| Titel: | Neuerungen im Schiffswesen. | 
| Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 182 | 
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                        Neuerungen im Schiffswesen.
                        Neuerungen im Schiffswesen.
                        
                     
                        
                           Die beiden neuesten und grössten Schnelldampfer der Welt – die Campania und Lucania –
                              sind im Besitze der englischen Cunard-Linie. Das
                              Streben der in Wettbewerb stehenden Schiffahrtsgesellschaften, sich mit dem Besitze
                              der grössten und schnellsten Dampfer zu überbieten, scheint mit dem Bau dieser
                              Dampfer zunächst ins Stocken gerathen zu sein. Wenn nun auch in erster Linie hierzu
                              wohl die allgemeine schlechte wirthschaftliche und unsichere Lage des Weltmarktes
                              beigetragen hat, die nicht nur den Passagier verkehr als auch ganz besonders den
                              Güterverkehr zwischen Amerika und Europa ungemein stark beeinflusst, so scheint ein
                              wesentlicher Factor wohl auch in der Einsicht zu liegen, dass mit dem Bau der
                              genannten beiden Dampfer nach der jetzigen Lage der Technik wohl die Grenze erreicht
                              wird, bis zu welcher man bezüglich der Grösse und Geschwindigkeit der Schnelldampfer
                              gehen kann.
                           In dieser Beziehung haben die Ergebnisse der Fahrten dieser beiden Dampfer wesentlich
                              klärend gewirkt.
                           Vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, muss der Umstand ins Auge fallen, dass
                              diese neuen Dampfer bei einer Fassungsfähigkeit von 790 Kajütenfahrgästen einen
                              Bedarf von 415 Köpfen Besatzung haben, dass die 100 Kesselfeuerungen täglich 450 t
                              Kohlen brauchen, um die auf eine Leistung von 30000  berechneten
                              Maschinen zu bethätigen und das Schiff mit 21 Knoten Fahrt zu treiben. Man erkennt
                              leicht, dass die Unkosten des Betriebes zu gewaltig sind, um selbst dann mit Nutzen
                              gedeckt werden zu können, wenn die Passageplätze vollständig besetzt sind, was
                              bislang bei beiden Schiffen während keiner einzigen Reise erreicht worden ist.
                           Abgesehen von diesem kaufmännischen Standpunkt haben diese Schiffe in technischer
                              Beziehung manche Belehrung gegeben und Beobachtungen gezeitigt, mit denen wir uns im
                              Folgenden an der Hand eines Vortrags von C. Busley im
                              Verein deutscher Ingenieure (Zeitschrift des Verbandes,
                              1895 * 1) etwas eingehender beschäftigen wollen.
                           Die beiden genannten Dampfer sollten mit ihren Maschinen programmgemäss 30000 ind.
                               entwickeln, um mit denselben eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 22
                              Knoten zu erreichen. Dies ist nicht gelungen. Die 100 Kesselfeuerungen haben
                              zusammen eine Rostfläche von 230 bis 240 qm, so dass es ohne Anwendung künstlichen
                              Zuges – und man arbeitet verständiger Weise ausschliesslich ohne künstlichen Zug – nicht möglich ist, eine höhere
                              Durchschnittsleistung als 23000 bis 24000 ind.   zu erzwingen, womit den
                              Schiffen eine Geschwindigkeit von durchschnittlich 21 Knoten gegeben werden
                              kann.
                           Wenn nun auch die Berechnung nicht erreicht worden ist, so muss doch immerhin
                              anerkannt werden, dass die älteren Schnelldampfer der Hamburger Packetfahrt um 1 bis 1,5 Knoten Geschwindigkeit geschlagen
                              sind.
                           Dieser augenfällige Vortheil ist aber doch mit Uebelständen erkauft, welche sehr
                              erhebliche Unannehmlichkeiten in der Benutzung der Schiffe im Gefolge haben. Es sind
                              denselben nämlich ausserordentlich starke Erschütterungen (Vibrationen)
                              eigenthümlich, welche einestheils den Verband des Fahrzeuges gefährden,
                              anderentheils den Fahrgästen sehr lästig fallen.
                           Busley fand die Erschütterungen bei der Probefahrt der
                              Campania ungewöhnlich stark, wie bei keinem anderen
                              Schnelldampfer; er schreibt diesen Umstand auf die damalige schlechte Verladung, in
                              Folge welcher das Schiff vorn 6,7 m, hinten 8,23 m tief lag bei einer
                              Wasserverdrängung von 20 000 t. Die Maschinen machten 84 bis 86 Umdrehungen. Die
                              Erschütterungen wurden stärker, wenn die Umdrehungen der Maschinen sich der unteren
                              Grenze näherten, und geringer, wenn die Maschine mit grösster Geschwindigkeit
                              umlief.
                           Um die Erschütterungen zu beseitigen, wurden andere Schrauben mit grösserer Steigung
                              eingesetzt, so dass die Maschinen 76 bis 78 Umgänge in der Minute machten und eine
                              Durchschnittsgeschwindigkeit von 20,88 Knoten erreichten. Die Erschütterungen wurden
                              thatsächlich geringer. Nur Nachts, wenn man die Feuer gründlich reinigte und in
                              Folge der fallenden Dampfspannung die Umdrehungszahl auf 74 bis 75 zurückging und
                              dann mit der natürlichen Schwingungsperiode des Schiftes zusammenfiel, traten wieder
                              sehr heftige Erschütterungen auf. Durch noch höhere Steigung der Schrauben sollen
                              die Vibrationen fast ganz beseitigt sein. Man musste den Schrauben bei erhöhter
                              Steigung Flügel mit grösseren Flächen geben, um bei der Erhöhung der Steigung nicht
                              zu viel an Druckfläche einzubüssen. Mit diesen Schrauben erreichen die Maschinen
                              jetzt nur noch etwa 70 minutliche Umdrehungen, so dass die Schwingungszahl des
                              Schiffskörpers (etwa 75) damit nicht mehr zusammenfallen kann. Die
                              Schiffsgeschwindigkeit soll sich hierbei auf besonders günstigen Einzelreisen bis
                              nahe auf 21,5 Knoten gesteigert haben, was darauf schliessen lässt, dass sich die
                              Maschinenleistung trotz geringerer Kolbengeschwindigkeit jedenfalls nicht vermindert
                              hat. Es muss sich also der mittlere Druck und damit die Füllung vergrössert haben,
                              so dass der tägliche Kohlenverbrauch heute gewiss noch grösser ist, als er früher
                              war.
                           Die sehr starken Vibrationen haben verschiedenen deutschen Ingenieuren Veranlassung
                              gegeben, darüber nachzudenken, wie man diese Vibrationen vermeiden kann, welche bis
                              zu einem gewissen Grade allen grösseren und schnelleren Dampfern eigenthümlich sind
                              und sich besonders in solchen mit starken dreikurbeligen
                              Dreifach-Expansionsmaschinen fühlbar machen. Die Ursache dieser Erschütterungen ist
                              in dem beständigen Vor- und Zurückwandern des Mittelpunktes desjenigen Druckes zu
                              suchen, welchen die hin und her gehenden Massen innerhalb der Maschine erzeugen. Die
                              Grundplatte wird nämlich an einem Ende durch den herabgehenden Kolben in dem
                              Augenblick entlastet, in welchem der Beschleunigungsdruck des Gestänges dem
                              Maschinengewicht gleichkommt; denn um diesen Druck vermindert sich der vom Kolben
                              auf die Kurbelwelle übertragene Druck, während auf den zugehörigen Cylinderdeckel
                              der Dampf voll zur Wirkung kommt. Gleichzeitig wird die Grundplatte am anderen Ende
                              durch zwei hinaufgehende Kolben in ähnlicher Weise belastet, so dass in der Maschine
                              ein fortwährend auf Kippen wirkendes Kräftepaar auftritt.
                           
                        
                           Vermeidung der Vibrationen des Schiffskörpers.
                           Unter den zur Vermeidung der Vibrationen gemachten Vorschlägen ist zuerst der von Middendorf bekannt geworden, welcher durch Anordnung
                              eines nach modernen Grundsätzen nur auf Zug und Druck beanspruchten Trägersystems
                              eine bessere Vertheilung des Materials in grossen Schiffen herbeiführen will,
                              wodurch bei gleichem Gewicht eine geringere Beanspruchung eintritt.
                           Andere, wie Kleen in Rosslau, Rudolf Ziese in St. Petersburg und Otto
                                 Schlick in Hamburg, suchen die Abhilfe zur Vermeidung der Vibrationen in
                              der Construction der Maschinen. Bezüglich der Einzelheiten dieser Vorschläge
                              verweisen wir auf die Zeitschrift des Vereins deutscher
                                 Ingenieure, Bd. 39 Nr. 1.
                           Aus diesen Vorschlägen dürfte hervorgehen, dass zukünftig ein grosser Schnelldampfer
                              wahrscheinlich keine Erschütterungen mehr zeigen wird, wenn er nach diesen
                              Vorschlägen construirt wird.
                           Schiffskessel mit Erdölfeuerung für Lustdampfschiffe der
                              Liquid fuel Engineering Comp. und East Cowes (Engineer, 1895
                              * 316). Die älteren Lustdampfschiffe wurden in Bezug auf Kessel und Maschinen
                              gewöhnlich genau den Formen und Eigenschaften der für grosse Dampfschiffe üblichen
                              Constructionen von Kessel und Maschine nachgebildet. Erst neuerdings hat man
                              versucht, diesen kleinen Dampfschiffen besonders geeignete Ausführungen einzubauen.
                              Auf der Fischereiausstellung in London sind zur Zeit mehrere kleine Boote
                              ausgestellt, welche wesentliche Abweichungen bezüglich der Kessel- und
                              Maschinenanordnung gegenüber den früheren zeigen. Ein Mahagoniboot von 7 m Länge ist
                              von der oben genannten Gesellschaft ausgestellt und mit einem eigenartigen
                              Kessel für Erdölfeuerung ausgerüstet.
                           Der Kessel besteht aus einer Anzahl doppel-S-förmig
                              gebogener enger Kupferröhren, welche beiderseits symmetrisch angeordnet und oben und
                              unten verbunden sind. Der untere Rost befindet sich unmittelbar unter dem
                              Erdölbrenner, der somit zwischen den Röhren liegt. Oben über dem Brenner laufen die
                              Rohre in einen als Dampfsammler dienenden Behälter zusammen.
                           Die Röhren sind nahtlose Kupferrohre, die in Folge ihrer doppelten Krümmung leicht
                              sich ausbiegen können; sie sind leicht auswechselbar und ohne Schwierigkeit zu
                              entfernen, da sie mit leicht zugänglichen Verschlüssen versehen sind. Das Rohrsystem
                              sammt Brenner und Sammler ist von einem kupfernen Mantel allseitig umschlossen.
                              Bemerkenswerth ist, dass nur Kupfer zu diesem Kessel benutzt ist.
                           Der Brenner besteht aus Asbestwolle, welche mit Erdöl (oder auch Spiritus) ständig
                              getränkt wird. Der Brenner wird anfangs durch eine Luftpumpe, später im Betriebe
                              durch einen Dampfstrahl aus dem Kessel mit Oel versehen. Der Brenner soll in 5
                              Minuten arbeitsfähig sein, während der Kessel 15 Minuten später bereits einen
                              Dampfdruck von 100 Pfund aufweisen soll.
                           Ein Aluminium-Torpedoboot der französischen Marine wird
                              von B. Yarrow im Engmeer,
                              1895 * 316, ausführlich beschrieben. Von der Yarrow'schen Werft sind mit der Verwendung von Aluminium zu Schiffshäuten viel
                              Versuche angestellt, aus denen sich als Regel ergeben hat, dass Aluminiumplatten 50
                              Proc. dicker sein müssen als Stahlplatten, um hinreichende Festigkeit und Sicherheit
                              zu bieten. Da Aluminium um ein Drittel leichter ist als Stahl, so ergibt sich eine
                              Gewichtsverminderung des Schiffskörpers um die Hälfte bei Anwendung von Aluminium,
                              d.h. während der stählerne Schiffskörper allein 4 t wiegt, wiegt derselbe aus
                              Aluminium nur 2 t.
                           Die Verwendung reinen Aluminiums soll sich nicht bewährt haben, dagegen wird eine
                              Beimischung von 6 Proc. Kupfer als sehr zweckmässig und günstig empfohlen. Unsere
                              Quelle äussert sich an der Hand von Festigkeitsdiagrammen über diesen Punkt
                              ausführlicher und beweist, dass obiger Kupferzusatz den Widerstand gegen Zerreissen
                              verdoppelt.
                           Bezüglich der Corrosion durch Seewasser soll sich ein Verlust von 4 Proc. in 12
                              Monaten herausgestellt haben für den Fall, dass kein galvanischer Strom durch
                              mangelhafte Metallverbindung hergestellt war. Dieser Versuch bezog sich auf
                              ungestrichene Bleche von ⅓ Zoll Dicke. Diesen günstigen Ergebnissen gegenüber wird
                              aber besonders betont, dass Säuren und Hitze die grössten Feinde des Aluminiums sind
                              und dasselbe rasch verderben. Bei hoher Temperatur oxydirt das Aluminium mit
                              ausserordentlicher Schnelligkeit, so dass sämmtliche Verbindungen auf kaltem Wege
                              durch Biegen und Vernieten herzustellen sind.
                           Die Dreifach-Expansionsmaschinen des Yarrow'schen
                              Aluminiumbootes haben eine Stärke von 300 ind.  und sind mit Ausnahme des
                              Niederdruckkolbens ohne Anwendung von Aluminium gebaut. Der Kessel zeigt den
                              üblichen Yarrow'schen Typus mit Kupferröhren; das Boot
                              hat 19 m Länge bei 2,90 m Breite und läuft 20,5 Knoten, während nur 18,75 Knoten
                              vereinbart war. Es
                              wiegt 11 t. Die Maschine hatte ein Gewicht von 40 Pfund für 1 ind.  und gibt
                              der Aluminium-Bronzeschraube 600 Umdrehungen.