| Titel: | Elektrolyse geschmolzener Salze. | 
| Autor: | Haber | 
| Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 20 | 
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                        Elektrolyse geschmolzener Salze.
                        Mit Abbildung.
                        Elektrolyse geschmolzener Salze.
                        
                     
                        
                           Claude Vautin macht im Journ.
                                       										soc. of chem. industry vom 31. Mai 1894 bemerkenswerthe Mittheilungen über
                              									Elektrolyse geschmolzener Salze. Vautin hat zunächst
                              									Kochsalzlösungen elektrolysirt, indem er ein Sieb aus nichtleitender Substanz, in
                              									welchem Quecksilber sich befand, als Kathode verwandte, dann aber die Elektrolyse
                              									von Kochsalzlösungen aufgegeben, weil seines Erachtens dieser Process technisch
                              									immer irrationell bleiben wird, da die Leitfähigkeit der Lösungen zu klein und die
                              									Erhaltung von Elektroden, Diaphragmen u.s.w. zu schwierig ist. Er elektrolysirt
                              									deshalb geschmolzenes Kochsalz und vermeidet die Schwierigkeiten, die in der Bildung
                              									von Subchlorid, sowie in der Verunreinigung des abgeschiedenen Metalles mit
                              									Chlornatrium und in der Construction geeigneter Kathoden liegen, indem er
                              									geschmolzenes Blei als Elektrode benutzt, welches das Natrium aufnimmt, ohne bei der
                              									Temperatur des Processes, die man möglichst tief hält, merkliche Mengen an das
                              									darüber befindliche Kochsalz abzugeben. Er benutzt Kohlenelektroden, die mit
                              									Zuckerlösung getränkt und dann recarbonisirt sind und sich sehr gut erhalten sollen.
                              									Der verwendete Strom besitzt 2 Volt Spannung. Bei einem Parallelversuch, bei welchem
                              									unter genau gleichen Bedingungen Kochsalz in gelöstem und geschmolzenem Zustande
                              									elektrolysirt wurde, erreichte er bei dieser elektromotorischen Kraft 4 Ampère
                              									Stromstärke bei der Elektrolyse der geschmolzenen Verbindung, während die wässerige
                              									Lösung bei 3,5 Volt nur 1,4 Ampère hindurchliess. Im Grossbetrieb soll sich dieses
                              									Verhältniss noch erheblich zu Ungunsten der Kochsalzlösungen verschieben. Bei der
                              									Ausführung des Processes reichert man das Blei auf 10 bis 20 Proc. Natrium an, lässt
                              									dann, die geschmolzene heisse Legirung ab und zerkleinert sie, was ihrer
                              									Bröcklichkeit wegen leicht von statten geht. Die mögliche Verwendung der Legirung
                              									ist eine mannigfache. Durch Zerlegen mit Wasser wird Natronlauge, mit Wasserdampf
                              									Aetznatron gewonnen, während das zurückbleibende Blei gesammelt, geschmolzen und
                              									wieder in den elektrolytischen Apparat eingegossen wird. Durch Zusammenschmelzender Legirung mit
                              									Aetznatron erhält man Natriumoxyd, das zu Superoxyd weiter oxydirt werden kann.
                              									Durch Destillation gewinnt man Natriummetall, durch Erhitzen der fein gepulverten
                              									Legirung mit Blutlaugensalz Cyannatrium bezieh. ein Gemisch von Cyankali und
                              									Cyannatrium. Bei Verwendung von reinem Chlornatrium und Blei und Zerlegung der
                              									Legirung in Silberschalen soll chemisch reines Aetznatron erhältlich sein. Blei soll
                              									bei dem Processe nicht merklich verloren gehen.
                           Der Process der Aetznatrongewinnung soll sich durch die in der Zeichnung im
                              									Verticalschnitt wiedergegebene Construction des verwendeten Apparates noch weiter
                              									vervollkommnen lassen. Die linke Hälfte zeigt das Zersetzungsgefäss, welches im
                              									Wesentlichen bei den verschiedenen von Vautin
                              									angegebenen Apparatformen dasselbe ist. A ist ein
                              									Gusseisen- oder besser Stahltiegel, B ein
                              									nichtleitendes Futter, C geschmolzenes Blei, G geschmolzenes Salz, D
                              									die Kohlenelektrode, H das Chlorabgangsrohr, E die negative Stromzuführung. Der Schutz des eisernen
                              									Deckels gegen das entstehende Chlor, das ihn bei der relativ hohen Temperatur
                              									lebhaft angreifen würde, ist durch kurzes Eintauchen in geschmolzenes Kochsalz
                              									erreicht. Das Eisen überzieht sich dabei mit einem Email von geschmolzenem Kochsalz,
                              									der fest haften und sehr gut schützen soll. Für die Gewinnung der
                              									Natrium-Bleilegirung wird dieser Apparat noch mit einem Stutzen an der Seitenwand
                              									dicht am Deckel zum Einguss von Blei und einem Ablassrohr mit Hahn für die Legirung
                              									versehen. Auch kann, wenn die Wärmezufuhr, welche nöthig ist, um das Kochsalz und
                              									die Legirung geschmolzen zu erhalten, nicht durch den Strom, sondern durch äussere
                              									Erhitzung erzielt werden soll, dieser ganze Apparat in einen entsprechenden Ofen
                              									hineingesetzt werden.
                           Textabbildung Bd. 294, S. 21 Für den continuirlichen Aetznatronbetrieb wird nun das auf der rechten
                              									Seite der Zeichnung dargestellte Eisengefäss M mittels
                              									des Rohres N mit dem Zersetzungsgefäss zu einem
                              									communicirenden System verbunden. Das erzeugte Natrium vertheilt sich so rasch in
                              									dem geschmolzenen Blei, dass durch Einblasen von Dampf in das rechtsseitige Gefäss
                              									dort continuirlich Aetznatron aus der Legirung erzeugt werden kann, während in dem
                              									Zersetzungsgefässe dauernd Natriumblei gebildet wird. Das Rohr Q führt Dampf zu, P führt
                              									Wasserstoff und überschüssigen Dampf fort. Durch S wird
                              									Aetznatron in geschmolzenem Zustande abgelassen.
                           In der dem Vautin'schen Vortrage sich anschliessenden
                              									Debatte, auf die hier nur verwiesen werden kann, wird die Rentabilität, welche
                              									dieser Process verspricht gegenüber der der Elektrolyse von Kochsalzlösungen, des
                              									längeren discutirt. Erwähnt sei, dass nach Angabe von C. F.
                                 										Cross eine Fabrik nach dem Verfahren von Le
                                 										Sueur die Elektrolyse von Kochsalzlösungen seit 2 Jahren in Nordamerika in
                              									grossem Maassstabe und mit gutem Erfolge betreibt.
                           
                              Haber.