraus erzeugte Pulver für
                              									die beabsichtigten Specialzwecke tauglich zu gestalten. Es werden also z.B. gewisse
                              									Pulver aus einer löslichen Nitrocellulose gemacht werden, welche weniger Stickstoff
                              									enthält, und andere aus solcher, welche den höchst möglichen Stickstoffgehalt
                              									besitzt, der mit vollkommener Löslichkeit noch verträglich ist. Was jene Pulver
                              									betrifft, welche nur die höchst nitrirte oder Hexanitrocellulose in ihrer
                              									Zusammensetzung enthalten, so ist es allen mit der Erzeugung von Nitrocellulose
                              									Vertrauten bekannt, dass es bisher unmöglich war, Nitrocellulose zu erzeugen, welche
                              									14,14 Proc. Stickstoff enthält, d.h. welche ganz und gar aus Hexanitrocellulose
                              									besteht. Gewöhnlich enthält die Schiessbaumwolle, welche die am meisten verwendete
                              									Form von Hexanitrocellulose ist, ungefähr 12 Proc. lösliche Schiesswolle, aber ich
                              									habe auch in grossem Maasstabe solche mit nur 2 Proc. erzeugt. Wenn man
                              									Hexanitrocellulose verwendet, muss man deshalb den Gehalt an löslicher
                              									Nitrocellulose sorgfältig regeln, was entweder durch geeignete Vermischung oder
                              									durch Anwendung besonderer Mittel während der Erzeugung geschehen kann.
                           Es war seit einiger Zeit bekannt und ist kürzlich von Nobel und Macnab erwiesen worden, dass durch
                              									Behandlung bei einer weit unter dem Gefrierpunkte des Quecksilbers stehenden
                              									Temperatur die sogen. unlösliche Nitrocellulose in Aetheralkohol löslich sei, doch
                              									sind dies Umstände, welche nur ganz ausnahmsweise zu erzielen sind. Professor Odling hat auch gefunden, dass, wenn man besondere
                              									Mischungen von Salpetersäure und Schwefelsäure herstellt, es ganz gut möglich sei,
                              									zwei Arten von Schiessbaumwolle zu erzeugen, welche beide ungefähr denselben
                              									Stickstoffgehalt besitzen, obzwar die eine löslich, die andere unlöslich in
                              									Aetheralkohol ist. Dies hat weiter keinen Einfluss auf die Erzeugung im Grossen als
                              									dem Fabrikanten zu zeigen, wie er es vermeiden muss, solche Resultate zu erzielen,
                              									welche seinen Absichten entgegen sind. Worauf man gewöhnlich hinzielt, und was
                              									heutzutage gut möglich, ist, Nitrocellulosen herzustellen, welche einen bestimmten
                              									Stickstoffgehalt und einen geeigneten Grad von Löslichkeit oder Unlöslichkeit
                              									besitzen. Die meisten Militärpulver enthalten die höchst nitrirte Cellulose,
                              									gewöhnlich in Essigäther oder Aceton gelöst. Für Jagdpulver, wo eine weniger rasche
                              									Wirkung wünschenswerth ist, wird lösliche Nitrocellulose benützt, manchmal in einer
                              									Mischung von Aetheralkohol gelöst.
                           Ueber das für die Erzeugung von rauchlosem Pulver benützte Nitroglycerin ist nicht
                              									viel zu sagen, nachdem es heutzutage keiner Schwierigkeit unterliegt, ein vollkommen
                              									stabiles und in jeder Hinsicht geeignetes Product zu erzeugen. Es ist dies natürlich
                              									nicht so leicht, als es nach den Angaben in chemischen Werken scheint. Es kann nur
                              									in Fabriken geschehen, welche auf Grundlage von gesunden wissenschaftlichen
                              									Principien geleitet werden und welchen lange Erfahrung zur Seite steht.
                           Ein sehr wichtiger Punkt bezüglich der endgültigen Zusammensetzung des Pulvers
                              									ist das benützte Lösungsmittel. Obwohl man fast stets dessen vollkommene Verdampfung
                              									herbeizuführen bestrebt ist, so bleiben doch geringe Spuren davon und insbesondere
                              									die in dem Lösungsmittel enthaltenen Verunreinigungen in dem Pulver zurück. Die Art
                              									des Lösungsmittels ist für die Structur und das Ansehen des erzeugten Teiges von
                              									Wichtigkeit und dadurch mag das fertige Pulver eine verschiedene Dichte und eine
                              									verschiedene Oberfläche besitzen und damit eine wechselnde
                              									Verbrennungsgeschwindigkeit.
                           Es ist bekannt, dass Aether häufig sauer ist, und obzwar das Pulver nach dem
                              									Verdampfen des Aethers nicht sauer zu sein scheint, so kann es doch, wenn nicht die
                              									erforderliche Vorsicht gebraucht wird, die Wärmeprobe weniger gut als nothwendig
                              									bestehen. Aceton ist ein verhältnissmässig neues Lösungsmittel und von den
                              									Eigenschaften des im grossen Fabriksbetriebe hergestellten war wenig bekannt. Für
                              									die Verwendung zu rauchlosen Pulvern hat es sehr strengen Bedingungen zu
                              									entsprechen. Ein gut brauchbares Aceton soll ganz klar sein und sich in allen
                              									Verhältnissen mit destillirtem Wasser mischen lassen, ohne dass sich ein
                              									Niederschlag bildet. Es soll nicht mehr als 0,005 Proc. Säure enthalten und nicht
                              									mehr als 0,1 Proc. Aldehyd. Bei Prüfung mit Krämer's
                              									jodometrischer Probe (Verwandlung in Jodoform durch einen Ueberschuss von Jodlösung
                              									bei Gegenwart von Sodalösung) soll es mindestens 98 Proc. reines Aceton geben, und
                              									wenn mit einer 0,1procentigen Lösung von Kaliumpermanganat behandelt, soll die
                              									Färbung mindestens zwei Minuten lang bestehen bleiben.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)