| Titel: | Das Reisspendel von Nic. Teclu. | 
| Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 106 | 
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                        Das Reisspendel von Nic. Teclu.Dient zur Prüfung
                                 										von Papier, Pappe und ähnlichen Stoffen.
                        Mit Abbildungen.
                        Das Reisspendel von Nic. Teclu.
                        
                     
                        
                           Die Untersuchungen mit den gegenwärtig in Verwendung stehenden Apparaten, durch
                              									welche der Zerreisswiderstand des Papieres ermittelt wird, sind bezüglich der
                              									Raschheit und Genauigkeit der Ausführung, sowohl durch die bedingte Form der
                              									Probestreifen, als auch namentlich durch die auf dieselbe während des Zerreissens
                              									willkürlich erfolgende Kraftwirkung beeinträchtigt.Dieselben
                                    											Beweggründe veranlassten mich, den „Kreisrissprüfer“ (Jahresbericht der Wiener Handelsakademie 1889)
                                    											und die „Risswage“ (Centralorgan für
                                       												Waarenkunde und Technologie, 1. Jahrg. 5. Heft S. 199, sowie D. p. J. 1892 286
                                    											155) zu construiren. Versuche, um diese Mängel zu beheben,
                              									führten zu einer neuen Untersuchungsmethode.
                           Das Princip derselben ist folgendes: Ein von einer bestimmten Höhe schwingendes
                              									Pendel durchreisst mit seinem stumpfkantigen Ende an seiner tiefsten Stelle das
                              									lothrecht und unter einem rechten Winkel zur Schwingungsebene befestigte, mit den
                              									gewöhnlichsten Hilfsmitteln exact herstellbare Probeblatt. Hierdurch wird das Pendel
                              									in seiner Schwingung gehemmt, und die hierbei sich ergebende Hemmungsgrösse bringt
                              									den Zerreisswiderstand zum Ausdruck.
                           Die Construction des Apparates wird durch die nebenstehende Zeichnung
                              									veranschaulicht.
                           An dem dreifüssigen, metallenen Stative, welches an zwei Füssen mit je einer
                              									Stellschraube g und g1 versehen ist, hängt bei a das metallene, vernickelte Pendel p. Dieses
                              									ist gegen das freie Ende mit einer kreisrunden Scheibe s aus gleichem Materiale versehen, welche in der Mitte durchbrochen und an
                              									dieser Stelle mit einem Zeiger z versehen ist. An der
                              									Rückseite besitzt dieselbe einen Sperrhaken r und an
                              									der Dickenseite einen Aufhängehaken W. Die Spitze des
                              									Pendels m wird von einer, an den Kanten halbkreisförmig
                              									abgerundeten und vernickelten Stahlplatte von bestimmter Dicke gebildet,Die Dicke der
                                    											Platte kann verschieden sein; wesentlich ist an derselben die
                                    											halbkreisförmige Abrundung der Risskante und die Beständigkeit und
                                    											Widerstandsfähigkeit des Materiales. deren Fläche einem
                              									gleichseitigen Dreiecke entspricht. Auf der einen Seite des Statives befindet sich
                              									die Aufhängevorrichtung des Pendels b v, mit Hilfe
                              									welcher mittels des Aufhängehakens das Pendel durch Bajonettverschluss in
                              									wagerechter Lage aufgehängt werden kann; die andere Seite des Statives ist mit einem
                              									metallenen Kreisbogen K versehen, auf welchem sich die
                              									Scala befindet. Endlich ist an der Stativstange noch die Klemmvorrichtung bb1 angebracht, um das
                              									Probeobject in geeigneter Weise befestigen zu können. Dieselbe besteht aus zwei
                              									gleichgrossen parallel laufenden Metallplatten, welche sich in lothrechter Stellung
                              									befinden. Die eine ist an der Stativstange befestigt, die andere in wagerechter
                              									Richtung beweglich und kann mittels einer Schraubenvorrichtung n an die feststehende Platte gepresst werden. Beide
                              									Platten haben an ihrem oberen Theile einen gleichen Einschnitt, welcher durch eine
                              									wagerechte Metallplatte t bedeckt ist. Letztere ist an
                              									der Breitseite der feststehenden Platte befestigt und dem Einschnitte der Platten
                              									entsprechend ausgeschnitten.An diesem
                                    											Apparate beträgt das Gewicht des Pendels sammt Scheibe und Stahlplatte 250
                                    											g; der Einschnitt der Klemmplatten ist 5 mm breit und 20 mm tief; die Seite
                                    											der Stahlplatte hat eine Länge von 25 mm, die Dicke derselben ist 1,325 mm;
                                    											die Einreisstiefe ist gewöhnlich auf 10 mm gestellt. Die übrigen Maasse
                                    											ergeben sich aus der Zeichnung. Bei Benutzung des Apparates wird
                              									zunächst das Pendel frei hängen gelassen und dasselbe mit Hilfe der Stellschrauben
                              									und des am Stativ angebrachten Senkbleies in eine lothrechte Lage gebracht,wobei der Zeiger
                              									des Pendels auf den Nullpunkt der Scala zu stehen kommt. Man hebt hierauf das Pendel
                              									gegen die Aufhängevorrichtung und hängt dasselbe in wagerechter Lage mittels des
                              									Aufhängehakens auf. Durch Auslösen des Hakens beginnt das Pendel, nach abwärts und
                              									hierauf nach aufwärts den Kreisbogen durchlaufend, bis zu einer gewissen Höhe zu
                              									schwingen, in welcher es dann stehen bleibt, da der eingreifende Sperrhaken die
                              									sonst eintretende Abwärtsbewegung verhindert. Die erreichte Höhe der Schwingung kann
                              									durch den Pendelzeiger an der Scala abgelesen werden. Greift man nun mit einem
                              									Stäbchen in den Ring des Sperrhakens, um denselben ein wenig zu heben, so ist das
                              									Pendel wieder frei und kann abermals in wagerechte Lage gebracht werden. Man hat auf
                              									diese Weise zunächst die Höhe ermittelt, bis zu welcher das Pendel ungehemmt
                              									schwingt. Hierauf wird das auf seine Festigkeit zu prüfende Probeblatt vorgerichtet.
                              									Dieses kann für gewöhnlich frei mit der Scheere zugeschnitten werden, da es bloss
                              									einen geradlinigen Begrenzungsschnitt von einigen Millimetern Länge erfordert und
                              									die übrigen Seiten desselben keiner sorgfältigen Zurichtung bedürfen; die Grösse des
                              									Probeblattes wird jedoch so zu wählen sein, dass es den Platten ausschnitt bedeckt,
                              									aber kleiner ist als die Breitfläche einer Klemmplatte. Das Probeobject wird nun mit
                              									dem geradlinigen Begrenzungsschnitte nach oben, von unten nach aufwärts, zwischen
                              									das Plattenpaar geschoben, bis die geradlinige Seite des Objectes an die wagerechte
                              									Platte gleichförmig anstösst, und dann mit Hilfe der Schraubenvorrichtung zwischen
                              									den Platten eingeklemmt. Löst man hierauf den Haken des Pendels aus, so wird das
                              									nach abwärts schwingende Pendel mit seinem Ende das Probeblatt bis zu einer gewissen
                              									Tiefe durchreissen, um sodann bei ansteigender Schwingung eine entsprechende Höhe zu
                              									erreichen, deren Werth mittels des Zeigers ebenfalls an der Scala abgelesen
                              									werden kann. Im letzteren Falle wird das Ende des Pendels einen kleineren
                              									Schwingungsbogen aufweisen, da der Zerreisswiderstand des Probeblattes der
                              									Schwingung des Pendels hemmend entgegenwirkt. Dieser Widerstand des Probeobjectes
                              									wird sich demnach aus der DifferenzDurch die
                                    											stets aus der Differenz sich ergebenden Resultate werden die Einflüsse der
                                    											Temperatur und der Reibung für die Untersuchungsergebnisse
                                    										belanglos. der beiden abgelesenen Werthe ergeben. Die Bestimmungen
                              									stützen sich somit auf bekannte Werthe der Scalentheilstriche; ihre Ausmittelung
                              									erfolgt durch Abwägen jenes Widerstandes, den das Pendel an seinem Ende unter einem
                              									bestimmten Winkel zur Lothrechten bewirkt. Auf Grund dieses Werthes, der einem
                              									bestimmten Theilstriche der Scala entspricht, und der bestehenden Proportionalität
                              									zwischen den Wirkungen des schwingenden Pendels in seinen verschiedenen Lagen zu den
                              									Sinus der Winkel, welche das Pendel jeweilig zur Lothrechten bildet, ergeben sich
                              									durch Rechnung die Werthe der übrigen Theilstriche. Diese entsprechen jedoch
                              									relativen Gewichten und sind von der jeweiligen Beschaffenheit einzelner Theile des
                              									Apparates abhängig.
                           Textabbildung Bd. 294, S. 107Reisspendel von Nic. Teclu. Ein Beispiel möge den Vorgang der Untersuchung und die hierbei
                              									auftretenden Beziehungen näher beleuchten: Das Auswägen des Pendels ergibt für 100 g
                              									182 mm.Die
                                    											Eintheilung der Scala in Grade erspart die Umrechnung. Letztere
                              									entsprechen einem Winkel von 3°2', dessen Sinus 0,052917 beträgt. Das Pendel
                              									schwingt ungehemmt bis auf 483,15 mm, dem Winkel von 8°3,15', bezieh. dem Sinus
                              									desselben von 0,14008 entsprechend. Wird nun das Probeblatt eingeklemmt und schwingt
                              									das Pendelende durch dasselbe, so erreicht der Zeiger des Pendels die Scalenstelle,
                              									welche 463,925 mm angibt.
                           Dieser Werth entspricht dem Winkel von 8° 2,25' unddem Sinus des letzteren von
                              									0,13454. Aus der Proportionalität zwischen den Wirkungen des Pendels zu den Sinus
                              									der Winkel folgt die Gleichung:
                           x : 0,14008 = 100 : 0,052917
                           und aus dieser der Werth für z
                              									mit 264,6219 g. Ferner aus der Gleichung:
                           x : 0,13454 = 100 : 0,052917
                           für x das Gewicht von 254,2472 g
                              									und aus der Differenz dieser beiden Werthe: 264,6219 – 254,2472 die Hemmungsgrösse
                              									von 10,4692 g.
                           Nachdem nun dieser Widerstand zur Pendellänge im geraden, zur Einreisstiefe und zur
                              									Dicke der Rissplatte im umgekehrten Verhältnisse steht, ergibt sich der relative
                              									Zerreisswiderstand des Probeblattes aus der Gleichung:
                           R_w=\frac{h\,\times\,l}{d\,\times\,t}.
                           In dieser ist:
                           Rw der relative Zerreisswiderstand in Gramm,
                           h die Hemmungsgrösse in Gramm,
                           l die Pendellänge in Millimeter,
                           d die Dicke der Rissplatte in
                              									Millimeter und
                           t die Einrisstiefe in Millimeter;
                           für den speciellen Fall somit:
                           R_w=\frac{10,4692\,.\,365}{1,325\,\times\,15}=192,25\mbox{
                                 										g}.
                           Führt man aus Gründen, die ich bei Gelegenheit der Veröffentlichung der Risswage und
                              									des Kreisrissprüfers erörterte, statt des Gewichtes die Dicke ein, so ergibt sich
                              									der absolute Zerreisswiderstand für das Probeobject aus der Gleichung:
                           A_w=\frac{R_w}{d_1},
                           in welcher
                           Aw den absoluten Zerreisswiderstand in Gramm,
                           Rw den relativen Zerreisswiderstand in Gramm und
                           d1 die
                              									Dicke des Probeobjectes in Millimeter.
                           bedeutet; für den gegebenen Fall somit:
                           A_w=\frac{192,25}{0,075}=2563,33\mbox{ g}.
                           Dieser Apparat dient gleichzeitig auch zur Bestimmung der Dehnung.In diesem
                                    											Falle ist der Platteneinschnitt 15 mm weit. Es geschieht dies mit
                              									Hilfe eines zweiarmigen Hebels, welcher, wie die Zeichnung ersichtlich macht, an das
                              									Reisspendel angefügt ist. Der eine Arm des Hebels ist der Zeiger z, dessen Stellung durch die Millimeter-Scala d kenntlich wird; der andere, viel kürzere Arm a, welcher als schmales Plättchen endet, berührt eben
                              									das eingeklemmte Probeblatt, wenn der Zeiger auf Null steht. Die Einrichtung ist in
                              									der Weise getroffen, dass das zu prüfende Object an seinem oberen Theile zwischen
                              									dem Contacthebel und der einfallenden Stahlplatte zu stehen kommt.
                           Die durch den Stoss vor dem Zerreissen eintretende Dehnung bewirkt eine Verschiebung
                              									des Contacthebels, die sich auf den Zeiger überträgt,Das
                                    											Trägheitsmoment des Zeigers kommt bei entsprechender Stellung der Schraube
                                    												s nicht zur Wirkung. welcher, da
                              									seine Länge 100 mm beträgt, der Contacthebel dagegen nur 5 mm weit in den
                              									Platteneinschnitt hineinragt, die zwanzigfache Bewegungsgrösse anzeigt. Die
                              									Ermittelung der Dehnung ergibt sich auf Grund der Vorstellung, nach welcher der
                              									Abstand des Contacthebels vom Rande des Platteneinschnittes gerechnet und jener
                              									seiner Verschiebungsgrösse als Katheten eines rechtwinkligen Dreieckes in
                              									wagerechter Ebene gedacht werden, unter welchen Umständen die Hypotenuse um die
                              									Dehnungsgrösse länger ist, als die erstgenannte Kathete; demnach aus der
                              									Gleichung:
                           x=\sqrt{a^2+(b-d)^2}-a,
                           in welcher x die Dehnung, a die Entfernung, bis zu welcher der Contacthebel vom
                              									Rande aus in den Platteneinschnitt hineinragt, b die
                              									Länge des an der Scala abgelesenen und reducirten Werthes und dBei diesen
                                    											Bestimmungen wird der Contacthebel um die Dicke des Probeblattes zu weit
                                    											verschoben, weshalb letztere in Abrechnung zu bringen ist. die
                              									Dicke des Probeobjectes bedeutet. Ein specieller Fall ist in folgendem Beispiele
                              									gegeben:
                           Ist a = 5 mm, b = 24,5 mm;
                              										d = 0,075 mm, so folgt aus obiger Gleichung:
                           
                              x=\sqrt{5^2+(1,225-0,075)^2}-5=0,13\mbox{
                                 									mm.}
                              
                           Das Probeblatt dehnt sich demnach, bei einer Länge von 5 mm,
                              									um 0,13 mm aus und es entspricht mithin, bezogen auf 100, seine Dehnung 2,6
                              									Proc.
                           Wien, Chemisches Laboratorium der Wiener Handelsakademie, im
                              									August 1894.