| Titel: | Zur Verwendung des Aluminiums als Schiffsbaumaterial. | 
| Fundstelle: | Band 295, Jahrgang 1895, S. 62 | 
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                        Zur Verwendung des Aluminiums als
                           								Schiffsbaumaterial.
                        Zur Verwendung des Aluminiums als Schiffsbaumaterial.
                        
                     
                        
                           Die Verwendung des Aluminiums für Schiffsbauzwecke zieht immer grössere Kreise: dem
                              									ersten, im Jahre 1891 (vgl. 1892 284 253) von Escher, Wyss und Co. in Zürich gebauten kleinen
                              									Naphtaboote folgten mit dem sinkenden Preise des Aluminiums bald weitere; der Graf
                              										Chabannes la Palice machte 1892 mit der Erbauung
                              									seiner 10-tons-Jotte (Yacht) „Vendenesse“ einen weiteren wichtigen Schritt in
                              									der Anwendung des Aluminiums für Marinezwecke und heute ziehen bereits auch die
                              									Kriegsmarine und der Colonien- dienst aus der Leichtigkeit des Aluminiums Gewinn. Es
                              									macht sich also auch hier bemerkbar, dass das Aluminium aus einem Metall des Luxus
                              									immer mehr zu einem Gebrauchsmetall wird.
                           Am thatkräftigsten in der erwähnten Richtung ging Frankreich vor. Den zwei
                              									zerlegbaren Schaluppen „Etienne“ und „Davoust“ für die afrikanischen
                              									Colonien folgte nämlich bald der Auftrag an das Haus Yarrow
                                 										and Company
                              									in London auf ein in seiner Schale ganz aus Aluminium zu erstellendes
                              									Torpedoboot, das kürzlich auf der Themse seine Probefahrt machte; fünf weitere von
                              									gleicher Grösse sind zur Lieferung für 1896 in Auftrag gegeben, und der Bau eines
                              									grösseren Torpedobootes wird gegenwärtig in Creusot studirt. Ferner sind fünf
                              									Schaluppen und einige Kanonenboote, letztere speciell für Madagaskar, bestellt. Auch
                              									die niederländische Marine lässt bei Escher, Wyss und
                                 										Co. zwei Kanonenboote für ihre Colonien bauen, auch die deutschen Colonien
                              									sollen jetzt ebenfalls einen Aluminiumdampfer und zwar für den Victoria-See
                              									erhalten.
                           Es ist schon viel darüber geschrieben worden, ob das Aluminium in mechanischer Hinsicht für Schiffsbauzwecke genügt, es
                              									würde daher unnöthig sein, ein Wort weiter darüber zu verlieren, zumal die
                              									praktischen Versuche mit der Jotte „Vendenesse“ und dem französischen
                              									Torpedoboot die Eignung des Metalls nach dieser Richtung wohl zur Genüge dargethan
                              									haben. Dass die Festigkeit des Aluminiums genügend und seine Zähigkeit sogar
                              									vorzüglich genannt werden kann, beweisen auch die während der letzten deutschen
                              									Manöver angestellten Versuche mit einem Aluminiumponton, welches sich bei einer sehr
                              									starken Beanspruchung des Materials gegen Stösse und Schläge gut bewährte. Es zeigte
                              									sich sogar nicht allein in Bezug auf die Leichtigkeit (drei bis vier Mann können es
                              									transportiren), sondern auch hinsichtlich der Zähigkeit den Stahlpontons überlegen,
                              									indem es in Fällen, wo diese sicher Risse oder Löcher bekommen haben würden,
                              									lediglich unschädliche Beulen erhielt.
                           Wenig berücksichtigt aber wurde bisher das chemisch-physikalische Verhalten, wenn man von einfachen Versuchen mit
                              									Aluminiumblech in Meerwasser absieht, die fast durchgängig einen nur geringfügigen
                              									Angriff desselben ergaben. Wesentlich anders aber gestaltet sich die Sachlage, wenn
                              									man das Verhalten des Aluminiums in gleichzeitiger Berührung mit einem anderen
                              									Metalle in Betracht zieht. Aluminium ist bekanntlich seiner Stellung unter den
                              									Metallen nach stark elektropositiv und bildet in Berührung mit allen
                              									Gebrauchsmetallen und einer Säure oder Salzlösung ein galvanisches Element, in
                              									welchem das Aluminium die Rolle des sich auflösenden Metalles spielt. Die
                              									elektromotorische Kraft und damit die auflösende Wirkung wird um so grösser, je
                              									näher das betreffende Metall den Edelmetallen steht; unter den wichtigeren Metallen
                              									bildet somit Kupfer und dessen Legirungen den stärksten, Eisen und Zink den
                              									schwächsten Strom in Berührung mit Aluminium, ebenso verhält es sich mit dem
                              									Angriff, den das Aluminium in Berührung mit diesen Metallen erleidet. Erfahrungen,
                              									die man an einem im Mittelländischen Meere seit 1½ Jahren benutzten Boot gemacht
                              									hat, bestätigen sowohl vollkommen diese Voraussetzungen, als auch die genügende
                              									Widerstandsfähigkeit des Aluminiums an und für sich gegenüber dem Einflüsse des
                              									Meerwassers. Das unter der Wasserlinie, also unter Luftabschluss befindliche
                              									Aluminium hat sich bei diesem Boote vorzüglich gehalten. Das Metall über Wasser ist
                              									zwar etwas rauh geworden, sonst aber gut erhalten. Ueberall jedoch, wo irgend eine
                              									Messingarmatur auf dem Aluminium befestigt ist, zeigt sich dieses jetzt stark
                              									corrodirt; keinen Einfluss hat dagegen verzinktes Eisen ausgeübt. Es mag zunächst
                              									etwas auffällig erscheinen, dass diese Zerstörungen hauptsächlich über Wasser
                              									aufgetreten sind, an Orten, wo Meerwasser höchstens vorübergehend hinkam. Es wird dies
                              									wahrscheinlich auf rein chemische Einflüsse zurückzuführen sein, wenigstens weisen
                              									analoge Erscheinungen beim Rosten des Eisens unter dem Einflüsse von Kochsalz darauf
                              									hin. Bei diesem bildet das entstehende Eisenchlorür den Sauerstoffüberträger, und es
                              									ist sehr wohl möglich, dass auch beim Aluminium ähnliche Verhältnisse eine Rolle
                              									spielen.
                           Die wichtige Lehre, die man aus diesen Erfahrungen ziehen muss, ist die, überall, wo
                              									man bei Aluminiumschiffen lediglich aus Schönheitsgründen Messing oder Kupfer
                              									anwenden will, Aluminium zu verwenden, wo dies aber aus praktischen Gründen nicht
                              									möglich ist, Stahl oder Eisen, am besten verzinkt. Ferner wird es sich empfehlen, an
                              									Stellen, wo die Berührung des Aluminiums mit einem anderen Metall nicht umgangen
                              									werden kann, ein Plättchen Aluminium unterzulegen, welches ausgewechselt werden
                              									kann. In vielen Fällen wird sich der Contact überhaupt beschränken oder ganz
                              									vermeiden lassen, wenn man ein nichtleitendes, wasserundurchlässiges Material
                              									zwischen Aluminium und das betreffende Metall einschaltet.
                           Das Gleiche wie bei der Berührung eines Stückes Aluminium mit Kupfer, Messing u.s.w.
                              									ist der Fall, wenn eine Legirung von Aluminium mit einem dieser Metalle dem
                              									Meerwasser ausgesetzt wird; die Aluminiumtheilchen bilden dann mit den betreffenden
                              									Metalltheilchen eine Reihe kurz geschlossener galvanischer Elemente und die Folge
                              									davon ist wieder ein rascher Angriff des Aluminiums und damit ein Zerfall der
                              									Legirung. Versuche, welche von der kaiserl. Torpedoinspection in Kiel mit einer
                              									Legirung von Aluminium mit 6 Proc. Kupfer angestellt wurden, bestätigen dies und
                              									weisen gebieterisch darauf hin, das Metall durch einen seefesten Färb anstrich vor
                              									Zerstörung zu schützen, falls man im Interesse der grösseren Festigkeit von der
                              									Verwendung dieser Legirung nicht absehen will. Versuche mit Aluminiumnickel, welche
                              									das amerikanische Marinedepartement in Norfolk anstellte, hatten das gleiche
                              									Resultat, aber auch über das Verhalten des Reinaluminiums sprach man sich dort wegen
                              									des starken Muschelansatzes ungünstig aus, ganz im Gegensatze zur Torpedoinspection
                              									in Kiel, welche das Reinaluminium in dieser Hinsicht für bestimmte Schiffszwecke als
                              									geeignet erklärte und speciell feststellte, dass Eisenblech
                                 										unter denselben Verhältnissen viel stärker angegriffen wurde. Es scheinen
                              									daher in Norfolk specielle Verhältnisse gewaltet zu haben, welche das Ansetzen der
                              									Muscheln begünstigten, jedenfalls aber ist es zu weit gegangen, wenn man dem
                              									Aluminium die Eignung als Schiffsmaterial überhaupt abspricht, denn dann wären Eisen
                              									und Stahl, die jetzt wichtigsten Schiffsbaumaterialien, ebenfalls nicht verwendbar.
                              									Allerdings erfordert das Aluminium, wie auch aus dem weiter oben Gesagten
                              									hervorgeht, eine seinen Eigenschaften entsprechende Art der Anwendung, geschieht
                              									dies aber, so wird sich sein Anwendungskreis für Schiffsbauzwecke noch bedeutend
                              									vergrössern.