| Titel: | Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei. | 
| Autor: | Johannes Pässler | 
| Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 67 | 
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                        Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der
                           Gerberei.
                        Von Dr. Johannes
                                 Pässler in Freiberg i. S.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 40 d.
                           Bd.)
                        Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei.
                        
                     
                        
                           C. Die Weiche und das Wässern.
                           Während früher unter den Gerbern allgemein die falsche Ansicht verbreitet war, dass
                              das Weichwasser um so besser sei, je älter und je mehr es mit Fäulnisstoffen
                              angefüllt wäre, hat jetzt grösstentheils dieser irrigen Meinung die richtige Platz
                              gemacht, dass beim Weichen stets für frisches Wasser und für möglichst oftmalige
                              Entfernung der leicht in Zersetzung übergehenden Producte Sorge zu tragen ist. In
                              manchen Betrieben ist man schon zu der richtigen Erkenntniss gelangt, dass in der
                              Weiche durch Zusatz von geringen Mengen antiseptischer Mittel jeder Fäulniss
                              energisch vorgebeugt werden soll.
                           
                        
                           D. Schwitze.
                           Ursprünglich wurden diejenigen Häute, die zu schwerem Sohlleder verarbeitet werden
                              sollen, durch die kalte Schwitze (sogen. Selbstschwitze) zur Enthaarung (zum Peelen)
                              vorbereitet. Da nach dieser Methode die Haare nur nach längerer Zeit und dann noch
                              schwer gingen, so änderte man das Schwitzverfahren mehrfach ab und führte die
                              trockene Schwitze, die Kaltwasserschwitze und die Dampfschwitze ein, von welchen
                              sich namentlich die beiden letzteren in der Praxis recht gut bewährt haben; bei der
                              Dampfschwitze ist jedoch sorgfältig darauf zu achten, dass die Haut selbst nicht zu
                              stark angegriffen wird.
                           
                        
                           E. Aescher.
                           (Enthaarung mit Kalk u.s.w.)
                           Früher geschah die Vorbereitung zur Enthaarung ausser in der Schwitze für die meisten
                              Lederarten im Kalkäscher, welcher aus einer Kalkmilch besteht, und der zur
                              Erreichung stärkerer Effecte zuweilen durch Zusatz von Soda oder Potasche
                              bezieh. Holzasche verschärft wurde. Um die Wirkung des Aeschers noch zu
                              beschleunigen, hat man im Laufe der Zeit zum Theil mit Erfolg versucht, demselben
                              andere Substanzen zuzusetzen, unter welchen vor allen Dingen Schwefelalkalien
                              (Schwefelnatrium) und solche Producte, die Schwefelalkalien enthalten, ferner
                              Schwefelarsenverbindungen gehören. Diese Verbindungen werden entweder direct dem
                              Aescher zugesetzt oder mit einem dicken Kalkbrei verrührt, welches Gemisch (die
                              sogen. „Schwöde“) auf die Fleisch- oder Haarseite der Häute aufgetragen wird.
                              Der Zusatz von Schwefelarsen in den Aescher hat sich namentlich bei stark
                              aufgetrockneten Häuten, welche schwer erweichen wollen, wie bei den Kipsen, bewährt.
                              Die Wirkung des Schwefelarsens hat SadlonDer Gerber, 1891
                                    S. 284. ausführlich besprochen. Die Enthaarung unter Anwendung
                              von Schwefelnatrium befördert den Process ausserordentlich, so dass man derartig
                              behandelte Häute schon nach 12 bis 24 Stunden haaren kann; derselbe muss aber mit
                              grosser Vorsicht ausgeführt werden, damit die Häute nicht Schaden erleiden. Der Gas-
                              oder GrünkalkD. p. J. 1839 72
                                    455., welcher wegen seiner enthaarenden Eigenschaften früher
                              vielfach als Enthaarungsmittel verwendet wurde, ist jetzt aus der Gerberei fast
                              vollständig verschwunden, weil derselbe in Folge Aenderung des Reinigungsverfahrens
                              in den Gasfabriken kaum noch zu haben ist.
                           
                        
                           F. Beize.
                           Die Beize, welche aus den geäscherten Häuten hauptsächlichst den Kalk entfernen soll,
                              hat sich weniger durchgreifender Neuerungen zu erfreuen, trotzdem gerade auf diesem
                              Gebiete viele Vorschläge, z.B. ein Ersatz der unsauberen Kotbäder, gemacht worden
                              sind. Viele der neueren Verfahren bewährten sich entweder nicht, oder hatten andere
                              Nachtheile. So wollte TurnbullD. p. J. 1845 97 60. 1846 99
                                    240. den Kalk aus den Häuten durch Maceration mit schwachen
                              Zuckerlösungen entfernen, welche Methode wegen ihrer Kostspieligkeit aber nie in die
                              Praxis übergegangen ist. Bauer und GyikettaD. R. P.
                                    Nr. 579. schlagen das Borol, welches durch Zusammenschmelzen von
                              Borsäure und Natriumbisulfat erhalten wird, als Entkalkungsmittel vor. Es ist jedoch
                              nicht anzunehmen, dass diese Substanz kalklösend wirkt, worauf auch Eitner hinweist. Möglicher Weise könnte das Borol,
                              dessen fäulnisswidrige Eigenschaften von den Autoren hervorgehoben werden, eine
                              dankbarere Rolle als mildes Antisepticum in der Gerberei spielen. Eine grössere
                              Beachtung verdient entschieden die Kresotinsäure, welche von HauffJ. Hauff, Anleitung zum Entkalken aller Arten von
                                       Häuten und Fellen mittels Kresotinsäure. Stuttgart 1889, Carl
                                    Liebich. sowohl zum Entkalken als auch zum Schwellen empfohlen
                              wird. Die Hauptvortheile der Kresotinsäure liegen darin, dass dieselbe in Folge
                              ihrer Schwerlöslichkeit nie in schädlichem Uebermaasse angewandt werden kann, und
                              dass ihre Wiedergewinnung stets möglich ist. Grundlegende Studien über die Wirkung
                              der Beize liegen bis jetzt nicht vor.
                           
                        
                           G. Lederbildung und Gerbeverfahren.
                           
                              a) Lohgerberei.
                              Ueber die Vorgänge bei der Lederbildung sind die Ansichten der Theoretiker und
                                 Praktiker noch sehr getheilt; namentlich stehen sich, wie auch schon
                                 erwähnt, die Knapp'sche und die Muntz'sche Theorie über die Lederbildung sehr
                                 schroff gegenüber. Während Knapp sagt, dass Leder
                                 aus mehr oder weniger isolirten Fasern der Bindegewebssubstanz besteht, die
                                 durch Zwischenlagerung der heterogensten Substanzen (pflanzliche Gerbstoffe,
                                 Fette, Salze u. dgl.) verhindert werden, beim Trocknen zusammenzukleben, stellt
                                 Muntz dasselbe als eine chemische Verbindung
                                 hin. Alle neueren Untersuchungen auf diesem Gebiete sprechen für die Richtigkeit
                                 der Knapp'schen Ansicht, welche auch in einer
                                 Arbeit v. Schroeder's und des Berichterstatters „Ueber die Gerbstoffabsorption der
                                       Haut“D. p. J. 1892 284 256 und 288. vertreten wird. Die
                                 Untersuchungsresultate dieser Autoren sprechen dafür, dass man es bei der
                                 Aufnahme des Gerbstoffes, speciell des pflanzlichen Gerbstoffes, mit
                                 physikalischen Processen zu thun hat. Es ergab sich bei diesen Untersuchungen
                                 ferner, dass die Menge des Gerbstoffes, die auf der Haut in Folge von
                                 Flächenanziehung niedergeschlagen wird, wechselnd und von der Concentration der
                                 Gerbstofflösung abhängig ist; die Menge Gerbstoff, welche Haut aufzunehmen
                                 vermag, ist begrenzt und beträgt etwa 100 Proc. der trockenen Haut. Diese
                                 Maximalmenge kann nur in die Haut gebracht werden, wenn man bei der Gerbung
                                 zunächst mit schwächeren Lösungen beginnt und diese erst mit vorschreitender
                                 Gerbung allmählich verstärkt. Diese eben referirte Arbeit wird von KnappD. p. J. 1892 286 93. angegriffen, was zu einer Polemik über
                                 diesen Gegenstand führt.D. p. J. 1893 287 43, 238, 239. 288
                                       143.
                              Die Frage der Hautzersetzung beim Gerbeprocess in der Lohgerberei ist schon von
                                 Muntz ventilirt und dahin beantwortet worden,
                                 dass dieselben ziemlich bedeutend seien, v.
                                    Schroeder und der BerichterstatterD. p. J. 1893 289 137, 210 und 229. wiederholten
                                 diese Versuche, verwendeten aber im Gegensatz zu Muntz, welcher nur kleine Hautstückchen gerbte und deswegen zu
                                 unzuverlässigen Ergebnissen gelangen musste, ganze Blössen. Diese Autoren
                                 stellten drei Gerbeversuche an, und zwar mit einer geschwitzten Rindsblösse
                                 (Sohlleder), mit einer Rossblösse und mit drei Kalbsblössen, und als Resultat
                                 derselben ergab sich, dass beim eigentlichen Gerbeprocess, in den Farben,
                                 Versenken und Gruben bei regelmässigem Gange der Gerbung grössere Verluste durch
                                 Zersetzung von Hautsubstanz nicht stattfinden. Die Möglichkeit geringer
                                 Zersetzungen lässt sich auf keinen Fall bestreiten; die Untersuchungen sprechen
                                 sogar dafür, dass solche geringe Hautzersetzungen beim eigentlichen Gerbeprocess
                                 regelmässig vor sich gehen, und dass diese Zersetzungen in der Sohlledergerberei
                                 etwas grösser sind als in der Oberledergerberei; diese grösseren Verluste in der
                                 Sohlledergerberei erklären die Verfasser damit, dass durch die wesentlich
                                 langsamere Angerbung der Sohlleder in den Schwellfarben und durch die längere
                                 Dauer des ganzen Gerbeprocesses leichter Hautzersetzungen eintreten können.
                              Von allen Zweigen der Gerberei hat entschieden die Lohgerberei die grössten und
                                 mannigfachsten Wandlungen im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts erfahren. Zu
                                 diesen vielseitigen Aenderungen im alten Verfahren, mit welchem bei richtiger
                                 Handhabung unbestritten vorzügliche Qualitäten hergestellt werden, führte immer das
                                 Bestreben, den Gerbeprocess, welcher früher nicht nur Monate, sondern Jahre lang
                                 währte, möglichst abzukürzen. Dieses Bestreben ist in der Neuzeit in das Extrem
                                 übergeschlagen und man spricht jetzt nicht nur von Schnell- und
                                 Rapidgerbeverfahren, sondern sogar von Momentgerbeverfahren, nach welchen man
                                 die schwersten Leder in wenigen Tagen oder gar in einigen Stunden gar machen
                                 will.
                              Es ist entschieden anzuerkennen, dass man den übermässig langen Gerbeprocess, wie
                                 man ihn früher durchführte, abkürzen will, aber man muss dabei stets im Auge
                                 behalten, dass man mit der Abkürzung der Gerbedauer nicht die Qualität des
                                 Leders verschlechtern darf. Es ist möglich, bei richtiger Beobachtung und
                                 Anwendung der Principien der Lohgerberei die Gerbedauer gegenüber dem
                                 ursprünglichen Verfahren wesentlich herabzusetzen, ohne dass die Qualität eine
                                 merkliche Einbusse erleidet. Werden diese letzten beiden Bedingungen erfüllt, so
                                 ist dies erst als ein Fortschritt zu betrachten; während die Rapidgerbung bei
                                 gleichzeitiger Erzeugung schlechter Waare als ein Missgriff und als eine
                                 Verschwendung der kostbaren Rohmaterialien zu bezeichnen ist.
                              Bevor wir an eine Aufzählung der wichtigsten bis jetzt vorgeschlagenen Methoden
                                 gehen, wollen wir erst die Mängel, der alten Methode beleuchten, durch deren
                                 Beseitigung nicht nur die Gerbedauer verkürzt, sondern zugleich dieselbe
                                 Qualität erzeugt und vor allem auch an Gerbmaterial gespart werden soll. Der
                                 Hauptgrundsatz der Lohgerberei ist immer der, dass die Häute nach genügender
                                 Vorbereitung zunächst in schwache Gerbebrühen und in demselben Maasse als die
                                 Gerbung vorschreitet in stärkere Brühen gelangen sollen. Gegen diese Grundregel
                                 wird vor allem bei dem alten Verfahren verstossen, bei welchem man die Leder mit
                                 Brühen gleicher Concentration zu lange stehen lässt, z.B. im Satz, in welchem
                                 die Leder zuweilen 6, 8 Monate und noch länger stehen; der kaltlösliche
                                 Gerbstoff ist vom Leder aufgebraucht und das Leder steht ohne jeden wesentlichen
                                 Nutzen so lange im Satz. Ferner ist meistens der Uebergang von den Farben zum
                                 Satz zu unvermittelt; es lässt sich hier durch Einreihung eines Versenkes viel
                                 erreichen, welches gewissermaassen ein Mittelding zwischen Farbe und Satz (mehr
                                 Lohe als die Farbe und weniger Lohe als der Satz auf ein gleiches Quantum Brühe)
                                 ist. Ausserdem sollen die Sätze nicht mit Wasser oder schwacher Sauerbrühe
                                 abgetränkt werden, sondern mit gerbstoffhaltigen Brühen, die durch rationelle
                                 Extraction von Satzlohen, frischen Lohen oder durch Auflösen von käuflichen
                                 Gerbstoffextracten erhalten werden. Will man in der Herabsetzung der Gerbedauer
                                 noch weiter gehen und die allmähliche stetige Steigerung des Gerbstoffgehaltes
                                 in den Brühen noch besser durchführen, so muss man das Versetzen ganz in Wegfall
                                 bringen und das Leder lediglich in Farben oder in Farben und Versenken
                                 ausgerben. Es ist dies ein Verfahren, welches sich jedoch nicht zur Herstellung
                                 guter Qualitäten Sohlleders, sondern mehr für schwächere, weniger starre
                                 Lederarten eignet. Das ursprüngliche Verfahren, nur in Brühen zu gerben, also
                                 die sogen. „Brühengerbung“, rührt von SéguinAnnales de Chimie, Bd. 20 S. 15 bis
                                       77. her, welcher dasselbe zuerst am Ende des vorigen Jahrhunderts
                                 vorschlug; man hat es später, in neuester Zeit besonders in England und
                                 Amerika, wesentlich umgeändert und verbessert.
                              In den letzten Jahrzehnten begnügte man sich aber nicht mit den bei der
                                 Brühengerbung erhaltenen Resultaten, sondern man wollte den Gerbeprocess noch
                                 weiter beschleunigen durch Anwendung der verschiedensten mechanischen und
                                 chemischen Mittel, unter welchen namentlich die Bewegung und die Elektricität
                                 eine hervorragende Rolle spielen. Was die Bewegung anbelangt, so kann bei
                                 richtiger Anwendung derselben der Gerbeprocess wesentlich abgekürzt werden, weil
                                 dadurch der Austausch der innerhalb und ausserhalb der Haut befindlichen Brühen
                                 bedeutend befördert wird; es kann aber auch bei unrationeller Benutzung dieses
                                 Hilfsmittels sehr viel Schaden angerichtet werden, wie viele Erfahrungen aus der
                                 Praxis beweisen. Man muss sich vor allen Dingen klar werden, wo, wann und wie
                                 Bewegung anzuwenden ist, und hierzu ist zu bemerken, dass bei allen Lederarten,
                                 die eine gewisse Starrheit und Steifigkeit besitzen sollen, also bei allen
                                 starken Sohlledern, Bewegung zur Beförderung des Gerbeprocesses vermieden werden
                                 soll, während bei der Herstellung von schwächeren Ledern, namentlich bei
                                 Oberledern, die Bewegung sehr fördernd wirkt. Die Häute sollen nicht von Anfang
                                 an zu stark bewegt, sondern erst auf gewöhnliche Weise angegerbt und dann bei
                                 allmählicher Brühsteigerung und entsprechender Bewegung weiter und zu Ende
                                 gegerbt werden. Ferner soll die Bewegung derartig sein, dass die Häute nicht an
                                 ihrer Festigkeit Einbusse erleiden; die Bewegung darf demnach keine zu
                                 übermässige sein, sondern nur so, dass für eine stetige, vollständige
                                 Durchmischung der Brühe gesorgt wird. Inwiefern diese Bedingungen bei den
                                 verschiedenen Schnellgerbemethoden erfüllt werden, soll bei der weiter unten
                                 folgenden kritischen Aufzählung dieser Methoden besprochen werden. Welche Rolle
                                 die Elektricität bei dem Gerbeprocesse spielt, ist vorläufig noch nicht
                                 definitiv erwiesen, wahrscheinlich ist dieselbe ohne wesentlichen Nutzen für den
                                 Aufnahmeprocess des Gerbstoffes und stellt nur eine überflüssige Zugabe dar. Auf
                                 welche Art und Weise der elektrische Strom in der Gerberei verwendet wird,
                                 werden wir weiter unten bei der Besprechung der einzelnen Verfahren kennen
                                 lernen. Zur Beschleunigung des Gerbeprocesses sind von manchen Seiten auch
                                 Zusätze verschiedener Chemikalien empfohlen worden, deren Anwendung meist aber
                                 mehr Schaden wie Nutzen bringt.
                              Wie erwähnt, wurden die ersten grösseren Versuche mit der Gerbung in Brühen von
                                 Séguin unternommen, welcher jedoch nach seiner
                                 Methode zunächst Producte von sehr zweifelhafter Qualität erzielte. In neuerer
                                 Zeit ist das Verfahren der Brühengerbung wesentlich verbessert worden und
                                 dementsprechend sind auch die dadurch hergestellten Leder besser geworden. Vor
                                 allen Dingen ist man vielfach zu einer geeigneten Combination der Brühengerbung
                                 mit der Grubengerbung übergegangen und hat damit die Gerbedauer wesentlich
                                 abgekürzt. Zur Herstellung der für die Brühengerbung erforderlichen Brühen
                                 werden entweder die käuflichen Gerbeextracte direct aufgelöst oder der Gerber
                                 extrahirt sich die Gerbmaterialien selbst.
                              Zur Extraction der Gerbmaterialien sind die verschiedensten Apparate und Systeme
                                 vorgeschlagen worden, deren vollständige Aufzählung hier zu weit führen
                                 würde.
                              
                              Theilweise ist die Extraction eine sehr unrationelle und in Folge dessen die
                                 Ausnutzung der Gerbmaterialien eine sehr unvollständige. Die beste Extraction
                                 wird erreicht, wenn die zerkleinerten Gerbmaterialien in einem System von
                                 Gefässen mit Durchführung des Gegenstromprincipes unter Anwendung von Kochhitze
                                 extrahirt werden; man erhält hierbei starke Brühen unter gleichzeitiger guter
                                 Ausnutzung des Gerbstoffgehaltes. Derartige Extractionssysteme besitzen grosse
                                 Aehnlichkeit mit den Diffusionsbatterien der Zuckerfabriken und liefern bei der
                                 Wahl des richtigen Verhältnisses zwischen Gerbmaterial und Flüssigkeit gute
                                 Resultate. Bei solchen Extractionssystemen ist es nothwendig, dass die schon
                                 mehrmals mit Brühen behandelten Gerbmaterialien vor allen Dingen zuletzt
                                 wiederholt mit schwachen Brühen oder Wasser zur besseren Auslaugung längere Zeit
                                 gekocht werden, während das frische Material mit den stärkeren Brühen möglichst
                                 bei niederer Temperatur behandelt werden soll, damit die für den Gerbeprocess
                                 vortheilhaften, auf dem Gerbmaterial befindlichen Gährungserreger nicht durch
                                 die Kochhitze vernichtet werden. Sehr vortheilhaft erweisen sich auch
                                 Extractoren, in welchen man das zu extrahirende Material mit der Flüssigkeit
                                 unter Dampfdruck von einigen Atmosphären erhitzen kann. Uebrigens werden jetzt
                                 derartige Extractionssysteme auch zur Auslaugung von solchen Gerbmaterialien
                                 verwendet, die aus den Farben, Versenken oder Sätzen noch mit einem nicht
                                 unbedeutenden Gerbstoffgehalt kommen und früher meistens nicht mehr auf
                                 Gerbstoff genutzt wurden. Leider wird bis jetzt immer noch eine viel zu grosse
                                 Menge Gerbstoff in den gebrauchten Gerbmaterialien in denjenigen Gerbereien
                                 weggeworfen, welche lediglich noch nach altem Verfahren arbeiten und ihre
                                 Gerbstoffe nach dem Gebrauch gar nicht mehr oder nur kalt, und dies auf
                                 unrationelle Weise, auslaugen. Durch allgemeine Einführung guter
                                 Extractionsverfahren könnte noch viel Gerbstoff nutzbar gemacht werden. Man hat
                                 auch versucht, zur Herstellung von starken Brühen bei der Extraction dem Wasser
                                 gewisse Chemikalien zuzusetzen, welche die Gerbstoffe leichter in Lösung bringen
                                 sollen; so schlug Mitscherlich Calciumbisulfit und
                                 Sadlon Borax vor, welch letzterer auch bewirken
                                 sollte, dass derartige Brühen viel rascher in die Haut eindringen als
                                 gewöhnliche Gerbbrühen. Diese Verfahren haben jedoch keine Verbreitung in der
                                 Praxis gefunden.
                              Die auf oben beschriebene Weise erhaltenen Brühen können nicht ohne weiteres zum
                                 Gerben verwendet werden, sondern es muss deren Stärke bezieh. ihr
                                 Gerbstoffgehalt maassgebend für ihre Verwendung sein. Der Gerber muss bei
                                 Anwendung der Brühengerbung ein ganz geordnetes Brühensystem einrichten und wird
                                 sich für diesen Zweck bei der Extraction möglichst starke Brühen herzustellen
                                 suchen, die er nach Bedarf dann beliebig verdünnen kann. Der Mangel eines
                                 solchen geregelten Systems ist eben meist Ursache der mit der Brühengerbung
                                 erhaltenen, oft schlechten Resultate gewesen; es ist dann gegen den erwähnten
                                 alten Grundsatz verstossen worden, dass man mit schwachen Brühen angerben und
                                 erst nach und nach eine allmähliche Steigerung der Brühenstärken stattfinden
                                 lassen soll. Jedes zu schnelle Vorgehen muss unfehlbar zu schlechten Resultaten
                                 führen. Der häufige Verstoss gegen diese Grundregeln hat die in Brühen gegerbten
                                 Leder in einen Ruf gebracht, welcher schlechter ist, als sie es verdienen.
                              Durch die Anwendung der Brühengerbung, welche sich namentlich in England und
                                 Amerika viele Anhänger verschaffte, wurde die Gerbedauer bedeutend herabgesetzt,
                                 wenn auch zugestanden werden muss, theilweise auf
                                 Kosten der Qualität des Leders. Das Streben nach weiterer Abkürzung der
                                 Gerbedauer ruhte jedoch nicht und schuf immer neue Verfahren, welche sich aber
                                 wegen ihrer Kostspieligkeit oder sonstiger Nachtheile meist in der Praxis nicht
                                 bewährt haben, so dass dieselben wohl ausser vom Erfinder kaum von anderer Seite
                                 praktisch ausgeübt werden. Man ging bei diesen neuen Verfahren immer von dem
                                 Bestreben aus, die Berührung der Gerbebrühen mit dem Hautmateriale möglichst
                                 innig zu machen und das Eindringen der Flüssigkeit in die Haut zu befördern; so
                                 presst SpilsburyD. p. J. 1824
                                       13 342. 1826 20 107. 1832 46 155. die
                                 Gerbebrühen durch hydrostatischen Druck durch die zwischen Rahmen gespannten
                                 Häute; in ähnlicher Weise drückt HannoyeD. p. J. 1843
                                       87 157. in einer Art Real'scher Presse die Gerbebrühen durch die Häute.
                                 FletscherD. p. J. 1824 15 310. legt die Häute in die in
                                 einem hermetisch verschliessbaren Gefässe befindliche Brühe und treibt diese
                                 durch comprimirte Luft oder hydrostatischen Druck in die Poren. In ähnlicher
                                 Weise verfahren Knowlys und DuesburyD. p. J. 1827 25
                                       245. 1828 29 273., welche über der
                                 Brühe noch einen luftverdünnten Raum herstellen. Welchen Zweck übrigens die
                                 Luftverdünnung haben soll, ist nicht einzusehen; dieselbe hat auch praktisch
                                 keine Wirkung. DrakeD. p. J. 1832
                                       45 377. 46
                                       155. näht zwei Häute zu einem Sacke zusammen und füllt
                                 denselben mit Gerbebrühe an, wobei die durch die Blösse filtrirende Flüssigkeit
                                 die Haut gerbt; TurnbullD. p. J. 1845
                                       97 60. 1846 99
                                       240. lehnt sich an dieses Verfahren an, senkt aber die so
                                 hergestellten Säcke noch in Sumachbrühe ein. Diese letzten beiden Verfahren
                                 boten eigentlich nichts Neues, da im Orient die sumachgaren Ziegen- und
                                 Schaffelle schon seit den ältesten Zeiten auf diese Weise gegerbt werden.
                              Die maschinellen Einrichtungen und die Apparate für diese genannten und ähnliche
                                 Systeme sind meistens verhältnissmässig hoch im Preis oder diese Verfahren
                                 erfordern so viel Arbeit, dass ihre praktische Verwerthbarkeit dadurch
                                 vollständig in Frage gestellt wurde. Man suchte in Folge dessen durch Bewegung
                                 der Brühen den Gerbeprocess zu beschleunigen. Dieses Princip wurde zuerst von
                                 Herapath und CoxD. p. J. 1838 69
                                       39. 1839 71 483. 72 318. angewandt, welche etwa 50 Blössen zu einem
                                 endlosen Bande zusammenheften und dieses über Leitrollen durch die Gerbebrühen
                                 in stetiger Bewegung führen. Nach anderen Verfahren bewegt man nicht die Häute,
                                 sondern die Brühe, oder man bringt beide in lebhafte Bewegung; wieder andere
                                 Systeme unterwerfen das Hautmaterial noch einer mechanischen Bearbeitung in
                                 besonderen Walkapparaten und erhoffen dadurch eine ganz besonders günstige
                                 Wirkung. VauquelinD. p. J. 1840
                                       76 400. bearbeitet die Blössen
                                 täglich in warmer Gerbebrühe in einem Kasten mit Stampfen. SquireD. p. J. 1845 98
                                       145. bringt die Häute in eine langsam rotirende durchbrochene
                                 Trommel, welche durch Scheidewände in vier Räume getheilt ist und nahezu zur
                                 Hälfte in die
                                 Gerbebrühe eintaucht. Bei den Umdrehungen werden die Blössen aus der Brühe
                                 herausgehoben, verändern in Folge dessen immer ihre Lage und die Brühen werden
                                 gleichmässig durchmischt. Diese Art der Bewegung ist entschieden eine der
                                 rationellsten und geeignet, die Gerbedauer bedeutend abzukürzen. KnodererD. p. J. 1859 151 456. 1860 157
                                       388. gerbt in einer rotirenden evacuirten Trommel. KingD. p. J. 1881 230 71., welcher ebenfalls die Häute in
                                 Walktrommeln mit den Gerbebrühen rotiren lässt, ersetzt in den Brühen durch
                                 besondere Schöpfvorrichtungen beständig den von der Haut aufgenommenen
                                 Gerbstoff. CowburnD. R. P. Nr. 65945. gerbt die
                                 Häute in Kästen, welche in der Mitte auf Achsen und seitlich auf Stützfedern
                                 ruhen. Durch Maschinen antrieb lassen sich diese Kästen in schaukelartige
                                 Bewegung bringen, wodurch für eine stetige Bewegung der Brühe und der Häute
                                 gesorgt wird. ReinschD. R. P. Nr. 71014. hat sich ein
                                 Gerbeverfahren patentiren lassen, welches er als „Rieselgerbung“
                                 bezeichnet. Das Wesentliche dieser neuen Methode, bei der die Gerbezeit sehr
                                 kurz sein soll, besteht darin, dass die Gerbeflüssigkeit über die Häute, welche
                                 an einem schwach geneigten, mit Verticalrinnen versehenen Träger aufgehängt
                                 sind, geleitet wird und in einem stetigen Strome über beide Hautflächen
                                 herabrieselt. Dieses Verfahren ist nach den Angaben des Autors zunächst
                                 anwendbar auf alle gebräuchlichen Gerbstofflösungen, welche durch die Einwirkung
                                 der Luft chemisch nicht verändert werden, also für Alaun-, Eisen- und
                                 Chromgerbung. Für Lohgerbung empfiehlt Reinsch, den Gerbeprocess in einem abgeschlossenen
                                 Raume vorzunehmen, welcher mit einem indifferenten Gase gefüllt ist, wozu sich
                                 Kohlensäure am besten eignen würde. Reinsch stellt
                                 auch eine Calculation der Herstellungskosten des nach alter Methode und des nach
                                 seinem Verfahren hergestellten Leders auf, wobei die ersteren zu hoch und die
                                 letzteren entschieden zu niedrig angegeben sind. Für Lohgerbung würde sich das
                                 Reinsch'sche System wegen des Arbeitens in
                                 einer Kohlensäureatmosphäre zu hoch im Preise stellen, für Mineralgerbung,
                                 worauf wir noch weiter unten zurückkommen werden, liegen noch zu wenig
                                 praktische Erfahrungen vor.
                              Eine wesentliche Verbesserung des Squire'schen
                                 Verfahrens bietet das Patent von Dörr und ReinhartD.
                                       R. P. Nr. 72054.. Diese haben nach dem Principe der
                                 Fassgerbung einen zum Gerben von Fellen bestimmten Lohgerbeapparat construirt,
                                 in welchem bei der Rotation die Felle durch zweckmässig angebrachte Schaufeln
                                 stetig in eine neue Lage kommen und die Brühe fortwährend durchmischt wird.
                              Von chemischen Agentien sind zur Beschleunigung des Gerbeprocesses eine grosse
                                 Menge der verschiedensten Substanzen vorgeschlagen worden; zum Theil auch
                                 solche, welche in den Concentrationen, in denen sie verwendet werden sollen,
                                 recht nachtheilig auf die Qualität des Leders wirken können, wie z.B.
                                 doppeltchromsaures Kali, Ammoniak, kohlensaures Ammon, Soda, Schwefelsäure
                                 u.s.w. Diese Substanzen wirken wahrscheinlich beschleunigend auf den
                                 Gerbeprocess, indem sie die Diffusion der Brühen innerhalb und ausserhalb der
                                 Haut befördern; ebenso wirkt auch das Kochsalz, welches deswegen als Zusatz zu
                                 Gerbebrühen verwendet wird, aber den Nachtheil hat, dass die Leder weich
                                 werden. Alaun verwendet man jetzt, besonders in der Quebrachogerberei, für den
                                 gleichen Zweck. Nach HundD. R. P. Nr. 71759. sollen die
                                 Häute abwechselnd in eine Gerbstofflösung und in eine Chlorcalciumlösung oder
                                 direct in eine mit Chlorcalciumlösung versetzte Gerbstofflösung kommen; dieses
                                 Verfahren soll es auch ermöglichen, die Blössen direct in concentrirte Brühen
                                 einhängen zu können, und die Gerbedauer soll nur den zehnten Theil der
                                 ursprünglichen betragen. Das Chlorcalcium wirkt hierbei ebenso wie das
                                 Chlornatrium, wird aber das Leder noch weicher und hygroskopischer machen als
                                 dieses, weswegen in der Praxis das Hund'sche
                                 Verfahren kaum Verbreitung finden wird.
                              Wie in anderen Industriezweigen, so versuchte man auch in der Gerberei die
                                 Elektricität, welche ja auf manchen technischen Gebieten grossartige Umwälzungen
                                 hervorgerufen hat, für irgend welche Zwecke zu verwerthen, und glaubte vor allen
                                 Dingen durch Anwendung derselben die Gerbedauer abkürzen zu können, ohne sich
                                 zunächst darüber klar zu sein, ob und wie überhaupt die Elektricität dabei
                                 wirken könne. Es sind im Laufe der Jahre auch auf eine Anzahl Gerbe verfahren,
                                 bei welchen neben Elektricität zugleich Bewegung angewandt wird, Patente
                                 genommen worden; aber im Grossen und Ganzen sind die Hoffnungen, die man auf die
                                 Anwendung der Elektricität gestellt hatte, nicht in Erfüllung gegangen. Die
                                 verschiedenen elektrischen Gerbeverfahren sind wohl von einzelnen Betrieben
                                 angenommen, meistens aber wegen der schlechten Resultate oder wegen hoher
                                 Betriebskosten wieder fallen gelassen worden.
                              Der Engländer CrossEnglisches Patent Nr. 12618
                                       (1849). war der erste, welcher im J. 1849 die Elektricität in der
                                 Gerberei anwendete; derselbe leitete bei der gewöhnlichen Grubengerbung unter
                                 Benutzung von Blei- und Zinkplatten als Elektroden einen elektrischen Strom
                                 durch die Grube; in ähnlicher Weise verfahren Rebu,
                                 sowie de Merittens, von welchen der erstere seine
                                 Methode in England (im J. 1861) und der letztere in Russland (im J. 1874)
                                 patentiren liess. GoulardD. R. P. Nr. 27273., welcher die
                                 angebliche Beschleunigung des Gerbeprocesses durch den elektrischen Strom
                                 fälschlicher Weise der Zersetzung des Wassers in seine Bestandtheile und der
                                 Umwandelung des Stickstoffes in Ammoniak zuschrieb, liess durch den Gerbebottich
                                 einen elektrischen Strom gehen und schaltete dabei die Pole öfters um. Bei
                                 diesen angeführten Verfahren wurden fast nur schwache Ströme, ohne gleichzeitige
                                 Bewegung der Flüssigkeit oder Häute, angewendet. Eine wesentliche Beschleunigung
                                 des Gerbeprocesses hat hier wohl kaum stattgefunden, wenigstens gilt dieselbe
                                 nicht als erwiesen; diese Verfahren sind auch nie in grösserem Maasstabe in
                                 Betrieb gewesen.
                              Von den Verfahren, bei welchen neben der Elektricität zugleich auch Bewegung in
                                 Betracht kommt, haben namentlich zwei viel Aufsehen erregt, und zwar das
                                 Verfahren von Worms und BaléD. R. P. Nr.
                                       45516. und das von Groth.Application of
                                          Electricity to Tanning. By L. A.
                                          Groth London 1893, Tokenhouse Buildings 3. D. R. P. Nr.
                                       63305. Die Patente von PieperD. R. P. Nr.
                                       56948. und von Nichelson und PalmerEnglisches Patent Nr. 9776 (1889). beruhen auf ähnlichen
                                 Principien, haben sich aber keinen Eingang in die Praxis verschafft. Bei dem
                                 Verfahren nach Worms und Balé werden grosse Walkfässer verwendet, deren Böden auf der Innen-
                                 und Aussenseite Kupferreifen tragen, die wiederum durch Kupferbolzen mit
                                 einander in Contact stehen. Die äusseren Reifen werden mit der
                                 Elektricitätsquelle verbunden und die inneren bilden dann die Elektroden. Zum
                                 Betriebe werden in das Walkfass aus Extracten hergestellte Gerbebrühen von 4 bis
                                 5° Be. (finden Beginn also ausserordentlich stark), Terpentinöl und die Häute
                                 eingegeben und hierauf wird während der Rotation etwa 18 Stunden lang ein Strom
                                 von 7 bis 8 Ampère und 40 bis 50 Volt durch geleitet. Danach wird die Gerbung im
                                 rotirenden Fasse ohne Elektricität unter Hinzugabe frischen Extractes vollendet.
                                 Innerhalb 96 Stunden sind nach den Angaben von Augenzeugen selbst die stärksten
                                 Rindshäute vollständig durchgegerbt. Bei dem System Groth werden feststehende Gerbegefässe verwendet, in welchen die an
                                 drehbaren Rahmen befestigten Häute bewegt werden können. Als Elektroden sind an
                                 gegenüberliegenden Gefässwandungen Kupferplatten angebracht. Die verwendeten
                                 Brühen werden ziemlich schwach gehalten und nur allmählich bis auf 2,5° Bé.
                                 verstärkt. Der elektrische Strom, dessen Stärke sich ebenso wie die Bewegung
                                 selbst nach der Beschaffenheit der Häute richtet, wird nur zeitweise
                                 durchgeleitet. Kalbfelle werden nach diesem System in 10 bis 14 Tagen und
                                 schwere Häute in 4 bis 6 Wochen fertig gegerbt. Die Gerbezeit ist also hier
                                 wesentlich länger als bei dem Verfahren von Worms
                                 und Balé. Die nach System Groth hergestellten Leder sind nach dem Urtheile von Fachleuten von
                                 guter Qualität; eine andere Frage, die jetzt erörtert werden soll, ist die, ob
                                 nicht unter Weglassung der Elektricität das gleiche Resultat erzielt werden
                                 kann.
                              Versuche, die Wirkung der Elektricität auf den Verlauf des Gerbeprocesses zu
                                 erklären, sind von verschiedenen Seiten gemacht worden, so z.B. von Thompson, welcher sich dahin äussert, dass der
                                 elektrische Strom die Poren der Haut öffnet, den Gerbstoff hineintreibe und die
                                 active chemische Energie der Gerbstoffe erhöhe. Es sind dies aber nur leere
                                 Redensarten, welche ohne jeden praktischen und theoretischen Werth sind.
                                 Eingehendere Studien über die Wirkung der Elektricität betrieben Rideal und TrotterSociety of Chemical Industry, April
                                       1891., ohne jedoch zu einem spruchreifen Resultate zu kommen.
                                 Bei Anstellung ihrer Versuche und bei den Schlussfolgerungen aus ihren
                                 Resultaten sind diese Forscher von falschen Voraussetzungen ausgegangen,
                                 weswegen ihre Ergebnisse, nach welchen die Elektricität den Gerbeprocess
                                 wesentlich abkürzen soll, gar nichts beweisen. Den besten Aufschluss darüber, ob
                                 die Elektricität beschleunigend auf den Gerbeprocess wirkt, können nur
                                 Gerbeversuche geben, bei welchen mit und ohne Elektricität unter sonst vollständig gleichen
                                 Bedingungen gearbeitet wird. Derartige Versuche sind von verschiedenen Seiten
                                 ausgeführt worden und eigentlich immer mit dem Resultat, dass die Elektricität
                                 nahezu ohne jeden Einfluss, die Bewegung dagegen die Ursache der Beschleunigung
                                 ist. Sadlon wies bereits 1880 in Petersburg und ein
                                 anderer 1889 in New York nach, dass bei dem Verfahren von Worms und Balé die
                                 Elektricität ohne Einwirkung auf die Gerbedauer und auf die Qualität des
                                 Leders ist. Ein Gleiches hat Bögh, welcher im
                                 Auftrage des Dänischen Gerbervereins derartige Versuche ausführte, für das Groth'sche System nachgewiesen. EitnerDer Gerber, 1888 S. 173. 1894 S. 13, 25 und
                                       37., der bei seinen Versuchen zu demselben negativen Resultat
                                 kam, hat sich wiederholt dahin ausgesprochen, dass bei den verschiedenen sogen.
                                 elektrischen Gerbesystemen die Elektricität vollständig überflüssig sei und die
                                 Abkürzung der Gerbedauer lediglich der Bewegung zugeschrieben werden müsse. Man
                                 kann diese Urtheile vielleicht noch dahin abschwächen: Die Elektricität ist
                                 vielleicht nicht ohne jeden Einfluss auf die Gerbedauer, derselbe ist aber
                                 entschieden so gering, dass es sich nicht lohnt, die Elektricität in der
                                 Gerberei einzuführen, weil man mit Bewegung viel mehr erzielen kann.
                              Eine Neuerung in der Verwendung der Elektricität, welche auch patentirt worden
                                 ist, schlägt FinotD. R. P. Nr. 72053. vor.
                                 Derselbe leitet durch das lebhaft bewegte Gerbebad bei einer Temperatur von 25
                                 bis 30° C. ausser dem elektrischen Strom auch noch einen Kohlensäurestrom, durch
                                 welche Combination eine schwere Ochsenhaut in etwa 250 Stunden vollständig
                                 durchgegerbt sein soll. Versuche in grösserem Maasstabe sind mit diesem
                                 Verfahren, welches sich ziemlich kostspielig stellen dürfte, nicht gemacht
                                 worden.
                              
                                 
                                    (Schluss folgt.)