| Titel: | Beurtheilung eines Wassers zu Genusszwecken. | 
| Autor: | Haber | 
| Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 21 | 
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                        Beurtheilung eines Wassers zu
                           								Genusszwecken.
                        Beurtheilung eines Wassers zu Genusszwecken.
                        
                     
                        
                           R. R. Tatlock und R. T.
                                    										Thomson besprechen im Journal soc. chem.
                                       										industry vom 31. Mai 1894 die Trinkwasseranalyse und den Werth ihrer
                              									Resultate für die Beurtheilung der Brauchbarkeit eines Wassers. Sie entscheiden die
                              									Frage, ob ein Trinkwasser mit Kanalabwässern verunreinigt ist und deshalb
                              									beanstandet werden muss, in erster Linie nach seinem Gehalt an
                              									Stickstoffverbindungen und nach deren Charakter. Von subsidiärer Bedeutung ist ihnen
                              									der Oxydationswerth des Wassers gegenüber einer titrirten Permanganatlösung, und
                              									erst in letzter Stelle berücksichtigen sie seinen Chlorgehalt. Bezüglich der
                              									Stickstoffverbindungen verfahren sie so, dass sie zunächst den Gehalt an freiem
                              									bezieh. in Form von Salzen vorhandenem Ammoniak, weiter den Gehalt an albuminoidem
                              									Ammoniak und den an Salpetersäure bestimmen. Die Salpetersäure rechnen sie auf
                              									Ammoniak um (54 g Salpetersäureanhydrid entsprechend 17 g Ammoniak) und zählen
                              									diesen Betrag dem gefundenen freien Ammoniak zu. Diese Ammoniakmenge, die Menge des
                              									albuminoiden Ammoniaks und das Verhältniss beider bilden die Grundlage der
                              									Beurtheilung. Die Verfasser haben nämlich durch ausgedehnte Versuche sich
                              									übereinstimmend mit früheren Untersuchungen von Wallace
                              									überzeugt, dass die Glasgower Kanalwässer im Mittel enthalten:
                           
                              
                                 freies Ammoniak
                                 0,0816 g
                                 im
                                 Liter
                                 
                              
                                 albuminoides Ammoniak
                                 0,0050 g
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           woraus eine mittlere Relation von 1 : 16 folgt, während das
                              									Verhältniss bei den einzelnen Proben zwischen 1 : 6 und 1 : 40 schwankte. Sie haben
                              									ferner gefunden, dass zweifellos durch animalische Reste nicht verunreinigte Wässer
                              									nicht nur in den absoluten Beträgen beider Substanzen wesentlich nach unten hin von
                              									diesen Kanalwässern sich unterscheiden, sondern dass auch das Verhältniss des
                              									albuminoiden zum freien Ammoniak ein total verschiedenes ist, indem in diesem Falle,
                              									wo die Stickstoffverbindungen vegetabilischen Ursprungs sind, das albuminoide
                              									Ammoniak stets das freie Ammoniak überwiegt. Selbst sumpfige Wässer, bei denen der
                              									Gehalt an freiem Ammoniak gelegentlich das 5- bis 10fache des Gehaltes der reinsten
                              									Wässer erreicht, zeigen entsprechend dieser Regel einen Gehalt an albuminoidem
                              									Ammoniak, der den an freiem Ammoniak noch übersteigt, so dass das Verhältniss
                              									kleiner als 1 wird. Nur eisenhaltige Wasser zeigen eine Abweichung von diesen
                              									Verhältnissen, indem sie aus unbekannter Ursache auch in Fällen, wo Verunreinigung
                              									ausgeschlossen ist, erhebliche Gehalte an freiem Ammoniak aufweisen. Entsprechend
                              									diesen Resultaten erachten die Verfasser ein eisenfreies Wasser für verunreinigt,
                              									wenn es ein Verhältniss von freiem zu albuminoidem Ammoniak aufweist, das sich dem
                              									Verhältniss 1 : 16 der Kanalwässer nähert oder es übersteigt. Den procentischen
                              									Gehalt an Kanaljauche berechnen sie nach dem Gehalte an freiem Ammoniak, indem sie
                              									unter Zugrundelegung der Zusammensetzung der Glasgower Kanalwässer für je 0,000816 g
                              									Ammoniak im Liter 1 Proc. Jauche annehmen. Als verdächtig beanstanden die Verfasser
                              									ein Wasser, welches mehr als höchstens 0,00175 g freies NH3 (bei sumpfigen Wässern 0,0029 g im Liter) enthält. Sie stützen sich
                              									dabei auf die an einer grossen Zahl von Analysen gemachte Erfahrung, dass 58 Proc.
                              									aller untersuchten Wasser unter 0,00175 g freies Ammoniak enthielten, 8 Proc.
                              									zwischen 0,00175 und 0,0029 g lagen und nur 34 Proc. mehr freies Ammoniak oder einen
                              									Gehalt an Salpetersäure, dessen Aequivalent an Ammoniak mehr als 0,0029 g im Liter
                              									ausmachte, enthielten. Die ersten 66 Proc. waren frei von Salpetersäure. Diese
                              									Thatsache veranlasst die Verfasser, die Annahme zu verwerfen, dass ein
                              									Salpetersäuregehalt von etwa 0,01 g im Liter unbeanstandet zu lassen sei, als
                              									anderen Ursachen wie einer Verjauchung entstammend. Da 66 Proc. aller Wässer keine
                              									Nitrate enthalten, ist nach ihrer Ansicht die Wahrscheinlichkeit, dass es eine
                              									allgemeine Ursache des Nitratvorkommens ausser der Nitrification von Jauchenammoniak
                              									gäbe, eine überaus geringe. Wichtig ist besonders, dass ein mit contagiösen Keimen
                              									inficirtes Kanalwasser auch nach Nitrification allen Ammoniaks seinen toxischen
                              									Charakter behalten haben kann. Das Wasser ist deshalb bei einem Nitratgehalt, der
                              									das zulässige Ammoniakäquivalent übersteigt, zu beanstanden, so lange nicht
                              									nachgewiesen ist, dass Verjauchung ausgeschlossen oder Keimfreiheit durch
                              									ausreichende natürliche oder künstliche Filtration gesichert ist. Bezüglich des zur
                              									Oxydation erforderlichen Sauerstoffes zeigt die nachstehende Tabelle, dass seine
                              									Menge um so grösser ist, je weniger freies und je mehr albuminoides Ammoniak
                              									vorhanden ist. Eine grössere Reihe Kanalwasserproben ergaben ein Verhältniss von
                              									Albuminoid-Ammoniak zu absorbirtem Sauerstoff im Minimum zu 1 : 2,4, im Maximum zu 1
                              									: 8,1, im Mittel zu 1: 4,6, während nicht verjauchte Wässer im Mittel 1 : 12,3
                              									zeigen. Der Chlorgehalt hingegen beansprucht nach Meinung der Verfasser wenig
                              									Bedeutung, da er bei reinen Wässern zwischen 7,4 und 61,5 mg im Liter schwankt,
                              									während Kanalwasser zwischen 132 und 34,9 mg im Liter, im Mittel 70,3 mg enthält.
                              									Hier wird also eine Verunreinigung mit Kanalwässern seltener erkennbar sein.
                           Vorstehende Darlegungen geben nach Ansicht der Verfasser einen sicheren Weg,
                              									Verjauchung zu erkennen, ausser wenn völlige Nitrification eingetreten ist und
                              									danach Filtration durch einen Boden stattgefunden hat dessen Flora alle Nitrate
                              									zurückhält ohne ein keimfreies Filtrat zu liefern. In diesem seltenen Falle würde
                              									nur die bakteriologische Untersuchung den dubiösen Charakter des Wassers
                              									verrathen.
                           
                           Die folgende Tabelle zeigt unter 1) bis 5) reine bezieh. nur durch
                              									vegetabilische Processe tangirte Wasser ohne Nitrification, unter 6 ein Sumpfwasser,
                              									unter 7 und 8 reine nitrificirte Wässer, 9 und 10 sind verjauchte Wässer, 11 ein
                              									eisenhaltiges Wasser. Die Zahlen bedeuten Milligramm im Liter:
                           
                              
                                 
                                 1
                                 2
                                 3
                                 4
                                 5
                                 6
                                 7
                                 8
                                 9
                                 10
                                 11
                                 
                              
                                   1) Ammoniak, frei
                                   0,029
                                 0,029
                                   0,029
                                   0,114
                                   0,171
                                   0,286
                                 –
                                   0,014
                                   0,071
                                     0,915
                                 0,4
                                 
                              
                                   2) Albuminoid-Ammoniak
                                   0,057
                                 0,128
                                   0,128
                                   0,154
                                   0,457
                                   0,485
                                   0,071
                                   0,114
                                   0,114
                                     0,171
                                 0,128Eisen
                                 
                              
                                   3) Salpetersäureanhydrid
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                   0,186
                                   0,3
                                 22,45
                                 144
                                 0,2
                                 
                              
                                   4) Ammoniakäquivalent
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                   0,057
                                   0,086
                                   7,08
                                   45,5
                                 –
                                 
                              
                                   5) Ursprüngliche Ammoniakmenge
                                   0,029
                                 0,029
                                   0,029
                                   0,114
                                   0,171
                                   0,286
                                   0,057
                                   0,1
                                   7,15
                                   46,4
                                 –
                                 
                              
                                   6) Verhältniss von 5 : 1
                                   0,5
                                 0,23
                                   0,23
                                   0,74
                                   0,36
                                   0,59
                                   0,8
                                   0,88
                                 62,4
                                 270
                                 –
                                 
                              
                                   7) Sauerstoff, aufgenommen bei
                                    											1stündiger      Oxydation mit Permanganat
                                   0,544
                                 1,031
                                   1,06
                                   1,99
                                   8,49
                                   6,73
                                   1,03
                                   1,6
                                   0,24
                                     0,8
                                 –
                                 
                              
                                   8) Verhältniss von 7 : 2
                                   9,5
                                 8,00
                                   8,2
                                 12,6
                                 18,5
                                 13,8
                                 11,4
                                 14,0
                                   2,2
                                     4,6
                                 –
                                 
                              
                                   9) Chlor
                                 21,8
                                 –
                                 26,5
                                 41,0
                                 61,7
                                 –
                                   7,45
                                 24,1
                                 18,2
                                 100
                                 –
                                 
                              
                                 10) Mittlerer Gehalt an Kanalwasser
                                    											in      Procenten
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 –
                                 10
                                   64,7
                                 –
                                 
                              
                           Im Anschlusse hieran betont John Clark den Nitratgehalt
                              									von Wässern aus der Kalkformation, der sicherlich nichts mit Verunreinigung durch
                              									Kanalwasser zu thun hat. Bei Flachbrunnen ist auch er der Meinung, dass erheblicher
                              									Nitratgehalt bis zum Beweis des Gegentheils auf Verjauchung zurückzuführen sei und
                              									belegt an Beispielen, dass der grosse Nitratgehalt oft die einzige aber sichere
                              									Indication der Verunreinigung mit Kanalwasser bildet. Er weicht aber von der Ansicht
                              										Thomson's und Tatlock's insofern ab, als er glaubt, dass ein Nitratgehalt bis 10 mg im Liter
                              									sehr wohl in Gegenden mit intensiver Bodencultur dem Boden entstammen könne und noch
                              									nicht als Beweis für Verunreinigung mit Abwässern anzusehen sei. Bei Torfwässern hat
                              									er bis 0,57 mg Albuminoid-Ammoniak im Liter gefunden und hält diese Wasser trotzdem
                              									nicht für direct verwerflich. Schliesslich können sodahaltige Tiefbrunnenwasser und
                              									aus Schiefer kommende Quellen nach seinen Erfahrungen erhebliche Mengen freien
                              									Ammoniaks enthalten, ohne dass Verjauchung anzunehmen wäre.
                           
                              Haber.