| Titel: | Zur Analyse der sauren Gerbebrühen. | 
| Autor: | Johannes Pässler | 
| Fundstelle: | Band 295, Jahrgang 1895, S. 142 | 
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                        Zur Analyse der sauren Gerbebrühen.
                        Von Dr. Johannes
                                 									Pässler in Freiberg i. S.
                        Zur Analyse der sauren Gerbebrühen.
                        
                     
                        
                           Die indirect gewichtsanalytische Gerbstoffbestimmungsmethode, welche bei der
                              									Untersuchung der Gerbmaterialien vollständig zufriedenstellende Resultate liefert,
                              									ist bis jetzt bei der Untersuchung der sauren Gerbebrühen nicht angewendet worden,
                              									weil immer der Einwand erhoben wurde, dass bei dem Entfernen des Gerbstoffes durch
                              									Schütteln mit Hautpulver die in den Gerbebrühen enthaltenen freien Säuren theilweise von der Haut absorbirt und in Folge dessen
                              									zum Theil als Gerbstoff bestimmt werden; es müsste demnach die indirect
                              									gewichtsanalytische Methode bei der Analyse von Sauerbrühen bezüglich des
                              									Gerbstoffes zu hohe Resultate liefern. Man war deswegen bei der Analyse von
                              									Sauerbrühen auf die Löwenthal'sche Methode angewiesen,
                              									welche aber gerade hier von sehr zweifelhaftem Werthe ist, weil die Umrechnung der
                              										Löwenthal'schen Tanninprocente in Gewichtsprocente
                              									mit Hilfe gewisser Factoren wegen des Vorhandenseins verschiedener Gerbstoffe
                              									hierbei nur sehr unsichere Zahlen liefern kann.
                           Johann Meerkatz suchte den bei der Gewichtsanalyse
                              									von Sauerbrühen entstehenden Fehler dadurch zu vermeiden, dass er die freien Säuren,
                              									wie Essigsäure, Milchsäure u.s.w., durch Bariumcarbonat abstumpfte. Seine
                              									diesbezüglichen Versuche und Beleganalysen veröffentlichte er in dem Artikel:
                              										„Ueber die Bestimmung der gerbenden Substanzen in sauren Brühen“.Der Gerber, 1889
                                    											Nr. 850. Der Verfasser dieser Arbeit schlägt vor, die sauren
                              									Brühen vor der Analyse nach der indirect gewichtsanalytischen Methode mit einem
                              									Ueberschuss von Bariumcarbonat zu versetzen, und behauptet, dass bei dieser
                              									Absättigung der freien Säuren keine Verluste an
                                 										gerbenden Substanzen eintreten. A. Bartel„Zur Bestimmung des Gerbstoffes in
                                       												Sauerbrühen“, D. p. J. 1891 280 Heft 10. hat später die Meerkatz'schen Angaben durch Versuche controlirt und
                              									gefunden, dass sich ein Zusatz von Bariumcarbonat durchaus nicht zur Absättigung der
                              									freien Säuren eignet, sondern dass hierbei durch Ausfällen ein ganz wesentlicher
                              									Verlust an Gerbstoff stattfindet; so fand er z.B. in einem mit Bariumcarbonat im
                              									Ueberschusse versetzten Eichenholzextracte nur 15,85 Proc. gerbende Substanzen,
                              									während thatsächlich 25,34 Proc. darin enthalten waren. Ferner machte Bartel den Versuch, die vorhandene Säure, deren Menge
                              									durch eine Säuretitration ermittelt worden war, mittels verdünnter Natronlauge genau
                              									zu neutralisiren und die so neutralisirte Brühe der Gewichtsanalyse zu unterwerfen;
                              									allein auch dies schlug fehl und führte zu viel zu niedrigen Zahlen, weil, wie Bartel angibt und theoretisch auch schon im Voraus
                              									anzunehmen ist, die zugesetzte Base nicht nur die freie Säure neutralisirt, sondern
                              									sich in diese und die vorhandenen Gerbstoffe, welche auch als Säuren aufzufassen
                              									sind, theilt, wodurch natürlich zu niedrige Gerbstoffzahlen gefunden werden müssen.
                              									Es ergibt sich aus der Bartel'schen Arbeit, dass der
                              										Meerkatz'sche Vorschlag nicht auf die Analyse von
                              									Sauerbrühen anwendbar ist.
                           Während meiner früheren Thätigkeit im Tharander Laboratorium habe ich nun auf
                              									Veranlassung des Herrn Prof. v. Schroeder festzustellen
                              									gesucht, wie gross die Fehler sind, wenn man saure Gerbebrühen nach der indirect
                              									gewichtsanalytischen Gerbstoffbestimmungsmethode analysirt; über die Grösse dieser
                              									Fehler sind bis jetzt in der Fachlitteratur keine Angaben gemacht worden. Wir gingen
                              									von der Ansicht aus, dass dieselben gar nicht so gross sein könnten, weil doch
                              									einerseits, wie auch KochR. Koch,„Zur Bestimmung der freien Säuren in Gerbebrühen auf titrimetrischem
                                       												Wege“, D. p. J. 1887 264 395 ff. nachgewiesen hat, immer
                              									nur ein Theil der freien Säuren von der Haut aufgenommen wird, und andererseits ein
                              									Theil der freien Säuren vor der Analyse durch wiederholtes Eindampfen verflüchtigt
                              									werden kann.
                           Bei der Ausführung dieser Versuche habe ich Nasicer Eichenholzextract verwendet,
                              									dessen Zusammensetzung durch Analyse festgestellt worden war. Dieser Extract wurde
                              									in verschiedenen Verhältnissen gelöst und diesen Lösungen wurden Säuremengen auch in
                              									verschiedenen Verhältnissen zugesetzt; es wurden hierbei folgende Combinationen
                              									gewählt:
                           
                              
                                 Viel
                                 Gerbstoff
                                 – wenig
                                 Säure
                                 
                              
                                 Viel
                                 „
                                 – viel
                                 „
                                 
                              
                                 Wenig
                                 „
                                 – wenig
                                 „
                                 
                              
                                 Wenig
                                 „
                                 – viel
                                 „
                                 
                              
                           Die Gerbstofflösungen wurden in den weiter unten angegebenen Verdünnungen
                              									auch ohne Säurezusatz analysirt, so dass man beim Vergleich der Analysenresultate
                              									der Gerbebrühen mit Säurezusatz mit denen ohne Säurezusatz sofort ersehen konnte, ob in Folge der
                              									Säureabsorption seitens der Haut der Gerbstoffgehalt bei Gegenwart von Säure etwa
                              									wesentlich anders gefunden wird als bei Abwesenheit derselben.
                           Der Eichenholzextract wurde bei den einzelnen Versuchen derartig verdünnt und der
                              									Säurezusatz so gewählt, dass folgende Gehalte an gerbenden Substanzen und Säure in
                              									100 cc der hergestellten Brühen enthalten waren:
                           
                              
                                 Versuch:
                                 I
                                 II
                                 III
                                 IV
                                 
                              
                                 
                                 g
                                 g
                                 g
                                 g
                                 
                              
                                 Gerbende Substanzen, etwa
                                 1,0
                                 1,0
                                 0,1
                                 0,1
                                 
                              
                                 Säure
                                 0,1
                                 0,5
                                 0,1
                                 0,5
                                 
                              
                           Die so hergestellten Verhältnisse entsprechen etwa den in Wirklichkeit auftretenden.
                              									Grenzwerthen. Wie sich bei Säuretitrationen herausgestellt hat, die in letzter Zeit
                              									im Laboratorium der deutschen Gerberschule ausgeführt worden sind, gehen die
                              									Säuregehalte in manchen Gerbebrühen noch höher als oben angegeben hinauf. Die
                              									Gehalte an gerbenden Substanzen sind dann aber stets so hoch, dass man durch
                              									entsprechendes Verdünnen Gerbebrühen erhält, welche noch in obige Grenzen
                              									fallen.
                           Für den Säurezusatz wurde ein Gemisch von Essigsäure und Milchsäure verwendet, das
                              									sind also diejenigen Säuren, die in den Sauerbrühen vorwiegen. Beide wurden zu
                              									äquivalenten Theilen zugesetzt; wenn also 100 g Brühe 0,1 g Säure enthalten sollten
                              									(auf Essigsäure berechnet, weil bei der Koch'schen
                              									Säurebestimmungsmethode durch Titration mit Barythydratlösung die Säuremengen in
                              									äquivalenten Mengen Essigsäure angegeben werden), so wurden ihr bei der Herstellung
                              									0,05 g Essigsäure und eine dieser äquivalente Menge Milchsäure, d. i. 0,075 g
                              									Milchsäure, zugegeben. Die für den Säurezusatz bestimmten Säurelösungen hatten
                              									folgende Concentrationen:
                           
                              
                                 Essigsäurelösung:  100 cc
                                 = 1,0000 g CH3.COOH
                                 
                              
                                 Milchsäurelösung: 100 cc
                                 = 1,5000 g C2H4.OH.COOH,äquival. 1,0000 g CH3.COOH.
                                 
                              
                           Der zu den vier Versuchen verwendete Eichenholzextract hatte laut Analyse folgende
                              									Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Wasser
                                 57,75
                                 
                              
                                 Organisch gerbende Substanzen
                                 28,33
                                 
                              
                                 Organische Nichtgerbstoffe
                                 12,27
                                 
                              
                                 Extractasche
                                 1,59
                                 
                              
                                 Unlösliches
                                 0,06
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           In 34,590 g Extract sind also 10,000 g gerbende Substanzen.
                           In Folgendem sollen zunächst die Anstellung der einzelnen Versuche und die dabei
                              									erhaltenen Resultate mitgetheilt werden.
                           
                              Versuch I:
                              
                           
                              
                                 Viel Gerbstoff (etwa 1 g auf 100 cc).
                                 
                              
                                 Wenig Säure (0,1 g auf 100 cc).
                                 
                              
                           86,475 g Eichenholzextract wurden auf 500 cc gelöst und 200 cc
                              									hiervon (entsprechend 34,590 g Extract bezieh. 10,000 g gerbenden Substanzen) auf 1
                              									l aufgefüllt; ferner wurden 200 cc der Extractlösung, 50 cc Essigsäurelösung (=
                              									0,500 g CH3.COOH) und 50 cc Milchsäurelösung
                              									(äquival. 0,500 g CH3.COOH) auf 1 l aufgefüllt.
                              									Beide Lösungen wurden auf bekannte Weise nach der indirect gewichtsanalytischen
                              									Gerbstoffbestimmungsmethode analysirt; bei der Analyse der zweiten Lösung, d. i.
                              									diejenige mit Säurezusatz, wurde zur möglichst vollständigen Entfernung der
                              									flüchtigen Säuren etwas von dem üblichen Verfahren abgewichen. Bei der Ermittelung
                              									des Gesammtextractes wurde nämlich nach dem Eindampfen der Rückstand nochmals mit
                              									Wasser aufgenommen und die Lösung wiederum eingedampft, worauf erst die Schale mit
                              									Rückstand zum vollständigen Trocknen in den Trockenschrank gebracht wurde; ferner
                              									wurden 250 cc der Lösung zur Trockne verdampft, der Rückstand wieder gelöst und
                              									diese Lösung nochmals eingedampft; dieser Trockenrückstand wurde in Wasser gelöst
                              									und das Volumen dieser Lösung durch Auffüllen auf 250 cc gebracht. Erst diese
                              									Lösung, welche einen Theil ihrer Säure durch das wiederholte Eindampfen abgegeben
                              									hatte, wurde mit Hautpulver behandelt und diente zur Bestimmung der Nichtgerbstoffe.
                              									Die Resultate dieser Analysen waren folgende:
                           In 100 cc Lösung:
                           
                              
                                 
                                 Ohne Säureg
                                 Mit Säureg
                                 
                              
                                 Organisch gerbende Substanzen
                                 0,9945
                                 1,0345
                                 
                              
                                 Organische Nichtgerbstoffe
                                 0,4700
                                 0,4940
                                 
                              
                                 Extractasche
                                 0,0535
                                 0,0475
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Gesammtrückstand
                                 1,5180
                                 1,5760
                                 
                              
                           
                              Versuch II:
                              
                           
                              
                                 Viel Gerbstoff (etwa 1 g auf 100 cc).
                                 
                              
                                 Viel Säure (0,5 g auf 100 cc).
                                 
                              
                           86,475 g Eichenholzextract wurden wiederum auf 500 cc gelöst und 200 cc hiervon
                              									(entsprechend 34,590 g Extract bezieh. 10,000 g gerbenden Substanzen) auf 1 l
                              									aufgefüllt; ferner wurden 200 cc Extractlösung, 250 cc Essigsäurelösung (=2,500 g
                              										CH3.COOH) und 250 cc Milchsäurelösung (äquival.
                              									2,500 g CH3.COOH) auf 1 l aufgefüllt, Beide Lösungen
                              									wurden, wie bei Versuch I beschrieben, analysirt, wobei sich Folgendes ergab:
                           In 100 cc Lösung:
                           
                              
                                 
                                 Ohne Säureg
                                 Mit Säureg
                                 
                              
                                 Organisch gerbende Substanzen
                                 0,9955
                                 1,0800
                                 
                              
                                 Organische Nichtgerbstoffe
                                 0,4755
                                 0,6170
                                 
                              
                                 Extractasche
                                 0,0505
                                 0,0530
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Gesammtrückstand
                                 1,5215
                                 1,7500
                                 
                              
                           
                              Versuch III:
                              
                           
                              
                                 Wenig Gerbstoff (etwa 0,1 g auf 100 cc).
                                 
                              
                                 Wenig Säure (0,1 g auf 100 cc).
                                 
                              
                           8,6475 g Eichenholzextract wurden auf 500 cc gelöst und 200 cc hiervon (entsprechend
                              									3,4590 g Extract bezieh. 1,000 g gerbenden Substanzen) auf 1 l aufgefüllt; ferner
                              									wurden 200 cc Extractlösung, 50 cc Essigsäurelösung (= 0,500 g CH3.COOH) und 50 cc Milchsäurelösung (äquival. 0,500 g
                              										CH3.COOH) auf 1 l aufgefüllt. Die Analysen der
                              									beiden Lösungen wurden in der beschriebenen Weise ausgeführt und ergaben folgende
                              									Resultate:
                           In 100 cc Lösung:
                           
                              
                                 
                                 Ohne Säureg
                                 Mit Säureg
                                 
                              
                                 Organisch gerbende Substanzen
                                 0,1000
                                 0,0970
                                 
                              
                                 Organische Nichtgerbstoffe
                                 0,0480
                                 0,0850
                                 
                              
                                 Extractasche
                                 0,0050
                                 0,0070
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Gesammtrückstand
                                 0,1530
                                 0,1890
                                 
                              
                           
                              Versuch IV:
                              
                           
                              
                                 Wenig Gerbstoff (etwa 0,1 g auf 100 cc),
                                 
                              
                                 Viel Säure (0,5 g auf 100 cc).
                                 
                              
                           8,6475 g Eichenholzextract wurden auf 500 cc gelöst und 200 cc hiervon (entsprechend
                              									3,4590 g Extract bezieh 1,000 g gerbenden Substanzen) auf 1 l aufgefüllt; ferner wurden 200 cc
                              									Extractlösung, 250 cc Essigsäurelösung (= 2,500 g CH3.COOH) und 250 cc Milchsäurelösung (äquival. 2,500 g CH3.COOH) auf 1 l aufgefüllt. Beide Lösungen wurden in
                              									der beschriebenen Weise analysirt, wobei sich folgendes Resultat ergab:
                           In 100 cc Lösung:
                           
                              
                                 
                                 Ohne Säureg
                                 Mit Säureg
                                 
                              
                                 Organisch gerbende Substanzen
                                 0,1010
                                 0,0615
                                 
                              
                                 Organische Nichtgerbstoffe
                                 0,0490
                                 0,1805
                                 
                              
                                 Extractasche
                                 0,0060
                                 0,0060
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Gesammtrückstand
                                 0,1560
                                 0,2480
                                 
                              
                           Zur besseren Uebersicht will ich die gefundenen Analysenresultate in Folgendem
                              									tabellarisch zusammenstellen, woran ich die Besprechung derselben anschliessen
                              									werde:
                           
                              
                                 In 100 cc:
                                 Viel
                                    											Gerbstoff
                                 Viel
                                    											Gerbstoff
                                 Viel
                                    											Gerbstoff
                                 Viel
                                    											Gerbstoff
                                 
                              
                                 ohneSäure
                                 mit wenigSäure
                                 ohneSäure
                                 mit vielSäure
                                 ohneSäure
                                 mit wenigSäure
                                 ohneSäure
                                 mit vielSäure
                                 
                              
                                 
                                 g
                                 g
                                 g
                                 g
                                 g
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                                 g
                                 g
                                 
                              
                                 Organisch gerbende SubstanzenOrganische
                                    											NichtgerbstoffeExtractasche
                                 0,99450,47000,0535
                                 1,03450,49400,0475
                                 0,99550,47550,0505
                                 1,08000,61700,0530
                                 0,10000,04800,0050
                                 0,09700,08500,0070
                                 0,10100,04900,0060
                                 0,06150,18050,0060
                                 
                              
                                 Gesammtrückstand
                                 1,5180
                                 1,5760
                                 1,5215
                                 1,7500
                                 0,1530
                                 0,1890
                                 0,1560
                                 0,2480
                                 
                              
                           Wir sehen aus dieser tabellarischen Uebersicht, dass sich die weiter oben
                              									ausgesprochene Vermuthung vollständig bestätigt hat; der
                                 										Fehler, der entsteht, wenn man Sauerbrühen, die sich auf natürlichem Wege
                                 										gebildet haben und Essigsäure, Milchsäure u.s.w. enthalten, nach der indirect
                                 										gewichtsanalytischen Gerbstoffbestimmungsmethode analysirt, ist in den meisten
                                 										Fallen thatsächlich nicht so gross, als man wohl meist angenommen hat, – aber
                                 										nur unter der Voraussetzung, dass man die Brühen durch wiederholtes Eindampfen
                                 										und Wiederaufnehmen mit Wasser vor der Ermittelung des Gesammtrückstandes und
                                 										vor dem Schütteln mit Hautpulver von dem grössten Theile der freien Säuren
                                 										befreit hat. Wir sehen ferner, dass die allgemein verbreitete Annahme, dass
                              									man bei Gegenwart freier Säuren mit Hilfe der Gewichtsanalyse durchgängig zu hohe
                              									Zahlen für die gerbenden Substanzen finden muss, nicht richtig ist. Aus meiner
                              									Versuchsreihe geht hervor, dass bei Gegenwart von viel Gerbstoff, gleichgültig ob
                              									viel oder wenig Säure vorhanden ist (Versuch I und II), etwas zu hohe
                              									Gerbstoffzahlen gefunden werden, und zwar um so höher, je höher der Säuregehalt ist.
                              									Ist dagegen der Gehalt der Brühen an Gerbstoff gering (Versuch III und IV), so wird
                              									derselbe bei Gegenwart freier Säuren niedriger gefunden, als derselbe thatsächlich
                              									ist, und zwar um so niedriger, je höher der Säuregehalt ist. Es ist zunächst
                              									auffallend, dass in manchen Fällen bei Gegenwart von Säure weniger Gerbstoff
                              									gefunden wird, als wirklich vorhanden ist, während man im Allgemeinen doch erwarten
                              									muss, dass wegen der Säureabsorption seitens der Haut mehr Gerbstoff gefunden werden
                              									müsste. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich aber leicht erklären; bei dem
                              									Schütteln der säurehaltigen Gerbebrühen wird nämlich nicht unwesentlich mehr
                              									Hautsubstanz in Lösung gehen als bei dem blinden Versuch, bei welchem zur
                              									Ermittelung der organischen löslichen Hautsubstanz das Hautpulver mit reinem Wasser
                              									geschüttelt wird. Man wird also bei Abzug der organischen löslichen Hautsubstanz zu
                              									wenig abziehen und mithin die Menge der Nichtgerbstoffe zu hoch und den Gehalt an
                              									Gerbstoff zu niedrig finden. Wir haben hier also eine Fehlerquelle, welche
                              									derjenigen der Säureabsorption entgegengesetzt wirkt und diese unter Umständen
                              									aufheben kann, auf jeden Fall dieselbe aber vermindert. Bei Gegenwart von viel
                              									Gerbstoff, gleichgültig, ob wenig oder viel Säure vorhanden ist, wird die
                              									Säureabsorption einen grösseren Fehler verursachen als der andere, oben erwähnte
                              									Umstand, und in Folge dessen erhält man bei der Gewichtsanalyse etwas zu hohe
                              									Gerbstoffzahlen. Enthalten die Gerbebrühen dagegen wenig Gerbstoff, so wird bei
                              									Gegenwart von Säure dieselbe nicht unwesentlich mehr Hautsubstanz in Lösung bringen;
                              									der dadurch hervorgerufene Fehler ist grösser als der durch die Säureabsorption
                              									seitens der Haut entstandene und bedingt, dass der Gerbstoffgehalt etwas zu niedrig
                              									gefunden werden muss.
                           Im Allgemeinen weichen die bei Gegenwart freier Säuren gefundenen Gehalte an
                              									gerbenden Substanzen nur wenig von den bei Abwesenheit von Säuren ermittelten Zahlen
                              									ab – wenigstens sind die absoluten Abweichungen fast
                              									als minimale zu bezeichnen, da sie nur einige
                              									Hundertstel Procente betragen. Nur in dem extremen Falle bei Versuch IV (wenig
                              									Gerbstoff und viel Säure) ist die Abweichung eine relativ hohe – aber ein derartiges Verhältniss zwischen Gerbstoff und
                              									Säure tritt in Gerbebrühen nur selten auf; wenigstens habe ich unter einer grossen
                              									Anzahl von Gerbebrühen, die im hiesigen Gerberschullaboratorium analysirt worden
                              									sind, nur eine verschwindend kleine Zahl gefunden, welche so gerbstoffarm waren. Meerkatz gibt allerdings in der oben citirten Arbeit
                              									eine Reihe von Analysen von Gerbebrühen an, in welchen er noch viel geringere
                              									Gerbstoffmengen gefunden hat. Dagegen ist aber einzuwenden, dass Meerkatz die Säuren in den Brühen durch einen
                              									Ueberschuss von Bariumcarbonat neutralisirt hat, wodurch, wie Bartel nachgewiesen, wesentliche Verluste an Gerbstoff
                              									entstehen; daher erklären sich die niedrigen Gerbstoffgehalte der von Meerkatz aufgeführten Gerbebrühen.
                           Die mitgetheilten Versuche haben die Gewissheit verschafft, dass sich die indirect
                              									gewichtsanalytische Gerbstoffbestimmungsmethode sehr gut zur Untersuchung von sauren
                              									Brühen eignet, wenn man den flüchtigen Antheil der Säuren vor der Analyse durch
                              									wiederholtes Eindampfen der Brühen entfernt. Nachdem diese Gewissheit erlangt worden
                              									war, sind im Tharander Gerbereilaboratorium und im hiesigen Gerberschullaboratorium
                              									die Gerbebrühen stets nach dieser Methode untersucht worden; die dabei erzielte
                              									Genauigkeit ist entschieden für die Controle in Gerbereibetrieben vollständig
                              									genügend und grösser als bei der Titration nach Löwenthal'scher Methode oder als bei der Meerkatz'schen Methode.