| Titel: | Elektrische Einrichtung zur Sicherung des Zugverkehrs auf eingleisigen Strecken. | 
| Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 62 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Elektrische Einrichtung zur Sicherung des
                           								Zugverkehrs auf eingleisigen Strecken.Elektr. Zeitschr., 1894.
                        Elektrische Einrichtung zur Sicherung des Zugverkehrs auf
                           								eingleisigen Strecken.
                        
                     
                        
                           Eine solche, vom Ingenieur Perls ersonnene und demselben
                              									unter Nr. 50258 vom 5. Februar 1889 und Nr. 54801 vom 4. März 1890 im Deutschen
                              									Reiche patentirte Anordnung ist verflossenen Jahres – als Privatversuch des
                              									Erfinders – auf der königl. preussischen Militärbahnstrecke Mahlow-Marienfelde
                              									ausgeführt und praktisch erprobt worden, worüber Geheimer Oberregierungsrath Bormann gelegentlich einer am 14. November 1893
                              									stattgefundenen Versammlung des Vereins für Eisenbahnkunde (vgl. Glaser's Annalen für Gewerbe und Bauwesen, 1894 Heft 1
                              									S. 7) Bericht erstattet hat. Die Leistung der gedachten Einrichtung erstreckt sich
                              									nach drei Richtungen: 1) verhütet sie durch Warnungssignale, welche auf der
                              									Locomotive hervorgerufen werden, jede gefährliche Annäherung hinter einander oder
                              									einander entgegenfahrender Züge; 2) wird in gleicher Weise jeder Zug vor seiner
                              									Einfahrt in eine Station rechtzeitig gewarnt, falls die Einfahrtsweiche für ein
                              									Gleis gestellt wäre, auf dem sich bereits ein Zug befindet, und 3) ermöglicht sie
                              									es, dass die Stationen mit den in der Nachbarstrecke stehenden oder fahrenden Zügen,
                              									oder ebenso, dass die zwischen zwei Nachbarstationen befindlichen Züge unter
                              									einander in telephonischen Verkehr treten können. Zu dem Ende sind im Gleismittel,
                              									50 mm höher liegend als die Schienenoberkante, drei je 175 mm von einander entfernte
                              									Leitungen aus hochkantig gestellten, an Porzellanisolatoren befestigten, 5 mm
                              									starken und 28 mm breiten, verzinkten Flacheisen vorhanden. Davon läuft die mittlere
                              									ununterbrochen von Station bisStation und ist dort mittels Kabel an je einen
                              									Fernsprechsatz angeschlossen; sie dient überhaupt in erster Linie zur Ermöglichung
                              									des unter 3) angeführten Fernsprechverkehrs. Die rechts und links von der
                              									Mittelleitung liegenden und vorwiegend zu der unter 1) besagten Zugsdeckung
                              									dienenden Leitungsschienen sind jedoch in bestimmten Absätzen unterbrochen, und zwar
                              									so, dass die Lage der Unterbrechungsstellen in den beiden Leitungsstreifen
                              									abwechselt; von den auf diese Weise entstehenden Leitungsstücken liegen die
                              									Endstellen im linksseitigen Streifen stets beiläufig der Mitte des rechtsseitigen
                              									Stückes gegenüber und umgekehrt. Es ist dies die sogen. staffel- oder leiterförmige
                              									Anordnung, wie sie 1853 von Manuel de Castro, dann ein
                              									Jahr später von Guyard und hinterher noch von Anderen
                              									für den gleichen Zweck angewendet wurde. Zur Durchführung der oben im Punkte 2)
                              									angeführten Leitung sind die drei Leitungsschienen sowohl im Hauptgleis als im
                              									Abzweigungsgleis fortgesetzt; an der Weichenstellvorrichtung befindet sich jedoch
                              									ein Umschalter, mittels dessen die gedachten Leitungsfortsetzungen mit der von der
                              									Strecke kommenden Freileitung genau so in Contact gebracht wird, wie die Weiche
                              									liegt, d.h. wenn die Weiche für das Hauptgleis gestellt ist, setzt sich auch dahin
                              									die Freileitung fort, wogegen die im Abzweigungsgleis angebrachten Leitungen ausser
                              									Anschluss gesetzt sind. Bei der zweiten Weichenlage besteht hingegen der
                              									Leitungsanschluss zur Abzweigung und der für das Hauptgleis ist unterbrochen.
                           Ferner befindet sich auf jeder Locomotive eine aus 8 Thortrockenelementen zu 1½ Volt
                              									bestehende Batterie, weiter ein Wecker, dann ein vollständiger Telephonapparatsatz,
                              									sowie schliesslich eine Vorrichtung zum selbsthätig elektrischen Auslösen der
                              									Locomotivpfeife oder der Pressluftbremse des Zuges. Um diese Theile mit den drei
                              									Leitungsstreifen in Verbindung zu bringen, sind sie durch Drähte an drei am Tender
                              									oder an der Locomotive isolirt befestigte, nach abwärts federnde Bügel
                              									angeschlossen, welche Stromabnahmebürsten oder Contacträder tragen, die längs der
                              									Leitungsschienen hingleiten. Vermöge dieser leitenden Verbindung kann ein in den
                              									Leitschienen vorhandener Strom seinen Weg zum Locomotivwecker finden und diesen
                              									thätig machen, oder es kann ebenso wohl von der Locomotivbatterie ein Strom seinen
                              									Weg in die Leitungsschienen nehmen und auf denselben zu einer Station oder zu einer
                              									anderen in gleicher Weise ausgerüsteten Locomotive gelangen, und ersterenfalls den
                              									Anrufwecker der Station in Thätigkeit bringen oder letzterenfalls sowohl die eigene
                              									Dampfpfeife oder Zugsbremse als gleichzeitig diejenige eines zweiten Zugs auslösen,
                              									wenn sich diese beiden Züge etwa so nahe gekommen wären, dass zwischen ihnen in den
                              									beiden seitlichen Leitungsstreifen nur mehr eine einzige Unterbrechungsstelle läge.
                              									Die weiteren Einzelheiten der Einrichtung können hier füglich übergangen werden, da
                              									sie nach Zweck und Anordnung eine Menge verwandte, bereits bekannte Vorfahren, wie
                              									beispielsweise die Locomotivtelegraphen von Bonelli
                              									oder von Gay, die Locomotivwecker von Tyer oder von Puntnam, die
                              									selbsthätig auslösbare Locomotivdampfpfeife von Lartigue,
                                 										Foreste und Digney Frères oder von Geradini, die Stromabnahmebürste an den Locomotiven der
                              									französischen Nordbahn und die elektrische Zugsbremsenauslösung von Delebecque und Banderali
                              									u.s.w. besitzen, und lediglich in der Ausführung oder Verbindungsweise mehr
                              									oder minder vervollkommnet sind. Die vielseitige, sozusagen universelle
                              									Leistungsfähigkeit des Ganzen hat zweifelsohne viel Bestechendes, gleichwohl lässt
                              									sich solchen Anordnungen eine Zukunft, wenigstens hinsichtlich der Verwendung auf
                              									europäischen Eisenbahnen selbst dann nicht voraussagen, wenn ihre beiden wunden
                              									Punkte – die unsichere Verbindung zwischen Stromleitung und fahrendem Zug, sowie die
                              									schwierige Instandhaltung – genügend überwunden wären. Die
                              									Eisenbahnbetriebstechniker werden sich nämlich in ihrem Urtheile über die
                              									Brauchbarkeit elektrischer Sicherungseinrichtungen stets durch den Grundsatz leiten
                              									lassen, dass ein Versagen höchstens nur eine Verzögerung, nie aber eine Gefährdung
                              									der Züge nach sich ziehen dürfe, einer Anforderung, welcher im vorliegenden Falle
                              									keineswegs entsprochen ist. Was dann noch die Ermöglichung des Fernsprechverkehrs
                              									anbelangt, so wäre das immerhin ein bequemer Ersatz für eine
                              									Hilfstelegrapheneinrichtung, als solche allein jedoch zu theuer. Für die anscheinend
                              									wichtigere Möglichkeit hingegen, einen etwa irrthümlich abgelassenen Zug
                              									telephonisch zurückzurufen oder bei Zugsbegegnungen auf offener Strecke die nöthigen
                              									Austragungen mittels Fernsprecher pflegen zu können, wird sich auch nicht ein
                              									einziger Eisenbahnbetriebsmann erwärmen können, weil er vielmehr nur solche
                              									Einrichtungen für erstrebenswerth halten muss, welche einen Nachrichtenaustausch,
                              									wie den letztgedachten überhaupt, überflüssig und von vornherein gegenstandslos
                              									machen.