| Titel: | Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Halbjahre 1895. | 
| Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 110 | 
| Download: | XML | 
                     
                     
                        Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem
                           ersten Halbjahre 1895.
                        (Letzter Bericht Bd. 296 * S. 140 und
                           163.)
                        Mit Abbildungen.
                        Die Fortschritte der Zuckerindustrie in dem ersten Halbjahre
                           1895.
                        
                     
                        
                           1) Die Rübenzuckerfabrikation.
                           Auf die Wichtigkeit der Rübenculturversuche nicht nur für die Landwirthschaft allein,
                              sondern auch für die Zuckerindustrie haben wir bereits in dem BerichteD. p. J, 1895 296 140. über „Die Fortschritte der
                                 Rübenzuckerindustrie in den Jahren 1893 und 1894“ hingewiesen. Es nehmen
                              daher Düngungs- und Culturfragen auf den verschiedenen Versammlungen der Vereine für
                              Rübenzuckerindustrie einen hervorragenden Platz ein, ebenso wie man auch den
                              Rübenkrankheiten und der Rübensamenzucht grosse Aufmerksamkeit zuwendet. Strohmer, Briem und StiftOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für
                                       Zuckerindustrie und Landwirthschaft, 1895 XXIV 8. 25.
                              studirten den Einfluss des Ackerbodens auf die
                                 Samenproduction der Zuckerrübe und fanden, dass der Einfluss des Factors
                              Boden bei der Rübensamenproduction nicht nur in der Quantität und Qualität der
                              geernteten Samenknäule zur Geltung kommt, sondern auch in den aus diesen Samen
                              erwachsenen Rüben, also den ersten Nachkommen der Mutterrüben. DieselbenIbid. 1895 XXIV S. 279. stellten
                              auch weitere Untersuchungen über die Stoffbildung und den
                                 Nährstoffverbrauch der Zuckerrübe im zweiten Wachsthumsjahre an, welche die
                              Resultate früherer Versuche bestätigten und im heurigen Jahre ihre Fortsetzung in
                              normaler Ackererde finden sollen.
                           Ueber die Culturversuche mit Beta im Jahre 1894 und über
                                 Beobachtungen an Wildformen auf natürlichen Standorten liegen ausgedehnte
                              Untersuchungen von E. v. ProscowetzIbid. 1895 XXIV S. 227. vor, wobei
                              Beta maritima L. und Beta vulgaris S. zum Anbau kamen.
                           J. VychinskiBulletin de l'association des chimistes de sucrerie
                                       et distillerie, 1894/95 XII S. 383. hat über die Beziehungen zwischen dem Zuckerreichthum der Rübe
                                 und dem Blattcharakter zahlreiche Versuche angestellt und Beziehungen
                              bezüglich der Farbe der Blätter, der Anzahl ihrer Ringe (es sind hierbei die
                              concentrischen Ringe der Anhaftung der Blätter an die Wurzeln gemeint), ihrer
                              Anordnung und ihrer Formen zu dem Zuckergehalt der Rüben gefunden.
                           In eingehender Weise legt FrankZeitschrift des
                                       Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches, 1895
                                    XXXXV S. 157. die Resultate seiner neuen
                                 Untersuchungen über Phoma Betae nieder, eine Krankheit, durch welche der
                              deutsche Rübenbau in den letzten Jahren grosse Verluste erlitten hat. Frank studirte genau das Wesen und die Ursache der
                              Krankheit und kommt zu dem Schluss, dass Phoma Betae ein in den Rübenböden
                              wahrscheinlich sehr verbreiteter Pilz ist, der jedoch auf Böden mit genügender
                              Feuchtigkeit und in Jahren mit ausreichenden Niederschlägen für die Rübenpflanzen so
                              gut wie ungefährlich ist. Durch die weiteren Forschungen Frank's wurden auch die Lebensweise dieses Pilzes klargelegt und
                              diejenigen Bekämpfungsmittel in den Kreis der Untersuchungen gezogen, welche
                              Aussicht auf Erfolg haben und im Bereich praktischer Möglichkeit liegen. Auch HollrungZeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie
                                       des Deutschen Reiches, 1895 XXXXV S. 189.
                              beschäftigte sich mit dieser Pflanzenkrankheit, wie er überhaupt die im Jahre 1894 an der Zuckerrübe beobachteten
                                 Krankheitserscheinungen übersichtlich zusammengestellt hat. Von demselben
                              ForscherIbid. S.
                                    294. liegen auch weitere Versuche zur
                                 Bekämpfung der Rübenmüdigkeit durch Kalisalze vor, aus welchen hervorgeht,
                              dass die Kalidüngung unter gewissen Verhältnissen lindernd einzugreifen im Stande
                              sein wird; nicht angängig ist es jedoch, dieselbe als Specificum für die
                              Rübenmüdigkeit anzusprechen.
                           Betreffs des Wurzelbrandes, dieser weit verbreiteten
                              Rübenkrankheit, steht E. KarlsonIbid. S. 434. auf dem Standpunkte,
                              dass dieselbe einzig und allein durch parasitische Pilze hervorgerufen wird, deren
                              Sporen sich schon auf der Samenkapsel, wohin sie durch den Wind von dem
                              Rübensamenfelde oder auch von den benachbarten Feldern getragen werden, befinden.
                              Der Wurzelbrand ist eine Schwächlichkeits-, Entartungskrankheit der Rübe und eine
                              directe Folge forcirter Stecklingszucht im Zusammenhang mit der ganzen Richtung der
                              Samencultur aus Stecklingen, welche die natürlichen Bedürfnisse der Pflanze
                              unberücksichtigt lässt und einzig und allein auf die möglichst billige
                              Samenproduction gerichtet ist. Karlson plädirt daher
                              für rationelle Samenzucht.
                           Die von Karlson verfochtenen Ansichten dürften zu einer
                              Polemik, namentlich von Deutschland aus, führen.
                           Ueber Einmiethungsversuche mit Zuckerrüben liegen
                              Untersuchungen von H. ClaassenIbid. S. 204. vor, welche den Werth
                              der verschiedenen Einmiethungsverfahren in einwurfsfreier Weise darlegen. Bei der
                              Bedeutung und Wichtigkeit des Einmiethens der Rüben für die spätere Verarbeitung in
                              der Fabrik geben wir die von Claassen gefundenen
                              Resultate in ihren Hauptzügen wieder: Ueberall, wo Regen oder Feuchtigkeit zu den
                              Rüben gelangen kann, nehmen sie meistens an Gewicht zu oder doch nur sehr wenig ab;
                              wo keine Feuchtigkeit hinzugelangt, nehmen die Rüben stets an Gewicht ab. Je grösser
                              die Wärme des Miethenraumes ist, desto grösser ist der Gewichtsverlust. Jede Lüftung
                              der Miethen bewirkt je nach ihrem Grade eine mehr oder weniger starke
                              Gewichtsabnahme. Die Grösse der Gewichtsveränderungen hängt wesentlich von der
                              Witterung vor und nach der Ernte ab. Für eine gute Erhaltung der Rüben in den
                              Miethen ist eine hauptsächliche Voraussetzung, dass sie frisch, gesund und nicht
                              abgewelkt sind; sie sollen nicht zu früh, wenn möglich bei kühler Temperatur
                              eingemiethet werden.
                           Der wirkliche Zuckerverlust gleichartiger Rüben hängt hauptsächlich von der
                              Temperatur, der Feuchtigkeit und der Lüftung ab. Je höher die Temperatur, je grösser
                              der Wechsel zwischen Feuchtigkeit und Trockenheit und je stärker die Lüftung ist,
                              desto grösser ist der Zuckerverlust. Der wirkliche Zuckerverlust ist am kleinsten in
                              ganz kleinen, mit Erde bedeckten Haufen (0,006 bis 0,007 Proc. für den Tag), dann
                              folgen die Haufenmiethen (0,010 bis 0,012 Proc.), die wenig durchlüfteten Miethen
                              (0,012 bis 0,017 Proc.) und schliesslich die grosse und ziemlich warm eingedeckte
                              Erdmiethe (0,019 Proc.). Jeder anhaltende Wechsel in der Aussentemperatur macht sich
                              in allen Miethen bemerkbar, in den unbedeckten Haufenmiethen und in den der Luft
                              zugänglichen Stellen am schnellsten. Die durch Athmung erzeugte Wärme hielt die
                              Miethentemperatur in den Haufenmiethen um 2,5 bis 2,7°, in der Luftmiethe um 2,5°
                              und in der nicht ventilirten Erdmiethe um 7° höher, als die um 8 Uhr Morgens
                              gemessene Lufttemperatur.
                           Durch die Zersetzungsproducte des Zuckers und durch die Umwandlungsproducte anderer
                              Rübenbestandtheile vermehrt sich die Menge des bei der Verarbeitung in den Säften
                              gelöst bleibenden organischen Nichtzuckers. Ein Theil desselben bildet mit Kalk
                              lösliche Salze, die durch Kohlensäure nicht zerlegt werden, so dass der Kalkgehalt
                              der Säfte steigt.
                           Bei niedrigen Zuckerpreisen machen sich kostspielige Einmiethungsanlagen nicht
                              bezahlt. Für Gegenden mit nicht zu kalten November- und Decembermonaten entspricht
                              die Haufenmiethe in ihren verschiedenen Grössen am besten den Anforderungen, welche
                              man für die Masseneinmiethung an die Fabrik stellen muss. Für den Landwirth bleibt
                              die nicht zu grosse und richtig behandelte Erdmiethe das beste
                              Einmiethungsverfahren.
                           In den folgenden Betrachtungen seien nun die wichtigsten Neuerungen der Technik
                              hervorgehoben.
                           Zur Frage: Ueber die Bildung von Invertzucker bei der
                                 Diffusion und die Bedingungen derselben, hat L.
                                 BeaudetBulletin de l'association des chimistes de sucrerie
                                       et distillerie, 1895 XII S. 506. verschiedene
                              Untersuchungen ausgeführt. Versuchsreihe I sollte feststellen, ob sich bei normalem
                              Diffusionsbetrieb Invertzucker bildet, und wurde die Frage verneint; in einem Falle
                              wurden sogar in den Rüben verhältnissmässig mehr reducirende Substanzen als in dem
                              Diffusionssaft gefunden. Da sich Beaudet dieses
                              Resultat nicht erklären kann, so werden die Versuche in der nächsten Campagne ihre
                              Fortsetzung finden. Bei Versuchsreihe II wurde zu ermitteln gesucht, ob sich bei
                              unterbrochenem Betrieb der Diffusionsbatterie Invertzucker bildet. Der Betrieb blieb
                              5, 8 und 9 Stunden eingestellt. Beaudet schliesst nun
                              aus den Ergebnissen der zweiten Versuchsreihe, dass eine Zerstörung von Zucker in
                              einer Diffusionsbatterie dann stattfindet, wenn die Arbeit während einer gewissen
                              Zeitdauer unterbrochen wird. Die Menge der reducirenden Substanzen nimmt bedeutend
                              zu, je länger die Unterbrechung der Arbeit dauert. Beaudet hatte ferner beobachtet, dass in den Säften und Syrupen nur
                              geringe Mengen von Kalksalzen vorhanden waren; zur Zeit aber, wo der Betrieb wegen
                              Reparaturen u.s.w. auf 6 bis 8 Stunden eingestellt werden musste, wurden bei der
                              Wiederaufnahme der Arbeit bedeutende Mengen von Kalksalzen in den Syrupen
                              constatirt. Das Maximum dieser Mengen wurde dann erreicht, wenn der während der
                              Einstellung des Betriebes in der Batterie verbleibende Saft zur weiteren
                              Verarbeitung kam. Beaudet schliesst nun, dass diese
                              Invertzuckerbildung ihren Haupteinfluss in einer Erhöhung der Menge der Kalksalze in
                              den Säften, Syrupen und Füllmassen äussert.
                           Einen einfachen Schnitzel- oder Pülpefänger benutzt H. ClaassenCentralblatt für die Zuckerindustrie der Welt,
                                    1895 III S. 448., der im Princip dem Melichar'schen Apparate ähnlich ist und ohne erhebliche Kosten in jeder
                              Fabrik selbst angefertigt werden kann. Vorausgesetzt ist nur, dass der
                              Diffusionssaft in besonderen Messkästen gemessen wird. In diesem Messgefäss ist der
                              Schnitzelfänger F eingebaut, wie aus Fig. 1 ersichtlich ist. Der konische Theil ist
                              aus Eisenblech hergestellt und auf den Boden des Messgefässes M aufgeschraubt. Der cylindrische Theil ist aus
                              gelochtem Eisenblech, hat einen Durchmesser von 500 bis 600 mm und eine Höhe bis zur
                              Oberkante des Messgefässes. Die Löcher des Eisenbleches sollen einen Durchmesser von
                              höchstens 1 mm haben und möglichst nahe zusammenstehen, damit der freie Querschnitt
                              recht gross wird. Wenn der Diffusionssaft von der Batterie in das Messgefäss
                              gedrückt wird, so gelangt er zuerst in den Siebcylinder und läuft durch die Löcher
                              hindurch, während die Schnitzelstückchen und Fasern zurückgehalten werden. Ist das
                              Messgefäss gefüllt, so wird der Saft nach den Vorwärmern abgelassen und es lösen
                              sich bei dem Abzug die angesetzten Rüben fasern los und sinken entweder mit dem Saft
                              hinunter oder bleiben gelockert an der Siebwand hängen. Durch die periodischen
                              Füllungen und Entleerungen wird eine derartige Reinigung des Siebes erzielt, dass
                              jede weitere unnöthig ist. Ist eine Runde der Diffuseure abgedrückt, so öffnet man
                              (bei geschlossenem Saftventil der Diffusion), wenn der Inhalt des letzten der
                              Diffuseure der Runde zur Hälfte hoch gedrückt ist, ganz kurze Zeit das Ventil für
                              den Pülpeabzug. Der Saft schiesst alsdann aus dem Inneren des Schnitzelfängers durch
                              das konische Stück hinaus und reisst sämmtliche darin aufgefangene Pulpe mit. Den
                              aus dem Pülpefänger abgezogenen Saft mit den Schnitzelfasern u.s.w. leitet man
                              zweckmässig in den eben mit Schnitzeln frisch beschickten Diffuseur. Sollte sich
                              einmal das Sieb verstopfen, so ist die Reinigung mit Bürsten sehr einfach, weil der
                              Schnitzelfanger oben offen ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 297, S. 111
                              Fig. 1.Schnitzel- oder Pülpefänger von Claassen.
                              
                           Claassen benutzt den Apparat seit zwei Campagnen mit
                              befriedigendem Erfolg.
                           
                           Ueber die Einwirkung von Gerbsäuren auf Rübensäfte
                              berichtet neuerdings O. VibransDie deutsche Zucker
                                       Industrie, 1895 XX S. 82., nachdem er der Meinung ist,
                              dass die Abscheidung von organischen Bestandtheilen aus Rübensäften durch Gerbsäure
                              nicht vollständig zu verwerfen ist, denn man kann immerhin darin einen Vortheil
                              erblicken, wenn es gelingt an organischem Nichtzucker ärmere Zucker zu erzeugen,
                              schon in Hinsicht auf das deutsche Nichtzucker-Rendement. Die Anwendung des Tannins
                              in der Scheidestation ist eine beschränkte. Bei zu hohem Kalkgehalt wird das Tannin
                              durch Kalk zersetzt; es bilden sich, ausser noch nicht genau bekannten Verbindungen,
                              Humussubstanzen, die den Saft färben und verschlechtern. Werden Rübensäfte bis zur
                              Neutralität mit Kohlensäure saturirt und dann Gerbstoff hinzugesetzt, so ist
                              letzterer theilweise im Ueberschuss, löst den entstehenden Niederschlag, und der
                              Ueberschuss von Gerbstoff muss wieder durch neue Fällungsmittel beseitigt werden,
                              die dann dem Saft wieder neue Verunreinigungen zuführen. Die Versuche haben am
                              Schluss ergeben, dass das Tannin eine annähernd so günstige Wirkung wie die
                              Scheidung eines Rübensaftes mit Kalk nicht ausübt. Auch gegenüber der
                              Reinigungswirkung durch Tannin und andere Saftverbesserungsmittel ist der Kalkeffect
                              stets vorherrschend.
                           Es wäre übrigens Zeit, die Verwendung des Tannins in der Zuckerfabrikation, sei es
                              zur Reinigung oder zur Klärung von Zuckersäften, endgültig zu den Todten zu werfen,
                              nachdem es durch andere wohlerprobte Mittel vollständig ersetzt werden kann. Dazu
                              kommt noch, dass es ausserordentlich schwierig ist, im Handel optisch inactives
                              Tannin zu erhalten; jede andere Sorte ist aber speciell für die Zuckerfabrikation
                              unbrauchbar.
                           Ueber das elektrische Saftreinigungsverfahren von
                                 Schollmeyer, Behm und Dammeyer liegt ein ausführlicher Bericht von A. BaudryL'alcool et le sucre, 1895 III S.
                                    104. vor, und zwar nach Versuchen, die in der russischen Zuckerfabrik
                              Stepanofka durchgeführt wurden. Da die Versuche, sowie die Einrichtung genau
                              beschrieben werden, so dürfte eine eingehendere Wiedergabe von Interesse sein, um so
                              mehr, als sich über dieses Verfahren noch wenig fremde Stimmen geäussert haben.
                           Die tägliche Verarbeitung in Stepanofka beträgt ungefähr 450000 k Rüben, welche 5000
                              bis 5200 hl Diffusionssaft ergeben. Die Installation war einfach und wenig
                              kostspielig, da der Dynamo direct durch Transmissionen betrieben wurde – ein
                              Verfahren, welches sich aber nicht empfiehlt. Der Dynamo hatte zwei Collectoren, und
                              die Spulen waren mit dickem Draht umsponnen. Seine Leistungsfähigkeit war 200 Ampère
                              bei einer elektromotorischen Kraft von 6 Volt. Im Betrieb war seine
                              Leistungsfähigkeit näher 50 als 100 Ampère, und zwar in Folge des Widerstandes des
                              Niederschlages, welcher unaufhörlich die Elektroden bedeckte, obwohl die
                              Stromrichtung unzähligemal, um den Niederschlag zu entfernen, gewechselt wurde. Ein
                              grosses Reservoir von cylindrischem Querschnitt (ein alter Melangeur) war in vier
                              Abtheilungen getheilt, welche hinter einander lagen; in jeder der Abtheilungen 2, 3
                              und 4 war eine Gruppe von fünf Zinkelektroden in der Weise angebracht, dass sie
                              methodisch mit dem Saft in Berührung waren, welcher von der Abtheilung 1 kam, in
                              welche wieder der Saft aus dem Vorwärmer floss. Die Zinkelektroden, 15 an der Zahl,
                              besassen eine totale Oberfläche von 84,6 qm. In jeder Gruppe von fünf
                              Elektroden waren drei Platten mit dem positiven, zwei mit dem negativen Pol
                              verbunden, oder umgekehrt, wenn die Stromrichtung gewechselt wurde. Der
                              Diffusionssaft kam nach Passirung eines Pülpefängers in die Vorwärmer, wo er auf 80°
                              C. gebracht wurde, und von da in die Abtheilung 1 des Reservoirs, in welchem ihm so
                              viel Kalk zugesetzt wurde, dass er ungefähr 2,5 g CaO auf 1 l enthielt. Indem der
                              Saft seinen Weg fortsetzte, kam er in Berührung mit der Elektrodengruppe der
                              Abtheilung 2, dann successive in die Abtheilungen 3 und 4, und dann endlich zur
                              ersten Saturation. Die Saftbewegung war eine stetige. Jede Abtheilung war mit einem
                              Ablassventil versehen, durch welches von Zeit zu Zeit der gebildete Niederschlag
                              abgelassen wurde. Diese Niederschläge wurden nach Anwärmung und Zugabe von ein wenig
                              Kalk direct über Kroog'sche Filterpressen getrieben.
                              Der elektrolysirte Saft wurde, wie gewöhnlich, nach Zugabe von 1,75 Proc. Kalk
                              (welches eine Verminderung von 20 bis 30 Proc. gegen früher ergibt) saturirt, war
                              nach dem Verlassen der Filterpressen klar, sehr wenig gefärbt, verdampfte mit
                              grosser Leichtigkeit, und der Dicksaft verliess, selbst am Ende der
                              Fabrikationsperiode, das Quintuple-effet mit einer Stärke von 30° Bé., während es in
                              derselben Epoche des vorhergegangenen Jahres schwierig war, ihn stärker als mit 25°
                              Bé. zu erhalten, und zwar in Folge von Incrustationen, welche in der erwähnten
                              Epoche immer stärker auftraten. Die Füllmassen waren trocken, wenig gefärbt und
                              schleuderten sich leicht; nichtsdestoweniger war es aber nicht möglich, eine
                              Erhöhung des Rendements und der Qualität des Zuckers zu constatiren. In Russland
                              erzeugt man nämlich nur Zucker von sehr hoher Reinheit in Form von
                              „Sandzucker“. Es ergab sich aber doch eine Verbesserung der Arbeit, da
                              man zur Anwendung von geringeren Kalkmengen, zum Aussaturiren von mehr Kesseln in
                              der Stunde und zur Erzielung eines Saftes von besserer Qualität angelangt war. Baudry hat nun gefunden, dass die Reinigung des Saftes
                              unter dem Einfluss folgender drei Factoren stattgefunden hat: 1) Temperatur, 2) Kalk
                              und 3) Elektrolyse. Es scheint nun, dass die Elektrolyse in derselben Weise wie der
                              Kalk wirkt, wenn letzterer von einer entsprechenden Temperatur unterstützt wird, und
                              dass es dieselben Substanzen sind, welche angegriffen werden. Die Elektrolyse wirkt
                              auf dieselben organischen Substanzen wie der Kalk, ohne jedoch dieselbe Energie wie
                              jener bei einer Temperatur von 80° C. zu besitzen. Die Erfinder des Verfahrens
                              empfehlen, die Säfte während der Elektrolyse auf eine Temperatur von 65° R.,
                              entsprechend 81° C., zubringen. Es erübrigte daher noch, den Einfluss der Temperatur
                              des Saftes vor der Elektrolyse zu studiren und zu sehen, ob eine Erhöhung der
                              Temperatur der Reinigungswirkung nicht günstig sei, in Folge des weniger grossen
                              Widerstandes, welche der Saft dem elektrischen Strome entgegenstellt. Die Versuche
                              constatirten deutlich, dass eine Erhöhung der Temperatur auf 90 bis 95° C. ungünstig
                              gewirkt hat, nachdem sogar eine Verminderung der Reinheit, in Folge
                              Wiederlöslichwerdens eines Theiles des Niederschlages, welcher sich vorher durch
                              Einwirkung von Kalk und Wärme gebildet hat, eingetreten ist.
                           Der Einfluss der Elektrolyse ist aber unzweifelhaft, da an Tagen, wo der Dynamo
                              stillstand, es zur regelmässigen Arbeit nothwendig war, die Menge des Kalkes zu
                              erhöhen. Zu Ende der Campagne waren die Füllmassen, welche vom elektrolysirten
                              Safte herkamen, trocken, wenig gefärbt und enthielten 0,161 g organisch-sauren Kalk,
                              während diejenigen der gewöhnlichen Arbeit dunkler waren und 0,210 g
                              organisch-sauren Kalk enthielten.
                           Die Abläufe der beiden Füllmassen enthielten 0,382 bezieh. 0,510 g organisch-sauren
                              Kalk. Es scheint also, dass die Elektrolyse (welche durchaus nicht im Stande ist, so
                              viel organischen Nichtzucker zu entfernen, wie die vorhergehende Scheidung, welche
                              sie im Verfahren Schollmeyer begleitet) sowohl auf
                              gewisse organische Verbindungen, welche der Kalk in derselben Zeit nicht vollständig
                              zerstört, als auch auf einen Theil des fällbaren oder durch Kalk bei passender
                              Temperatur zerstörten organischen Nichtzuckers einwirkt. Das Verfahren von Schollmeyer ist sicherlich modificationsfähig, aber
                              auch so wie es ist, kann es den Zuckerfabrikanten gute Dienste leisten. Sein
                              hervorragendstes Verdienst ist, eine bemerkenswerthe Kalkersparniss zu gestatten (25
                              bis 30 Proc.), wenn man es mit einer vorhergehenden Scheidung combinirt, wie es die
                              Erfinder empfehlen.
                           Baudry spricht sich also für das Verfahren in günstiger
                              Weise aus. Manche Versuchszahlen, die er gibt, können aber nur mit grossem Bedenken
                              aufgenommen werden; denn z.B. eine Reinheit eines elektrolysirten Saftes von 99,40
                              Proc. ist, wenn nicht irgendwelcher Druckfehler vorliegen sollte, überhaupt nicht
                              discutabel.
                           Gegenüber dem Angriffe, welchen das elektrische Reinigungsverfahren erfahren hat und
                              welcher dasselbe für unbrauchbar erklärt, erwidert DammeyerDie deutsche Zuckerindustrie, 1895 XX S.
                                    433., dass sich die von ihm getroffene Einrichtung der
                              elektrischen Anlage in der Zuckerfabrik Ottleben in der Campagne 1894/95 ganz
                              vorzüglich bewährt hat. Die Durchschnittsanalyse der Füllmasse des ersten Productes
                              (mit elektrischer Scheidung) und mit 2 Proc. Kalkzusatz betrug:
                           
                              
                                 Zucker
                                 89,3
                                 
                              
                                 Organischer Nichtzucker
                                   3,07
                                 
                              
                                 Salze
                                   2,65
                                 
                              
                                 Wasser
                                   4,98.
                                 
                              
                           Als Parallelversuch wurde 14 Tage ohne elektrische Scheidung gearbeitet und ergab die
                              Füllmassenanalyse bei 3 Proc. Kalkzusatz:
                           
                              
                                 Zucker
                                 86,8
                                 
                              
                                 Organischer Nichtzucker
                                   4,31
                                 
                              
                                 Salze
                                   3,31
                                 
                              
                                 Wasser
                                   5,58.
                                 
                              
                           Bei den Nachproducten zeigte sich bei den mit elektrischer Scheidung behandelten
                              Säften entschieden der Vortheil in der Mehrausbeute, sowie in der schnellen
                              Krystallisation. Dammeyer bemerkt schliesslich, dass
                              er, wenn die elektrische Scheidung nach seinen Angaben eingerichtet wird, bestimmte
                              Garantien über Mehrausbeute, weniger Kalkverbrauch und Erzielung eines höheren
                              Rendements des Zuckers sämmtlicher Producte übernimmt.
                           Die continuirliche Saturation findet in Frankreich immer
                              mehr Verbreitung. Der continuirliche SaturateurLa sucrerie indigène
                                       et coloniale, 1895 XXX S. 179., System H. Vivien, in der Zuckerfabrik Calonne-Ricouart in
                              Anwendung, setzt sich aus einem System von krummlinigen Rühren zusammen, welche in
                              Querschnitt und Grösse der beabsichtigten Verarbeitung angepasst sind. Dieselben
                              sind, je nachdem es der einzelne Fall verlangt, entweder wagerecht oder schräg im
                              inneren Raum des Saturateurs angeordnet. Der mittels Klappen geregelte Eintritt
                              von Saft und Kohlensäure erfolgt gleichzeitig durch eine Rohrverzweigung, welche mit
                              der Hauptleitung des Saftes und des Gases verbunden ist. Gegenüber dem Safteintritt
                              befindet sich eine eigenthümliche Vorrichtung, welche den Zweck hat, den vorher mit
                              Kalk behandelten Saft zu zertheilen, um eine directe Berührung desselben mit dem
                              Saturationsgas in einer dünnen Schicht zu ermöglichen. Diese Vorrichtung besteht in
                              einem länglichen Kegel, welcher zwischen den Klammern der Rohre des Saturateurs
                              befestigt ist. Das Gas hat dieselbe Wegrichtung wie der Saft, und dadurch wird eine
                              gleichförmige Ausnützung desselben gesichert. Die Gasabsorption wird noch durch eine
                              beim Saftaustritt aufrecht stehende Säule unterstützt oder einfach dadurch, dass man
                              eine der Rohrabzweigungen nach aufwärts krümmt, so dass ein gewisser Druck auf die
                              im Apparat eingeschlossene Flüssigkeit entsteht, und auf diese Weise die Entleerung
                              des Saturationsgases, welches weniger dicht ist als der Saft, nach seiner Einwirkung
                              beschleunigt. In Folge dieser diversen Einrichtungen erhält man in einigen Minuten
                              eine vollständige Saturation, wobei weder ein Verlust an Gas, noch eine Alteration
                              des Saftes und eine starke Schaumbildung eintritt, da sich die Operation im
                              geschlossenen Gefäss vollzieht. Der Diffusionssaft wird in ein Gefäss gebracht, wo
                              man die Scheidung vornimmt; eine Pumpe bringt alsdann den geschiedenen Saft direct
                              in den Saturateur oder in ein geeignetes Gefäss. Man regulirt den Eintritt von Saft
                              und Gas in der Weise, dass der Saft den Apparat ungefähr ⅘ saturirt verlässt;
                              alsdann wird fertig saturirt, und zwar entweder in dem Gefäss, wo der Apparat
                              eingerichtet ist, wenn man die ununterbrochene Arbeit vorzieht, oder aber im
                              benachbarten Gefäss, wenn man die continuirliche Arbeit angenommen hat.
                           Im ersten Falle ist es nöthig, einen Apparat in jedem Saturateur anzubringen, im
                              zweiten Fall genügt ein einziger Apparat vollkommen. Ueberdies kann man die
                              Saturation im Saturateur selbst vollständig zu Ende führen. Das vorliegende System
                              besitzt noch ausserdem den Vortheil, dass man den Apparat nicht nur bei der ersten
                              und zweiten Saturation anbringen kann, sondern dass er sich auch zur Reinigung und
                              Entfärbung der Säfte durch schweflige Säure oder andere chemische Agentien anwenden
                              lässt. In der Zuckerfabrik Calonne-Ricouart (Pas de Calais) hat man mit diesem
                              Apparat sehr schöne Erfolge erzielt. Die Fabrik hat in der vergangenen Campagne 47 k
                              Kohle auf 1000 k Rüben weniger verbraucht, als in der vorhergegangenen, wobei die
                              Qualität der verwendeten Kohle dieselbe war. Man muss einen grossen Theil dieser
                              Ersparniss dem Umstand zuschreiben, dass das Niederschlagen des Schaumes mit Dampf
                              durch die Anwärmung des Saftes im Saturateur selbst überflüssig war, wodurch bei der
                              Schnelligkeit der Arbeit, welche ein Abkühlen der Säfte verhinderte, ein weiteres
                              Aufwärmen unnöthig wurde. Die Reinigungs- und Erhaltungskosten sind gleich Null, und
                              hat der Apparat die ganze Campagne, ohne aus einander genommen oder gereinigt zu
                              werden, functionirt. Nur die Dampfschnattern wurden wie gewöhnlich demontirt, doch
                              wird es in der Zukunft leicht sein, diese kleine Unbequemlichkeit zu umgehen.
                           Die Fabrik verarbeitete um ein Drittel mehr Rüben; man erzielte ausserdem eine grosse
                              Ersparniss an Gas,
                              Kalkstein und Koks. Ferner verhinderte der Apparat ein übermässiges Schäumen
                              und Wärme Verluste bei der Saturation und ermöglichte dadurch eine grosse Ersparniss
                              an Fett und Brennmaterial. Schliesslich hat man eine bessere Reinigung der Säfte und
                              eine höhere Ausbeute an Füllmasse und Zucker erzielt, als im Vorjahr. Die Vortheile
                              dieses Verfahrens sind sehr werthvoll, um so mehr, wenn man die einfache und billige
                              Installation in Rechnung zieht, welche sich an den in jeder Fabrik vorhandenen
                              Apparaten anbringen lässt.
                           L. Jesser hat seine umfangreichen Studien über AlkalitätenOesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und
                                       Landwirthschaft, 1895 XXIV S. 299. weiter fortgesetzt
                              und speciell Versuche mit Rohsäften angestellt, welche aber noch lange nicht
                              abgeschlossen sind und keine sicheren Schlüsse auf die Zusammensetzung des
                              Nichtzuckers zulassen. Bezüglich dieser Abhandlung muss auf das Original verwiesen
                              werden.
                           Unter dem Titel Bericht über die Diffusionsversuche des
                                 Vereinslaboratoriums hat Herzfeld in den
                              Vorjahren eine Reihe von Versuchen veröffentlicht, welche mit auf eigener kleiner
                              Batterie erzeugtem Diffusionssaft vorgenommen wurden. Obgleich diese Versuche das
                              engere Gebiet der Arbeit auf der Batterie bereits überschritten haben, so wurde des
                              Zusammenhanges der Arbeiten wegen der Name „Diffusionsversuche“ beibehalten.
                              Betreffs der Versuche der Campagne 1894/95 liegen die Resultate vor, und
                              beantwortete HerzfeldZeitschrift des
                                       Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches, 1895
                                    XXXXV S. 474. die Frage: Finden bei der
                                 Scheidung unbestimmbare Verluste statt? Die Versuche der vergangenen
                              Campagne bezweckten in erster Linie einen Vergleich von in dritter Saturation mit
                              schwefliger Säure und mit Kohlensäure behandelter Säfte, und da vorauszusehen war,
                              dass dabei charakteristische Unterschiede in der Zusammensetzung der Dünnsäfte nicht
                              hervortreten würden, wurde der Saft im Vacuum zur Dicksaftconsistenz eingedampft.
                              Die Versuche waren aber leider unbrauchbar, da nämlich nur directer Dampf von etwa
                              130° C. zu Heizzwecken auch für den ersten und zweiten Körper zur Verfügung stand
                              und sich in Folge dessen beim Verdampfen ein sogen. Polarisationsverlust einstellte.
                              Interessant ist aber die Beobachtung, dass wider Erwarten die geschwefelten Säfte
                              bei genau gleicher Phenolphtalein-Alkalität des Dünn- und Dicksaftes wesentlich
                              besser in der Farbe ausfielen, als die entsprechenden nur mit Kohlensäure
                              behandelten. Diese Beobachtung steht mit den Herzfeld'schen älteren an künstlichen Säften, sowie mit den Ansichten anderer
                              Chemiker im Widerspruch. Die Erscheinung kehrte aber an den natürlichen Säften so
                              regelmässig und ausnahmslos wieder, dass an der Thatsache, für welche es schwer
                              fällt, eine wissenschaftliche Erklärung zu geben, nicht zu zweifeln ist. Die
                              Versuche haben aber nach einer nebenbei bearbeiteten Richtung hin ein positives
                              Resultat ergeben. Es wird nämlich gegen die Trockenscheidung nicht selten eingewendet, dass in Folge Zuckerzerstörung
                              beim Löschen des Kalkes im Saft grössere Zuckerverluste stattfinden müssten, und
                              gerade die Angst vor solchen ist es, welche manche Fabrikanten abhält, sich dem
                              Verfahren zuzuwenden. Um diese Frage zu prüfen, wurde eine Reihe quantitativer
                              Scheideversuche nach verschiedenen Verfahren ausgeführt, wobei die Menge des ein-
                              und ausgeführten Polarisationszuckers genau ermittelt wurde. Aus den Resultaten
                              kann man nun schliessen, dass ein nennenswerther Polarisationsverlust bei der sogen.
                              kalten nassen Scheidung nicht stattfindet. Aber auch bei der Trocken Scheidung
                              ergibt sich als Gesammtresultat, dass nennenswerthe sogen. unbestimmbare
                              Polarisationsverluste nicht stattgefunden haben. Wenn nun unter Umständen bei
                              anderem Rübenmaterial grössere Polarisationsverluste bei der Scheidung auftreten
                              können, so kann man annehmen, dass solche alsdann nicht von Zerstörung der
                              Saccharose durch Kalk herrühren.
                           Die Frage der Trocken- oder nassen Scheidung hat
                              überhaupt zu einem regen Meinungsaustausch geführt, der, nachdem sich Stimmen aus
                              beiden Lagern erhoben, zur Entscheidung der Streitfrage nur förderlich sein kann. In
                              der vergangenen Campagne hat O. KöhlerDie deutsche
                                       Zuckerindustrie, 1895 XX S. 478. mit aus dem Betriebe
                              entnommenem Diffusionssaft Scheideversuche mit Trockenkalk
                                 und Kalkmilch im Laboratorium durchgeführt. Die Trockenscheidung geschah in
                              einem Gefäss, in welchem sich ein Sieb in Muldenform zur Aufnahme des Kalkes befand;
                              der Kalk war vollständig von der Flüssigkeit bedeckt und wurde unter dem Sieb
                              gerührt. Bei der Kalkmilchscheidung wurde frisch bereitete Kalkmilch von 20 bis 22°
                              Bé. verwendet. Sowohl bei der Trocken- als auch bei der Nasscheidung wurden neun
                              Versuche bei verschiedener Scheidewärme (60 bis 90° C.) durchgeführt; die Procente
                              Kalk (CaO) schwankten von 2,0 bis 2,5 Proc.
                           Bei Anwendung von Kalkmilch wurden nun Säfte erhalten, welche eine höhere Reinheit
                              und weniger organischen Nichtzucker enthielten, als die mit Trockenscheidung
                              erhaltenen Säfte. Da bei allen Versuchen während des Löschens mit Kalk im Saft
                              inmitten des Kalkes Temperaturen von 100° C. nachgewiesen wurden, so ist es leicht
                              möglich, dass diese hohen Wärmegrade einige organische Substanzen gelöst halten;
                              diese Ansicht findet gewissermaassen dadurch ihre Bestätigung, dass bei sehr gutem
                              und sich schnell löschendem Kalk, wobei die hohe Temperatur nicht so lange auf den
                              Saft einwirkt, Säfte erhalten werden, welche gleiche oder sehr wenig verschiedene
                              Zusammensetzung mit den Kalkmilchsäften haben. Bei Anwendung des Trockenkalkes ist
                              eine bestimmte Zeit des Rührens bedingt; die scheinbar besseren Ergebnisse der
                              Trockenscheidung sind dann wohl darauf zurückzuführen, dass der Kalk längere Zeit
                              auf den Saft einwirken kann, während bei der früheren Arbeit der Scheidesaturation
                              schon bei Beginn der Kalkmilchzugabe Kohlensäure eingeleitet wurde und hierdurch
                              wahrscheinlich ein Theil des Kalkes nicht so energisch einwirken konnte. Durch die
                              Einführung der Trockenscheidung gewinnt man nur die Kosten für das aus der Kalkmilch
                              mehr zu verdampfende Wasser, nimmt aber auf der anderen Seite eine Verschlechterung
                              der Säfte mit in Kauf. Köhler hat ferner die
                              Beobachtung gemacht, dass sich die durch Trockenscheidung erhaltenen Säfte röthlich
                              färbten, während dies bei der Kalkmilchanwendung nie geschah. Dieselbe Erscheinung
                              trat auch im Betrieb ein. Er ist nun der Meinung, dass bei Gegenwart von
                              Invertzucker in den Rübensäften während der Trockenscheidung Zersetzungsproducte
                              desselben auftreten, welche sich mit den im Saft gelöst befindlichen Eisensalzen
                              verbinden und die röthliche Farbe der Säfte hervorrufen, während dies bei Anwendung von Kalkmilch
                              nicht oder nur in ganz geringem Maasse geschieht.
                           N. RydlewskiDie deutsche Zuckerindustrie, 1895 XX S.
                                    610. hat in Parallelversuchen zwischen
                                 Trockenscheidung und Kalkmilchscheidung die Scheideversuche Köhler's wiederholt und sogar noch schlechtere Säfte
                              bei Anwendung von Trockenkalk erzielt. Die Versuche wurden im Laboratorium
                              durchgeführt und dazu Pressaft verwendet. Bei der Scheidung mit Kalkpulver stieg die
                              Temperatur der Säfte um 10° C. und mehr, so dass sie in den meisten Fällen 100° C.
                              und noch darüber betrug. Darin ist wohl auch der Grund der Vermehrung des
                              organischen Nichtzuckers in allen aus trocken geschiedenen Säften dargestellten
                              Füllmassen zu suchen. Bei der zweiten Saturation schäumten die mit Kalkpulver
                              geschiedenen Säfte sehr stark, während die mit Kalkmilch versetzten gar nicht oder
                              nur sehr wenig schäumten. Die Füllmassen, welche aus den nach 15 Minuten langem
                              Einwirken und Rühren von Kalkpulver und Kalkmilch aussaturirten Säften dargestellt
                              wurden, waren bedeutend heller als die Füllmassen der nach dem Kalkzusatz sofort
                              aussaturirten Säfte; ferner waren die Füllmassen der durch Kies filtrirten Säfte
                              heller, als die ohne dritte Filtration erhaltenen. Am hellsten waren aber die
                              Füllmassen der durch Knochenkohle filtrirten Säfte. Konnte man bei den angeführten
                              Füllmassen keine grossen Farbenunterschiede erkennen, die zu Gunsten der
                              Kalkmilchscheidung oder zu Ungunsten der Trockenscheidung sprachen, so war dies bei
                              den Füllmassen der durch Knochenkohle filtrirten Säfte in hervorragendem Maasse der
                              Fall. Die Füllmassen der mit Kalkpulver behandelten Säfte waren strohgelb, während
                              die mit Kalkmilch behandelten wasserhell waren. Dieser Farbenunterschied muss zu
                              Ungunsten der Trockenscheidung in Bezug auf die dunklere Färbung der Füllmassen
                              sprechen. Sämmtliche Versuche erwiesen aber in deutlicher Weise, dass bei der
                              Trockenscheidung etwas Zucker zersetzt wurde, denn bei allen diesen Versuchen wurde
                              bei der Trockenscheidung der organische Nichtzucker vermehrt, der Zuckergehalt
                              dagegen verringert.
                           H. ClaassenCentralblatt für die Zuckerindustrie der Welt,
                                    1895 III S. 726. behauptet nun gegenüber den Versuchen von Köhler, dass deren Ausführung wesentlich von derjenigen
                              Herzfeld's verschieden ist, in Folge dessen ein
                              Vergleich beider Arbeiten in Bezug auf die Trockenscheidung durchaus unzulässig ist.
                              Ferner weist er auf Grund der Köhler'schen Zahlen nach,
                              dass die Versuche vielfach widersprechende Resultate ergeben haben und daher nur
                              beweisen, dass die von Köhler angewendete
                              Trockenscheidungsmethode, welche als eine schlechte bezeichnet werden muss, meistens
                              weniger gute Säfte ergibt, als die Kalkmilchscheidung. Die Arbeit von Köhler gibt einen erneuerten Anlass, darauf
                              hinzuweisen, dass die Arbeit mit der Trockenscheidung nicht ganz so einfach ist, wie
                              es den Anschein hat. Es gehören dazu Vorrichtungen zur gleich massigen Vertheilung
                              des Kalkes im Saft, ein gutes Rührwerk, ferner sollen die Sieb- oder Rostflächen
                              nicht zu nahe an der Oberfläche des Saftes liegen. Der Erfolg bei Einführung der
                              Trockenscheidung in die Praxis äussert sich zunächst darin, dass die Producte nicht
                              in merklicher Weise von denjenigen der Kalkmilchscheidung verschieden sind, ferner
                              in einer merklichen Ersparniss an Kalk, in dem Fortfall der lästigen
                              Kalklöschstation, in einer leichten Saturation und in einer wesentlichen Ersparniss
                              an Kohlen, welche gegenüber einer Verwendung von ungefähr 2½ Proc. Kalk in Form von
                              Kalkmilch ½ bis ¾ Proc. Kohlen auf Rüben berechnet
                              ausmacht. Am Schluss bemerkt noch Claassen, dass auch
                              die Resultate der Versuche von Rydlewski mit denen des
                              grossen Betriebes nicht übereinstimmen und sich theilweise selbst widersprechen.
                           Gegenüber den Ausführungen Claassen's erwidert zuerst
                              RydlewskiDie deutsche Zucker Industrie. 1895 XX S.
                                    682., indem er darauf hinweist, dass die Arbeitsweisen, welche
                              er, Köhler, Herzfeld und Bodenbender eingehalten haben, verschiedene waren. Wenn daher auch die
                              Resultate verschiedene waren, so stimmten sie doch darin überein, dass stets eine
                              Vermehrung des organischen Nichtzuckers und eine Verminderung der Reinheit eintrat.
                              Wie weit dies aber in dem grossen Fabrikbetriebe zutrifft, muss durch
                              Parallelversuche untersucht werden.
                           KöhlerIbid. S.
                                    715. verwahrt sich gegenüber dem Vorwurf Claassen's, dass seine Versuchsausführung eine falsche war. Der
                              Unterschied zwischen seinen und Herzfeld's Versuchen
                              liegt darin, dass Herzfeld mit chemisch-reinem Kalk
                              gearbeitet hat, welcher schnell und leicht löschte, während Köhler mit Betriebskalk arbeitete, welcher theilweise längere Zeit zur
                              Scheidung bedurfte. Wenn Claassen auf einen unlösbaren
                              Widerspruch in den Analysen hinweist, so erwidert darauf Köhler, dass sich solche Widersprüche in den Ergebnissen von Herzfeld, Bodenbender und Rydlewski finden.
                           In dieser Streitfrage äussert sich HerzfeldZeitschrift des
                                       Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches, 1895
                                    XXXXV S. 491. in einer Abhandlung: Ueber
                                 die Ursache der Misserfolge bei der Trockenscheidung, sowie der Graufärbung der
                                 Rohzucker, indem er aufmerksam macht, dass bei der Trockenscheidung viel
                              leichter als bei der nassen unlöslicher Zuckerkalk gebildet wird. Sobald derselbe in
                              der nachfolgenden Saturation nicht vollständig zerlegt wird, müssen natürlich die
                              trocken geschiedenen Säfte, da ihnen Zucker entzogen ist, schlechtere Quotienten
                              zeigen, als die der nassen Scheidung entstammenden. Die Graufärbung des Rohzuckers
                              bei der Trockenscheidung ist nicht auf eine mangelhafte Scheidung, sondern
                              gleichfalls auf mangelhafte Saturation zurückzuführen, eine Erscheinung, welche
                              nicht mit der gleichen, noch häufigeren, welche durch Uebersaturation hervorgerufen
                              wird, zu verwechseln ist. Es bleiben nämlich sowohl Eisenoxydsalze als besonders
                              Eisenoxydulsalze in Lösung, wenn nicht Gelegenheit ist, durch genügende
                              Kohlensäurezufuhr dieselben als Carbonate zu fällen. Enthält der Schlamm Zuckerkalk,
                              so wird den Säften dann noch nachträglich bei der Filtration wieder Kohlensäure
                              entzogen und die Flüssigkeit dadurch befähigt, gefälltes Eisen wieder zu lösen.
                              Jedenfalls ist es sicher, dass das gelöste Eisen nicht bei der Scheidung, sondern
                              bei der nachfolgenden Saturation gefällt wird, und dass, wenn dieselbe sorgfältig zu
                              Ende geführt wird, ohne einerseits Zuckerkalk im Schlamm zu lassen oder andererseits
                              überzusaturiren, auch bei der Trockenscheidung eisenfreie Säfte und damit Rohzucker
                              von gesunder Farbe erhalten werden müssen.
                           Da die Versuche von Herzfeld und auch von Köhlermit Betriebskalk fortgesetzt werden, so dürfte es
                              dann zu einer Klärung der Streitfrage kommen.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)