| Titel: | Verfahren und Ofen zur Aufarbeitung von Wirthschaftsabfallstoffen. | 
| Fundstelle: | Band 294, Jahrgang 1894, S. 109 | 
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                        Verfahren und Ofen zur Aufarbeitung von
                           								Wirthschaftsabfallstoffen.
                        D. R. P. Nr. 75322 von Rich.
                                 									Schneider.
                        Mit Abbildungen.
                        Verfahren und Ofen zur Aufarbeitung von
                           								Wirthschaftsabfallstoffen.
                        
                     
                        
                           Die Frage der gründlichen und zugleich nutzbringenden Beseitigung der Abfallstoffe
                              									wird in den grösseren gewerblichen Anlagen, besonders aber in den grösseren Städten
                              									immer dringender. Wir haben im Jahrgang 1893 290 * 30
                              									über die neueren Einrichtungen, insbesondere über die Kori'schen Oefen zur Verbrennung von Abfallstoffen, als Kehricht,
                              									Thierleichen u. dgl., berichtet.
                           Eine grundsätzliche Aenderung in der Aufarbeitung, d.h. Beseitigung der gewerblichen,
                              									wie häuslichen Abfallstoffe wird durch das Verfahren und den Ofen des Civilingenieur
                              										Richard Schneider in Dresden (D. R. P. Nr. 75322)
                              									herbeigeführt.
                           Diese Erfindung besteht darin, dass die Abfallstoffe, ohne irgend einer
                              									Zwischenbehandlung zu unterliegen, besonders construirten Oefen zugeführt und in
                              									denselben unter Hinzufügung von geeigneten Zuschlägen zu einer glasartigen Masse
                              									eingeschmolzen werden, wobei alle organischen Bestandtheile unter Zunutzemachung der
                              									durch ihre Verbrennung erzeugten Wärme in vollkommen rauch- und geruchloser und
                              									hygienisch unschädlicher Weise vernichtet, d.h. in einem Ueberschuss hocherhitzter
                              									atmosphärischer Luft verbrannt werden. Die geschmolzenen Massen werden in flüssiger
                              									Form dem Ofen entnommen und in rechteckige oder andere Formen gegossen und langsam
                              									abgekühlt. Auf diese Weise erhält man Steine, Ziegel, Blöcke u. dgl. aus einem
                              									glasähnlichen Materiale, welches wegen seiner Widerstandsfähigkeit gegen
                              									Temperaturen, Feuchtigkeit, Säuren u.s.w. für die verschiedensten Bauzwecke ein
                              									werthvolles Material abgeben werden. Andererseits würde man, wenn man die flüssigen
                              									Massen in Wasser laufen liesse, das Product in Kiesform bringen, welches dann als
                              									Rohmaterial für andere Fabrikationen oder auch zu Wegebauten, Versteinungen von Wegen u.
                              									dgl. sehr gute Dienste leisten würde.
                           Die in Nachstehendem beschriebene Ofenconstruction erfüllt den angestrebten Zweck
                              									vollkommen und ermöglicht einen continuirlichen Betrieb.
                           Die Construction des Ofens besteht, wie aus den Fig. 1 und 2 zu ersehen ist, aus
                              									einem Wannenofen mit geneigten oder senkrechten Füllschächten und entsprechender
                              									Heizanlage.
                           Das Maass der Neigung der Füllschächte ist je nach der Art der zu verarbeitenden
                              									Abfallstoffe zu wählen. Für die Abfallstoffe aus den Wirthschaftsbetrieben der
                              									Städte, welche im Grossen und Ganzen neben Wasser und einer geringen Beimengung von
                              									thierischem Koth aus etwa 30 bis 35 Proc. brennbaren Substanzen und etwa 50 Proc.
                              									unbrennbaren Stoffen bestehen, ist die in der Zeichnung angegebene Neigung der
                              									Füllschächte als günstig zu erachten, während für Fabrikabfallstoffe, in welchen das
                              									Verhältniss der verbrennbaren zu den unverbrennbaren Substanzen mehr wechselt, eine
                              									geringere oder grössere Neigung zweckmässig wirkt.
                           Textabbildung Bd. 294, S. 109Ofen für Abfallstoffe. Die Ofenconstruction besteht aus einem unteren, mittleren und oberen
                              									Theile, d. i. in gleicher Folge aus den vier sogen. Regenerativkammern des hier als
                              									Beispiel gewählten Regenerativgasfeuerungssystems, einem Schmelzraum, Wanne, und den
                              									Beschickungs- bezieh. Aufbereitungseinrichtungen, und alle diese Theile stehen
                              									mittels Gas- oder Luftleitungen, die regelbar im Betriebe sind, unter sich in
                              									Verbindung.
                           G1 und G2 (Fig. 1) sind Gas- und L1 und L2 grössere
                              									Luftregeneratoren. Die ersteren wie die letzteren sind durch Kanäle mit
                              									Wechselventilen und durch diese einerseits mit der Gas- bezieh. Luftleitung,
                              									andererseits mit dem Schornsteinkanal verbunden. Zwischen je einem Gas- und
                              									Luftregenerator ist eine Staubfangkammer S angeordnet.
                              									Die einzelnen Regeneratoren sind durch Kanäle oder Füchse mit dem eigentlichen
                              									Ofenschmelzraum W verbunden.
                           Als mittlerer Theil der Ofenconstruction ist im vorliegenden Falle die
                              									Wannenschmelzofenform gewählt, die mit regenerativer Schwelgasfeuerung betrieben
                              									wird. Es könnte jedoch ebensowohl ein Schmelzofen mit Wassergasfeuerung als auch ein
                              									Schmelzofen mit Schwelgasfeuerung ohne Zugumkehrung o. dgl. zur Anwendung kommen.
                              									Die Wannenofenform ist gewählt, um in der Zeiteinheit möglichst grosse Mengen
                              									von Abfallstoffen möglichst billig einzuschmelzen, das heisst um hohe Temperaturen
                              									zu erzeugen, die nöthig sind, wenn eine grössere Menge von Zuschlägen (vgl. unten)
                              									erspart werden sollen.
                           Der Schmelzraum W ist auf der einen Seite mit Abstich-
                              									und Arbeitsöffnungen a und A versehen; auf der gegenüberliegenden Seite bei O ist eine grössere verschliessbare Oeffnung angeordnet, durch welche man
                              									im Falle des Bedürfnisses besonders grosse, zum Theil brennbare Substanzen dem
                              									Wannenofen zuführen könnte, wie z.B. inficirte werthlose Wäschebündel, Möbeltheile,
                              									Thierkadaver. Die Abstichöffnungen a sind so gewählt,
                              									dass immer nur das meistflüssige, glasähnliche Schmelzproduct abgezogen werden
                              									kann.
                           Für den regelmässigen Betrieb werden dem Schmelzofen die Materialien durch geneigte
                              									Schächte zugeführt, welche bei U1 und U2 in den Ofen münden. Diese Schächte werden von
                              									einer Platform oberhalb der Ofenanlage durch die Oeffnung s2 (Fig. 2) beschickt und
                              									sind mittels Deckel F1
                              									und F2 oder sonstigen
                              									Füll- bezieh. Abschlussvorrichtungen bekannter Construction verschliessbar.
                           Die Füllschächte T1, T2 sind unter einander
                              									durch einen Kanal oder ein Rohr R verbunden. Von diesem
                              									Verbindungsrohr gehen Abzweigungen R1R2, die mit Ventilen oder anderen Verschlüssen
                              									versehen sind, nach beiden Seiten des Ofens, so dass auf diese Weise die sich in den
                              									Schächten bildenden Producte trockener Destillation nach demjenigen Ende des Ofens
                              									geleitet werden können, wo jeweilig die Heizgase und die hocherhitzte Luft durch
                              									Kanäle oder Füchse eintreten.
                           Im Allgemeinen ist anzunehmen, dass die in den Schächten eingeführten organischen
                              									oder anorganischen Stoffe schon wegen der allmählichen Vergasung eines Theils der
                              									ersteren in den Einfüllschächten sich so lagern, dass einerseits ein unbehindertes
                              									Abstreichen der vergasten Producte und andererseits ein regelmässiges Niedergleiten
                              									der unverbrennbaren Producte Statt hat. Immerhin kann aber von x aus ein Nach schüren bewirkt werden; auch sind das
                              									Rohr R und seine Abzweigungen mit Reinigungsöffnungen
                              									bezieh. mit Vorrichtungen, die das Kondenswasser aufnehmen, versehen, vgl. Y in Fig. 1.
                           Da das eine Ende R1 oder
                              										R2 des
                              										Verbindungsrohres,bezieh. Kanales R geschlossen, das andere aber
                              									stets mit dem Ofen in Verbindung stehen soll und zwar so, dass mittels des
                              									Schornsteinzuges die in jenen befindlichen Gase in den Ofen hineingesogen werden, so
                              									können weder Gase noch Dämpfe nach aussen treten, weil diese in den Ofen
                              									hineingesaugt werden, wo sie mit dem Strome glühender Luft zusammentreffen und
                              									verbrennen. Wird die Flammenrichtung durch Umlegen der Ventile gewechselt, so wird
                              									gleichzeitig durch einen Mechanismus das betreffende Rohrende geschlossen und das
                              									andere geöffnet, wie dies bei Gasfeuerungen bekannt ist.
                           Der Gesammtbetrieb gestaltet sich hiernach wie folgt:
                           Nachdem mittels der in einer Gaserzeugungsanlage erzeugten Heizgase der Ofen
                              									entsprechend aufgeheizt worden und eine erste Charge von Glasscherben oder anderem
                              									leicht schmelzbaren Material niedergeschmolzen ist, werden die Schächte nach und
                              									nach mit den Abfallstoffen gefüllt und gefüllt erhalten. Die in den untersten
                              									Theilen der Schächte befindlichen organischen Kohlenstoff enthaltenden Körper werden
                              									durch die Schmelztemperatur des Ofens zu Kohlensäure verbrannt, welche den
                              									Zugverhältnissen entsprechend die Schächte und somit die niederzuschmelzenden
                              									Schichten durchzieht und sich dabei zu Kohlenoxyd reducirt. Ein Gemenge, bestehend
                              									im Wesentlichen aus Kohlenoxyd und Dampf, tritt am oberen Ende der Schächte in das
                              									Verbindungsrohr R und wird durch dieses und seine
                              									Zweigleitungen dem Ofen wieder zugeführt. Auf dem Wege dahin werden die wässerigen
                              									Producte condensirt und abgeleitet. Die in dem Ofen niedergeschmolzenen Massen
                              									werden bei a abgestochen und Formen zugeführt, mit
                              									denen sie zur allmählichen Abkühlung abgestellt werden.
                           Die so entstandenen Blöcke bezieh. Formsteine sind als ein wetter- und
                              									wasserbeständiges Baumaterial zu verwerthen, sofern die Zusammensetzung der
                              									Gesammtabfallstoffe der Durchschnittserfahrung entspricht. Selbstverständlich kann
                              									aber das Endproduct je nach der Zusammensetzung der Abfallstoffe oder beabsichtigten
                              									Verwerthung verbessert werden, wenn man kalk- oder alkalienarmen Abfallstoffen
                              									entsprechende Mengen jener Stoffe zufügt. Obwohl in den verschiedenen Jahreszeiten
                              									die Zusammensetzung der Abfallstoffe in geringen Grenzen immer wechselt, so wird
                              									doch die Praxis leicht die Menge der wünschenswerthen Zusätze für die verschiedenen
                              									Betriebsperioden ergeben.
                           Anstatt in Formen kann die Schlacke auch in der bekannten Weise durch Einführen in
                              									Wasser in Kiesform gebracht werden, die zu Wegebauten benutzt werden kann, wie
                              									bereits oben bemerkt.
                           Der Erfinder stellt in seiner Broschüre eine Berechnung über die Rentabilität einer
                              									nach seinen Angaben eingerichteten Anlage an, bezüglich deren Einzelnheiten wir
                              									jedoch auf die Quelle verweisen müssen, um so mehr, da eine solche Berechnung nur
                              									von Fall zu Fall Geltung haben kann. Für eine Ofenanlage in Berlin berechnet der
                              									Verfasser bei einer täglichen Aufarbeitung von 100 cbm = 70000 k Hausmüll einen
                              									täglichen Reingewinn von 19,40 M. und schliesst die Beschreibung in nachstehender
                              									Weise:
                           Aus vorstehenden Darlegungen geht deutlich hervor und ist theilweise nachgewiesen
                              									worden,
                           1) dass die geschilderte Aufarbeitung von gewerblichen und häuslichen
                              									Abfallstoffen in jeder Beziehung der Gesundheit unschädlich ist und den höchsten
                              									hygienischen Anforderungen entspricht; da einestheils eine Vorbearbeitung der
                              									aufzuarbeitenden Massen nicht erfolgt und anderentheils dem Ofen irgend welche sich
                              									aus den Rohmassen entwickelnde Dämpfe und Gase nicht entweichen können, ohne vorher
                              									den Schmelzraum des Ofens, d. i. ein Raum mit einer Temperatur von etwa 1500° C, in
                              									dem sich Sauerstoff der atmosphärischan Luft von gleicher Temperatur in grossem
                              									Ueberschuss befindet, passirt zu haben, wobei sämmtliche organische Verbindungen
                              									(und anorganische sind in Gasform nicht vorhanden) in Kohlensäure und Wasserdampf
                              									zerlegt werden;
                           2) dass der Betrieb auch zu Folge des vorstehenden angegebenen Vorganges vollständig
                              									rauch- und geruchlos ist und dem Schornstein nur farblose Gase und Wasserdämpfe
                              									entweichen können;
                           3) dass der Betrieb direct wie indirect gewinnbringend ist, und zwar ersteres
                              									deshalb, weil durch den Verkauf der gewonnenen Fabrikate nicht nur die
                              									Betriebskosten gedeckt werden, sondern auch ein nicht unbedeutender Ueberschuss
                              									erzielt wird, und letzteres deshalb, weil jetzt die Städte noch Plätze für die
                              									Ablagerung anschaffen und bezahlen müssen, die unter Umständen anderweit
                              									gewinnbringend verwerthet werden können;
                           4) dass durch die beschriebene Aufarbeitung eine Masse von der Fäulniss
                              									unterliegenden, daher Krankheiten erzeugenden Stoffen gesundheitsunschädlich und
                              									nutzbringend beseitigt werden; dieselbe ist daher von höchster wirthschaftlicher und
                              									hygienischer Bedeutung.